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Acteurs

  • von Graffenried, Alec (BE, gfl)
  • Vonlanthen, Beat (cvp/pdc, FR) SR/CE

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In der Frühjahrssession 2023 begann der Ständerat die Beratung der Mehrwertsteuerrevision. Die WAK-SR beantragte dabei zahlreiche Differenzen gegenüber der nationalrätlichen Version. Zu Beginn der Debatte stellte Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW) klar, dass sich die WAK-SR gegen die diskutierte Ausweitung der Plattformbesteuerung auf elektronische Dienstleistungen ausgesprochen habe. Stattdessen habe man eine Motion eingereicht, um die Auswirkungen einer solchen ausführlich klären zu können.

Die meisten Aspekte der Vorlage hiess der Ständerat als Zweitrat stillschweigend gut, etwa die Unterstellung der Produkte der Monatshygiene (z.B. Tampons und Binden) unter den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2.5 Prozent statt wie bisher 7.7 Prozent (gemäss der Motion Maire: sp, NE; Mo. 18.4205), die Schaffung der neuen Plattformbesteuerung (gemäss der Motion Vonlanthen: damals cvp, FR; Mo. 18.3540) oder die Gleichstellung von Sport- und Kulturvereinen bei der Mehrwertsteuer (gemäss der Motion Page: svp, FR; Mo. 17.3657).

Abweichungen gegenüber dem Nationalrat schuf die kleine Kammer jeweils auf Antrag ihrer Kommission – der sie in allen Anträgen folgte –, beispielsweise bei der Behandlung von gewinnorientierten Anbietenden im Gesundheitsbereich. In mehreren Punkten war der Nationalrat zuvor von der bisherigen Regelung, wonach lediglich nicht gewinnorientierte Unternehmen von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden können, abgewichen. So hatte er etwa auch den Belegärzten in Ambulatorien oder Tageskliniken erlaubt, ihre Leistungen ohne Mehrwertsteuer abzurechnen, obwohl diese Gewinne erzielen können. Die Kommissionsmehrheit befürwortete es diesbezüglich hingegen, bei dem Prinzip zu bleiben, wonach alles, «was Gewinn abwirft, [...] auch der Mehrwertsteuerpflicht unterliegen» soll, wie es Kommissionssprecher Ettlin formulierte. Hingegen wich die Kommissionsmehrheit selbst von dieser Regelung ab, als sie beantragte, dass nicht mehr nur wie bisher die gemeinnützigen Organisationen der Krankenpflege (konkret die öffentliche Spitex) Betreuungs- und Begleitungsleistungen mehrwertsteuerbefreit anbieten können sollten, sondern auch die gewinnorientierten. Sie begründete diesen Entscheid damit, dass es keinen Sinn mache, dieselben Leistungen je nach Anbietenden unterschiedlich zu besteuern. Eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) lehnte den Bruch mit dem bisherigen Konzept ab und beantragte die Streichung dieser Neuerung. Finanzministerin Keller-Sutter ergänzte, dass damit nur eine neue Ungleichbehandlung geschaffen werde, zum Beispiel gegenüber allen anderen Unternehmen, die Reinigungsleistungen anbieten, aber keine Spitex-Organisation darstellten. Mit 20 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat jedoch seiner Kommissionsmehrheit.
Hingegen sträubten sich die Kommissionsmehrheit sowie die kleine Kammer gegen weitere, vom Nationalrat vorgesehene Ausweitungen der Ausnahmen von der Mehrwertsteuer im Gesundheitsbereich. So lehnte der Ständerat etwa eine allgemeine Ausnahme des Zurverfügungstellens von Personal zur Krankenbehandlung oder Sozialhilfe von der Mehrwertsteuer ab – bisher war eine solche Ausnahme nur religiösen oder weltanschaulichen, nicht-gewinnorientierten Einrichtungen möglich gewesen. Auch eine Ausdehnung der Ausnahmen auf alle Leistungen der koordinierten Vorsorge – auch auf die vom Bundesrat ausgenommenen administrativen Leistungen – hiess die Mehrheit der WAK-SR nicht gut.

Differenzen schuf der Ständerat auf Antrag seiner Kommission auch in anderen Themenbereichen. Bei der Umsetzung der Motionen Stöckli (sp, BE; Mo. 18.4194) und von Siebenthal (svp, BE; Mo. 18.4363) für eine Ausnahme von ausländischen Touranbietern von der Schweizer Mehrwertsteuer etwa hatte der Bundesrat vorgeschlagen, dass Dienstleistungen von Reisebüros am Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit der Reisebüros besteuert werden sollen. Dies sollte sicherstellen, dass ausländische Reisebüros auch weiterhin Reisen in die Schweiz anbieten, der Nationalrat hatte die neue Regelung jedoch gestrichen, da sie die Schweizer Reiseanbietenden benachteiligen würde. Die WAK-SR schlug stattdessen erfolgreich vor, die Ungleichbehandlung zu beheben, indem auch die Schweizer Anbietenden von der Mehrwertsteuer befreit werden.
Einen Änderungsantrag stellte die Kommission auch zur Umsetzung der Motion Riklin (damals cvp, ZH; Mo. 19.3783). So werden heute «sämtliche Hilfsmittel der Landwirtschaft zum tieferen Satz besteuert», wie der Kommissionssprecher ausführte – somit also auch Pestizide, die auch in Privatgärten eingesetzt werden. Neu sollen gemäss Kommission und Ständerat jedoch nur noch umweltfreundliche Pflanzenschutzmittel dem tieferen Satz unterstehen, womit die Motion erfüllt würde.
Schliesslich ist es möglich, dass bei der ESTV registrierte und nach der effektiven Methode abrechnende steuerpflichtige Importeurinnen und Importeure ihre Mehrwertsteuer nicht am Zoll entrichten und diese später als Vorsteuer zurückfordern müssen, sondern direkt in der Mehrwertsteuerabrechnung verrechnen können. Dieses sogenannte Verlagerungsverfahren sollte gemäss Bundesrat neu auch für die Plattformen gelten. Der Nationalrat wollte es zudem auf alle Importeurinnen und Importeure ausdehnen, was gemäss WAK-SR jedoch eine Verschiebung von CHF 2.9 Mrd. an Einnahmen auf einen späteren Zeitpunkt, Mehraufwand für die Verwaltung und die Unternehmen sowie eine Benachteiligung der Binnenwirtschaft bedeuten würde. Folglich beantragte die Kommission erfolgreich die Streichung der entsprechenden Ausdehnung durch den Nationalrat.

In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf – mit insgesamt 14 Differenzen zum Nationalrat – einstimmig (mit 35 zu 0 Stimmen) an und schrieb verschiedene ihm zugrunde liegende Vorstösse ab. Jedoch entschied er sich auf Antrag seiner Kommission, bei der Motion 16.3431 der WAK-SR auf eine Abschreibung zu verzichten, da man die Grundsatzfrage des Vorstosses, nämlich ob subventionierte Aufgaben der Mehrwertsteuer unterliegen sollen, noch nicht geklärt habe.

Revision des Mehrwertsteuergesetzes: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (BRG 21.019)
Dossier: Développement de la TVA dans le cadre d'une économie numérisée et mondialisée – une affaire fédérale (MCF 21.019) et le chemin pour y arriver

Im September 2021 legte der Bundesrat eine umfassende Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes vor, in die er auch die Forderung von Beat Vonlanthen (damals cvp, FR), «ausländische Online-Marktplätze und Dienstleistungs-Plattformen bei Lieferungen oder Dienstleistungen in die Schweiz der Mehrwertsteuer zu unterstellen», aufnahm. Folglich erachtete er die Motion in seiner Botschaft als erfüllt und beantragte deren Abschreibung. Stillschweigend folgten Nationalrat (in der Sondersession 2022) und Ständerat (in der Frühjahrssession 2023) diesem Antrag.

Mehrwertsteuerpflicht von Online-Plattformen bei Verkäufen aus dem Ausland in die Schweiz (Mo. 18.3540)
Dossier: Développement de la TVA dans le cadre d'une économie numérisée et mondialisée – une affaire fédérale (MCF 21.019) et le chemin pour y arriver

Am Montag der dritten Herbstsessionswoche 2020 besetzten Klimaaktivistinnen und -aktivisten den Bundesplatz, obwohl dort Veranstaltungen während der Session verboten sind. Dies führte bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu einigem Ärger. So beschwerten sich gemäss verschiedener Medien insbesondere bürgerliche Parlamentsmitglieder, von den Klimaaktivistinnen und -aktivisten «angepöbelt» worden zu sein. Dabei stellten die Medien vor allem verschiedene verbale Entgleisungen ins Zentrum der Berichterstattung. So soll Roland Büchel (svp, SG) derart genervt gewesen sein, dass er die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten vor laufender Kamera als «Arschlöcher» bezeichnete. Andreas Glarner (svp, AG) nannte die Demonstrierenden während eines Interviews «Kommunisten und Chaoten» und Sibel Arslan (basta, BS), die das Anliegen der Streikenden vertreten wollte, «Frau Arschlan» – was er später als Versprecher entschuldigte. Umgekehrt regten sich linke Parlamentsmitglieder über die falschen Prioritäten der Medien auf, so etwa Jacqueline Badran (sp, ZH), die in einem Radiointerview die Medien angriff, welche «den huere fucking Glarner, who cares, [...] statt die Forderungen der Jugendlichen» gefilmt hätten.

Die Debatten drehten sich in der Folge allerdings nicht nur um «Anstand» und verbale Entgleisungen, sondern auch darum, ob der Bundesplatz überhaupt besetzt werden darf – insbesondere während der Session. Während sich bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschwerten, zeigten links-grüne Mitglieder der Bundesversammlung Verständnis für die Aktion. Die aktuelle Regelung im Kundgebungsreglement der Stadt Bern besagt, dass die Versammlungsfreiheit auf dem Bundesplatz während der Sessionen vor allem für grosse Manifestationen aufgehoben wird. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Massnahme ist die Stadt Bern, weshalb sich die Kritik der Bürgerlichen in der Folge vor allem gegen den Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried (gfl) richtete. Einige Medien – darunter etwa die NZZ – warfen der Stadt gar vor, «mit zweierlei Mass» zu messen und das Demonstrationsverbot «selektiv» umzusetzen.

Die Aktion auf dem Bundesplatz führte schliesslich auch zu einiger parlamentarischer Betriebsamkeit. Ein noch am gleichen Montag eingereichter Ordnungsantrag (20.9004/21364) von Thomas Aeschi (svp, ZG), der die Räumung des Platzes beantragte, wurde mit 109 zu 83 Stimmen (1 Enthaltung) im Nationalrat angenommen. Dagegen stimmten die geschlossenen Fraktionen von SP, GP und GLP sowie zwei Angehörige der Mitte-Fraktion. Der am nächsten Tag von Esther Friedli (svp, SG) eingereichte Ordnungsantrag (20.9004/21402), mit dem zusätzlich eine Anzeige gegen die Stadt Bern und die «Klimaextremisten und Linksradikalen» gefordert wurde, lehnte eine 90 zu 79-Stimmen-Mehrheit (bei 16 Enthaltungen) dann freilich ab. Hingegen richtete sich die VD mit einem von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (fdp, VD) und Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) unterzeichneten Schreiben an die Regierungen von Stadt und Kanton Bern und forderte diese auf, für die Einhaltung der Rechtsbestimmungen zu sorgen. Und schliesslich reichte Christian Imark (svp, SO) eine Motion ein, mit der er forderte, die Stadt Bern des Bundesplatzes zu enteignen. Dadurch könne der Bundesrat «künftig selber für Recht und Ordnung auf dem Bundesplatz» sorgen, weil «die linke Berner Stadtregierung [...] die Chaoten immer öfter gewähren» lasse.
Wohl auch weil die Polizei am Mittwoch nach zwei Ultimaten der Stadtregierung den Platz räumte, legte sich die Aufregung kurz darauf wieder. Der Bundesrat beantragte ein paar Wochen später die Ablehnung der Motion, weil eine Enteignung nicht verhältnismässig sei und die Zusammenarbeit mit der Stadt Bern bezüglich Nutzung des Bundesplatzes so funktioniere, dass die Interessen des Parlaments berücksichtigt würden. Die Motion Imark selber wurde dann zwei Jahre nach ihrer Einreichung wegen Nichtbehandlung abgeschrieben.

Wem gehört der Bundesplatz? (Mo. 20.4028)

In der Sondersession im Mai 2022 behandelte der Nationalrat die neuste Mehrwertsteuerrevision, ein «Sammelsurium von Massnahmen» (Schneeberger), die grösstenteils auf eine Vereinfachung der Mehrwertsteuer abzielten. Daniela Schneeberger (fdp, BL) und Céline Amaudruz (svp, GE) stellten dem Rat die Vorlage im Namen der WAK-NR vor. Die Hauptpunkte der Revision waren in der Eintretensdebatte kaum umstritten, die Fraktionen zeigten sich aber dennoch wenig begeistert von der Revision: «Zu dieser Mehrwertsteuergesetzrevision haben Sie sich nicht mit grosser Begeisterung geäussert», merkte denn auch Finanzminister Maurer an. Er wies jedoch allfällige Kritik an der Vorlage gleich zu Beginn ans Parlament zurück: Der Bundesrat habe neben minimalen, unumstrittenen Vereinfachungen lediglich vom Parlament überwiesene Vorstösse umgesetzt.
Der Nationalrat schuf nur wenige vom bundesrätlichen Entwurf abweichende Regelungen: Unter anderem verlangte die Regierung aufgrund der Motionen Stöckli (sp, BE; Mo. 18.4194) und von Siebenthal (svp, BE; Mo. 18.4363), im Ausland bewirkte Leistungen der Reisebüros von der Mehrwertsteuer auszunehmen. Damit solle «die administrative Hürde für ausländische Reisebüros» gesenkt und der Schweizer Tourismus gefördert werden, erklärte Schneeberger. Die Kommissionsmehrheit beantragte jedoch erfolgreich die Ablehnung der neuen Regelung, um eine Benachteiligung der Schweizer Reisebüros zu verhindern. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) hatte hier überdies die Leistungen von Wiederverkäufern im Tourismusbereich von der Mehrwertsteuer ausnehmen wollen, fand damit aber keine Mehrheit.
Auch bei den Bereichen, die von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden sollen, setzte sich die Kommissionsmehrheit gegen den Bundesrat durch. Sie wollte neben den bereits betroffenen Gesundheitseinrichtungen und neu auszunehmenden Leistungen der koordinierten Versorgung (Motion Humbel: mitte, AG; Mo. 19.3892) auch Leistungen von Tageskliniken und Ambulatorien von der Mehrwertsteuer befreien. Zudem sollte auch das Anbieten von Anlagegruppen von Anlagestiftungen gemäss BVG zukünftig nicht mehr der Mehrwertsteuer unterliegen. Stillschweigend wurden beide Änderungen angenommen, erstere gegen einen Minderheitsantrag Birrer-Heimo (sp, LU).
Des Weiteren schlug die Kommissionsmehrheit vor, dass Steuerpflichtige mit steuerbaren Leistungen unter CHF 250'000 und ohne Wohn- und Geschäftssitz in der Schweiz ihre Leistungen zukünftig direkt mit der ESTV abrechnen können und nicht wie bisher eine Vertreterin oder einen Vertreter bestimmen müssen. Eine Minderheit Marti (sp, BL) sowie Bundesrat Maurer wollten den diesbezüglichen Status quo verteidigen: Diese Vertretenden dienten der Kommunikation mit den Steuerpflichtigen und seien nötig, weil amtliche Dokumente nur im Inland zugestellt werden dürfen. Allerdings folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit.
Ansonsten wurden zwar zahlreiche Minderheitsanträge diskutiert, von denen blieb jedoch der Grossteil erfolglos. So schuf der Nationalrat zum Beispiel wie vom Bundesrat vorgeschlagen die Plattformbesteuerung der Versandhandelsplattformen, wie sie in der Motion Vonlanthen (damals noch cvp, FR; 18.3540) gefordert worden war. Da deren Zahl geringer sei als diejenige der Verkäuferinnen und Verkäufer, könnten die Lieferungen besser zugeordnet und identifiziert werden, erklärte Daniela Schneeberger für die Kommission. Diese Änderung stiess denn auch nicht auf Widerstand. Vier Minderheitsanträge Aeschi verlangten jedoch eine Präzisierung der Regelungen, um eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Plattformen sowie der schweizerischen gegenüber den ausländischen Plattformen zu verhindern. Finanzminister Maurer empfahl diese Anträge zur Ablehnung, zumal die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung «sehr komplex» sei und bei Änderungen «vieles aus dem Lot» geraten könne. Die Minderheitsanträge wurden in der Folge verworfen. Ergänzend definierte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission den Begriff «elektronische Plattform».
Ein weiterer umstrittener Aspekt betraf die Besteuerung der Emissionsrechte. Gemäss Kommissionssprecherin Schneeberger hatte das Bundesgericht in einem Urteil entschieden, dass der Emissionshandel zu besteuern sei, um Missbrauch zu verhindern. Daher habe der Bundesrat eine «generelle Bezugsteuerpflicht [unter anderem] bei der Übertragung von Emissionsrechten» geschaffen. Diesem Vorschlag wollte die Kommissionsmehrheit folgen, während eine Minderheit Aeschi den Handel mit CO2-Emissionsrechten von der Mehrwertsteuer ausnehmen wollte: Die CO2-Zertifikate seien Lenkungsabgaben. Da mit diesen kein Mehrwert geschaffen werde, müssten sie auch nicht der Mehrwertsteuer unterstellt werden, argumentierte Thomas Burgherr (svp, AG), der zudem einen weiteren Minderheitsantrag zu dieser Frage stellte. Finanzminister Maurer wehrte sich gegen diese Einschätzung und erachtete den Kauf von Emissionszertifikaten als «klar definierte Leistung». Auch diese Minderheitsanträge fanden im Nationalrat keine Mehrheit.
Diskussionen gab es auch um die zukünftige Möglichkeit für ein Gemeinwesen, «von ihm ausgerichtete Mittel gegenüber dem Empfänger oder der Empfängerin ausdrücklich als Subvention oder anderen öffentlich-rechtlichen Beitrag» zu definieren – sofern die entsprechenden Rahmenbedingungen erfüllt sind. Dies hatte eine Motion der WAK-SR (Mo. 16.3431) gefordert. So stelle sich «immer die Frage, was eine Subvention» sei, betonte der Finanzminister. Dadurch, dass die Gemeinwesen dies zukünftig festlegen könnten, schaffe man in dieser Frage Klarheit. Dies bestritt jedoch eine Minderheit Aeschi, die bezweifelte, dass die ESTV später entsprechende Klassifizierungen akzeptieren werde. Wiederum folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit.
Diskutiert wurde auch über die Frage, welche Güter zum reduzierten Satz besteuert werden sollen. Der Bundesrat hatte diesbezüglich eine Änderung bei den Artikeln der Monatshygiene beantragt, wie sie in der angenommenen Motion Maire (sp, NE; Mo. 18.4205) verlangt worden war. Eine Minderheit I Schneeberger wollte auf die Schaffung dieser zusätzlichen Ausnahme verzichten, während eine Minderheit II Gigon (gp, VD) sie um Windeln und Einlagen gegen Inkontinenz ergänzen wollte. Beide Anträge blieben erfolglos, der Nationalrat blieb beim bundesrätlichen Vorschlag. Erfolglos blieb überdies auch eine Minderheit Friedli (svp, SG) zur Unterstellung der Beherbergungsleistungen unter den reduzierten Satz anstelle des Sondersatzes.
Insgesamt war in der Beratung lediglich ein Minderheitsantrag erfolgreich, nämlich derjenige von Markus Ritter (mitte, SG) zur Beschränkung des Vorsteuerabzugs auf die vom Vorsteuerabzug berechtigten Tätigkeiten. Heute gebe es beim Erwerb von qualifizierten Beteiligungen einen Vorsteueranspruch «im Rahmen der zum Vorsteuerabzug berechtigten unternehmerischen Tätigkeiten». Auf zusätzlichen anderen Tätigkeiten sei jedoch kein solcher Abzug möglich. Durch einen Änderungsvorschlag der Kommissionsmehrheit entstünde jedoch neu auch auf Letzteren ein Vorsteueranspruch, was nicht gerechtfertigt sei. Mit 105 zu 77 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Nationalrat Ritter in dieser sehr technischen Frage. Die SVP- und die FDP.Liberale-Fraktion hatten die Version der Kommissionsmehrheit bevorzugt.
Stillschweigend hiess die grosse Kammer unter anderem in Übereinstimmung mit einer weiteren Motion Page (Mo. 17.3657) die Ausnahme der für eine Teilnahme an kulturelle Anlässe verlangten Entgelte von der Mehrwertsteuer gut. Unbestritten war auch die Schaffung einer Mithaftung für Mitglieder der geschäftsführenden Organe bei Serien-Konkursen. Auch die jährliche Abrechnungsmöglichkeit für die Mehrwertsteuer stiess im Nationalrat nicht auf Widerstand.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat diese thematisch breite Mehrwertsteuerrevision mit 129 zu 53 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gut. Sowohl die ablehnenden Stimmen als auch die Enthaltung stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Zudem nahm der Nationalrat auch die Petitionen von Campax mit dem Titel «Bloody unfair - runter mit der Tampon-Steuer!» (Pet. 19.2017) und von der Jugendsession 2017 zur «Überarbeitung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der AHV» (Pet. 18.2006) zur Kenntnis.

Revision des Mehrwertsteuergesetzes: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (BRG 21.019)
Dossier: Développement de la TVA dans le cadre d'une économie numérisée et mondialisée – une affaire fédérale (MCF 21.019) et le chemin pour y arriver

Im September 2021 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Revision des Mehrwertsteuergesetzes mit dem Ziel, die Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft weiterzuentwickeln. Mit den Änderungen in den Bereichen Steuerpflicht, Steuerabrechnung und Steuersicherung beabsichtige er eine Vereinfachung der Mehrwertsteuer für KMU, die Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen inländischer Unternehmen, Steuersicherung sowie die Umsetzung verschiedener Motionen. Die Revision soll Mehreinnahmen «im mittleren zweistelligen Millionenbereich» mit sich bringen, insbesondere verursacht durch die Besteuerung der elektronischen Versandhandelsplattformen (ca. CHF 75 Mio.). Demnach sollen ausländische Versandhandelsunternehmen, die sogenannten «Plattformen», als Leistungserbringende eingestuft werden, wie es von einer Motion Vonlanthen (damals noch cvp, FR; Mo. 18.3540) gefordert worden war. Zwar sind diese Plattformen bereits heute ab einem Umsatz durch Kleinsendungen in der Schweiz von CHF 100'000 mehrwertsteuerpflichtig, viele erreichen jedoch diesen Wert nicht – Ende April 2020 waren nur 213 entsprechende Plattformen bei der Mehrwertsteuer registriert. Neu sollen sie deshalb als Lieferanten die Mehrwertsteuer auf alle verkauften Produkte entrichten müssen. Dabei soll die ESTV auch Möglichkeiten für administrative Massnahmen bei Zuwiderhandlung, wie ein Einfuhrverbot, die Möglichkeit zur Zerstörung der Produkte und die Schaffung einer Liste mit fehlbaren Unternehmen, erhalten. Anders als von der Motion Vonlanthen gefordert, soll jedoch nur die Besteuerung der Plattformen für Gegenstände, nicht aber diejenige für Dienstleistungen geändert werden, erklärte der Bundesrat. Letztere würden üblicherweise bereits als Leistungserbringende gelten. Hingegen sei eine Auskunftspflicht für Plattformen zu Unternehmen, die Beförderungs- oder Beherbergungsleistungen erbringen, geplant.
Zur Reduktion des Aufwands der Unternehmen soll diesen die jährliche Abrechnung der Mehrwertsteuer mit Ratenzahlungen ermöglicht werden. Die Steuersicherung soll verbessert werden, indem der Handel mit Emissionsrechten der Bezugssteuer unterstellt wird und Geschäftsführungsmitglieder juristischer Personen zur Bereitstellung von Sicherheiten verpflichtet werden können.
Daneben sollen mit der Revision zahlreiche weitere Motionen umgesetzt werden, etwa eine Motion der WAK-SR (Mo. 16.3431) für eine Streichung der Mehrwertsteuer auf subventionierte Aufgaben, die Motion Page (svp, FR; Mo. 17.3657) für eine Beseitigung der Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen in der Mehrwertsteuer, die Motion Maire (sp, NE; Mo. 18.4205) für eine Reduktion des Mehrwertsteuersatzes für Damenhygieneartikel und eine Motion Humbel (mitte, AG; Mo. 19.3892) für eine Ausnahme der Leistungen der hausärztlich koordinierten Versorgung von der Mehrwertsteuer.

Revision des Mehrwertsteuergesetzes: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (BRG 21.019)
Dossier: Développement de la TVA dans le cadre d'une économie numérisée et mondialisée – une affaire fédérale (MCF 21.019) et le chemin pour y arriver

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Zusammenfassung
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Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes (BRG 21.019)

Mit der im September 2021 vorgelegten Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes beantragte der Bundesrat die Umsetzung zahlreicher Motionen und Postulate. Hauptbestandteil der Revision war die neue Besteuerung der elektronischen Versandhandelsplattformen gemäss einer Motion Vonlanthen (damals noch cvp, FR; Mo. 18.3540), darüber hinaus wurde aber etwa auch der Mehrwertsteuersatz auf Damenhygieneartikel reduziert (gemäss einer Motion Maire: sp, NE; Mo. 18.4205) oder die Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen in der Mehrwertsteuer behoben (gemäss einer Motion Page: svp, FR; Mo. 17.3657). Das Parlament entschied sich zudem, auch die Mehrwertsteuerausnahmen im Gesundheitsbereich teilweise neu zu regeln.

Chronologie
Vernehmlassung
Botschaft
Erstrat
Zweitrat
Differenzbereinigung
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Revision des Mehrwertsteuergesetzes: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (BRG 21.019)
Dossier: Développement de la TVA dans le cadre d'une économie numérisée et mondialisée – une affaire fédérale (MCF 21.019) et le chemin pour y arriver

In der Sommersession 2021 stimmte die kleine Kammer der Abschreibung des Postulates «Die Chancen der Kreislaufwirtschaft nutzen. Prüfung steuerlicher Anreize und weiterer Massnahmen» des ehemaligen Ständerates Beat Vonlanthen (cvp, FR) zu. Der Bundesrat hatte den Bericht in Erfüllung des Postulates im Juni 2020 publiziert.

Stimuler l'économie circulaire (Po. 17.3505)
Dossier: Interventions parlementaires sur l'économie circulaire depuis le rejet de l'initiative populaire «Economie verte»
Dossier: L'obsolescence programmée et des efforts en faveur de l'économie circulaire

Au début du mois d'avril 2021, Tamedia a annoncé la fusion des rédactions régionales du Bund et de la Berner Zeitung. Le groupe avait déjà annoncé fin octobre 2020 une collaboration plus proche à venir entre les deux principaux quotidiens bernois. Les journaux continueront d'exister séparément, mais leurs contenus seront donc presque identiques, puisque les rubriques suprarégionales étaient déjà réunies depuis 2018. Si les détails de cette fusion doivent encore être précisés, il a déjà été communiqué que le Bund étoffera sa rubrique débats et opinions, tout en proposant des reportages sur l'actualité étrangère et culturelle, alors que la Berner Zeitung se concentrera sur l'actualité sportive et régionale. La fusion, qui permettra des synergies dans le suivi des événements régionaux et cantonaux, mènera à la perte d'environ vingt places de travail. Cette annonce met ainsi fin au «modèle bernois», avec ses deux journaux indépendants l'un de l'autre, le Bund étant plutôt «citadin» tandis que la Berner Zeitung gardait son ancrage «campagnard». En ce «jour noir», le maire de la capitale Alec von Graffenried (BE, gfl) craignait un appauvrissement de la place médiatique bernoise.

Fusion des rubriques régionales du Bund et de la Berner Zeitung

Sans connaître d'avancée significative, les différents projets d'expositions nationales ont continué leurs développements respectifs au cours de l'année 2020. Aux côtés des trois projets déjà existants, un quatrième a vu le jour cette année. «Muntagna, l'expo des Alpes27+» provient, selon La Liberté, «d'un groupe d'entrepreneuses et entrepreneurs de divers domaines qui veulent repenser la protection, l'utilisation et la perception des Alpes». Ce projet n'a néanmoins trouvé que peu d'échos dans les médias et reste méconnu. Alors que le projet «X-27», qui prévoit une foire à l'innovation sur le site de l'ancien aérodrome de Dübendorf, n'a lui non plus pas bénéficié d'une grande attention médiatique, ce sont les projets «Nexpo 28» et «Svizra 27» qui semblent avoir les plus grandes chances d'aboutir.

En février 2020, les promoteurs de «Svizra 27» annonçaient que le financement était assuré jusqu'en 2021. Le projet, soutenu par les cantons de Bâle-Ville et Bâle-Campagne, de Soleure, d'Argovie et du Jura, bénéficie également de l'appui de plusieurs associations des milieux économiques, qui assurent une partie de son financement. L'exposition devrait, comme son nom l'indique, avoir lieu en 2027 (le nombre 27 représente également le nombre de cantons plus la confédération) sous le thème «Humain - Travail - Cohésion». Un concours d'idées a été lancé en juin et courait jusqu'à début octobre. Les dix meilleures idées ont été sélectionnées pour la prochaine étape, qui doit déterminer le lieu où pourrait se tenir cette exposition nationale. Le projet gagnant sera dévoilé à l'automne 2021 et les organisateurs espèrent soumettre le dossier au Conseil fédéral pour la fin de l'année 2021. Un jury de seize membres a été formé pour trancher parmi les différentes idées. On y retrouve plusieurs personnalités bien connues, notamment l'ancienne conseillère fédérale Doris Leuthard, l'architecte Pierre de Meuron et le psychiatre et explorateur Bertrand Piccard. Pour l'ensemble du projet, le comité de «Svizra 27» table sur un budget de CHF 1 milliard, financé à moitié par la Confédération, à hauteur de 400 millions par les recettes de billetterie, merchandising et sponsoring, et par les cantons qui soutiennent le projet à hauteur de 100 millions. Avant de voir le jour, il devra néanmoins encore franchir quelques obstacles importants. En effet, une fois le projet sélectionné et approuvé par le Conseil fédéral, il sera soumis à votation dans les cinq cantons associés.

«Nexpo 28» est certainement le concurrent le plus sérieux de «Svizra 27» à l'heure actuelle. Le projet regroupe les dix plus grandes villes de Suisse et devrait avoir lieu de manière décentralisée en 2028, sur la thématique des valeurs et du vivre-ensemble en Suisse au 21ème siècle. La route du projet est néanmoins elle aussi semée d'embûches. En effet, «Nexpo 28» compte sur la participation financière des villes, ce qui ne coule pas de source, notamment à Berne. Le conseil de ville a supprimé en septembre la participation de CHF 70'000 au projet. Le président de la ville Alec von Graffenried, qui est également vice-président de «Nexpo 28», espère que le conseil de ville reviendra néanmoins sur sa décision, regrettant «que la ville fédérale ne soutiennent pas le projet financièrement, alors que les autres grandes villes suisses le soutiennent et qu'il est plus en avance que ses concurrents.»

Le financement des différents projets constitue donc sans doute le nerf de la guerre pour la tenue d'une exposition nationale. Regrettant un manque de clarté à ce niveau, les promoteurs des quatre projets ont écrit une lettre commune à l'intention du Conseil fédéral en avril 2020. Sur quelle participation peuvent-ils compter de la part de la Confédération? À quelle phase du projet pourront-ils compter sur cette participation? Quel rôle jouera l'État fédéral dans l'appui à la manifestation? Selon le SECO, le gouvernement est en train de clarifier à qui revient le dossier. Mais il précise aussi qu'avec la crise du Covid-19, les projets d'exposition nationale ne constituent pas une priorité.

Expo 2027 – évolution des divers projets en lice
Dossier: Exposition nationale Expo 2027

Die gesamte Bundesverwaltung soll mit Hilfe eines zentralen Daten-Hubs eine zukunftsfähige Daten-Infrastruktur und Daten-Governance erhalten; der digitale Austausch zwischen Behörden aller Staatsebenen aber auch zwischen Behörden und Wirtschaft sowie Zivilgesellschaft soll mittels sogenannter «Open Access-Echtzeit-Schnittstellen (API)» verbessert werden. Nichts weniger forderte eine Motion der Finanzkommission des Nationalrats, die nicht einmal zwei Monate nach ihrer Einreichung vom Nationalrat in der Wintersession 2020 überwiesen wurde. Die FK-NR begründete ihren Vorstoss und den damit verbundenen Auftrag an den Bundesrat damit, mittels jährlichem Bericht aufzuzeigen, wie gross der Anteil an via diesem Hub erreichbaren und genutzten Daten ist, mit dem Ziel der Verbesserung der Beziehungen zwischen Staat und Unternehmen bzw. Bürgerinnen und Bürgern. Das «Once-Only-Prinzip» müsse umgesetzt werden: Standardinformationen sollen von der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft allen Behörden lediglich einmal mitgeteilt werden müssen. Die FK-NR wollte ihre Motion als Ergänzung zu den bereits angenommenen gleichlautenden Motionen Vonlanthen (cvp, FR; Mo. 18.4276) und Grüter (svp, LU; Mo. 18.4238) verstanden wissen, die die Einführung von elektronischen Schnittstellen in der Bundesverwaltung fordern. Der Bundesrat hatte die Annahme der Motion beantragt und im Nationalrat wurde sie ohne Diskussion durchgewinkt.

Zukunftsfähige Daten-Infrastruktur und Daten-Governance in der Bundesverwaltung (Mo. 20.4260)
Dossier: E-Government
Dossier: Des places de travail flexibles pour l'administration fédérale – Discussions depuis la crise du Covid-19

Mitten in der zweiten Welle des Coronavirus in der Schweiz fanden im November 2020 die Stadtberner Wahlen für den Gemeinderat, die städtische Exekutive, und das Stadtpräsidium statt. Weil die langjährige SP-Gemeinderätin Ursula Wyss im Vorfeld der Wahlen ihren Rücktritt bekannt gegeben hatte, stieg die Spannung im Wahlkampf – insbesondere bei den Anhängerinnen des Rot-Grün-Mitte-Bündnisses (RGM), welche nach den Gemeinderatswahlen 2016 erstmals vier der fünf Sitze innehatten und nun befürchteten, diesen historischen aber doch eher überraschenden Erfolg nicht wiederholen zu können. Insbesondere die FDP witterte nach dem Abgang von Wyss eine Chance, ihren 2016 verlorenen Gemeinderatssitz zurückzuerobern. Anders als noch 2016 schloss die Partei diesmal wieder ein Bündnis mit der SVP (Bürgerliches Bündnis – BüBü), um damit die Tücken des Stadtberner Wahlsystems zu umgehen. Im Gegensatz zu anderen Städten wählt Bern die Regierung nämlich nach dem Proporzsystem – allerdings mit dem entscheidenden Detail, dass keine Listenverbindungen erlaubt sind. Dadurch sind Parteien, welche alleine auf einer Liste antreten, klar im Nachteil gegenüber Parteien, welche ihre Kandidierenden zusammen mit denjenigen von anderen Parteien auf eine Liste setzen. Doch das Bündnis mit der SVP kam innerhalb der FDP nicht nur gut an. Gespräche mit allen grösseren Mitte-Rechts-Parteien über eine grosse Oppositionsliste waren zuvor am Widerstand der GLP gescheitert. Mehrere an einer Kandidatur interessierte FDP-Frauen zogen sich daraufhin zurück – mit der Begründung, sie könnten nicht glaubwürdig mit der SVP Wahlkampf betreiben. Als einziger interessierter Kandidat verblieb der Ökonom Bernhard Eicher (fdp), der dann auch von der Partei offiziell für die Wahlen nominiert wurde. Eicher sass seit 2008 im Berner Stadtrat, dem Stadtparlament, würde dort jedoch aufgrund der Amtszeitbeschränkung nach zwölf Jahren seinen Sitz nach den kommunalen Parlamentswahlen räumen müssen. Für ihn war die Gemeinderatskandidatur deshalb der logische nächste Schritt. Die Bündnispartnerin SVP schickte den Präsidenten der Stadtberner SVP, Thomas Fuchs, ins Rennen, der vor zwanzig Jahren schon einmal für den Gemeinderat kandidiert hatte. Bevor er seine eigene Kandidatur bekannt gab, hatte Fuchs eine lange Personalsuche durchgeführt, bei der aber keine geeigneten und gewillten Kandidaten oder Kandidatinnen gefunden werden konnten. Die Kandidatur von Fuchs sei denn auch ein «Notnagel» und zeuge von der «Personalmisere» der Partei, kommentierte die Zeitung «Der Bund». Für einigen Wirbel sorgte das BüBü, als Eicher bekannt gab, dass er im Falle seiner Wahl, als Gegenleistung für die Zusammenarbeit im Wahlkampf, ein SVP-Mitglied zum Generalsekretär in der Stadtberner Verwaltung machen wolle – dies obwohl Generalsekretäre in der Verwaltung der Stadt Bern keinen speziellen Status haben und nicht einfach so durch einen neugewählten Gemeinderat entlassen und ersetzt werden können. Die dreiköpfige Liste des BüBü komplettierte die jungfreisinnige Simone Richner.
Auch bei den grossen Gejagten, dem RGM-Bündnis, ging im Vorfeld der Wahlen nicht alles harmonisch zu und her. Der amtierende Stadtpräsident Alec von Graffenried (Grüne Freie Liste) musste einerseits aus den Medien Kritik an seinem angeblich zu undeutlichen politischen Profil einstecken. Andererseits wurden wiederholt Stimmen aus dem RGM-Lager laut, wonach von Graffenried zu wenig grün und links sei. Die Kritik kam insbesondere aus den Reihen des Grünen Bündnisses (GB). Deren Gemeinderätin, die Sozial- und Bildungsdirektorin Franziska Teuscher, liebäugelte zwischenzeitlich sogar damit, von Graffenried das Stadtpräsidium mit einer Gegenkandidatur streitig zu machen. Eine Lokalsektion der SP, die SP Bern-Süd, stellte derweil bei der städtischen SP gar den Antrag, die Partei von Graffenrieds aus dem RGM-Bündnis auszuschliessen, da diese «teilweise unterschiedliche Positionen» vertrete. Schlussendlich vermochten sich diese aufrührerischen Stimmen RGM-intern allerdings nicht durchzusetzen und so nominierte das Bündnis einzig Alec von Graffenried für das Stadtpräsidium und stellte für den Gemeinderat eine Viererliste, bestehend aus von Graffenried, Teuscher sowie den beiden SP-Kandidierenden, dem Bisherigen Michael Aebersold und der neu kandidierenden Marieke Kruit auf. Der Berner Finanzdirektor Aebersold ging angeschlagen ins Wahljahr. Er musste für das Jahr 2019 ein Defizit von CHF 30 Mio. vermelden und die angespannte städtische Finanzlage wurde durch die Coronakrise noch verschärft. Von bürgerlicher Seite wurde Aebersold vorgeworfen, zu optimistisch budgetiert und ausserdem die Schaffung von zu vielen neuen Verwaltungsstellen abgesegnet zu haben. Als ihre zweite Kandidatin auf der RGM-Liste nominierte die SP die Psychologin Marieke Kruit, die Fraktionspräsidentin der Sozialdemokraten im Stadtrat. Sie sollte den Sitz von Ursula Wyss verteidigen, galt dabei aber als Wackelkandidatin, da sie als einzige RGM-Kandidatin nicht auf den Bisherigen-Bonus zählen konnte und im Stadtrat eher unauffällig geblieben war.
Nachdem sich SVP und FDP auf eine gemeinsame Liste geeinigt hatten, gingen die Medien davon aus, dass die Bürgerlichen wieder in den Gemeinderat einziehen würden. Erwartet wurde, dass sie anstelle von Marieke Kruit den Sitz von Ursula Wyss erhalten würden. Ebenfalls als wahrscheinliches Szenario gehandelt wurde die Möglichkeit, dass die politische Mitte und damit der bisherige Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) einen Sitz an das BüBü verlieren könnte. Die CVP ist in der Stadt Bern eine Kleinstpartei, doch Nause konnte sich dank einer Kombination von Bisherigenbonus, Stimmen der anderen Parteien auf der Mitteliste und vielen Panaschierstimmen von Bürgerlichen seit 2009 in der Regierung halten. Bei den Gemeinderatswahlen 2020 hoffte er, für eine vierte Amstzeit gewählt zu werden. Nause trat wie vor vier Jahren auf einer breiten Mitteliste zur Wahl an, zusammen mit Kandidierenden der GLP, der EVP und der BDP. Die am Wähleranteil im Stadtparlament gemessen grösste der vier Parteien, die GLP, hatte sich schwergetan mit der Bündnisssuche. Nach ihrer Absage für eine breite Oppositionsliste von GLP bis SVP zögerte sie auch eine Weile, der Mitteliste beizutreten, da dadurch die Chancen gross waren, einmal mehr nur Steigbügelhalterin für die CVP und Nause zu spielen. Das breite Mitte-Bündnis kam schliesslich trotzdem zustande – nicht zuletzt weil sich die vier Parteien auf eine mehrjährige Zusammenarbeit einigen konnten, welche unter anderem eine Vereinbarung für die nächsten Grossratswahlen vorsieht. Nichtsdestotrotz wollte die GLP Nause innerhalb der Mitte-Liste den Sitz streitig machen und nominierte zwei Frauen; einerseits Marianne Schild, ihre Co-Fraktionschefin im Stadtrat, und andererseits Corina Liebi, die Parteipräsidentin der JGLP des Kantons Bern. Die EVP Stadt Bern schickte ihre Parteipräsidentin Bettina Jans-Troxler ins Rennen. Für den letzten Sitz auf der Mitte-Liste portierte die BDP den bekannten Markenstrategen Claudio Righetti. Dieser kündigte überraschend an, auch für das Amt des Stadtpräsidenten zu kandidieren – zum Unmut unter anderem von Listenkollegin Schild, die Righetti vorwarf, damit dem aktuellen Stapi von Graffenried unnötig eine Plattform zu bieten. Mit ebendieser Begründung zog Righetti schliesslich seine Stadtpräsidiumskandidatur wieder zurück. Damit kandidierte neben von Graffenried einzig der Polit-Exot Stefan Theiler für das Präsidium. Theiler kandidierte mit seiner Liste «Ensemble c'est tout» (Zämä) für den Gemeinderat. Im Wahlkampf sorgte er vor allem für Schlagzeilen, als er Ende Oktober die Berner Kantonsärztin Linda Nartey verfolgte und beschimpfte.
Der Gemeinderatswahlkampf verlief wegen der Coronavirus-Einschränkung anders als sonst. So setzten die Kandidierenden beispielsweise noch mehr als sonst auf den Online-Wahlkampf. Häufig thematisiert wurde im Wahlkampf – neben klassischen Stadtberner Politthemen, wie etwa die Reitschule oder der Zugang von Autos am Bahnhof und in der Innenstadt – insbesondere das Budget, respektive die Frage, wo während und nach der Coronakrise gespart werden soll, um die tiefer ausfallenden Steuereinnahmen zu kompensieren.

Am Wahlsonntag setzte es eine herbe Niederlage für die Bürgerlichen ab. Trotz des Wahlbündnisses mit der SVP verpasste die FDP den Wiedereinzug in die Regierung. Das BüBü holte lediglich 15.0 Prozent der Stimmen. Für einen Sitz hätten die Liste 16.7 Prozent der Stimmen benötigt. Bernhard Eicher, der listenintern am meisten Stimmen holte (13'094), zeigte sich enttäuscht. Die Mitte-Liste blieb überraschend deutlich vor dem BüBü und holte 19.5 Prozent der Stimmen und somit einen Sitz. Dabei schwang Reto Nause obenaus und verteidigte seinen Gemeinderatssitz. Er holte 14'000 Stimmen – rund 3'000 Stimmen mehr als noch vor vier Jahren – und krönte sich zudem zum Panaschierköng. Marianne Schild holte hinter Nause 10'873 Stimmen und musste sich mit einem Achtungserfolg begnügen. Feiern lassen durften sich die Kandidierenden der RGM-Liste, welche allesamt den Einzug in den Gemeinderat schafften. RGM holte 63.7 Prozent der Stimmen und konnte den historisch hohen Wähleranteil von vor vier Jahren sogar noch um rund zwei Prozentpunkte ausbauen. Das beste Resultat erzielte Franziska Teuscher (33'077 Stimmen), gefolgt von Marieke Kruit (31'411), Alec von Graffenried (31'053) und Michael Aebersold (30'227). Kruit, die ohne den Bisherigen-Bonus ein sehr starkes Resultat erzielte, übernahm in der kommenden Legislatur die Direktion für Tiefbau und Verkehr von Ursula Wyss. Die restlichen Gemeinderäte behielten ihre Direktionen. Alec von Graffenried schaffte die Wiederwahl zum Stadtpräsidenten locker. Er holte 34'930 Stimmen und blieb damit deutlich über dem absoluten Mehr von 18'673 Stimmen. Stefan Theiler, der mit 2'413 Stimmen chancenlos blieb, wurde am Wahlsonntag verhaftet, weil er sich geweigert hatte, im Rathaus eine Maske zu tragen. Die Wahlbeteiligung lag bei 52.8 Prozent – rund 3.8 Prozentpunkte höher als noch bei den Wahlen vier Jahre zuvor.

Wahlen Gemeinderat und Stadtpräsidium Bern 2020
Dossier: Elections communales 2020

Im Juni 2020 publizierte der Bundesrat den Bericht «Steuerliche und weitere Massnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft» in Erfüllung des Postulats Vonlanthen (cvp, FR). Im Bericht wurden verschiedene Massnahmen vorgestellt und diskutiert, die ein gewisses Potential aufweisen könnten, damit Produkte länger genutzt oder besser repariert werden können. Dabei haben sich drei Massnahmen heraus kristallisiert, die der Bundesrat weiter verfolgen möchte, indem er sie einer vertieften Analyse der volkswirtschaftlichen Auswirkungen unterzieht und dabei die Vereinbarkeit mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz berücksichtigt: Es handelt sich dabei um Deklarationspflichten, Verlängerung der Gewährleistungsfrist inklusive Reparaturoptionen und Registerlösungen zur Eigentumssicherung.
Die Resultate dieser Analyse sollen in das Massnahmenpaket zur Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft einfliessen, welches die Verwaltung dem Bundesrat infolge des Auftrags aus der Berichterstattung «Grüne Wirtschaft» bis spätestens Ende 2022 vorschlagen soll.

Stimuler l'économie circulaire (Po. 17.3505)
Dossier: Interventions parlementaires sur l'économie circulaire depuis le rejet de l'initiative populaire «Economie verte»
Dossier: L'obsolescence programmée et des efforts en faveur de l'économie circulaire

Im Zusammenhang mit der Beratung der «BFI-Botschaft 2021-2024» wurde das Postulat Vonlanthen (mitte, FR) zur digitalen Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt im Juni 2020 vom Ständerat abgeschrieben.

Economie numérique et marché du travail (Po. 16.3706)
Dossier: La numérisation dans le marché du travail

Die Baisse zu Beginn der 50. Legislatur (2015 bis 2019) bezüglich der Anzahl eingereichter Vorstösse schien in Anbetracht der Zahlen für das Jahr 2019 lediglich ein kurzes Intermezzo gewesen zu sein (vgl. Vorstösse und Arbeitsbelastung 2015). In der Tat entsprachen die total 2'527 von Parlamentsmitgliedern eingereichten Ideen und Anfragen einem neuen Rekord und übertrafen nicht nur die Zahl des Vorjahres (2'352), sondern auch den langjährigen Durchschnitt (1'820 von 2000 bis 2019) bei weitem. Ein erneut sehr starkes Wachstum verzeichnete dabei die Zahl der eingereichten Interpellationen (855), die sich innert 20 Jahren mehr als verdreifacht hatte (2000: 280). Aber auch die Zahl der Motionen (552; 2018: 463) und Postulate (235; 2018: 183) erreichte Spitzenwerte. Nur 2009 wurden mehr Motionen eingereicht (614) als 2019 und auch die Anzahl Postulate kam fast an den Spitzenwert von 2012 (250 Postulate) heran. Die 111 eingereichten parlamentarischen Initiativen lagen hingegen näher beim langjährigen Schnitt (98), wenn auch ihre Zahl im Vergleich zu 2018 (93) zugenommen hatte. Die neue Rekordzahl von 10.3 Vorstössen pro Parlamentsmitglied kam 2019 zustande, obwohl die Zahl der Anfragen (70; 2018: 99) und der Fragen für die Fragestunde (704; 2018: 750) abgenommen hatten.

«Der Vorstoss-Berg – ein Schreckhorn der Bürokratie», sei noch gewaltiger als die Alpenkette, die man vom Balkon des Bundeshauses aus bestaunen könne, urteilte die Basler Zeitung und machte die «parlamentarische Hyperaktivität» dafür verantwortlich. Die Möglichkeit, sich mit einer Anfrage oder Interpellation zu inszenieren, sei «allzu verlockend für die meisten Parlamentarier». Die Aargauer Zeitung erstellte aufgrund der während der gesamten Legislatur eingereichten Vorstösse eine Rangliste. Jean-Luc Addor (svp, VS) führte die Liste mit 169 Vorstössen an. Mit Carlo Sommaruga (sp, GE), Claude Béglé (cvp, VD), Mathias Reynard (sp, VS) und Lisa Mazzone (gp, GE), die von der Zeitung auf den Folgerängen platziert wurden (ohne freilich die Anzahl Vorstösse auszuweisen), seien es vor allem Parlamentsmitglieder aus der Romandie, die mit Aktivität glänzten. Es sei nicht verwunderlich, dass die fünf Spitzenplätze von der grossen Kammer – und hier insbesondere von Mitgliedern der Polparteien SP und SVP – besetzt seien, so die Zeitung gestützt auf eine Studie der Universität Bern. Die Ständeratsmitglieder zeigten sich hingegen wesentlich zurückhaltender: In der Tat liege der «vorstossfreudigste Kantonsvertreter» Beat Vonlanthen (cvp, FR) «mit 36 Interventionen erst auf Rang 79».
Neben den reinen parlamentarischen Vorstössen nahmen die 2019 ausserhalb des Parlaments lancierten Aufträge im Vergleich zum Vorjahr tendenziell ab. Dies galt sowohl für die Bundesratsgeschäfte (76; 2018: 87), die Standesinitiativen (22; 2018: 26) und die Wahlgeschäfte (30; 2018: 34), nicht aber für die Petitionen, deren Zahl leicht zugenommen hatte (35; 2018: 30).

Eine Folge der immer stärkeren Zunahme der Geschäftslast war die Zunahme der Betriebsamkeit gemessen an der Zahl erledigter Vorstösse und Geschäfte. Auch hier war das Jahr 2019 mit total 2'604 erledigten Vorstössen ein Rekordjahr. Die Arbeitslast lag dabei nicht nur wie im Vorjahr primär bei der Verwaltung. Diese musste zwar erneut eine Rekordzahl von 873 Interpellationen beantworten, dafür etwas weniger Anfragen (90; 2018: 92) und Fragen für die Fragestunde (703; 2018: 750) bearbeiten als im Vorjahr. Aber auch das Parlament erledigte 2019 mit 331 Postulaten (2018: 273), 483 Motionen (2018: 360) und 124 parlamentarischen Initiativen (2018: 101) mehr Vorstösse als in früheren Jahren. Hinzu kamen 2019 auch mehr erledigte Bundesratsgeschäfte (77; 2018: 62), Standesinitiativen (24; 2018: 17), Wahlgeschäfte (32; 2018: 28) und Petitionen (22; 2018: 20) als im Vorjahr.

Hinter der Kategorie «erledigt» versteckt sich freilich unterschiedlich viel Aufwand. So gelten etwa Motionen oder Postulate, die zurückgezogen oder aufgrund ihres Alters – wenn sie nicht innert zwei Jahren nach Einreichung behandelt werden, werden Vorstösse automatisch abgeschrieben – oder des Ausscheidens ihrer Urheberschaft aus dem Rat abgeschrieben werden, genauso als «erledigt» wie die tatsächlich in den Räten diskutierten Vorstösse, die für die Parlamentsmitglieder mehr Aufwand bedeuten. In der Tat lag der Anteil abgeschriebener Motionen im Jahr 2019 (30.4%) über dem langjährigen Schnitt (2000–2018: 29.1%) und auch die abgeschriebenen Postulate (20.5%) kamen nahe an diesen Mittelwert heran (21.6%). Von den 483 im Jahr 2019 erledigten Motionen wurden aber immerhin über 300 beraten. Von Letzteren wurden 145 von beiden Räten gutgeheissenen, was über alle erledigten Motionen betrachtet einer Erfolgsquote von 30 Prozent entspricht (Schnitt 2000–2018: 22.2%). Die 60.7 prozentige Erfolgsquote bei den Postulaten lag für 2019 ebenfalls höher als im langjährigen Mittel (50.4%): Von den 331 erledigten Postulaten – über 248 davon wurde in den Räten abgestimmt – wurden 201 angenommen.

In den Medien wurde die Frage aufgeworfen, wie ernst die Regierung die Aufträge des Parlaments überhaupt nehme, ob also angenommene Motionen und Postulate überhaupt erfüllt würden. Diese Frage stellte sich vor allem auch die GPK-SR und bestellte bei der PVK einen Bericht mit einer Analyse zur Erfüllung von angenommenen Motionen und Postulaten.

Arbeitsbelastung 2019
Dossier: Statistique des objets parlementaires de l'Assemblée fédérale

Jahresrückblick 2019: Medien

Medienfragen wurden 2019 verglichen mit den Jahren zuvor sowohl medial als auch im Parlament eher selten diskutiert. Nach dem Peak im Jahr 2018 mit der No-Billag-Initiative standen 2019 vor allem der Umzug des SRG-Radiostudios von Bern nach Zürich und eines Grossteils des Fernsehens von Genf nach Lausanne sowie das neue Gesetz über elektronische Medien im Mittelpunkt des Interesses.

Nachdem sich der SRG-Verwaltungsrat im September 2019 für den Umzug eines Teils des SRG-Radiostudios und seiner Mitarbeitenden von Bern nach Zürich entschieden und die SRG überdies angekündigt hatte, dass Ähnliches womöglich auch der Fernsehproduktion in Genf drohe, hatten vier Parteipräsidenten sowie ein Vizepräsident (Pfister, cvp, ZG; Rytz, gp, BE; Landolt, bdp, GL; Rösti, svp, BE; Jans, sp, BS) im Nationalrat und ein in dieser Frage sehr engagierter Beat Vonlanthen (cvp, FR) im Ständerat gleichlautende parlamentarische Initiativen eingereicht, mit denen der SRG ihre Produktionsstandorte ausdrücklich vorgeschrieben werden sollten. Nach den ablehnenden Entscheiden der beiden Kommissionen zeigte sich bei der Behandlung der entsprechende Initiative von Beat Vonlanthen im Ständerat schnell, dass sie auch dort chancenlos sein würde. Um eine Niederlage zu verhindern, zog der Initiant seine Initiative vor der Abstimmung zurück. Ganz anders sah die Situation eine Woche später im Nationalrat aus: Mit 120 zu 54 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) gab der Nationalrat den fünf nationalrätlichen Vorstössen Folge. Im Anschluss daran gab der SRG-Verwaltungsrat bekannt, das Zügelprojekt durch eine gesamthafte Audiostrategie zu ersetzen. Ein Teil des Umzugs würde dadurch verhindert, rund 80 Arbeitsplätze würden aber dennoch nach Zürich verlegt. Medien und Politik zeigten sich unschlüssig darüber, ob diese Nachricht als grosses Entgegenkommen der SRG oder als «halbherziges, dem politischen Druck geschuldetes Bekenntnis», wie es Martin Landolt ausdrückte, verstanden werden soll. Dennoch verzichtete der Ständerat im September stillschweigend darauf, den Initiativen sowie einer Standesinitiative des Kantons Genf (Kt.Iv. 19.306) mit einem ähnlichen Anliegen Folge zu geben.

Neben der Umzugsfrage drohte der SRG 2019 weiteres Ungemach aus dem Parlament: So standen einige Vorlagen im Raum, die die RTVG-Abgabe für Unternehmen und damit einen Teil der Einnahmen der SRG streichen wollten. Im Mittelpunkt stand die parlamentarische Initiative Rutz (svp, ZH; Pa.Iv. 18.405), welcher der Nationalrat im September Folge gab. Da Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen bereits privat die Empfangsgebühr zu entrichten hätten, stelle die Unternehmensabgabe eine Doppelbelastung dar, hatte zuvor die KVF-NR in ihrer Empfehlung für Folge geben erklärt. In der Wintersession stimmte der Ständerat jedoch auf Antrag seiner KVF-SR dem Folgegeben des Nationalrats nicht zu. Die von den Stimmbürgern 2015 bestätigte Regelung sei erst Anfang 2019 in Kraft getreten und solle nun zuerst einmal beurteilt werden. Zudem würden die SRG und die privaten Radio- und Fernsehstationen bei Umsetzung der Initiative deutlich weniger Geld erhalten als bisher.
Bereits vor der anfänglichen Zustimmung zum Vorschlag von Gregor Rutz im Nationalrat hatte sich der Ständerat jedoch einverstanden gezeigt, im Rahmen eines Postulats Abate (fdp, TI; Po. 19.3235) Alternativen zur Methode der heutigen umsatzabhängigen Berechnung der Radio- und Fernsehabgabe für Unternehmen prüfen zu lassen. Zur Verhinderung von Doppelzählungen des Umsatzes von Arbeitsgemeinschaften, Holdings und dauerhaft miteinander verbundenen Unternehmen bei der Festlegung der Höhe der Abgabe gaben die beiden Kommissionen zudem einer parlamentarische Initiative Wicki (fdp, NW; Pa. Iv. 19.413) Folge. Anfang Dezember entschied überdies das Bundesverwaltungsgericht, dass die lediglich sechs Tarifstufen für die Festlegung der Unternehmensabgabe verfassungswidrig seien. Aufgrund der Rechtssicherheit sei die aktuelle Regelung bis zum Erlass einer neuen aber weiterhin anzuwenden.

Die Frage, wer zukünftig von der RTVG-Abgabe profitieren soll, wurde im Rahmen des neuen Gesetzes über elektronische Medien diskutiert. Dieses war von Bundesrätin Leuthard im Juni 2019 in die Vernehmlassung gegeben worden, wo es auf breite Kritik stiess. Simonetta Sommaruga, die 2019 das UVEK und somit auch dieses Dossier von Doris Leuthard übernahm, entschied schliesslich nach langen Diskussionen und Spekulationen über die Zukunft des Gesetzes, dieses nicht weiterzuverfolgen und stattdessen einzelne Probleme mithilfe eines Massnahmenpakets punktuell anzugehen. Neu sollen auch Onlineportale mit audio- und audiovisuellen, aber auch mit textlastigen Beiträgen einen Teil der Radio- und Fernsehabgabe erhalten, sofern sie kostenpflichtig sind. Zudem soll die indirekte Presseförderung in Form einer finanziellen Unterstützung der Postzustellung auf zusätzliche Titel ausgeweitet und erhöht werden – jedoch nur auf CHF 50 Mio. statt auf CHF 120 Mio., wie vorgängig von den Verlagen gefordert worden war.
Dass diese Aufstockung der indirekten Presseförderung die KVF-NR nicht vollständig zu überzeugen vermochte, zeigte die Annahme der parlamentarischen Initiative Engler (cvp, GR; Pa.Iv. 18.479) für eine Unterstützung der Presse in der digitalen Transformation, welche ihre Schwesterkommission bereits vor der Ankündigung des Bundesrates angenommen hatte. Im Unterschied zur KVF-SR lehnte die nationalrätliche Kommission gleichzeitig jedoch eine parlamentarische Initiative Savary (sp, VD; Pa.Iv. 18.480) ab, die diese Unterstützung nicht wie die Motion Engler aus allgemeinen Mitteln, sondern durch einen Teil der Abgabe für Radio und Fernsehen und durch die Überschüsse aus den Abgabenanteilen finanzieren wollte. Eher zufrieden mit dem bundesrätlichen Entscheid zum neuen Gesetz über elektronische Medien zeigte sich Michael Töngi (gp, LU; Pa.Iv. 19.417), der seine parlamentarische Initiative für ein Fördermodell für die elektronischen Medien mit der Begründung zurückzog, dass das vom Bundesrat vorgeschlagene Projekt «in die richtige Richtung» gehe.

Fortschritte gab es in der Frage um die Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Mehrwertsteuerbeträge. In Reaktion auf einen Bundesgerichtsentscheid vom November 2018 und eine überwiesene Motion Flückiger-Bäni (svp, AG; Mo. 15.3416) schickte das UVEK im Frühjahr einen Vorentwurf in die Vernehmlassung, der eine pauschale Rückvergütung an alle Haushalte in der Höhe von CHF 50 vorsah. Aufgrund der grossmehrheitlich positiven Stellungnahmen präsentierte der Bundesrat im November seine Botschaft zuhanden des Parlaments.

Jahresrückblick 2019: Medien
Dossier: Rétrospective annuelle 2019

Wie zuvor der Nationalrat schuf auch der Ständerat in seiner Behandlung des Bundesratsgeschäfts zur Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit im Arbeitslosenversicherungsgesetz kaum Änderungen zur bundesrätlichen Version oder Differenzen zum Erstrat. Mit 35 zu 6 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ergänzte er aber eine Klausel, gemäss der die Kantone auf eigenen Wunsch und auf eigene Rechnung mittels Schnittstelle auf die Daten des Bundes zu den Unterstützungsmassnahmen nach AVIG zugreifen können sollen. Städte und Gemeinden böten nach Auslaufen der Bundesmassnahmen häufig selbst solche Unterstützungsleistungen an, wobei die Kantone dazu bisher auf das Bundessystem hätten zugreifen können, erklärte Kommissionssprecher Peter Hegglin (cvp, ZG). Wegen des Datenschutzes und der Komplexität des Systems wäre dies zukünftig nicht mehr möglich, weshalb die Kantone selbst teure entsprechende Systeme anschaffen müssten.
Mit 43 Stimmen sprach sich der Ständerat nachfolgend einstimmig und ohne Enthaltungen für die Revision des AVIG aus. Stillschweigend schrieb er auch die Motion Vonlanthen (cvp, FR; Mo. 16.3457) ab.

Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes
Dossier: Simplifier les dispositions relatives à l’indemnité en cas de réduction de l’horaire de travail (révision de la LACI)

Lange Zeit waren die Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats fast eine Pflichtübung. Das hatte vor allem damit zu tun, dass die eidgenössischen Wahlen lange Jahre kaum politische Verschiebungen nach sich zogen. Zwar war die alte Zauberformel (2 CVP, 2 FDP, 2 SP, 1 SVP) mit dem Wahlerfolg der SVP stark hinterfragt und schliesslich nach einigen Jahren der Transition mit mehr oder weniger gehässigen und aufreibenden Regierungswahlen, der Nichtwiederwahl von Ruth Metzler (2003) sowie Christoph Blocher (2007) und einem Intermezzo der BDP in der Regierung gesprengt worden. Nach den eidgenössischen Wahlen 2015, dem Rücktritt von Eveline Widmer-Schlumpf aus der nationalen Exekutive und dem Einzug eines zweiten SVP-Regierungsmitglieds schien dann aber eine neue Formel gefunden: 2 FDP, 2 SP, 2 SVP, 1 CVP.

Schon im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2019 war freilich spekuliert worden, dass die Grüne Partei die CVP hinsichtlich des Wähleranteils überflügeln könnte und damit einen Anspruch auf einen Sitz in der nationalen Regierung hätte – umso mehr, wenn sich die Grünen mit der GLP quasi zu einem gemeinsamen Sitz für die «Öko-Parteien» zusammenraufen könnten, wie die Aargauer Zeitung spekulierte. Falls sich die CVP halten könnte, wäre auch der Angriff auf einen der beiden FDP-Sitze denkbar, so die Hypothese zahlreicher Medien. Die angegriffenen Parteien wehrten sich mit dem Argument, dass eine Partei ihren Wahlerfolg zuerst bestätigen müsse, bevor sie einen Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung erhalten könne. Dies sei auch bei der SVP der Fall gewesen – so etwa FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) bereits Mitte August 2019 in der Zeitung Blick. Zudem dürfe nicht nur der Wähleranteil bei den Nationalratswahlen in die Berechnung einfliessen, sondern man müsse auch die Vertretung im Ständerat berücksichtigen. Martin Bäumle (glp, ZH), Ex-Präsident der GLP, gab zudem zu verstehen, dass ein Öko-Lager aus GP und GLP kaum denkbar sei; zu unterschiedlich sei man in diversen Sachfragen. Ebenfalls früh wurde in den Medien über einen möglichen Rücktritt von Ueli Maurer spekuliert, was aus der vermeintlichen Pflichtübung eine spannende Wahl gemacht hätte. Maurer gab dann allerdings Anfang November bekannt, noch eine weitere Legislatur anzuhängen.

Die aussergewöhnlichen Erfolge der Grünen Partei bei den eidgenössischen Wahlen 2019 gaben dann den Diskussionen über die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrats sehr rasch wieder ganz viel Nahrung und schafften Raum für allerlei Reformvorschläge zur Bestimmung der Landesregierung. In der Tat hatten die Grünen mit 13 Prozent Wähleranteil die CVP (11.4%) deutlich überflügelt und als viertstärkste Partei abgelöst. Die GLP kam neu auf 7.8 Prozent. Die NZZ rechnete vor, dass die aktuelle Regierung so wenig Wählerinnen und Wähler vertrete wie zuletzt vor 60 Jahren. Die Grünen und die Grünliberalen hätten rein rechnerisch ein Anrecht auf je einen Bundesratssitz.
Neben den medial zahlreich vorgetragenen Berechnungen wurde allerdings auch inhaltlich und historisch argumentiert. Der Einbezug in die Regierung sei immer auch an den Umstand geknüpft gewesen, dass eine Oppositionspartei auch in verschiedenen Sachthemen glaubhaft ihre Referendumsmacht ausspielen könne, wurde etwa argumentiert. Zwar sei das Klimathema wichtig und würde wohl auch nachhaltig bleiben, die Grünen und die GLP müssten aber – wie auch die SVP mit ihren gewonnenen Volksbegehren – mit Abstimmungserfolgen ihren Anspruch noch untermauern, so ein Kommentar in der NZZ. Die Grünen würden trotz Wahlgewinnen keinen Regierungssitz erhalten, weil «niemand Angst vor ihnen hat», wie die Aargauer Zeitung diesen Umstand verdeutlichte. Argumentiert wurde zudem, dass eine «Abwahl» – eigentlich handelt es sich um eine Nichtwiederwahl – nicht dem politischen System der Schweiz entspreche. Es brauche mehrere Wahlen, bei denen sich eine Partei konsolidieren müsse, um die Stabilität in der Regierung auch über längere Zeit zu gewährleisten, kommentierte dazu der Blick.

Der Tages-Anzeiger führte gar eine Umfrage durch, die aufzeigte, dass eine Mehrheit der Befragten die Zeit für einen grünen Bundesrat noch nicht für gekommen hielt. Wer ein grünes Bundesratsmitglied jedoch befürwortete (rund 40% der Befragten), wünschte sich, dass dies auf Kosten eines Sitzes der SVP (50%) oder der FDP (21%), aber eher nicht auf Kosten der CVP (10%) oder der SP (6%) gehen solle.
Für die WoZ war allerdings klar: «Cassis muss weg!» In der Tat forderte auch Regula Rytz (gp, BE) via Medien, dass die FDP freiwillig auf einen Sitz verzichte, da sie als lediglich drittgrösste Partei keinen Anspruch auf zwei Sitze habe. In der Folge schienen sich die Medien dann in der Tat vor allem auf den zweiten Sitz der FDP einzuschiessen. Freilich wurden auch andere Modelle diskutiert – so etwa ein von Christoph Blocher in der Sonntagszeitung skizziertes Modell mit der SVP, die zwei Sitze behalten würde, und allen anderen grösseren Parteien (SP, FDP, CVP, GP, GLP) mit je einem Sitz –, «sämtliche Planspiele» drehten sich aber «um einen Namen: Aussenminister Ignazio Cassis», fasste die Aargauer Zeitung die allgemeine Stimmung zusammen. Er sei «der perfekte Feind», «visionslos und führungsschwach». Der Aussenminister befinde sich im «Trommelfeuer» befand die Weltwoche. Häufig wurde seine Haltung im Europadossier kritisiert und entweder ein Rücktritt oder wenigstens ein Departementswechsel gefordert. Mit Ersterem müsste allerdings die Minderheitenfrage neu gestellt werden, war doch die Vertretung des Tessins mit ein Hauptgrund für die Wahl Cassis im Jahr 2017. Der amtierende Aussenminister selber gab im Sonntags-Blick zu Protokoll, dass er sich als Tessiner häufig benachteiligt fühle und spielte so geschickt die Minderheitenkarte, wie verschiedene Medien tags darauf kommentierten. Die Sonntags-Zeitung wusste dann noch ein anderes Szenario zu präsentieren: Einige SVP-Parlamentarier – das Sonntagsblatt zitierte Andreas Glarner (svp, AG) und Mike Egger (svp, SG) – griffen Simonetta Sommaruga an und forderten, dass die SP zugunsten der Grünen auf einen Sitz verzichten müsse. Die CVP sei in «Versuchung», wagte sich dann auch die NZZ in die Debatte einzuschalten. Würde sie Hand bieten für einen grünen Sitz auf Kosten der FDP, dann könnte sie im Bundesrat «das Zünglein an der Waage» spielen und Mehrheiten nach links oder nach rechts schaffen. Die NZZ rechnete freilich auch vor, dass grün-links mit zusammen rund 30 Prozent Wähleranteil mit drei von sieben Regierungssitzen klar übervertreten wäre, denn die GLP dürfe man nicht zu den Grünen zählen. Dies hatten vor allem die Grünen selbst implizit immer wieder gemacht, indem sie vorrechneten, dass die GLP und die GP zusammen auf 21 Prozent Wähleranteile kämen.

Neben Kommentaren und Planspielen warteten die Medien auch mit möglichen grünen Bundesratsanwärterinnen und -anwärtern auf. Häufig gehandelte Namen waren die scheidende Parteipräsidentin Regula Rytz, die Waatländer Staatsrätin Béatrice Métraux (VD, gp), die Neo-Ständerätin Maya Graf (gp, BL), der Berner alt-Regierungsrat Bernhard Pulver (BE, gp), der amtierende Fraktionschef der Grünen, Balthasar Glättli (gp, ZH) oder der Zürcher Nationalrat Bastien Girod (gp, ZH). Ins Gespräch brachte sich zudem der Genfer Staatsrat Antonio Hodgers (GE, gp).

Die Grünen selber gaben sich lange Zeit bedeckt und waren sich wohl auch bewusst, dass eine Kampfkandidatur nur geringe Chancen hätte. Sie entschieden sich zwar an ihrer Delegiertenversammlung Anfang November in Bern für eine forschere Gangart und forderten einen grünen Bundesratssitz – Regula Rytz sprach davon, dass vorzeitige Rücktritte aus dem Bundesrat ein Ärgernis seien, weil sie Anpassungen nach Wahlverschiebungen erschweren würden. Mit der Forderung war einstweilen aber noch kein Name verknüpft, was der Partei prompt als «Lavieren» ausgelegt wurde (Blick). «Der grüne Favorit», wie der Tages-Anzeiger Bernhard Pulver betitelte, sagte Mitte November, dass er nicht zur Verfügung stehe. Auch der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (BE, gp) und die Aargauer alt-Regierungsrätin Susanne Hochuli (AG, gp), die ebenfalls als Kandidierende gehandelt worden waren, sagten via Medien, dass sie nicht zur Verfügung stünden.
Die «Kronfavoritin» (Tages-Anzeiger) Regula Rytz ihrerseits stand im zweiten Umgang der Ständeratswahlen im Kanton Bern. Ihr wurden intakte Chancen eingeräumt und wohl auch um diese nicht zu gefährden, versicherte sie, dass sie auf eine Bundesratskandidatur verzichten würde, sollte sie für den Kanton Bern in die kleine Kammer gewählt werden. Da sie dies allerdings verpasste, kündigte die Bernerin rund 20 Tage vor den Bundesratswahlen ihre Kandidatur an – noch bevor die Fraktion offiziell beschlossen hatte, eine Kandidatur einzureichen. Nach einer solchen Richtungswahl, wie es die eidgenössischen Wahlen gewesen seien, könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, erklärte sie gegenüber der Presse. Sie wolle für die Menschen und die Natur Verantwortung übernehmen. Ihr Angriff gelte aber nur dem FDP-Sitz von Ignazio Cassis. Würde sie für ein anderes Regierungsmitglied gewählt, würde sie die Wahl nicht annehmen – so die Bernerin. Die Fraktion der Grünen gab dann allerdings tags darauf bekannt, dass es nicht um die Person, sondern um die Übervertretung der FDP gehe. Ein Angriff auf Karin Keller-Sutter schien damit nicht wirklich ausgeschlossen. Die nach aussen als wenig abgesprochen erscheinende Strategie für die Ansage der Kampfwahl brachte der GP Kritik ein. Die Partei zeige sich «unbeholfen» und der Start sei «misslungen», urteilte etwa die NZZ. Auch die Weltwoche redete von einem «verpatzten Start» und die Sonntagszeitung sprach gar von dilettantischem Vorgehen. Es sei, als wären die Grünen ein Sprinter, der kurz vor dem Ziel auf die Uhr schaue und sich hinknie, um die Schuhe zu binden, so die Zeitung weiter.

Eine medial oft diskutierte Frage im Vorfeld der Wahlen war, welche Parteien die Grünen in ihrem Anliegen unterstützen würden. Klar schien, dass die FDP nicht Hand bieten würde. Auch die SVP würde – wenn überhaupt – die GP nur auf Kosten der SP unterstützen. Die CVP bzw. die neue Mitte-Fraktion (CVP zusammen mit BDP und EVP) entschied, Rytz nicht einmal zu einem Hearing einzuladen. Man sei nicht gegen eine grüne Vertretung in der Regierung, es sei aber «etwas zu früh», liess sich CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) in der Sonntagszeitung zitieren. Die GLP und die SP gaben bekannt, Rytz vor den Wahlen anhören zu wollen. Für Schlagzeilen sorgte dabei SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR), der die CVP aufforderte, mitzuhelfen, die Grünen in die Regierung zu hieven. Die Schweiz wäre sonst die einzige Demokratie, in der Wahlen keine Auswirkungen auf die Regierungszusammensetzung hätten. Zudem würde sich die Weigerung der CVP wohl über kurz oder lang rächen. Bei der GLP zeigte sich das Dilemma zwischen ökologischem und liberalem Gedankengut. Insbesondere in der Europafrage fanden sich die GLP und der amtierende Aussenminister eher auf der gleichen Linie. Für Rytz spreche das ökologische Anliegen, gegen sie ihre eher linke Ausrichtung, erklärte Tiana Moser (glp, ZH) dann den Entscheid für Stimmfreigabe der GLP. Zudem würde Rytz ohne Absprache mit den Grünliberalen den «Sitz der Ökokräfte» für sich beanspruchen. Letztlich stellte sich einzig die SP-Fraktion offiziell hinter Rytz. Die eher laue Unterstützung und der Versuch der amtierenden Regierungsparteien, die eigene Macht zu zementieren, mache das Unterfangen «grüne Bundesrätin» für Regula Rytz zu einer «mission impossible», fasste die Zeitung Le Temps die Situation dann kurz vor den Wahlen zusammen.

Nicht die Medien, nicht Umfragen und «nicht die Wahlprozente» (NZZ), sondern die Vereinigte Bundesversammlung bestimmt freilich letztlich, welche Parteien in der Regierung vertreten sein sollen. Und diese Entscheidung brachte das Resultat, das viele im Vorfeld aufgrund der Aussagen der verschiedenen Parteien auch erwartet hatten: die Wiederwahl aller Amtierenden und das Scheitern des Angriffs der Grünen. Auch die Ansprachen der Fraktionschefinnen und -chefs im Vorfeld der einzelnen Wahlen – die Erneuerungswahlen finden in der Reihenfolge der Amtszeit der Bundesratsmitglieder statt – machten dies bereits deutlich. Die CVP plädierte für Konkordanz und Stabilität und die SVP betonte, dass zum Erfolgsmodell Schweiz die angemessene Vertretung der Landesteile in der Regierung gehöre – die Diskriminierung der kleinsten Sprachregion durch die Grüne Partei sei abzulehnen. Die GLP erklärte, dass die Stärkung der ökologischen Anliegen und der Wähleranteil der Grünen zum Vorteil für Rytz gereiche, ihre Positionierung am linken Rand und der fehlende Anspruch von links-grün auf drei Sitze aber gegen sie spreche. Die SP erklärte, die Zauberformel sei keine exakte Wissenschaft, aber die beiden stärksten Parteien sollten zwei Sitze und die restlichen jeweils einen Sitz erhalten, was für Regula Rytz spreche. Die Fraktion der Grünen geisselte den Umstand, dass die Regierungsparteien während der Legislatur Sitze «austauschten» und so bewusst verunmöglichten, dass das Parlament die Resultate nach eidgenössischen Wahlen berücksichtigen könne. Die FDP schliesslich wollte sich einer künftigen Diskussion um eine Anpassung der Zusammensetzung des Bundesrats nicht verschliessen, amtierende Regierungsmitglieder dürften aber nicht abgewählt werden.

Der Angriff der Grünen folgte bei der fünften Wahl, auch wenn der Name Regula Rytz schon bei der Bestätigungswahl von Simonetta Sommaruga auftauchte. Gegen die 145 Stimmen, die Ignazio Cassis erhielt, war Regula Rytz jedoch chancenlos. Sie erhielt 82 Stimmen, was in den Medien als schlechtes Abschneiden kommentiert wurde, hätten doch die Grünen (35 Stimmen) und die SP (48 Stimmen) in der Vereinigten Bundesversammlung gemeinsam über 83 Stimmen verfügt. Weil darunter sicherlich auch ein paar CVP- und GLP-Stimmen seien, müsse dies wohl so interpretiert werden, dass einige SP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier die grüne Konkurrenz fürchteten; Ignazio Cassis könne hingegen zufrieden sein. Von den 244 Wahlzetteln waren 6 leer geblieben und 11 enthielten andere Namen als «Rytz» oder «Cassis».
Schon zuvor hatten die meisten Parlamentsmitglieder auf Experimente verzichtet. Bei der ersten Wahl wurde der amtsälteste Bundesrat, Ueli Maurer, mit 213 von 221 gültigen Wahlzetteln gewählt. 23 der 244 ausgeteilten Bulletins waren leer geblieben und acht auf Diverse entfallen. Beim Wahlgang für Simonetta Sommaruga entfielen 13 Stimmen auf Regula Rytz und 13 Stimmen auf Diverse. Da ein Wahlzettel ungültig war und 25 leer blieben, durfte sich die künftige Bundespräsidentin über 192 Stimmen freuen. Alain Berset erhielt 214 Stimmen. Bei ihm waren 14 Wahlzettel leer geblieben und 16 auf Diverse entfallen. Die Anzahl ungültige (1) und Leerstimmen (39) wuchs dann bei Guy Parmelin wieder an, so dass der Wirtschaftsminister noch 191 Stimmen erhielt – 13 Stimmen entfielen auf Diverse. Einen eigentlichen «Exploit» (Tages-Anzeiger) erzielte Viola Amherd bei der sechsten Wahl. Mit 218 Stimmen erhielt sie die zweitmeisten Stimmen der Geschichte; nur Hans-Peter Tschudi hatte 1971 mehr Stimmen erhalten, nämlich 220. Elf Stimmen blieben leer und 14 entfielen auf Diverse. Eingelangt waren nur noch 243 Wahlzettel. Ein etwas seltsames Gebaren zeigt sich bei der letzten Wahl. Karin Keller-Sutter wurde zwar auch hier im Amt bestätigt, sie erhielt aber lediglich 169 Stimmen, da von den 244 ausgeteilten Wahlzetteln 37 leer und einer ungültig eingelegt wurden und 21 Stimmen auf Marcel Dobler (fdp, SG) sowie 16 auf Diverse entfielen. In den Medien wurde spekuliert, dass dies wohl eine Retourkutsche vor allem von Ostschweizer SVP-Mitgliedern gewesen sei, weil Keller-Sutter sich im St. Galler Ständeratswahlkampf zugunsten von Paul Rechsteiner (sp, SG) ausgesprochen habe.

Der Angriff der Grünen sei zwar gescheitert, dies könne für die Partei aber auch befreiend sein, könne sie nun doch Oppositionspolitik betreiben und mit Hilfe der direkten Demokratie den Druck auf die anderen Parteien erhöhen, urteilte Le Temps nach den Wahlen. Ihr Anspruch auf einen Bundesratssitz sei nach diesen Bundesratswahlen nicht einfach vom Tisch, kommentierte Balthasar Glättli. In zahlreichen Medien wurde zudem die Stabilität des politischen Systems betont – auch der Umstand, dass es zu keinem Departementswechsel kam, obwohl kurz über einen Wechsel zwischen Alain Berset und Ignazio Cassis spekuliert worden war, wurde als Indiz dafür gewertet. Doch Stabilität bedeute nicht Stillstand; die neuen Mehrheiten im Nationalrat müssten sich auch auf die Diskussionen um eine neue Zauberformel auswirken – so die einhellige Meinung der Kommentatoren. An einem vor allem von der CVP geforderten «Konkordanzgipfel» sollten Ideen für die künftige Zusammensetzung der Landesregierung beraten werden. Entsprechende Gespräche wurden auf Frühling 2020 terminiert.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2019
Dossier: Élection du Conseil fédéral depuis 2008

Pour représenter le canton de Fribourg au Conseil des États, une candidate et neuf candidats se sont lancés dans la course lors des élections fédérales de 2019. Christian Levrat (ps), président du parti socialiste suisse et élu à Berne depuis 2003, briguait un troisième mandat à la chambre haute, alors que son collègue Beat Vonlanthen (pdc) visait une deuxième législature – lui qui avait succédé à Urs Schwaller (pdc) en 2015 – après douze années au gouvernement cantonal. Afin de mettre à mal le tandem PS-PDC, le PLR fribourgeois, qui n'avait, dans son histoire, placé que des hommes à des postes clé, a semblé avoir déniché la perle rare en la personne de Johanna Gapany (plr). La conseillère communale bulloise et députée au Grand Conseil a grillé la politesse au conseiller national Jacques Bourgeois (plr), qui s'était mis à disposition de son parti en cas de besoin. Candidat à la chambre haute en 2015, le directeur de l'Union suisse des paysans (USP) avait échoué face à Levrat et Vonlanthen. Le défi était donc de taille pour Gapany, qui jouait les cartes de la jeunesse – elle est âgée de 30 ans – et de la féminité, des atouts dans cette année marquée par la grève des femmes et les grèves du climat. L'UDC Pierre-André Page, candidat à sa réélection au Conseil national, est également parti à l'assaut d'un siège de sénateur, alors que de l'autre côté de l'échiquier politique, les Vert.e.s ont misé sur Gerhard Andrey, qui briguait lui aussi un siège au national. Le président du PBD fribourgeois Anthony Jaria, le Vert'libéral Ralph Alexander Schmid et Claudio Rugo, du parti des artistes, figuraient eux aussi parmi les candidats. Enfin, le singinois Ruedi Raemy et le sarinois Flavio Guido ont visé une élection avec la liste «Démocratie directe, spiritualités et nature», en portant l'idée d'instaurer une micro-taxe sur les transactions bancaires en lieu et place des impôts traditionnels.

Lors du premier tour le 20 octobre, Christian Levrat a terminé largement en tête avec 36'958 suffrages, pas loin de la majorité absolue de 42'998 suffrages, pour une participation qui s'est montée à 42.87 pour cent. Concernant le deuxième siège, la donne était différente: Beat Vonlanthen (23'316 voix) ne semblait pas hors de portée de ses poursuivant.e.s Johanna Gapany (19'534 voix) et Pierre-André Page (18'497 voix). Gerhard Andrey a récolté 16'171 votes, alors que les autres candidats ont terminé nettement plus loin.
Élu au Conseil national, le candidat vert n'est pas reparti dans la bataille pour le deuxième tour. Quelques jours plus tard, l'UDC a annoncé que Pierre-André Page se retirait également de la course, ayant déjà assuré sa réélection à la chambre du peuple. C'est ainsi un match à trois qui s'est profilé en vue du second tour. Christian Levrat, dont le journal La Liberté a loué la capacité à faire passer les intérêts du canton avant ceux de son parti, partait cependant avec une bonne longueur d'avance, et c'était le siège de Beat Vonlanthen qui attisait l'appétit du PLR et de Johanna Gapany. La bulloise n'a cependant pas attaqué ouvertement celui-ci et a justifié sa candidature au second tour «par la volonté d'offrir un choix» aux fribourgeoises et fribourgeois. Le sénateur singinois, à qui était reproché le cumul de nombreux mandats extra-parlementaires, se retrouvait sous pression, souffrant notamment d'un manque de visibilité dans la partie francophone du canton, alors que le journal Le Temps soulignait que Johanna Gapany menait «une campagne moderne, visible et dynamique, la meilleure des dix candidats au premier tour». Le duo de sortants s'est néanmoins mutuellement soutenu en mettant en avant la bonne collaboration existante pour la défense des intérêts du canton. Interrogé par la Liberté, Christian Levrat a insisté sur l'importance d'avoir un réseau et de l'influence au sein de la Berne fédérale. A contrario, Johanna Gapany a considéré sa jeunesse comme un atout pour faire avancer des dossiers tels que l'AVS et l'environnement, qui concernent particulièrement les jeunes générations, et dépasser les blocages existants au sein de l'Assemblée fédérale. Membre de la Commission de l'environnement, de l'aménagement du territoire et de l'énergie (CEATE-CE), Beat Vonlanthen a souligné sa participation active dans l'élaboration de la loi sur le CO2 pour démontrer que les jeunes ne sont pas les seul.e.s qui se soucient de l'avenir. Si l'élection promettait d'être serrée, la participation probablement plus faible qu'au premier tour allait profiter à Vonlanthen, d'après la Liberté, qui soulignait que le démocrate-chrétien pouvait s'attendre à bénéficier du vote en bloc de la minorité germanophone.

Le 10 novembre, Johanna Gapany a pourtant déjoué les pronostics en délogeant Beat Vonlanthen de son siège avec une avance de 138 voix. La libérale-radicale a en effet récolté 31'129 suffrages (42.3%), contre 30'991 pour son rival (42.1%). Elle s'est ainsi offert une place à Berne aux côtés de Christian Levrat, qui a terminé en tête avec 38'372 voix (52.1%). Avec cette élection, chaque canton romand sera représenté par un duo homme-femme à la chambre haute lors de la prochaine législature. En outre, un problème informatique a terni quelque peu l'annonce des résultats. Envisageant d'abord la possibilité de demander un recomptage des voix, le PDC a finalement renoncé à déposer un recours. Les médias ont cependant relevé que ce problème faisait tache pour l'image du canton, en particulier lors d'une élection si serrée, et n'était pas à même de contribuer à redonner une confiance dans les institutions à la population; une population qui ne s'est pas déplacée en masse pour voter lors de ce second tour, avec une participation en berne, à hauteur de 37.1 pour cent.

Election Conseil des Etats 2019 – Fribourg
Dossier: Résultats des élections au Conseil des Etats 2019 (par canton)
Dossier: Elections fédérales 2019 - aperçu

In der Herbstsession 2019 ging das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) in die Differenzbereinigung. In der ersten Runde konnte sich die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat bei allen Streitpunkten durchsetzen, womit die Volkskammer an ihren ursprünglichen Positionen festhielt und keine grosse Kompromissbereitschaft an den Tag legte. Obwohl sich die Frage um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die E-ID wie ein roter Faden durch die Debatte zog, schienen die diesbezüglichen Überlegungen die Entscheidungen des Rats nur wenig zu beeinflussen. So lehnte der Nationalrat sowohl den von einer Minderheit Arslan (basta, BS) geforderten Zwang als auch die vom Ständerat eingeführte, vorbedingungslose Möglichkeit für den Staat zur Herausgabe einer E-ID ab und hielt an der rein subsidiären staatlichen Herausgabe fest, obwohl sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter für den ständerätlichen Kompromiss ausgesprochen hatte. Der Staat sollte sich auch nicht wie vom Ständerat vorgesehen an privaten E-ID-Anbietern (Identity Providern) beteiligen können. Des Weiteren hielt die grosse Kammer an der Nennung der Sorgfaltspflichten im E-ID-Gesetz fest und strich lediglich die Delegationsnorm, welche die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten durch den Bundesrat vorgesehen hätte. Eine Minderheit Flach (glp, AG) blieb mit dem Vorschlag eines Mittelwegs erfolglos, der das explizite Verbot der Weitergabe der E-ID streichen, die abstrakte Beschreibung der Sorgfaltspflichten aber beibehalten wollte. Ebenfalls erfolglos blieb die durch Beat Flach eingebrachte Forderung des Konsumentenschutzes, dass Dienstleistungen, für die eine E-ID der Sicherheitsstufe «niedrig» ausreicht, auch ohne E-ID genutzt werden können müssen. Da die Angst, im Internet eine Datenspur zu hinterlassen, nachvollziehbar sei, hatte sich Bundesrätin Keller-Sutter auch hierfür vergebens stark gemacht. Die vom Ständerat neu eingeführte E-ID-Kommission (Eidcom) als unabhängige Stelle zur Anerkennung und Kontrolle der Identity Provider blieb im Nationalrat vorerst ebenso chancenlos wie die von der Schwesterkammer verschärften Datenschutzbestimmungen.
Im Ständerat erklärte es Kommissionssprecher Beat Vonlanthen (cvp, FR) zum Ziel dieses Gesetzgebungsprozesses, dass das Gesetz bzw. die E-ID «vertrauenswürdig sein und in einer allfälligen Volksabstimmung bestehen können» müssten. In diesem Lichte hielt die Kantonskammer an ihren Positionen zur Möglichkeit für eine staatliche Herausgabe der E-ID und für eine staatliche Beteiligung an Identity Providern sowie zur Einführung der Eidcom, die sie allesamt als zentral für die Vertrauensbildung in der Bevölkerung erachtete, stillschweigend fest. Einen Schritt auf ihre Schwesterkammer zu machte sie bei den Sorgfaltspflichten, wo sie sich für den zuvor im Nationalrat diskutierten, aber dort noch abgelehnten Mittelweg Flach entschied. Mit der im Nationalrat abgelehnten, zwingenden Alternative zur E-ID bei Dienstleistungen, die nur Sicherheitsstufe «niedrig» verlangen, fand das Anliegen des Konsumentenschutzes im Ständerat Gehör und wurde ins Gesetz aufgenommen. Zugeständnisse an den Nationalrat machte die kleine Kammer auch beim Datenschutz, indem sie einen Kompromiss einführte, wonach die Zweckbindung der Datenverarbeitung erhalten bleiben, eine Bearbeitung durch Dritte im Rahmen des Datenschutzgesetzes aber erlaubt sein soll, um die konzerninterne Arbeitsteilung und das Outsourcing der Datenbearbeitung nicht zu verunmöglichen.
Während sich der Nationalrat bei den Sorgfaltspflichten schliesslich auf den Mittelweg Flach einliess und diese Differenz damit ausräumte, brachte die RK-NR einen neuen Vorschlag betreffend die Rolle des Staates vor. Demnach soll der Staat nur dann selber ein E-ID-System betreiben dürfen, wenn die Zwecke der E-ID gemäss Art. 1 BGEID nicht erfüllt werden. Der Bundesrat unterstützte diese Subsidiaritätsregel nun, da sie die Voraussetzungen für das Tätigwerden des Staates klar formuliere und der Bund auch ohne diese Einschränkung ohnehin nur mit gebührender Zurückhaltung agiert hätte. Entgegen einer Minderheit Min Li Marti (sp, ZH), die von der SP-, der Grünen- sowie einzelnen Mitgliedern der FDP-Fraktion getragen wurde und an der ständerätlichen Version festhalten wollte, entschied sich die grosse Kammer für diesen neuen Kompromiss. Bezüglich der Eidcom hatte sich die Mehrheit der RK-NR seit der letzten Beratung umstimmen lassen; sie setzte sich nun gemeinsam mit dem Bundesrat für deren Einführung als unabhängige Aufsicht ein, da der Staat, würde er subsidiär tätig, sich im Falle der Aufsicht durch das Informatiksteuerungsorgan des Bundes letztlich selber beaufsichtigen würde. Die Mehrheit des Nationalratsplenums liess sich davon überzeugen und schloss sich mit 113 zu 69 Stimmen dem Ständerat an, während die SVP- und die BDP-Fraktionen sowie einige FDP-Vertreterinnen und -vertreter dagegen votierten. Dem ständerätlichen Kompromiss beim Datenschutz stimmte die grosse Kammer stillschweigend ebenfalls zu.
In der einen verbleibenden Differenz zum subsidiären E-ID-System des Bundes schloss sich der Ständerat schliesslich stillschweigend dem neuen nationalrätlichen Vorschlag an. Die so bereinigte Vorlage passierte die Schlussabstimmung im Nationalrat mit 144 zu 51 Stimmen bei 2 Enthaltungen und jene im Ständerat mit 35 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen. Wie bereits seit längerem angekündigt, zeigten sich die SP und die Grünen nicht zufrieden mit dem Gesetz, weil sie sich die Herausgabe der E-ID durch den Staat gewünscht hätten. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit dürfte wohl das Volk haben, mutmasste die Presse.

E-ID-Gesetz
Dossier: Identification électronique

In der Herbstsession 2019 behandelte der Nationalrat die Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit im Arbeitslosenversicherungsgesetz. Die Änderungen seien geringfügig und entsprächen «faktisch Anpassungen des Gesetzes an die Praxis», fasste Kommissionssprecher Pardini (sp, BE) die Vorlage zusammen. Zwar habe es in der Kommission Anträge gegeben, die das AVIG «auf den Kopf stellen wollten», die Kommission sei jedoch der Meinung, dass dazu eine Totalrevision des Gesetzes mit einer umfassenden Vernehmlassung bei Parteien und Wirtschaftsverbänden nötig sei. Eine solche grosse Veränderung stelle nun zum Beispiel der Einzelantrag Glarner (svp, AG) dar, den die Kommission zuvor als Minderheitsantrag Aeschi (svp, ZG) abgelehnt habe. Andreas Glarner beantragte dem Rat unter anderem, die Möglichkeit der Führung von privaten Kassen abzuschaffen. Es könne nicht sein, dass die Gewerkschaften mit der Führung von Arbeitslosenkassen viel Geld verdienten, zumal ihre Verwaltungsaufwände überproportional gestiegen seien, erklärte der Antragssteller. Überdies warf er den Gewerkschaften vor, die Arbeitslosigkeit zu fördern – etwa durch die Befürwortung der Personenfreizügigkeit und von grosszügigen Asylverfahren –, um mehr Geld zu verdienen. In der Folge entwickelte sich hierzu eine ausführliche Debatte mit zahlreichen Fragen von Mitgliedern der SVP-Fraktion.
In der Detailberatung folgte der Nationalrat überall der Kommissionsmehrheit und somit weitgehend der bundesrätlichen Botschaft. Arbeitnehmende sollen bei Kurzarbeits- (KAE) sowie bei Schlechtwetterentschädigungen (SWE) folglich nicht mehr verpflichtet sein, eine Zwischenbeschäftigung zu suchen. Zudem soll zukünftig der Bundesrat über eine Verlängerung der Zulassung für KAE entscheiden und sich dabei auf die Differenz der aktuellen Anzahl Voranmeldungen für KAE zu den entsprechenden Zahlen sechs Monate zuvor sowie auf die Arbeitsmarktprognosen des Bundes stützen. Hier lehnte der Rat einen Minderheitsantrag Marra (sp, VD) ab, gemäss dem aufgrund der Reaktionen aus den Kantonen eine «hohe und andauernde Arbeitslosigkeit» als einziges Kriterium für die Verlängerung der Höchstdauer von KAE hätte verwendet werden sollen. Den Antrag Glarner sowie Minderheitsanträge von Thomas Aeschi für eine Verpflichtung der Arbeitslosenkassen, zur Schaffung von Transparenz jährlich eine Bilanz und eine Erfolgsrechnung vorzulegen sowie ihre internen Haftungsverhältnisse zu regeln, für eine Präzisierung der Rolle der Aufsichtskommission bezüglich der Jahresrechnung und des Jahresberichtes sowie für eine Verkleinerung der Aufsichtskommission auf fünf Mitglieder, lehnte der Nationalrat ebenfalls allesamt ab. Die beiden Kommissionssprecher hatten zuvor noch einmal betont, dass solche potenziell weitreichenden Änderungen in einer Gesamtrevision des AVIG vorgenommen werden müssten.
In der Gesamtabstimmung nahm der Rat die Vorlage mit 184 Stimmen einstimmig an. Gleichzeitig schrieb er die Motion Vonlanthen (cvp, FR; Mo. 16.3457), die diesem Bundesratsgeschäft zugrunde lag, stillschweigend ab.

Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes
Dossier: Simplifier les dispositions relatives à l’indemnité en cas de réduction de l’horaire de travail (révision de la LACI)

Der Nationalrat hiess die Motion Vonlanthen (cvp, FR), die einen erleichterten Informationsaustausch in der Bundesverwaltung durch Einführung von elektronischen Schnittstellen forderte, oppositions- und diskussionslos gut. Damit hatten die beiden gleichlautenden Motionen Vonlanthen und Grüter (svp, LU; Mo. 18.4238) beide Kammern jeweils ohne Diskussion und Gegenstimmen passiert. Das von der SPK-NR in ihrem Bericht formulierte Ziel einer Beschleunigung der sich seit 2008 im Gange befindlichen entsprechenden Arbeiten dürfte damit deutlich signalisiert sein.

Erleichterter Informationsaustausch in der Bundesverwaltung (Mo. 18.4276)
Dossier: E-Government

«Die TV-Nachrichtenabteilung soll in Genf bleiben.» Die so lautende Standesinitiative des Kantons Genf, welche der Genfer Grosse Rat mit 76 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen verabschiedet hatte, wollte für klare Verhältnisse in der Programmproduktion der SRG in der Romandie sorgen. Dieser Antrag des Genfer Kantonsparlaments reihte sich in eine Vielzahl von Vorstössen ein, die die Frage nach den Produktionsstandorten der Radio- und Fernsehanstalt erörtern wollten. Drei Punkte wollte der Kanton Genf erreichen: Ein besseres Gleichgewicht bei den audiovisuellen Tätigkeiten der RTS in der Westschweiz; den Erhalt der Fernsehnachrichtenabteilung in Genf; sowie den Erhalt der Radiotätigkeit in Bern. Ausgelöst worden war die Initiative durch die mögliche Konzentration der Programmproduktion am Standort Lausanne.
Im August 2019 wurde in der KVF-SR über die Standesinitiative beraten. Dort fand das Anliegen aber kein Gehör. Die Haltung der Kommission war bereits bekannt und konsolidiert, seit sie im Frühjahr 2019 eine ähnliche parlamentarische Initiative Vonlanthen (cvp, FR; Pa.Iv. 18.449) behandelt hatte. Die Frage der Standorte solle nicht auf Gesetzesstufe geregelt werden, zudem reichten die Vorgaben des RTVG und der Konzession bezüglich der sprachregionalen Angebote aus, argumentierte die Kommission einstimmig.
Mit dem Nein aus der Kommission standen die Zeichen für einen Meinungsumschwung in der kleinen Kammer schlecht. Die zusammen mit den parlamentarischen Initiativen aus dem Nationalrat behandelte Genfer Standesinitiative hatte im Ständerat keine Chance. Kommissionssprecher Janiak (sp, BL) gab an, dass die SRG-Leitung intensive Gespräche mit der Genfer Regierung führe und dass eine Lösung erarbeitet werde. Selbst der Genfer Ständerat Robert Cramer (gp, GE) verzichtete darauf, die Standesinitiative zur Annahme zu empfehlen. Er habe zur Kenntnis genommen, dass man nicht das Recht habe, in die Organisation der SRG einzugreifen, betonte er zerknirscht. («J'ai donc pris note que nous n'avions pas le droit d'intervenir sur la façon dont la SSR s'organise.»)

Die TV-Nachrichtenabteilung soll in Genf bleiben (Kt.Iv. 19.306)

Dans le rapport consacré au système de l'obligation de servir, le modèle du service citoyen a été brièvement évoqué. Beat Vonlanthen (pdc, FR) demande alors au Conseil fédéral d'approfondir les modalités et les implications concrètes de ce modèle. En cas d'acceptation du postulat, il devra examiner si celui-ci peut pallier les difficultés rencontrées par le système de milice, répondre aux défis sociétaux et favoriser la cohésion nationale. Outre l'organisation et les ressources, il étudiera notamment les effets du service citoyen sur l'économie privée et le marché du travail. Il réfléchira déjà à l'adaptation du cadre légal et administratif, ainsi qu'à la répartition des tâches, en vue de son éventuelle introduction et de sa mise en œuvre.
Le Conseil des Etats adopte, comme voulu par le Conseil fédéral, le postulat. L'analyse s'effectuera dans le cadre de l'évaluation de la situation de l'armée et de la protection civile en matière d'alimentation de leurs effectifs, dont le rapport est attendu d'ici fin 2020.

Approfondir les modalités et les implications concrètes du modèle du service citoyen (Po. 19.3735)
Dossier: Développement du système de l'obligation de servir
Dossier: AlimentatIon de l'armée

L'essor du commerce en ligne ouvre de nombreuses opportunités pour les entreprises helvétiques. Néanmoins, ce canal de distribution repose essentiellement sur la confiance du consommateur. Ainsi, Beat Vonlanthen (pdc, FR) demande au Conseil fédéral de soutenir la création d'un label de qualité pour le commerce en ligne suisse. Les labels sont des outils efficaces dans la création d'une relation de confiance entre l'entreprise et le consommateur.
Le Conseil fédéral a proposé de rejeter la motion. Il estime que les conditions-cadres pour le commerce en ligne permettent déjà la création de labels de qualités, et que le commerce en ligne est propice à une relation de confiance grâce aux évaluations clients qui garantissent la transparence. De plus, il précise que l'utilisation de l'extension .swiss fait déjà office de garant de qualité.
La motion a donc été retirée.

Label de qualité pour le commerce en ligne suisse

Die SRG-Produktionsstandorte im Gesetz festschreiben wollte die parlamentarische Initiative Vonlanthen (cvp, FR), die das Plenum des Ständerates in der Sommersession 2019 beschäftigte. Die Kommission hatte beantragt, der Initiative keine Folge zu geben, wie es ihr Sprecher Janiak (sp, BL) im Rat abermals bekräftigte. Im Anschluss an diese Erklärung entwickelte sich eine umfassende und lange Debatte – der Ständerat hielt sich über zwei Stunden mit dem Geschäft auf –, die zahlreiche Argumente für und wider die Initiative hervorbrachte. Letztlich zeichnete sich ab, dass sich eine Mehrheit der Ständerätinnen und Ständeräte mit dem ökonomisch motivierten Standortentscheid der SRG-Leitung abfinden würde und sich aus dem operativen Geschäft des Unternehmens heraushalten wollte. Stellvertretend für diese Position gab etwa Konrad Graber (cvp, LU) zu Protokoll, dass der Ständerat nicht zu einem «Super-Verwaltungsrat» gemacht werden dürfe. Die Diskussion deutete mit zunehmendem Fortschritt auf eine recht deutliche Ablehnung der Initiative hin. Dieser kam jedoch Initiant Vonlanthen zuvor, indem er seinen Vorstoss zurückzog. Dies wiederum stiess Claude Janiak etwas sauer auf. Er war der Meinung, dass die Debatte zu einem Ende und einer Abstimmung gebracht werden solle und dass eine bereits früher gefasste Absicht, die Initiative zurückzuziehen, eingangs der Diskussion hätte geäussert werden sollen. Der Entscheid führte auch zu Unsicherheit: Ständerat Eder (fdp, ZG) wollte gleichwohl eine Abstimmung veranlassen, was jedoch das Geschäftsreglement nicht vorsah. So endete eine langwierige Auslegeordnung zur Frage der SRG-Produktionsstandorte vorerst im Nichts.

Fünf parlamentarische Initiativen gegen Wegzug des Radiostudios Bern