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  • Élection par l’Assemblée fédérale
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Das Parlament hatte Alberto Fabbri und Joséphine Contu Albrizio bereits Ende 2021 zum Präsidenten bzw. zur Vizepräsidentin gewählt. Da eine einmalige Wiederwahl für die beiden Ämter möglich ist, und die GK in der Anhörung der beiden Personen einen guten Eindruck erhalten hatte, schlug sie die beiden für die Wahl des Präsidiums und Vizepräsidiums am Bundesstrafgericht für die neue Amtsperiode 2024-2025 vor. Im Bericht hob die Kommission hervor, dass die «Rückkehr zur Ruhe» nach «einer Zeit der Turbulenzen» am BstGer vor allem auch dem Gerichtspräsidium geschuldet sei. Die Wiederwahl war zuvor auch vom Gesamtgericht vorgeschlagen worden. Im Parlament stiessen diese Vorschläge kaum auf Widerstand: Alberto Fabbri wurde mit 228 Stimmen (total 237 eingelangte und 9 leere Stimmzettel) und Joséphine Contu Albrizio wurde mit 226 Stimmen (total 235 eingelangte und 9 leere Stimmzettel) deutlich in ihren Ämtern bestätigt.

Wahl des Präsidiums und Vizepräsidiums am Bundesstrafgericht (23.216)

In der Herbstsession 2023 wählte die vereinigte Bundesversammlung eine neue nebenamtliche Bundesrichterin und einen neuen nebenamtlichen Bundesrichter. Die Wahl von Caroline Schär (sp) und Serge Segura (fdp) für den Rest der Amtsperiode 2021 bis 2026 war unbestritten. Von den 208 eingelangten Wahlzetteln entfielen 197 auf Caroline Schär und 201 auf Serge Segura.
Die Wahl war nötig geworden, weil die bisherige nebenamtliche Bundesrichterin Aileen Truttmann als ordentliche Richterin ans Bundesverwaltungsgericht und der bisherige nebenamtliche Bundesrichter Yann Hofmann zum ordentlichen Bundesrichter gewählt worden waren. Die GK hatte je eine deutsch- bzw. französischsprachige Stelle ausgeschrieben. Von den acht Bewerbungen für die deutschsprachige Position (darunter vier Frauen) entschied sich die GK für das Dossier von Caroline Schär die neben ihrer fachlichen Eignung als SP-Mitglied die Untervertretung der SP bei den nebenamtlichen Bundsrichterinnen und -richtern korrigiere, so die Kommission in ihrem Bericht. Dasselbe gelte für Serge Segura hinsichtlich der leichten Untervertretung der FDP. Segura liess neun andere Bewerbungen für die französischsprachige Stelle hinter sich (darunter 2 Frauen).

Wahl einer nebanamtlichen Bundesrichterin und eines nebenamtlihen Bundesrichters

Mit Matthias Kradolfer (fdp) und Rolf von Felten (mitte) schlug die GK im September 2023 zwei neue ordentliche Bundesrichter für den Rest der Amtsperiode 2021-2026 vor. Die beiden Kandidaten sollten die aufgrund ihres Pensionsalters per Ende 2023 zurücktretende Bundesrichterin Elisabeth Escher (mitte) und Bundesrichter Felix Schöbi (mitte) ersetzen. Auf die beiden deutschsprachigen Stellen hatten sich insgesamt 19 Männer und 7 Frauen beworben. Die Wahl der GK fiel auf Kradolfer und von Felten, weil beide «neben einer fundierten juristischen Ausbildung auch die persönlichen und sprachlichen Kompetenzen mitbringen, die für eine Wahl an die höchste gerichtliche Instanz der Schweiz notwendig» seien, so die GK in ihrem Bericht. Darüber hinaus verträten die beiden zwei Parteien, die am Bundesgericht momentan untervertreten seien. In der Herbstsession wurden Matthias Kradolfer mit 203 und Rolf von Felten mit 206 von total 208 eingelangten Stimmen von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt.

Zwei neue ordentliche Bundesrichter

Die Gerichtskommission schlug für die Gesamterneuerungswahl der Bundesanwaltschaft 2023 die amtierenden drei Personen zur Wiederwahl vor. In der Tat kandidierten der aktuelle Bundesanwalt, Stefan Blättler, und seine beiden Stellvertreter, Ruedi Montanari und Jacques Rayroud, auch für die neue Amtsperiode von 2024–2027. Die GK habe mit der Präsidentin der AB-BA und mit den Kandidierenden Gespräche geführt und sehe keinen Anlass, die Wiederwahl nicht zu empfehlen. Auch die GPK beider Räte sowie die Finanzdelegation seien eingeladen worden, sich zu melden, falls die fachliche oder persönliche Eignung einer der drei Kandidaten in Frage gestellt würde – und auch hier seien keine solchen Feststellungen eingegangen. Bei den Gesprächen mit den drei Kandidierenden habe sich die GK zudem von deren Motivation und der guten Zusammenarbeit überzeugen lassen. Einziges von der AB-BA vorgebrachtes Problem sei, dass die drei Kandidierenden etwa gleich alt seien und es problematisch werden könnte, wenn alle gleichzeitig den Ruhestand antreten würden. Es sei mit den Dreien deshalb vereinbart worden, dass sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Pension gehen werden.

Während der Sommersession 2023 gab die Wiederwahl in der Vereinigten Bundesversammlung wie erwartet kaum Anlass für Diskussionen. Stefan Blättler wurde mit 209 von 210 Stimmen glänzend im Amt bestätigt. Ein Wahlzettel war leer geblieben. Die beiden Stellvertreter, Ruedi Montanari und Jacques Rayroux, erhielten 189 von 210 eingelangten Stimmen.

Gesamterneurung Bundesanwaltschaft (PAG 23.202)

In der Sommersession 2023 wählte die Vereinigte Bundesversammlung mit Selin Elmiger-Necipoglu eine neue Bundesverwaltungsrichterin und mit Philipp Egli einen neuen Bundesverwaltungsrichter. Die Ersatzwahlen für das Bundesverwaltungsgericht waren nötig geworden, weil aufgrund der Pensionierung von Muriel Beck Kadima sowie von Michael Peterli-Caruel ab Januar 2024 zwei Stellen vakant sein werden. Von den 193 gültigen Stimmen – von den 209 eingelangten Wahlzetteln blieben 16 leer – erhielt Selin Elmiger-Necipoglu 191 Stimmen und Philipp Egli 192 Stimmen. Die beiden werden sich Ende 2024 der Wiederwahl stellen müssen, weil dann die Amtsperiode ablaufen wird.

Im Vorfeld der Wahlen hatte die GK lediglich eine Stelle für eine Beschäftigung zu 90 Prozent für eine Richterin oder einen Richter deutscher Sprache ausgeschrieben, danach aber Kenntnis davon erhalten, dass noch eine weitere Stelle mit identischem Profil zu 80 Prozent zu besetzen sein wird. Die Kommission entschied sich entsprechend, von den sieben valablen Kandidaturen (vier Frauen und drei Männer) gleich zwei auszuwählen. Die Wahl fiel dabei auch deshalb auf Elmiger-Necipoglu und Egli, weil sie zwei am Bundesverwaltungsgericht momentan untervertretenen Parteien angehören.

Wahl einer Bundesverwaltungsrichterin und eines Bundesverwaltungsrichters

Weil auf eine erste Stellenausschreibung keine valablen Kandidierenden für eine nebenamtliche Bundesrichterstelle italienischer Sprache hatten gefunden werden können, hatte die GK den Posten ein zweites Mal ausgeschrieben. Die Suche nach nebenamtlichen Richterinnen und Richtern war nötig geworden, weil die nebenamtliche Richterin Frederica De Rossa und der nebenamtliche Richter Christian Kölz in der Herbstsession 2022 zur ordentlichen Richterin bzw. zum ordentlichen Richter gewählt worden waren. In der Frühjahrssession 2023 hatte dann allerdings mit Tanja Petrik-Haltiner lediglich die deutschsprachige Stelle besetzt werden können.
Die Besetzung der italienischsprachigen Stelle gelang hingegen in der Sommersession 2023. Die GK hatte aus sechs neuen Kandidaturen (zwei Frauen und vier Männer) die Bewerbung von Athos Mecca empfohlen, der nicht nur das Profil der Stelle erfülle, sondern auch der unter den nebenamtlichen Richterinnen und Richtern am Bundesgericht untervertretenen FDP angehöre, so die Begründung der GK im entsprechenden Bericht. Die Vereinigte Bundesversammlung wählte den Tessiner mit 200 von 200 gültigen Stimmen. Von den 209 eingelangten Stimmzetteln blieben 9 leer.

Wahl einer nebenamtlichen Richterin und eines nebenamtlichen Richters ans Bundesgericht (22.218)

Ziemlich überraschend gab Paul Rechsteiner (sp, SG) Anfang Oktober 2022 bekannt, auf die kommende Wintersession zurückzutreten. Nach 36 Jahren Bundesbern gehe eine «aussergewöhnliche Politkarriere» zu Ende, titelte das St. Galler Tagblatt. «Eine zentrale Figur der Linken» trete ab, meinte der Appenzeller Volksfreund. Der SP-Politiker sass schon 1977 im Stadtparlament von St. Gallen und von 1984 bis 1986 im Kantonsparlament, bevor er 1986 in den Nationalrat nachrutschte. 1998 wurde er zudem Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, dem er während 20 Jahren vorstand, was ihn zu einem «politischen Schwergewicht» gemacht, aber auch seine Politik «im Dienst für die sozial Schwächeren» geprägt habe, urteilte der Tages-Anzeiger. 2011 schaffte der St. Galler Sozialdemokrat dann «eine kleine Sensation» – so die WoZ –, nämlich den Sprung in den Ständerat, für den er in der Folge zwei Mal bestätigt wurde. Rechsteiner wäre nicht Rechsteiner, wenn er nicht auch seinen Rücktritt «als Schachzug» geplant hätte, kommentierte das St. Galler-Tagblatt: Es sei zwar erwartet worden, dass er zurücktrete, weil er dies aber nun kurz vor Ende der Legislatur tue, setze er die FDP und die SVP, die den St. Galler SP-Sitz im Ständerat angreifen wollten, unter Druck, dies nun innert kürzester Zeit aufgleisen zu müssen. Rechsteiner selber begründete seinen Schritt damit, dass die Wahlbevölkerung sich bei einer Einervakanz besser für eine Kantonsvertretung entscheiden könne als gleichzeitig mit den Nationalratswahlen im Herbst 2023, die zu sehr «parteipolitisch geprägt» seien.

Der Plan der SP zur Verteidigung ihres Ständeratssitzes ging freilich nicht auf. Im zweiten Wahlgang eroberte die SVP erstmals in ihrer Geschichte den St. Galler Ständeratssitz. Esther Friedli (svp, SG) setzte sich Ende April gegen Barbara Gysi (sp, SG) durch. Die 2019 in den Nationalrat gewählte 45-jährige SVP-Politikerin hatte damals trotz Sitzverlust der SVP mehr Stimmen geholt als zwei Bisherige. 2016 war Friedli für ihre Kandidatur für die St. Galler Regierungsratswahlen als ehemaliges CVP-Mitglied zur SVP gewechselt und wurde 2022 auch als mögliche Bundesrätin gehandelt. Nun nahm sie in der Sommersession 2023 erstmals in der kleinen Kammer Platz, nachdem sie dort den Amtseid geleistet hatte. Bereits bei den eidgenössischen Wahlen 2023 wird sie diesen Sitz verteidigen müssen.

Zusammen mit der Vereidigung von Esther Friedli war es im Ständerat in der 51. Legislatur insgesamt lediglich zu drei Wechseln gekommen (2021: Rücktritt von Christian Levrat (sp, FR) und Wahl von Isabelle Chassot (mitte, FR); 2022: Wahl von Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) in den Bundesrat und Nachrücken von Mathilde Crevoisier Crelier (sp, JU)). Seltene Wechsel sind – im Gegensatz zum Nationalrat – im Ständerat normal; so gab es in der 50. Legislatur zwei und in der 49. Legislatur ebenfalls nur drei Mutationen in der kleinen Kammer. In der laufenden 51. Legislatur musste die SP dreimal einen Sitz verteidigen, was ihr lediglich beim Jura-Sitz gelang. Im Kanton Jura gibt es freilich keine Ersatzwahlen, sondern die Listenwahl macht ein Nachrutschen auch im Ständerat möglich. In Freiburg verlor die SP ihren Sitz an die Mitte und in St. Gallen an die SVP. Da in zwei dieser drei Fälle Frauen Männer ersetzten, erhöhte sich der Frauenanteil in der kleinen Kammer von 26.1 Prozent (12 Ständerätinnen Anfang Legislatur) auf 30.4 Prozent (14 Ständerätinnen Ende Legislatur).

Allerdings besteht ab der Sommersession 2023 in der kleinen Kammer eine Vakanz. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI), ebenfalls von der SP, wurde im März 2023 in die Tessiner Kantonsregierung gewählt und gab entsprechend ihren Rücktritt aus dem Ständerat bekannt. Der Tessiner Staatsrat entschied dann allerdings, dass keine Ersatzwahlen für den frei gewordenen Standessitz abgehalten würden, da der früheste Termin für eine entsprechende Wahl Mitte Juni gewesen wäre und ein möglicher zweiter Wahlgang gar erst Anfang September hätte durchgeführt werden können – im Kanton Tessin dürfen im Juli und im August keine Urnengänge stattfinden. Folglich hätte die neue Kantonsvertretung lediglich noch an der Herbstsession 2023 teilnehmen können, anschliessend standen bereits die eidgenössischen Wahlen an. Die Kosten und der Verwaltungsaufwand für zwei kurz nacheinander erfolgende Wahlen seien «nicht opportun», so die Begründung der Tessiner Regierung. Dieser Entscheid stiess auf einige Kritik, die aber nichts daran änderte, dass der Ständerat bis Ende Legislatur lediglich aus 45 Mitgliedern bestand.

Mutationen 2023
Dossier: Mutations a l'Assemblée fédérale

Mit Jenny De Coulon Scuntaro und Raphaël Gani hatten Ende 2022 gleich zwei Personen mit französischer Muttersprache ihren Rücktritt aus dem Bundesverwaltungsgericht bekannt gegeben. Für die Wahl von zwei neuen Mitgliedern ans Bundesverwaltungsgericht schlug die GK Aileen Truttmann und Pierre-Emmanuel Ruedin vor. Auf die Ausschreibungen der beiden Stellen – eine zu 90 Prozent, die andere zu 60 Prozent –, bei der auch auf die Untervertretung der Parteien FDP (-1.57), SP (-0.96) und GP (-0.92) verwiesen worden sei, hatten sich insgesamt 19 «valable» Kandidatinnen und Kandidaten beworben, darunter 6 Frauen, so der GK-Bericht. Mit vier Personen habe man Gespräche geführt und sich schliesslich für Truttmann, die als nebenamtliche Richterin am Bundesgericht beschäftigt ist und die Untervertretung der FDP korrigiert, sowie für Ruedin, der seit 2012 als Gerichtsschreiber am BVGer arbeitet und die Untervertretung der Grünen verbessert, entschieden.
Beide wurden in der Frühjahrssession 2023 von der Vereinigten Bundesversammlung mit 183 Stimmen für die Amtsperiode 2019 bis 2024 gewählt. Von den 190 ausgeteilten Wahlzetteln kam einer nicht zurück und einer blieb leer.

Wahl von zwei Mitgliedern ans Bundesverwaltungsgericht

Weil in der Herbstsession 2022 eine nebenamtliche Richterin (Federica De Rossa) und ein nebenamtlicher Richter (Christian Kölz) ins Vollamt gewählt worden waren, mussten am Bundesgericht zwei neue Stellen für nebenamtliche Richterinnen oder Richter deutscher bzw. italienischer Sprache besetzt werden. Zwar waren für die deutschsprachige Stelle 22 Bewerbungen eingegangen (5 von Frauen), aus denen sich die GK für Tanja Petrik-Haltiner entschied, für die italienischsprachige Stelle seien hingegen nur 8 (4 Frauen) und darunter «sehr wenige geeignete Bewerbungen» eingegangen, so die GK in ihrem Bericht. Man habe deshalb entschieden, die Stelle noch einmal auszuschreiben und sie erst in der Sommersession 2023 zu besetzen.
Die Wahl einer neuen nebenamtlichen Richterin deutscher Muttersprache ans Bundesgericht, mit der laut GK auch die «starke Untervertretung der SP» am BGer korrigiert werden soll, erfolgte in der Frühjahrssession 2023. Die Vereinigte Bundesversammlung wählte Tanja Petrik-Haltiner mit 179 Stimmen. Von den 190 ausgeteilten Wahlzetteln wurde einer nicht eingereicht, 9 blieben leer und einer entfiel auf Diverse.

Wahl einer nebenamtlichen Richterin und eines nebenamtlichen Richters ans Bundesgericht (22.218)

In der Wintersession 2022 hatte das Parlament einer Aufstockung der Zahl an vollamtlichen Richterinnen und Richtern am Bundesgericht von 38 auf 40 zugestimmt. Diese beiden neuen Stellen als ordentliche Richterinnen und Richter wurden in der Frühjahrssession 2023 von der Vereinigten Bundesversammlung besetzt. Sie sei «erfreut [gewesen] über das ausgezeichnete Niveau der angehörten Personen», berichtete die GK. Es hätten sich 18 Personen beworben (darunter 5 Frauen), von denen sieben Bewerber und eine Bewerberin zu Gesprächen eingeladen worden seien. Die Kommission habe sich schliesslich entschieden, Yann Hofmann, vor seiner Wahl nebenamtlicher Richter am Bundesgericht, und Jean Métral, lange Zeit Gerichtsschreiber am Bundesgericht, für die Wahl von zwei ordentlichen Richtern ans Bundesgericht zu empfehlen. Métral erhöhe den Anteil der unter den ordentlichen Bundesrichterinnen und Bundesrichtern untervertretenen GP (-0.55) und Hofmann die in geringerem Masse untervertretene Mitte (-0.13).
Hofmann erhielt in der Folge lediglich 159 Stimmen, Métral hingegen 182 der 187 eingelangten Wahlstimmen (3 der 190 ausgeteilten Wahlzettel wurden nicht abgegeben, ungültig oder leer war keiner). Weshalb Hofmann vergleichsweise wenige Stimmen erhielt, ist auch aufgrund des Wahlgeheimnisses nicht zu eruieren. Bei seiner Wahl zum nebenamtlichen Richter im Jahr 2019 hatte Hofmann noch 230 von 234 Stimmen erhalten.

Wahl von zwei ordentlichen Richtern ans Bundesgericht

Ende Februar 2023 wurden mit Manfred Bühler (svp, BE) und Andreas Meier (mitte, AG) im Nationalrat zwei neue Mitglieder vereidigt.

Manfred Bühler, amtierender SVP-Kantonalpräsident und Berner Grossrat, rückte für den in den Bundesrat gewählten Albert Rösti nach. Der Bernjurassier Bühler, der schon von 2015 bis 2019 ein Nationalratsmandat innehatte, beendete mit seinem Nachrücken die Phase der Nichtvertretung des französischsprachigen Teils des Kantons Bern. Dieser war seit 1848 bis 2011 ununterbrochen in der grossen Kammer vertreten gewesen, bei den eidgenössischen Wahlen 2011 und 2019 schafften es allerdings keine Kandidierenden aus dem Berner Jura, nach Bundesbern gewählt zu werden, was auch auf nationaler Ebene zu einigen Vorstössen geführt hatte. Manfred Bühler war 2019 trotz Bisherigenbonus und gutem Listenplatz nicht wiedergewählt worden und rückte nun als zweiter Berner Vertreter der SVP Liste nach. Zuvor bereits nachgerückt war Lars Guggisberg (svp, BE), der den Platz von Werner Salzmann (svp, BE) einnahm, nachdem letzterer im zweiten Wahlgang in den Ständerat gewählt worden war. Bühler gab zu Protokoll, dass es wichtig sei, dass ein zweisprachiger Kanton mit Abgeordneten aus beiden Sprachregionen vertreten sei. Die Kultur im französischsprachigen Teil des Kantons Bern sei eine andere als im Deutschschweizer Teil.

Andreas Meier, 60-jähriger Winzer und Aargauer Grossrat, rückte für Ruth Humbel (mitte, AG) nach, über deren vorzeitigen Rücktritt in den Medien bereits im März 2022 spekuliert worden war. Ruth Humbel hatte seit 2003 im Nationalrat gesessen und war zum Zeitpunkt ihres Rücktritts das amtsälteste Nationalratsmitglied. Sie war damals für Guido A. Zäch (cvp, AG) nachgerutscht und insgesamt fünfmal wiedergewählt worden. Die Aargauer Zeitung erinnerte daran, dass bereits vor den letzten eidgenössischen Wahlen 2019 spekuliert worden sei, dass Ruth Humbel zurücktreten werde. Ihr nochmaliges Antreten als Spitzenkandidatin habe der damaligen CVP wohl einen zusätzlichen Sitzgewinn eingebracht. Gemäss parteiinternen Quellen habe es damals aber einen Deal gegeben. Sollte Ruth Humbel das Präsidium der SGK erhalten, würde sie frühzeitig zurücktreten, um einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger Platz zu machen. Dies würde deren oder dessen Wahlchancen im Herbst 2023 erhöhen, womit die Mitte weiterhin auf zwei Nationalratsmandate aus dem Kanton Aargau hoffen könnte. In der Tat präsidierte Humbel die Kommission von 2019 bis 2021. Obwohl Andreas Meier in der Folge seinen Rücktritt als Aargauer Grossrat ankündigte, um sich für sein Amt in Bern vorzubereiten, gab Humbel ihren Rücktritt lange Zeit nicht bekannt, was der Tages-Anzeiger als «Kommunikatives Desaster» bezeichnete. Erst in der Wintersession 2022 gab die Aargauer Mitte-Politikerin dann schliesslich offiziell zu Protokoll, dass dies ihre letzte Session sei. Sie hätte zwar gerne noch die Reform der beruflichen Vorsorge und die Gesundheitsreform zur einheitlichen Finanzierung von Gesundheitsleistungen (Efas) begleitet, gegen diese würden aber wohl Referenden ergriffen, die erst nach den Wahlen 2023 zur Abstimmung kämen. Zudem habe sie ihrer Partei versprochen, einem Nachfolger frühzeitig Platz zu machen, um dessen Wahlchancen zu erhöhen. An ihrem letzten Sessionstag wurde Ruth Humbel mit einer Standing Ovation verabschiedet.

Die beiden Neuzugänge waren in der bald zu Ende gehenden 51. Legislatur in der grossen Kammer die Mutationen Nummer 15 und 16.

Mutationen 2023
Dossier: Mutations a l'Assemblée fédérale

Weil die Ständeratswahlen im Kanton Jura mittels Proporzwahlsystem durchgeführt werden, brauchte es für die Nachfolge von Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU), die in den Bundesrat gewählt worden war, keine Ersatzwahlen, wie dies in anderen Kantonen (mit Ausnahme des Kantons Neuenburg, der ebenfalls ein Proporzwahlsystem für seine Kantonsvertretung kennt) üblich ist. Stattdessen rückte die bei den eidgenössischen Wahlen 2019 Zweitplatzierte auf der SP-Liste in den Ständerat nach. Bei dieser Zweitplatzierten handelte es sich um Mathilde Crevoisier Crelier (sp, JU), die damit «aus dem politischen Nichts [...] direkt ins Stöckli» marschiere, wie der Tages-Anzeiger berichtete. Die Sozialdemokratin, für die die Wahl von Elisabeth Baume-Schneider in die Landesregierung eine grosse Überraschung gewesen sei, sass als Präsidentin der lokalen SP seit 2012 im Stadtparlament von Pruntrut und war 2022 in die Stadtregierung gewählt worden. Als Übersetzerin im Generalsekretariat des EDI ist sie mit der nationalen Politik vertraut. Diesen Beruf musste sie in der Folge allerdings aufgeben, weil Parlamentsmitglieder nicht gleichzeitig der Bundesverwaltung angehören dürfen. Nach kurzer Bedenkzeit legte sie auch ihre lokalpolitischen Ämter nieder, um sich ganz auf ihr Ständeratsmandat zu konzentrieren und es im Herbst als Bisherige zu verteidigen. Sie müsse praktisch ihr ganzes Leben umkrempeln, urteilte der Tages-Anzeiger.
In der Tat wurde Mathilde Crevoisier Crelier bereits in der letzten Woche der Wintersession 2022, also nur gut eine Woche nach der Wahl ihrer Listenkollegin in den Bundesrat, im Ständerat vereidigt. Die neue Ständerätin des Kantons Jura legte das Gelübde ab. Nach dem Rücktritt von Christian Levrat (sp, FR) und der entsprechenden Ersatzwahl von Isabelle Chassot (mitte, FR) zur neuen Ständerätin des Kantons Freiburg im Jahr 2021 stellte das Nachrücken der jurassischen Sozialdemokratin die zweite Mutation im Ständerat in der aktuellen Legislatur dar.

Mutationen 2022
Dossier: Mutations a l'Assemblée fédérale

Wie schon vor zwei Jahren gaben die Wahlen für das Präsidium und Vizepräsidium am Bundesgericht (für die Amtsperiode 2023-2024) Anlass für einige mediale Diskussionen. Dabei ging es insbesondere um den amtierenden Vizepräsidenten Yves Donzallaz, der nach dem angekündigten Rücktritt von Bundesgerichtspräsidentin Martha Niquille für das höchste Richteramt kandidierte. Der 2008 für die SVP ans Bundesgericht gewählte Walliser war bereits 2020 von seiner eigenen Partei für die Gesamterneuerungswahlen des Bundesgerichts für die Amtsperiode 2021-2026 nicht zur Wiederwahl empfohlen worden, weil er laut seiner Partei deren Gedankengut nicht mehr vertrete. Nachdem Donzallaz dann Mitte Oktober 2022 vom Bundesgericht zum Präsidenten empfohlen worden war, trat Donzallaz aus der SVP aus und setzte damit einen «Schlussstrich unter eine seit Jahren tief zerrüttete Beziehung», wie die NZZ urteilte. Dies sei in einem Gespräch mit Fraktionspräsident Thomas Aeschi (svp, ZG) und Parteipräsident Marco Chiesa (svp, TI) so vereinbart worden, gab Donzallaz in den Medien zu Protokoll, damit sein Verhältnis zur SVP während seines Präsidiums beruhigt werde und eine konstruktive Zusammenarbeit möglich bleibe. Die Aargauer Zeitung erinnerte daran, dass die «Justizposse» auch im Rahmen der Abstimmung über die «Justiz-Initiative» eine Rolle gespielt habe. Je nach Lesart sei Donzallaz einerseits Beweis dafür, dass ein Richter oder eine Richterin durchaus auch anders entscheide, als dies die Parteifarbe erwarten liesse, das System also funktioniere. Andererseits zeige das Verhalten der SVP, dass es mit der Unabhängigkeit von der eigenen Partei wohl nicht immer weit her sei. Der Sonntags-Blick goss unmittelbar vor den Wahlen des Bundesgerichtspräsidiums zusätzlich Öl ins Feuer. Die Empfehlung des Bundesgerichts, Donzallaz als obersten Richter zu wählen, sei lediglich mit 20 zu 15 Stimmen (3 Enthaltungen) gefallen. Das Misstrauen gegen den Kandidierenden rühre von der stark kritisierten Aufsichtsarbeit der Verwaltungskommission des Bundesgerichts bezüglich der Vorkommnisse am Bundesstrafgericht her, in der Donzallaz neben Martha Niquille und dem damaligen Bundespräsidenten Ulrich Meyer gesessen habe, wusste der Sonntagsblick zu berichten. Aber auch der Umstand, dass der Vollzeitrichter Zeit finde, um ein Buch «mit insgesamt 4'418 Seiten» zu schreiben, sei wohl in Lausanne auf Argwohn gestossen, so die Zeitung.

In der Wintersession 2022 wählte die Vereinigte Bundesversammlung den auch von der GK in ihrer Wahlempfehlung explizit neu als parteilos geführten Donzallaz mit 156 von 165 gültigen Stimmen. Von den 213 ausgeteilten Wahlzetteln wurden 3 nicht zurückgegeben. Von den restlichen 210 blieben ganze 41 leer, 4 waren ungültig und 9 entfielen auf Diverse. Weniger umstritten war die Wahl des neuen Vizepräsidenten: Der seit 2011 am Bundesgericht amtende und der FDP angehörende François Chaix erhielt 207 Stimmen; 6 der 213 eingelangten Wahlzettel blieben leer.

Bundesgericht. Präsidium und Vizepräsidium 2023-2024
Dossier: Indépendance du pouvoir judiciaire

Der Präsident oder die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts wird für zwei Jahre gewählt, wobei eine einmalige Wiederwahl von zwei weiteren Jahren möglich ist. Eine solche Wiederwahl empfahl die GK für den amtierenden Präsidenten, Vito Valenti. Als Vizepräsident schlug die Kommission Stephan Breitenmoser vor, der allerdings nur ein Jahr in diesem Amt bleiben wird, da er 2023 das Höchstalter von 68 Jahren erreichen wird. Beide Anträge waren vom BVGer an die GK herangetragen worden.
Die Wahl des Präsidiums und Vizepräsidiums 2023–2024 des Bundesverwaltungsgerichts war unbestritten. Die Vereinigte Bundesversammlung wählte in der Wintersession 2022 sowohl Vito Valenti (191 von 213 eingelangten Wahlzetteln; 12 leer, 3 ungültig, 7 Verschiedene) als auch Stephan Breitenmoser (202 von 212 eingelangten Wahlzetteln; 10 leer).

Bundesverwaltungsgericht. Präsidium und Vizepräsidium 2023-2024 (22.211)

In der Wintersession wählte die Vereinigte Bundesversammlung drei neue Mitglieder ans Bundesverwaltungsgericht. Die Wahl wurde nötig, weil mit Fulvio Haefeli und Andreas Trommer zwei Richter aus Altergründen ihren Rücktritt angekündigt hatten. Die GK schrieb in der Folge drei Richterstellen zu insgesamt 250 Stellenprozenten aus – zwei für deutschsprachige Personen und eine für eine Person italienischer Muttersprache. Aus insgesamt 26 Bewerbungen (16 Männer und 10 Frauen) entschied sich die GK für Manuel Borla, Basil Cupa und Sebastian Kempe. Alle drei zur Wahl empfohlenen Kandidaten seien als Gerichtsschreiber und Anwälte für das Amt geeignet und würden aufgrund ihrer Parteiaffinität auch die Untervertretung von FDP, GP und SVP am BVGer korrigieren, so die GK in ihrem Bericht. Die Vorschläge wurden von allen Fraktionen unterstützt, was sich in den Wahlresultaten widerspiegelte: Manuel Borla und Basil Cupa erhielten 208 von 209 gültigen Stimmen (3 Wahlzettel blieben leer) und auf Sebastian Kempe entfielen 203 Stimmen.

Bundesverwaltungsgericht. Wahl eines Mitglieds (22.208)

Nur wenige Tage nach der Wahl seines Büros für 2022/2023 musste der Ständerat bereits eine Ersatzwahl vornehmen. Für die Ende November 2022 zur zweiten Vizepräsidentin gewählte, aber nur wenige Tage später zur neuen Bundesrätin gekürte Elisabeth Baume-Schneider wurde auf Vorschlag der SP-Fraktion Eva Herzog (sp, BS) gewählt – ausgerechnet also jene SP-Vertreterin, die in besagten Bundesratswahlen als zweite offizielle Kandidatin unterlegen war. Herzog erhielt 39 von 42 möglichen Stimmen – drei Wahlzettel waren leer geblieben. Die Wahl der Sozialdemokratin sorgte dafür, dass das Präsidium im Ständerat in Frauenhand blieb – Ständeratspräsidentin Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) und Vizepräsidentin Lisa Mazzone (gp, GE) besetzten die ersten beiden Positionen. 2024/2025 wird somit voraussichtlich erstmals eine Sozialdemokratin das höchste Amt in der kleinen Kammer ausüben. Zwar stellte die SP bisher insgesamt neun Ständeratspräsidenten, darunter war aber noch nie eine Frau.
Der Blick wusste zu berichten, dass aus der SP-Ständeratsfraktion neben Eva Herzog nur noch Carlo Sommaruga (sp, GE) oder Daniel Jositsch (sp, ZH) als Kandidaten für das Amt in Frage gekommen wären, da alle anderen SP-Ständeratsmitglieder bei den kommenden Wahlen nicht mehr antreten wollten oder aber andere Ämter anstrebten. Sie schaue nach vorne, arbeite mit vollem Elan weiter und freue sich auf die neue Aufgabe, gab die von der SP portierte Baselstädterin im Blick zu Protokoll. Gesetzt der Fall, Eva Herzog und Eric Nussbaumer (sp, BL) werden bei den eidgenössischen Wahlen 2023 im Ständerat respektive im Nationalrat bestätigt, werden die Ratspräsidien 2024/2025 somit in Basler SP-Händen sein.

Ersatzwahl Büro Ständerat (PAG 22.220)
Dossier: Conseil national et Conseil des Etats. Election de la présidence et du bureau

Die Gesamterneuerungswahl der AB-BA für die Amtsdauer 2023-2026 wurde in der Herbstsession 2022 durchgeführt. Sechs von sieben amtierenden Mitgliedern der Aufsichtsbehörde stellten sich zur Wiederwahl, die unbestritten war. Auch die GPK hatte als Oberaufsicht laut Bericht der GK nichts festgestellt, das die «fachliche oder persönliche Eignung» der Wiederkandidierenden in Frage gestellt hätte. Entsprechend wurde die aktuelle AB-BA-Präsidentin und Vertreterin des Bundesgerichts, Alexia Heine, mit 211 Stimmen, die Vertreterin der Anwaltschaft, Luzia Vetterli, mit 210 Stimmen, der Vertreter der Anwaltschaft, Jörg Zumstein, mit 214 Stimmen und die drei Fachpersonen, Isabelle Augsburger-Bucheli (211 Stimmen), Marc Thommen, der als Vizepräsident amtete (209 Stimmen), sowie der eben erst in der vergangenen Sommersession 2022 gewählte Lionel Seeberger (215 Stimmen) deutlich wiedergewählt. Ausgeteilt worden waren 218 Wahlzettel, einer kam nicht zurück und einer blieb leer, so dass insgesamt maximal 216 Stimmen möglich gewesen wären.

Neben einer Vertretung des Bundesgerichts, einer Anwältin und einem Anwalt und den drei Fachpersonen (die weder einem Gericht angehören noch als Anwälte eingeschrieben sein dürfen), muss in der AB-BA auch eine Vertretung aus dem Bundesstrafgericht sitzen. Diese Position hatte bisher Stefan Heimgartner inne, der jedoch seinen Rücktritt gegeben hatte. Da es dem Bundesstrafgericht über den Sommer nicht gelungen war, eine mögliche Nachfolge zu finden, musste sich die Vereinigte Bundesversammlung in der Wintersession 2022 erneut über das Wahlgeschäft beugen. In der Zwischenzeit hatte das Bundesstrafgericht Fiorenza Bergomi vorgeschlagen, die im März 2019 ins Bundesstrafgericht gewählt worden war und laut GK-Bericht alle Voraussetzungen erfüllte. Dies sah auch die Vereinigte Bundesversammlung so und wählte das neue AB-BA-Mitglied mit 208 Stimmen. Von den 213 ausgeteilten und eingelangten Wahlzetteln blieben 5 leer.

Gesamterneuerungswahl der AB-BA für die Amtsdauer 2023-2026
Dossier: Autorité de surveillance du Ministère public de la Confédération (AS-MPC)

Departementsverteilung und Prognosen

Bereits nach dem Rücktritt von Ueli Maurer hatten die Medien mögliche Szenarien für Departementswechsel skizziert. Viola Amherd würde das VBS wohl gerne abgeben und allenfalls könnte Karin Keller-Sutter mit dem Finanzdepartement ihr Lieblingsdossier übernehmen, wurde etwa spekuliert. Freilich wurden auch Alain Berset und Ignazio Cassis Wechselgelüste nachgesagt. Bei entsprechenden Wechseln müsste der neue SVP-Bundesrat das in den Medien als unbeliebt geltende Verteidigungs- oder das Justizdepartement übernehmen. Das wahrscheinlichste Szenario sei aber, dass alles beim Alten bleibe, weil sich bei den Gesamterneuerungswahlen 2023 mehr Möglichkeiten für einen Wechsel ergeben würden. Die Ausgangslage und damit auch die Spekulationen änderten sich freilich, als nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga klar wurde, dass auch das UVEK vakant werden würde. Die möglichen Szenarien hätten sich dadurch vervielfacht, urteilte etwa Le Temps wiederum unmittelbar nach der Rücktrittsankündigung von Simonetta Sommaruga. Die Karten würden auch deshalb neu gemischt, weil das frei werdende UVEK begehrt sei – was mit zahlreichen verschiedenen Szenarien untermauert wurde. Insbesondere Albert Rösti (svp, BE) dürfte daran interessiert sein, habe allerdings als allfälliger Bundesratsneuling kaum das Recht, zu wählen.

Normalerweise wird die Diskussion zwischen den Regierungsmitgliedern um die Verteilung der Departemente nach einer Bundesratswahl oder einer -ersatzwahl für die erste offizielle Bundesratssitzung am darauffolgenden Freitag traktandiert. Um eine Situation wie 2018 zu vermeiden, als die Parteien übers Wochenende versucht hatten, Einfluss auf die Verteilung zu nehmen, nachdem man sich am an der ersten (Freitags-)Sitzung nicht hatte einigen können, beraumte Bundespräsident Ignazio Cassis die Besprechung diesmal allerdings bereits früher an. Die eigentliche im Gremium intern zu regelnde Departementsverteilung sollte keinen öffentlichen, politischen Charakter erhalten. Entsprechend traf sich der Bundesrat mit den beiden neuen Mitgliedern bereits am Tag nach den Wahlen zu einer informellen Sitzung, bei der man sich auf eine neue Verteilung einigen konnte: Karin Keller-Sutter übernahm das Finanzdepartement; Elisabeth Baume-Schneider erhielt das EJPD und Albert Rösti das von ihm bevorzugte UVEK. Alain Berset (EDI), Viola Amherd (VBS), Guy Parmelin (WBF) und Ignazio Cassis (EDA) behielten entsprechend ihre Departemente.

Auch wenn Bundespräsident Ignazio Cassis betonte, dass man eine Verteilung im Interesse des Landes gesucht und gefunden habe, sprachen die Medien von «Frustrationen», welche die Verteilung auslöse (Le Temps). Zwar machten die Medien verschiedene «grosse Verlierer» und «grosse Gewinner» aus, waren sich darin aber nicht wirklich einig. Einerseits galt Alain Berset als «grosser Verlierer» der Bundesratswahl, da ihm trotz seiner Wechselgelüste ins EDA oder ins EFD angesichts des «Powerplays» der Bürgerlichen nichts anderes übrig geblieben, als im EDI zu bleiben, meinte etwa der Blick. Andererseits wusste die Aargauer Zeitung, dass er nicht bereit gewesen sei, das «für die Gewerkschaften wichtige Innendepartement, die Gesundheits- und Sozialpolitik in bürgerliche Hände zu geben». Berset selbst zeigte sich in einem Blick-Interview «sehr glücklich» mit seinem Departement.
Als «grosser Gewinner» wurde Albert Rösti bezeichnet, da er gleich sein Wunschdepartement erhalten habe. Der Traumjob des neuen Bundesrats sei aber der Alptraum der Linken, augurten der Blick und 24Heures. Dass der «Ölbaron», vom Blick als «Ölbert» bezeichnet, das UVEK übernehme, sei nicht gut für den Umweltschutz, twitterten etwa die Grünen. Der Umstand, dass Röstis erstes grosses Geschäft das Klimaschutz-Gesetz sei, das er nun verteidigen müsse, verspreche allerdings Spannung und sei ein erster Lackmustest für die Konkordanzfähigkeit des neuen SVP-Bundesrats, waren sich die Medien einig. Ebenfalls zu den Gewinnerinnen wurde Karin Keller-Sutter gezählt, die mit dem Finanzdepartement ihr Wunschdepartement erhalten habe und die bürgerliche Sparpolitik wohl weiterverfolgen werde.
Schwierig werde der Start wohl für Elisabeth Baume-Schneider werden, die im EJPD zahlreiche Baustellen übernehmen müsse, urteilten die meisten Medien. Die Jurassierin selber gab hingegen zu Protokoll, dass sie sich als ehemalige Sozialarbeiterin auf das Departement freue. In einigen Westschweizer Medien wurde darauf hingewiesen, dass jetzt ausgerechnet eine Jurassierin den Wechsel von Moutier vom Kanton Bern in den Kanton Jura supervisiere.
Von der SP wurde die Verteilung als Machtdemonstration der Bürgerlichen kritisiert. Dass der Entscheid im Konsens gefallen sei, wie die Bundesratsmitglieder versicherten, vermochte den Zorn der SP nicht zu mindern. Das sei ein Angriff auf die Kollegialität gewesen, liess sich Cédric Wermuth (sp, AG) in der Aargauer Zeitung zitieren.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Élection du Conseil fédéral depuis 2008

Die Wahl des Bundespräsidenten und des Vizepräsidenten des Bundesrates für 2023 geriet ob der Bundesratsersatzwahl etwas aus dem Rampenlicht. Im Anschluss an die Wahl von Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider, die als Nachfolger und Nachfolgerin von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga gewählt worden waren, bestimmte die Vereinigte Bundesversammlung den amtierenden Vizebundespräsidenten Alain Berset turnusgemäss zum neuen Bundespräsidenten für 2023. Der SP-Magistrat erhielt dabei lediglich 140 Stimmen. Von den 232 eingelangten Stimmzetteln blieben ganze 46 leer. 16 entfielen auf Viola Amherd, 10 auf Karin Keller-Sutter, 15 auf Diverse und 5 Stimmzettel waren ungültig. Damit übersprang Berset zwar das absolute Mehr (91 Stimmen) klar, das Resultat war aber deutlich unterdurchschnittlich: Seit dem Zweiten Weltkrieg erhielten neue Bundespräsidentinnen und Bundespräsidenten im Schnitt 173 Stimmen. Micheline Calmy-Rey hält mit nur 106 Stimmen (2010) den Minusrekord. Am meisten Stimmen (213) hatte 1978 Willi Ritschard erhalten. Bei seiner ersten Wahl zum Bundespräsidenten im Jahr 2018 hatte Alain Berset noch ausgezeichnete 190 Stimmen erhalten.

Zur Vizepräsidentin wählte die Vereinigte Bundesversammlung ebenfalls turnusgemäss Viola Amherd, die also voraussichtlich 2024 zum ersten Mal Bundespräsidentin werden wird. Im Gegensatz zu Berset konnte sich die VBS-Chefin über ein glänzendes Resultat freuen. Von den 239 eingelangten Stimmzetteln waren zwar 13 leer und 3 ungültig, zudem entfielen 16 Stimmen auf Diverse, auf 207 Stimmzetteln stand hingegen der Name Amherds. Dies war das drittbeste Resultat für eine Vizepräsidiumswahl seit 1945. Nur Roger Bonvin (1966: 214), Eduard von Steiger (1949: 208) und erneut Willi Ritschard (1977: 207) erhielten mehr bzw. gleich viele Stimmen wie die Walliser Magistratin. Den Minusrekord mit 122 Stimmen hielt Ueli Maurer (2012); im Schnitt erhielten Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten seit 1945 gut 170 Stimmen.

Im Anschluss an die Wahl von Präsidium und Vizepräsidium gratulierte der für 2023 frisch gekürte Bundespräsident in seiner Ansprache seiner neuen Kollegin und seinem neuen Kollegen und bedankte sich bei den beiden scheidenden Bundesratsmitgliedern sowie beim scheidenden Bundespräsidenten Ignazio Cassis. In schwierigen und unsicheren Zeiten müsse «ensemble, insieme, ensemen, zusammen» Verantwortung übernommen werden, um Lösungen zu finden. Berset erinnerte daran, dass die Schweiz im kommenden Jahr ihren 175. Geburtstag feiere. Das Land habe sein Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft. Seine Kultur sei auf Anpassung und Reformen ausgerichtet, worum im Rahmen von starken Institutionen immer wieder gerungen werde. Er freue sich auf die anstehende gemeinsame Arbeit zur ständigen Erneuerung der Schweiz.

Die Medien sprachen angesichts der 140 Stimmen bei der Wahl Bersets von einem höchstens mediokren Resultat (La Liberté). Berset sei «angezählt», urteilte der Tages-Anzeiger. In einer «politisch schwarzen Woche» habe er mit der Präsidentschaftswahl einen «Tiefschlag» erlebt. Im vergangenen Jahr habe er «ungewöhnlich viel einstecken» müssen – der Tages-Anzeiger erinnerte an die versuchte Erpressung Bersets, die Diskussion über die Einsprache gegen eine Mobilfunkantenne in seiner Heimatgemeinde oder die Kritik am Privatpilotflug nach Frankreich, die in den Medien für viel negatives Echo und einen «Krisensommer» für den Freiburger Magistraten gesorgt hätten. Das Präsidialjahr werde freilich nicht einfacher werden, stünden doch zahlreiche Projekte in seinem Departement an, das er nicht habe wechseln dürfen, so der Tages-Anzeiger weiter. Die Weltwoche fragte sich, ob es der Gesundheitsminister im Präsidialjahr wohl schaffe, «sein angeschlagenes Image aufzupolieren». Le Temps vermutete, dass die leeren Stimmen vor allem von der FDP eingelegt worden seien, die ihren Unmut über die überraschende Wahl von Elisabeth Baume-Schneider habe kundtun wollen. Die Freisinnigen hatten im Vorfeld der Ersatzwahlen vor einer Mehrheit der sprachlichen Minderheiten im Bundesrat gewarnt, wie sie nun eingetreten war. Die Leerstimmen seien folglich ein Zeichen dafür, dass der Freisinn die SP auffordere, dieser nicht adäquaten Vertretung der Sprachregionen und der urbanen Schweiz so bald wie möglich ein Ende zu setzen – zum Beispiel mit einem Rücktritt von Alain Berset. Der neue Bundespräsident selber kokettierte mit dieser Kritik und bezeichnete sich in einem Interview mit Le Temps als «un peu périurbain et un peu péri-rural». In den Medien wurde zudem daran erinnert, dass Berset in Umfragen stets zu den beliebtesten Magistratspersonen gehöre.

Ende Jahr gab der scheidende Bundespräsident Ignazio Cassis 24Heures zu Protokoll, dass er sehr gerne noch eine zweite Präsidentschaft erleben würde. Er habe mit dem Ende der Covid-19-Pandemie, mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine und mit der Wahl zweier neuer Mitglieder in der Regierung ein ausserordentliches Präsidialjahr erlebt. Le Temps nahm zudem mit Befriedigung zur Kenntnis, dass dank Cassis mit der EU ein neuer Dialog etabliert worden sei. Der Tessiner selber zeigte sich froh, dass dieses Jahr zu Ende sei; er freue sich aber auf ein nächstes.

2023 – Alain Berset
Dossier: Elections de la présidence de la confédération

Die Wahl

Am Mittwoch 7. Dezember schritt die Vereinigte Bundesversammlung schliesslich zur Ersatzwahl. Entsprechend dem Protokoll wurden zuerst die beiden zurücktretenden Bundesratsmitglieder durch den Nationalratspräsidenten Martin Candinas (mitte, GR) verabschiedet. Als «Chrampfer» würdigte Candinas den zurücktretenden SVP-Bundesrat Ueli Maurer. Er sei «das Gewissen der Finanzpolitik» gewesen und habe immer wieder vor Mehrausgaben gewarnt. Im Parlament würden seine Freundlichkeit, sein «verschmitzter Humor» und seine Vorlieben für Metaphern fehlen, so Candinas. Simonetta Sommaruga habe nicht nur «die Prinzipien der Kollegialität und der Konkordanz verkörpert», sondern auch stets das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt gestellt, lobte Nationalratspräsident Candinas die scheidende Magistratin. Insbesondere während ihres Präsidialjahres während der Covid-19-Krise habe sie die bemerkenswerte Fähigkeit gezeigt, auch «[i]m Moment der Unsicherheit Brücken zu bauen».
Ueli Maurer hob in seiner Abschiedsrede die Bedeutung von Freiheit hervor, die es zu verteidigen gelte, wozu auch ein gesunder Finanzhaushalt beitrage. Er sei stolz auf seinen Ruf als «Sparonkel», freue sich jetzt aber auf die Zeit danach. Simonetta Sommaruga ihrerseits betonte, wie wichtig es sei, dass dass man trotz unterschiedlicher Auffassungen aufeinander zugehe. Es sei ihr eine Freude und eine Ehre gewesen, Bundesrätin zu sein: «Ich habe es gerne gemacht», wiederholte sie noch einmal den Satz, den sie bereits bei ihrer Rücktrittsankündigung gesagt hatte. Die scheidende Magistratin und der scheidende Magistrat wurden unter grossem Beifall und stehenden Ovationen verabschiedet.

Nachdem Martin Candinas die Fraktionsempfehlungen für die Ersatzwahl von Ueli Maurer verlesen hatte – mit Ausnahme der grünen Fraktion, die keinen Kandidaten empfahl, schlugen alle anderen Fraktionen sowohl Albert Rösti (svp, BE) als auch Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) vor – und Fraktionssprecher Thomas Aeschi (svp, ZG) das Parlament gebeten hatte, jemanden vom SVP-Ticket zu wählen, schritt die Vereinigte Bundesversammlung zur ersten «Wahl eines neuen Mitglieds in den Bundesrat». Die Nachfolge von Ueli Maurer war sehr rasch geregelt: Bereits im ersten Wahlgang übersprang der Favorit Albert Rösti das absolute Mehr. Mit 131 von 243 gültigen Stimmen liess er Hans-Ueli Vogt, der 98 Stimmen erhielt, recht deutlich hinter sich. 14 Stimmen entfielen auf Verschiedene.
In seiner kurzen Rede, in welcher der neu gekürte Bundesrat «mit grosser Freude und grossem Tatendrang» die Wahl annahm, betonte Albert Rösti, dass er seine Lebenserfahrung einbringen und seine Überzeugungen im Bundestat vertreten werde; er wolle aktiv und konstruktiv an Lösungen arbeiten, die Bestehendes bewahren, aber wo nötig auch behutsam Anpassungen verlangen.

Die Ersatzwahl von Simonetta Sommaruga dauerte dann etwas länger. Auch hier gab der Nationalratspräsident die Empfehlungen der Fraktionen bekannt – ausser der GLP-Fraktion, die nur Eva Herzog (sp, BS) empfahl, schlugen alle anderen Fraktionen beide Kandidatinnen zur Wahl vor – und auch hier ergriff lediglich der Fraktionspräsident der SP das Wort. Roger Nordmann (sp, VD) dankte noch einmal den beiden scheidenden Bundesratsmitgliedern. Gemäss den seit einigen Jahren eingespielten Gepflogenheiten präsentiere auch die SP-Fraktion ein Zweierticket zur Auswahl, betonte er. Im ersten Wahlgang erhielten freilich nicht bloss die beiden offiziellen Kandidatinnen Stimmen: Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) kam auf 96 von 243 gültigen Stimmen, Eva Herzog auf 83 Stimmen, gefolgt von Daniel Jositsch (sp, ZH), dem 58 Mitglieder der Bundesversammlung ihre Stimme gaben. 6 Stimmen entfielen auf Diverse. Das absolute Mehr von 123 wurde damit von niemandem erreicht.
Im Vorfeld des zweiten Wahlgangs ergriff noch einmal der Fraktionspräsident der SP das Wort. Er bitte die Bundesversammlung, eine der beiden vorgeschlagenen Frauen zu wählen. Die Zusammensetzung des Bundesrats mit fünf Männern und zwei Frauen sei nicht nur unausgewogen, sondern würde auch völlig aus der Zeit fallen. Er erinnere daran, dass bis heute – inklusive Albert Rösti, dem er gratuliere – 111 Männer, aber lediglich neun Frauen in der Landesregierung gesessen seien. Es sei Zeit für die zehnte. Nicht ans Rednerpult schritt hingegen Daniel Jositsch, obwohl viele Beobachterinnen und Beobachter erwartet hätten, dass er eine Verzichtserklärung abgeben würde. In der Folge erhielt er auch im zweiten Wahlgang 28 Stimmen, weshalb erneut weder Elisabeth Baume-Schneider (112 Stimmen) noch Eva Herzog (105 Stimmen) das absolute Mehr überspringen konnten.
Es brauchte entsprechend einen dritten Wahlgang, bei dem sich aber zur grossen Überraschung der meisten Kommentatorinnen und Kommentatoren die Reihenfolge der Kandidatinnen nicht mehr veränderte: Mit 123 Stimmen – genau so viele waren für das absolute Mehr nötig – wurde Elisabeth Baume-Schneider zur neuen Bundesrätin gewählt. Eva Herzog hatte 116 Stimmen erhalten, erneut entfielen 6 Stimmen auf Daniel Jositsch.
Es sorgte für Heiterkeit, dass die neu gekürte Bundesrätin bereits am Rednerpult stand, bevor sie der Nationalratspräsident dorthin gebeten hatte. Auch Elisabeth Baume-Schneider nahm die Wahl an. Sie gratuliere – das sei ganz seltsam, das auszusprechen – ihrem zukünftigen Kollegen Albert Rösti. Sie wolle getreu dem Satz in der Bundesverfassung, dass sich die Stärke des Volkes am Wohl der Schwachen messe, ihre Werte in den Dienst der Gesellschaft stellen. Sie sei sicher charmant, wie dies viele Kolleginnen und Kollegen im Vorfeld der Wahlen in den Medien immer wieder betont hätten, sie sei aber auch ehrlich und sie könne sehr ernsthaft arbeiten, worauf sie sich freue. In der Folge legte Albert Rösti den Eid und Elisabeth Baume-Schneider das Gelübde ab, woraufhin sie mit stehenden Ovationen bedacht wurden. Vor dem Bundeshaus feierten rund 200 Jurassierinnen und Jurassier den Überraschungssieg «ihrer» ersten Bundesrätin.

Die Medien sprachen praktisch unisono von einer Überraschung. Während die Presse in der Romandie den Sieg ihrer neuen Bundesrätin feierte – Le Temps betitelte sie als «La reine Elisabeth» –, die Wahl als «Höhepunkt eines überzeugenden politischen Werdegangs» darstellte und ihre hervorragende Kampagne lobte, hoben die Deutschschweizer eher die im Vergleich zur «distanziert-kühlen» Eva Herzog sympathischere Art der Jurassierin hervor, um die Überraschung zu erklären. Die NZZ vermutete, dass die Jurassierin von vielen Parlamentsmitgliedern nicht nur als zugänglicher, sondern auch als beeinflussbarer bewertet worden sei. Es sei nicht das erste Mal, «dass in einer Bundesratswahl die Gmögigere gewählt» werde. Die NZZ vermutete gar, dass «der männliche Teil des Parlaments [...] in dubio lieber eine Tochter- oder Mutterfigur [wählt], hingegen vor starken und machtbewussten Frauen [zurückschreckt]». Diese Aussagen wurden in der Folge verschiedentlich als sexistisch kritisiert.
Zahlreiche weitere Gründe wurden für die überraschende Wahl von Baume-Schneider in den Medien bemüht. Mehrmals wurde etwa strategisches Verhalten vermutet: Innerhalb der SP hätten einige den «natürlichen Berset-Nachfolger» Pierre-Yves Maillard (sp, VD) verhindern wollen, mutmasste etwa die NZZ und auch Le Temps glaubte, dass sich das Parlament mit der Wahl Baume-Schneiders für künftige Bundesratswahlen mehr Optionen habe offenlassen wollen. Für den Blick war der «Jura-Coup» eine Folge freisinniger Strategie: So hätten etwa die Stimmen aus der Landwirtschaft und von vielen Romand.e.s nicht für eine Wahl gereicht, die nötigen Stimmen habe sie aus der FDP-Fraktion erhalten, die erkannt habe, dass sie der SP schade, wenn diese zwei Mitglieder aus der Westschweiz in der Landesregierung habe. Als weiteren Grund machten einige Medien auch den Umstand aus, dass Herzog einigen Bürgerlichen wohl «zu europafreundlich» gewesen sei.

Für mediale Diskussionen sorgten auch die Stimmen, die Daniel Jositsch erhalten hatte. In verschiedenen Interviews wurde zudem Unmut darüber geäussert, dass der Zürcher Ständerat keine Verzichtserklärung abgegeben hatte. Insbesondere in seiner eigenen Partei habe er damit viel Geschirr zerschlagen. Der Blick sprach im Hinblick auf künftige Bundesratswahlen gar von einem «Eigengoal»: Mit seinem Verhalten habe er sein Ziel, Bundesrat zu werden, wohl endgültig verbaut. Die Stimmen für Daniel Jositsch seien wohl vor allem aus der SVP gekommen, wurde vermutet. In der Tat gab Christian Imark (svp, SO) in der Solthurner Zeitung zu Protokoll, aus «Protest gegen das Theater im Vorfeld» zuerst Daniel Jositsch die Stimme gegeben zu haben.

Weniger Analyse wurde in den Medien für die Wahl von Albert Rösti angestrengt. «Viel Drama bei der SP – null Drama bei der SVP», brachte dies der Tages-Anzeiger auf den Punkt. Das Resultat sei vor allem auch die Folge davon, dass die Berner Sektion im Gegensatz zur Zürcher Sektion für eine Nachfolge bereit gewesen sei, urteilte Le Temps; Hans-Ueli Vogt sei zudem wohl auch sein Ruf zum Verhängnis geworden, zu wenig hart für den Job zu sein. Die grosse Frage sei nun, wie stark Albert Rösti, der laut NZZ «Konkordanz verkörpert», die Linie der SVP im Bundesrat vertreten werde.

Die Bundesratsersatzwahlen brachten also eine Premiere: Zum ersten Mal seit seinem Bestehen (1979) war der Kanton Jura in der Landesregierung vertreten. Die Wahl seiner Bundesrätin wurde im Kanton Jura denn auch ausgiebig gefeiert. Die Kantonsregierung schaltete ein Inserat, mit dem sie Elisabeth Baume-Schneider gratulierte. Keine Premiere stellte hingegen die Regierungsmehrheit der Sprachminderheiten dar. Bereits von 1917 bis 1920 hatten ein Tessiner (Giuseppe Motta), ein Genfer (Gustave Ador), ein Waadtländer (Camille Decoppet) und der erste Rätoromane (Felix-Louis Calonder) im Bundesrat gesessen. In den restlichen rund 170 Jahren war die Mehrheit in der Landesregierung freilich stets deutschsprachig gewesen. Die von der Bundesverfassung seit 1999 empfohlene adäquate Vertretung der Sprachregionen entspräche mathematisch 2.3 Sitzen für nicht-deutschsprachige Regierungsmitglieder.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Élection du Conseil fédéral depuis 2008

Die Fraktionshearings

In der Woche vor den Ersatzwahlen hatten die zwei verbliebenen SP-Kandidatinnen – Eva Herzog (sp, BS) und Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) – und SVP-Kandidaten – Albert Rösti (svp, BE) und Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) – den einzelnen Fraktionen Red und Antwort zu stehen. Vor diesen Fraktionshearings wurden die vier Kandidierenden allerdings von der rund 30-köpfigen, starken Bauernlobby im Parlament angehört, was einiges Medienecho auslöste. Man habe sofort Unterschiede hinsichtlich Herkunft von Stadt und Land gespürt, gab Pierre-André Page (svp, FR) im Anschluss an diese Sitzung 24Heures zu Protokoll. Für Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider sei die Landwirtschaft nicht einfach bloss Politik, sondern man merke, dass sie aus eigener Erfahrung wüssten, wie die Realität als Landwirtin und Landwirt aussehe, liess sich auch Simone de Montmollin (fdp, GE) zitieren. Man gebe aber keine Wahlempfehlung ab, so der Präsident der Gruppe, Markus Ritter (mitte, SG). Der Blick verwies darauf, dass es bei der Erneuerungswahl zweimal um «Stadt gegen Land» gehe, sah allerdings wie die meisten anderen Deutschschweizer Medien diesbezüglich ein Unentschieden – weiterhin gehörte die Favoritenrolle Albert Rösti und Eva Herzog.

Die Aargauer Zeitung hingegen berichtete nach den ersten Fraktionsanhörungen der SP-Kandidatinnen von einer «rasanten Aufholjagd» der Jurassierin. Ebendiese Nähe zur Landwirtschaft – unterstrichen durch ein Foto, welches sie mit Schwarznasenschafen auf einer Wiese zeigte und das von allen Medien verbreitet wurde – sei nach der Anhörung der SP-Kandidatinnen auch in der SVP-Fraktion als «riesiger Vorteil» bezeichnet worden. Sie sei zwar inhaltlich nicht auf der Linie der Partei, verströme allerdings laut Aussagen verschiedener Fraktionsmitglieder «Wärme, Fröhlichkeit und Zugänglichkeit», vor allem auch, wenn sie Schweizerdeutsch spreche. Bei Eva Herzog sei «die Temperatur im Sitzungszimmer [...] deutlich [gesunken], als sie den Raum betrat», zitierte die Aargauer Zeitung ein weiteres SVP-Fraktionsmitglied. Anders interpretierte die NZZ das Hearing der SVP. Eva Herzog sei bei der SVP gut angekommen, weil sie besser vorbereitet gewesen sei als Elisabeth Baume-Schneider. SVP-Fraktionsmitglieder hätten betont, dass Eva Herzog «das Format für den Bundesrat» habe. Der Tages-Anzeiger schätzte die Stimmung in der SVP auf «zwei Drittel für Herzog, ein Drittel für Baume-Schneider». Die SVP-Fraktion gab in der Folge keine Empfehlung ab, erklärte aber, dass man sich an das SP-Ticket halten werde.
Auch die Fraktion der Grünen gab keine Wahlempfehlung ab, bezeichnete aber beide Kandidatinnen als «ausgezeichnet», so Fraktionschefin Aline Trede (gp, BE) in der Aargauer Zeitung. Da die Mauern der Fraktionszimmer Ohren hätten, wusste die Liberté, dass die Grünen in einer Probeabstimmung mit drei Viertel der Stimmen Elisabeth Baume-Schneider den Vorzug gegeben hätten.
Schon vor der Bekanntgabe der Kandidatur von Elisabeth Baume-Schneider hatte die FDP verlauten lassen, dass sie sich gegen eine Mehrheit von lateinischsprachigen Mitgliedern im Bundesrat stellen werde. Vor den Hearings wurde im Freisinn gar diskutiert, die Jurassierin nicht einzuladen und sich stattdessen mit Evi Allemann zu unterhalten. Diesen Plan liess man dann allerdings fallen. Zwar sprach die Fraktion nach dem Hearing ebenfalls keine Empfehlung aus, erinnerte aber in ihrer Stellungnahme an die Bedeutung der ausgewogenen sprachlichen und regionalen Vertretung im Bundesrat. Die dann doch eher zurückhaltende Position wurde in den Medien dadurch erklärt, dass die starke französischsprachige Minderheit innerhalb der FDP-Fraktion wohl Sympathien für Baume-Schneider gezeigt habe.
In der Mitte-Fraktion sei das Rennen offen, urteilte Le Temps, auch wenn einzelne Fraktionsmitglieder Eva Herzog im Vorteil sähen. Die Sprachenfrage sei für die Mitte eher unwichtig, wenn die Übervertretung der Personen aus der lateinischsprachigen Schweiz nicht zu lange andauere. Der entsprechende Artikel der Bundesverfassung sei keine mathematische Regel, sondern vor allem ein Minderheitenschutz, erinnerte Pirmin Bischof (mitte, SO).
Einzig die GLP-Fraktion sprach sich nach der Anhörung für Eva Herzog aus, weil man sie als fähiger erachte, die EU-Beziehungen zu normalisieren, wie Tiana Moser (glp, ZH) gegenüber Le Temps erklärte.

Die beiden SVP-Kandidaten wurden zuerst von der FDP- und der GLP-Fraktion angehört. Albert Rösti habe dabei wesentlich nervöser gewirkt als Hans-Ueli Vogt, wusste die Aargauer Zeitung zu berichten. Albert Rösti bleibe Kronfavorit, urteilte hingegen die NZZ, auch wenn beide Fraktionen sowohl den Berner als auch den Zürcher als wählbar erachteten und deshalb Stimmfreigabe beschlossen. Einzelne Fraktionsmitglieder befanden, dass Hans-Ueli Vogt einen fragileren Eindruck hinterlassen habe als Albert Rösti. Bei der GLP sei es vor allem darum gegangen, zu entscheiden, welchem der beiden Kandidaten eher zuzutrauen sei, zugunsten der Konkordanz von der Parteilinie abzuweichen.
Zu einem Novum kam es bei der Grünen Fraktion, die zum ersten Mal ein Hearing für die SVP-Kandidaten durchführte. Darauf hatte die Fraktion in den vergangenen Jahren jeweils verzichtet, weil sie mit einer eigenen Kampfkandidatur gegen die SVP angetreten war. Die GP-Fraktion empfehle keinen der beiden SVP-Kandidaten zur Wahl, weil beide ein Risiko für das Klima, die Biodiversität und die Menschenrechte darstellten, liess die grüne Fraktion nach den Anhörungen durch Fraktionsvizepräsidentin Lisa Mazzone (gp, GE) verlauten. Die Fraktionsmitglieder seien frei, bei der Wahl um die Nachfolge von Ueli Maurer keinen oder einen anderen Namen auf den Wahlzettel zu schreiben.
Davon sah die SP-Fraktion ab. Auch wenn die SVP-Kandidierenden weit von der Politik der SP entfernt seien, würden die Fraktionsmitglieder einem offiziellen Kandidierenden die Stimme geben – welchem sei ihnen freigestellt, wurde erklärt.
Auch für die Mitte-Fraktion waren beide SVP-Kandidierenden wählbar und auch sie gab entsprechend keine Wahlempfehlung ab.

Auch nach diesen Hearings blieben die Favoritenrollen in den Medien klar verteilt: Die meisten von den Medien präsentierten Expertinnen und Experten gingen von einer Wahl Albert Röstis und Eva Herzogs aus. Stellvertretend dafür wurde etwa in der Aargauer Zeitung am Tag vor den Wahlen das «Orakel» bzw. der Prognosemarkt «50 plus 1» zitiert, auf dem 149 Politikwissenschafterinnen und Politikwissenschafter mit jeweils 87 Prozent auf eine Wahl Röstis und Herzogs wetteten. Die Wahl von Rösti – aufgrund der Amtsdauer wurde die Nachfolge von Ueli Maurer (14 Jahre im Amt) vor jener von Simonetta Sommaruga (12 Jahre im Amt) durchgeführt – werde zudem Eva Herzog dienen, weil sie als einzige Vertreterin der urbanen Schweiz gelte, prognostizierte der Tages-Anzeiger in seiner Ausgabe am Tag der Wahl. Die NZZ sah allerdings nach den Hearings nur noch «leichte Vorteile» für Eva Herzog. Es gebe nichts mehr, dass «klar gegen Baume-Schneider» spreche, eine Überraschung sei deshalb nicht auszuschliessen. Für Schlagzeilen nach der ominösen «Nacht der langen Messer» sorgten Aussagen mehrerer Parlamentsmitglieder, dass Daniel Jositsch (sp, ZH) – obwohl nicht offizieller Kandidat – wohl einige Stimmen machen werde und – falls er gewählt würde – nicht auf die Wahl verzichten würde. Man werde staunen, wie viele Stimmen Jositsch machen werde, wurde etwa Nik Gugger (evp, ZH) in der Aargauer Zeitung zitiert.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Élection du Conseil fédéral depuis 2008

Wie der Nationalrat nutze auch der Ständerat die erste Sitzung der Wintersession 2022 zur Wahl des Ständeratspräsidiums und der Mitglieder des Büro-SR für 2022/2023 und wie im Nationalrat wurde mit Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) auch im Ständerat ein Mitglied der Mitte für das höchste Amt auserkoren. Vor der Wahl der erst fünften Ständeratspräsidentin in der Geschichte der kleinen Kammer ergriff der scheidende Präsident, Thomas Hefti (fdp, GL), das Wort. Es sei gut, dass es in Demokratien befristete Amtszeiten gebe. Resultate von Wahlen nicht anzuerkennen oder ziviler Ungehorsam sei hingegen Gift für einen demokratischen Rechtsstaat. Hefti ging auf die abflauende Pandemie ein, die in der Schweiz auch deshalb glimpflich abgelaufen sei, weil – trotz aller Kritik – den Kantonen und dem Bundesrat vernünftige Lösungen gelungen seien. Es greife zu kurz, den Föderalismus für Fehler, die es natürlich auch gegeben habe, verantwortlich zu machen. Krisen seien «die Stunden der Exekutiven» aber von Diktatur zu sprechen, sei daneben. Auch aus dem Krieg in der Ukraine, einem von Russland angezettelten «Krieg gegen die westliche Welt» müsse die Schweiz Lehren ziehen. Es gelte, die Armee zu verstärken. Bei den Verhandlungen mit der EU – ebenfalls eine aktuelle Herausforderung – würde man vielleicht weiterkommen, wenn der EU verständlich gemacht werden könnte, dass die «sehr weitgehenden Rechte» der Mitbestimmung in der Schweiz nicht nur weltweit einzigartig, sondern auch für die supranationale Organisation nicht schädlich seien.

Nachdem Thomas Hefti mit grossem Applaus bedacht worden war, schritt die kleine Kammer zur Wahl ihrer neuen Präsidentin, die 45 von 46 Stimmen erhielt. Ein Wahlzettel war leer geblieben. Brigitte Häberli-Koller wurde mit starkem Beifall in ihr neues Amt begrüsst. Die Mitte-Politikerin – nach Josi Meier (cvp, LU; 1991), Françoise Saudan (fdp, GE; 2000), Erika Forster-Vannini (fdp, SG; 2009) und Karin Keller-Sutter (fdp, SG) die fünfte Ständeratspräsidentin – war bereits die zwölfte Kantonsvertretung aus dem Thurgau, die das oberste Amt in der kleinen Kammer ausüben durfte. Nur die Kantone Waadt (17), und Bern (15) stellten mehr Ständeratspräsidenten. Der Bund wisse, was er am Thurgau habe, startete die frischgebackene und insgesamt 200ste höchste Amtsträgerin in der kleinen Kammer ihre Antrittsrede mit einem Dank an die anwesende Kantonalregierung. Auch sie ging auf die aktuellen politischen Herausforderungen ein: Krisen und Wandel habe es schon immer gegeben, allerdings gebe es heute viel mehr Widersprüche, die Unsicherheiten und Ängste weckten und im schlimmsten Fall zu extremen Überzeugungen und einer gespaltenen Gesellschaft führten. Es müsse unterschieden werden zwischen berechtigter Meinungsfreiheit und «radikalen Forderungen bestimmter Gruppierungen». Die direkte Demokratie sei aber keine Tyrannei der Mehrheit, sondern biete «das beste und ehrlichste Ventil für die Bürgerinnen und Bürger», die Unzufriedenheit zeigen dürften, Abstimmungsergebnisse aber selbstverständlich akzeptieren würden. «Wir leben in einer direkten Demokratie, wo sich niemand auf der Strasse festkleben muss, wo niemand Gemälde mit Kartoffelstock bewerfen muss und wo man sich auch nirgendwo anketten muss.» Es sei zudem nicht fair, der Politik böswillige Absicht zu unterstellen, wenn sich ein Entscheid im Nachhinein als fehlerhaft herausstelle. Unzufriedenheit und Fehler müsse eine Demokratie aushalten und es sei an den Parlamentsmitgliedern, durch Ehrlichkeit und Transparenz wieder Vertrauen zu schaffen. Es gebe viel zu tun und die anstehenden Herausforderungen seien nur gemeinsam zu meistern, weshalb ihre Präsidentschaft auch unter dem Motto «Gemeinsam - Ensemble - Insieme - Ensemen» stehe

Nach einem musikalischen Intermezzo schritt die kleine Kammer zur Wahl der restlichen Mitglieder des Büros. Zur ersten Vizepräsidentin wurde Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) gewählt – ebenfalls mit 45 von 46 möglichen Stimmen (ein Zettel blieb auch hier leer); damit wird 2023/2024 erstmals eine Sozialdemokratin dem Ständerat vorstehen – es sei denn, die offizielle Kandidatin für die anstehenden Bundesratswahlen würde in die Landesregierung gewählt oder aber bei den eidgenössischen Wahlen 2023 in ihrem Kanton nicht bestätigt. Gleich zu zwei weiteren Nova führte die Wahl der zweiten Vizepräsidentin: Lisa Mazzone (gp, VD) ergänzte das erstmals reine Frauenpräsidium und wird – auch bei der Genferin eine Wiederwahl bei den Ständeratswahlen 2023 vorausgesetzt – 2024/2025 den Ständerat als erstes Mitglied der Grünen Partei präsidieren. Mazzone erhielt 44 von 46 möglichen Stimmen. Neben einer leeren Stimme entfiel eine auf eine andere Person. Die Ämter des Stimmenzählers und des Ersatzstimmenzählers werden von Männern besetzt. Andrea Caroni (fdp, AR) wurde mit 42 Stimmen gewählt (4 Wahlzettel blieben leer) und auf Stefan Engler (mitte, GR) entfielen 45 Stimmen (ein leerer Wahlzettel). Das Büro-SR wird immer dann mit einem weiteren Mitglied ergänzt, wenn Fraktionen mit mindestens fünf Mitgliedern im Ständerat ansonsten darin nicht vertreten sind. Dies war für das anstehende Amtsjahr der Fall für die SVP-Fraktion, die Werner Salzmann (svp, BE) zur Wahl vorschlug, der mit 43 Stimmen gewählt wurde (3 leere Wahlzettel).

In einem Festakt wurde die neue Ständeratspräsidentin zwei Tage nach ihrer Wahl in Frauenfeld gefeiert. Es sei zwar der bisherige Höhepunkt ihrer politischen Karriere, sie trete aber auch kurz vor dem Pensionsalter im Herbst noch einmal zu den Ständeratswahlen an, weil ihre Partei mit ihr die grössten Chancen sehe, gab die Mitte-Politikerin, die als Gemeinderätin, Grossrätin, von 2003 bis 2011 Nationalrätin und schliesslich ab 2011 Ständerätin die sogenannte «Ochsentour» hinter sich gebracht hatte, in einem Interview mit der Thurgauer Zeitung zu Protokoll.

Wahl Ständeratspräsidium 2022/2023
Dossier: Conseil national et Conseil des Etats. Election de la présidence et du bureau

Im Sommer 2022 kündigte Marianne Streiff-Feller (evp, BE) ihren Rücktritt aus dem Nationalrat an. Seit 2011 sass die Bernerin, die zudem von 2014 bis 2021 als Präsidentin der EVP amtete, in der grossen Kammer. Sie wolle mehr Zeit für ihre Familie haben, gab Streiff-Feller als Grund für ihren Rücktritt gegenüber den Medien an. Sie wolle sich zudem in Palliative Care weiterbilden.
In der Wintersession 2022 wurde Marc Jost (evp, BE) vereidigt, der für Streiff-Feller nachrutschte. Der 48-jährige Theologe war lange Zeit Grossrat im Kanton Bern und 2015/2016 Präsident des Kantonalberner Parlaments. Jost ist das 14. Mitglied im Nationalrat, das in der laufenden Legislatur nachrutschte.

Mutationen 2022
Dossier: Mutations a l'Assemblée fédérale

Als zweites Geschäft der Wintersession 2022, gleich nach der Vereidigung des neuen Ratsmitglieds Marc Jost (evp, BE), schritt die grosse Kammer zu den Wahlen für das Nationalratspräsidium 2023. Die scheidende Nationalratspräsidentin Irène Kälin (gp, AG) bedankte sich für das Vertrauen, die Mitarbeit und die Unterstützung und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dem Anspruch gerecht geworden zu sein, «je zu einem Hundertneunundneunzigstel Ihre Präsidentin zu sein». Einen besonderen Dank richtete sie an alle Mitarbeitenden, die im Hintergrund wirken, aber ohne die die Mühlen in Bern nicht reibungslos mahlen würden. Das Jahr, das mit dem Ende der Pandemie, aber mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine begonnen habe, habe ihr vor allem gezeigt, wie fragil eine Demokratie sei und dass es gelte, deren Werte jeden Tag zu verteidigen. Sie habe viel zugehört, sei auch dann im Saal gewesen, wenn die Mehrheit der Mitglieder abwesend gewesen sei und habe gelernt, dass es darum gehen müsse, grosse Mehrheiten für Kompromisse zu finden, um möglichst die Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger zu vertreten. Diesen Konsens immer wieder zu finden, zusammenzustehen und die gemeinsamen Werte zu stützen, sei und bleibe Aufgabe des Parlaments. Der Rat verabschiedete seine Präsidentin mit stehenden Ovationen und schritt zur Wahl des neuen Präsidenten.
Wie gewohnt rückte der amtierende Vizepräsident ins Amt der höchsten Schweizerin bzw. des höchsten Schweizers nach. Martin Candinas (mitte, GR) erhielt 181 von 188 möglichen Stimmen. Sieben Stimmen gingen an Diverse. Damit lag er weit über dem langjährigen Schnitt von 155 Stimmen, kam aber nicht an die bisher höchste Stimmenzahl heran, die Hansjörg Walter (svp, TG) bei seiner Wahl 2011 erhalten hatte (185 Stimmen). Der 42-jährige Candinas war bei seiner Wahl jünger als der Durchschnitt der bisherigen Nationalratspräsidentinnen und -präsidenten (52.4 Jahre) und hatte mit einer Amtszeit von 11 Jahren etwas weniger Ratserfahrung als der Durchschnitt (14.3 Jahre). Candinas ist erst der fünfte Präsident aus dem Kanton Graubünden und auch erst der fünfte höchste Schweizer rätoromanischer Muttersprache.
Er leitete sodann seine Rede auch in der vierten Landessprache ein, wie er das im Nationalrat bisher stets getan hatte. Er trete seine Aufgabe mit grossem Respekt an – vor allem auch, weil es noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg eine derartige Häufung von Krisen gegeben habe wie heute: Pandemie, Krieg, Lieferengpässe, Energiekrise, Inflation. Zwar sorge das politische System der Schweiz für Stabilität, dies könne aber nur so bleiben, wenn Politik nicht zum Selbstzweck werde, wenn es nicht um Eigeninteressen, sondern um das Gemeinwohl gehe. Das Motto seines Präsidialjahres sei deshalb «gemeinsam – ensemble – insieme – ensemen»; er habe sich mit seiner Parteikollegin und neuen Ständeratspräsidentin, Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG), für dieses gemeinsame Motto ausgesprochen. Damit sei nicht gemeint, dass es keine harten Auseinandersetzungen geben dürfe, sondern dass man mit Respekt andere Meinungen aushalte und dadurch der Demokratie Sorge trage: «Denn in einem Punkt sind wir uns wohl alle einig: Unsere direkte Demokratie ist nicht perfekt, aber es gibt kein besseres politisches System auf der ganzen Welt.» Candinas bedankte sich bei seiner Familie, die im nächsten Jahr öfter ohne ihn auskommen müsse, sowie bei seiner Vorgängerin, die ihm ein Vorbild gewesen sei, weil sie das Präsidium stets als Teamaufgabe verstanden habe. Nach einer musikalischen Einlage eines Kinderchors aus Sumvitg lud der neue Präsident die Ratsmitglieder – «wie es vor Corona Usus war» – zu seiner Wahlfeier ein, die zwei Tage später in Disentis stattfinden sollte.
Als nächstes Traktandum wählte der Nationalrat das Vizepräsidium. Eric Nussbaumer (sp, BL) wurde mit 161 von 190 möglichen Stimmen vom zweiten zum ersten Vizepräsidenten befördert. 8 Wahlzettel blieben leer und 21 entfielen auf Diverse. Neu ins Präsidium wurde Maja Riniker (fdp, AG) gewählt. Die FDP.Liberale-Fraktion hatte die 2019 in den Nationalrat gewählte 44-Jährige bereits im September 2022 etwas überraschend der erfahreneren Daniela Schneeberger (fdp, BL) vorgezogen und für das Amt nominiert. Der Rat wählte sie mit 131 von 186 möglichen Stimmen. 15 Wahlzettel blieben leer, 4 waren ungültig, 21 entfielen auf Diverse und auf 15 fand sich der Name von Daniela Schneeberger. Im Normalfall und eine Wiederwahl bei den eidgenössischen Wahlen 2023 vorausgesetzt, wird nach Irène Kälin 2025 mit Maja Riniker also erneut eine Aargauerin die grosse Kammer präsidieren. Zum 15. Mal wird dem Aargau dann diese Ehre zuteil – nur die Kantone Bern (28), Zürich (24) und Waadt (20) stellten bisher noch mehr höchste Schweizerinnen und Schweizer.

Wahl des Nationalratspräsidiums 2022/23
Dossier: Conseil national et Conseil des Etats. Election de la présidence et du bureau

Reaktion der anderen Parteien - Angriff der Grünen?

Nach den eidgenössischen Wahlen 2019 und ihrem damaligen Wahlerfolg hatten die Grünen mit einiger Vehemenz einen Anspruch auf einen Bundesratssitz angemeldet und anschliessend auch den Sitz von Ignazio Cassis angegriffen – allerdings ohne Erfolg. Mit dem Rücktritt von Ueli Maurer eröffnete sich der grünen Partei eine neuerliche Möglichkeit für einen Angriff. Allerdings schätzen die Medien die Chancen für eine Sitzeroberung als äusserst gering ein, weil kaum eine Partei Hand bieten werde, den unbestrittenen Anspruch der stärksten Partei auf zwei Sitze in Frage zu stellen. Die Frage war zudem, ob sich bei den Grünen überhaupt eine Kandidatin oder ein Kandidat finden würde, die oder der sich sozusagen «verheizen» lassen und mögliche Chancen für eine Bundesratswahl nach den eidgenössischen Wahlen 2023 zum Vornherein vergeben würde – der Blick sprach von einem «Opferlamm». Zwar wurden in den Medien einige Namen genannt, etwa Ständerat Mathias Zopfi (gp, GL), Nationalrätin Aline Trede (gp, BE) oder der Baselbieter Regierungsrat Issac Reber (BL, gp). Das Zögern der Grünen, die erst am 18. Oktober an einer Fraktionssitzung entscheiden wollten, ob sie überhaupt antreten wollen oder nicht, wurde von den Medien aber kritisiert. Auch bei den eidgenössischen Wahlen 2019 habe man zu lange gewartet; die Geschichte scheine sich deshalb zu wiederholen, argwöhnte die Aargauer Zeitung. Kurz vor der entsprechenden Fraktionssitzung präsentierte der Sonntagsblick eine Umfrage, die zeigte, dass sich total 32 Prozent der Befragten für eine Kandidatur der Grünen aussprachen. Dieser Anteil lag bei GP- und SP-Sympathisierenden bei knapp 70 Prozent, erreichte bei Anhängerinnen und Anhängern der bürgerlichen Parteien aber nicht einmal 20 Prozent.
An einer Medienkonferenz gaben die Grünen dann tags darauf bekannt, den SVP-Sitz nicht angreifen zu wollen. Man wolle gegen das «abgekartete Spiel» des «Machtkartells», das sich durch Untätigkeit in Klima-, Umwelt- und Europafragen auszeichne, nicht unnötig Zeit «vergeuden», so Aline Trede vor der Presse. Es sei erfolgversprechender, die Gesamterneuerungswahlen im Nachgang an die eidgenössischen Wahlen 2023 abzuwarten, weil momentan keine einzige Fraktion für Gespräche über einen grünen Bundesratssitz bereit sei. Die Partei werde gestärkt aus den Wahlen hervorgehen und ihren Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung festigen. Die Medien zeigten Verständnis für den Verzicht. Sei ihr Konkordanz wichtig, dann dürfe die GP nicht die SVP angreifen, deren Anspruch auf zwei Sitze aufgrund von deren Grösse unbestritten sei, argumentierte die NZZ. Die Aargauer Zeitung erklärte den Verzicht auch damit, dass sich keine Kandidierenden finden liessen. Die Grünen brächen damit aber mit einer 35-jährigen Tradition: Die Partei habe bisher die Sitze der SVP stets angegriffen. Die Weltwoche vermutete, das unentschlossene Vorgehen zeige, dass es den Grünen auch früher nie wirklich ernst gewesen sei mit der Eroberung eines eigenen Bundesratssitzes. Die «Kamikaze-Aktion» hätte wohl viel Energie gekostet, aber letztlich nicht viel gebracht, schloss der Tages-Anzeiger. Wenn sie aber künftig wirklich Regierungsmacht wollten, dann dürften sie sich vor einem Angriff auf die SP-Sitze nicht mehr scheuen. Die NZZ schliesslich nannte die Grünen gar «naiv»: Wenn sie nicht «zu harmlos für den Bundesrat» bleiben wolle, müsse die Partei bei den Gesamterneuerungswahlen einen Sitz der SP angreifen.

Nach der Rücktrittsankündigung von Simonetta Sommaruga Ende Oktober wurde dieses von dem Medien angemahnte Szenario dann freilich plötzlich realistisch. Die Grünen reagierten diesmal wesentlich rascher und kündigten lediglich eine Stunde nach dem Rücktritt der Berner Magistratin an, den Sitz der SP ebenfalls nicht anzugreifen. Es brauche mehr Kraft für die Bekämpfung der Klimakrise im Bundesrat; auf Kosten der SP könne sich das entsprechende Gewicht aber sicherlich nicht verschieben, so die Begründung von Aline Trede in den Medien. Diese Argumentation weckte freilich Kritik bei der GLP und der FDP, die den Grünen vorwarfen, nicht zur Konkordanz zu stehen, sondern eine inhaltliche Koalition anzustreben. Mit drei Sitzen sei die Linke definitiv übervertreten. Auch die NZZ kritisierte, dass die Grünen «auf ihre historische Chance» verzichteten, da sie bei einem Angriff auf den SP-Sitz wohl durchaus Unterstützung von rechts erhalten hätten.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Élection du Conseil fédéral depuis 2008