Bei den Bestimmungen über das eigentliche Asylverfahren versuchten Vertreter der SVP Forderungen ihrer Volksinitiative "gegen die illegale Einwanderung" einzubauen, die das Volk im Dezember des Vorjahres abgelehnt hatte. Hasler (AG) verlangte, dass das Vorweisen eines Ausweispapieres Voraussetzung für die Zulassung zum Verfahren sei.Hans Fehr (ZH) forderte, dass auf Gesuche illegal eingereister Flüchtlinge nicht mehr eingetreten werde. Fischer (AG) wollte das Arbeitsverbot von neu eingereisten Asylbewerbern von drei auf sechs Monate ausdehnen. Der Rat lehnte alle diese Anträge deutlich ab. Ebenso erging es den Anträgen, die frauenspezifische Regelungen verlangten. Bühlmann (gp, LU) und von Felten (sp, BS) wollten die Rücksichtnahme auf Frauen, Minderjährige und Folteropfer im Verfahren und während des Aufenthalts in den Detailbestimmungen verankern. Sie verlangten unter anderem, dass Ehefrauen ein eigenes Asylverfahren erhalten. Nur in einem Punkt wurden die rotgrünen Anträge angenommen: Flüchtet ein Minderjähriger allein in die Schweiz, dürfen ihn die Asylbehörden erst dann befragen, wenn ein Vormund oder Beistand ernannt ist, der die Interessen des Kindes wahrnehmen kann.
Von allen Asylbewerbern waren bisher diejenigen am schlechtesten gestellt, welche mit dem Flugzeug einreisen und bereits im Flughafen ein Asylgesuch stellen. Sie mussten auf unbestimmte Zeit im "Niemandsland" des Transitbereichs ausharren, bis das BFF abgeklärt hatte, ob ein Asylgesuch überhaupt gerechtfertigt sei. Fiel die Untersuchung negativ aus, so wurden die Asylbewerber abgeschoben, ohne die Möglichkeit erhalten zu haben, einen Anwalt zu kontaktieren oder gegen den Entscheid des BFF Rekurs bei der Asylrekurskommission (ARK) einzulegen. Um dieser ungleichen Behandlung der Asylsuchenden ein Ende zu bereiten, schlug der Bundesrat vor, die maximale Frist für die Abklärungen des BFF auf zehn Tage festzusetzen. Die vorberatende Nationalratskommission wollte den Behörden dafür sogar 15 Tage Zeit lassen.
Der Nationalrat musste jedoch die Flughafenregelung in einem zentralen Punkt ergänzen, um zu vermeiden, dass die Schweiz die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt. Der Europäische Gerichtshof hatte nämlich inzwischen klargemacht, dass es Freiheitsentzug ist, wenn Asylsuchende die Transiträume eines Flughafens nicht verlassen dürfen. Wer so in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, hat demnach Anrecht auf eine richterliche Überprüfung. Im gleichen Sinn hatte kurz vor Aufnahme der parlamentarischen Beratungen auch das Bundesgericht entschieden. Der Nationalrat beschloss deshalb, dass das BFF den Asylsuchenden, die in Zürich-Kloten oder Genf-Cointrin gelandet sind, die vorläufige Verweigerung der Einreise innert 48 Stunden eröffnen muss. Die Bewerber können diese Verfügung anfechten, und die Behörden müssen ihnen die Möglichkeit geben, einen Beistand beizuziehen. Beibehalten wurde die fünfzehntägige Frist für die Abklärungen. Die Ratsmehrheit begründete dies mit dem Umfang der Untersuchungen, die für ein seriöses notwendig seien. Abgelehnt wurde ein rot-grüner Antrag, der diese Asylsuchenden nach 72 Stunden einem Durchgangsheim zuweisen wollte.
Zum Abschluss behandelte die grosse Kammer noch die Arbeitsbedingungen der Asylbewerber und vorläufig Aufgenommenen. Neu müssen sowohl Flüchtlinge wie Schutzbedürftige, die eine Arbeit finden, neben Fürsorge- und Verwaltungskosten auch die Aufwendungen für Ausreise und Verfahren zurückerstatten. Dafür werden 10% ihres Lohnes auf ein Sicherheitskonto überwiesen. In diesem Punkt versuchte die SVP ebenfalls, Forderungen aus ihrer abgelehnten Asylinitiative einzubringen, nämlich jene nach einer staatlichen Lohnverwaltung; und auch hier blitzte sie ab. Anders als Asylbewerber sollten gemäss Bundesrat Schutzbedürftige erst nach sechs Monaten arbeiten dürfen. Die Mehrheit des Nationalrates wollte in diesem Punkt aber Asylbewerber und Schutzbedürftige gleichstellen und sprach sich generell für eine Sperrfrist von drei Monaten aus. Schliesslich wurde noch die Kantonalisierung der Fürsorge für Asylbewerber und Schutzbedürftige beschlossen; für diese erhalten die Kantone inskünftig pauschale Bundesbeiträge, statt dass die Kosten individuell abgerechnet werden. Diese Massnahme wurde vom links-grünen Lager und den Hilfswerken vehement abgelehnt, da sie darin eine Massregelung der oft als unbotmässig kritisierten Asylhilfe zu erkennen glaubten. Das revidierte Asylgesetz wurde vom Nationalrat nach 17 Stunden Beratung mit 73 zu 60 Stimmen bei 17 Enthaltungen verabschiedet.
Totalrevision des Asylgesetzes
Dossier: Révision totale sur le loi d'asil 94-98