Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) (BRG 14.061)

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Nebst der Vor-Vernehmlassung zum Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) wurde im Dezember des Berichtsjahrs die Vernehmlassung zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) eröffnet. Die bundesrätliche Vorlage sah vor, verschiedene Bestimmungen im Börsen- und Bankengesetz sowie im Nationalbankgesetz und in der Nationalbankverordnung im FinfraG zu aggregieren. Im Allgemeinen ging es im neuen Gesetz um die Angleichung der schweizerischen Bestimmung zur Finanzmarktinfrastruktur (Börsen, zentrale Gegenparteien, Zahlungssysteme, Transaktionsregister, Derivatehandel) an die globalen und vor allem europäischen Regulierungen (Mifid II und Emir, European Market Infrastructure Regulation). Die Vorlage enthielt Vorschriften zu Marktverhaltensregeln, zur Aufsicht und zu Strafbestimmungen. So sollten beispielsweise ausserbörsliche (over the counter, OTC) Derivategeschäfte über eine zentrale Gegenpartei abgewickelt werden müssen. Dabei war vorgesehen, dass alle Transaktionen sowohl elektronisch durchgeführt als auch bei einem Transaktionsregister gemeldet werden sollten. Weiter wollte der Bundesrat eine Bewilligungspflicht für zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer und Transaktionsregister einführen. Die Vorlage wurde bis zum Jahresende von den eidgenössischen Räten noch nicht behandelt.

Eine vom Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) und vom Finanzinstitutsgesetz (Finig) gesonderte Vernehmlassung führte der Bundesrat im Winter 2013/2014 für das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (Finfrag) durch. Das Revisionsvorhaben wurde hauptsächlich dadurch motiviert, dass die schweizerischen Regelungen im Zusammenhang mit dem Derivatehandel nicht mehr den internationalen Standards (G20-Verpflichtungen, Empfehlungen des Financial Stability Boards) entsprachen. Neben der Bündelung verschiedener bestehender Erlasse im neuen Gesetz war im Speziellen der Derivatehandel Gegenstand der Vorlage. Dieser Handel sollte neu über eine zentrale Gegenpartei abgerechnet werden müssen. Dabei war für alle Transaktionen eine Meldepflicht vorgesehen. Der Vorentwurf sah ausserdem eine Bewilligungspflicht für verschiedene Akteure auf dem Derivatemarkt vor, so beispielsweise für zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer, Transaktionsregister und Zahlungssysteme. In der Vernehmlassung wurde die Stossrichtung der Vernehmlassungsvorlage grossmehrheitlich begrüsst. Vereinzelte Kritik bezüglich Bewilligungspflicht für betriebseigene oder multilaterale Handelssysteme sowie für ausländische Börsen und multilaterale Transaktionsregister wurde in der vom Bundesrat am 3.9.14 verabschiedeten Gesetzesvorlage berücksichtigt. Bis zum Jahresende 2014 wurde die Vorlage noch nicht im Parlament behandelt.

In der Frühlingssession nahm der Nationalrat die Beratung zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FINFRAG) auf. Dieses Gesetz soll neue Regeln zum Handel mit derivaten Finanzinstrumenten erlassen und bestehende Bestimmungen, die im Börsen-, Nationalbank- und Bankengesetz enthalten waren, vereinen. Die Gesetzesanpassung erfolgte nicht unbedingt aus freien Stücken, sondern vielmehr als Reaktion auf erheblichen internationalen Druck von Seiten der EU und der G-20, die schweizerische Rechtslage internationalen Standards anzupassen. Dadurch erhofften sich die Behörden, den Zugang schweizerischer Akteure zum europäischen Markt bewahren zu können. Weder die betroffenen Branchen noch die Parteien zogen die Notwendigkeit dieses Vorhabens in Zweifel, weshalb der Nationalrat ohne Gegenantrag auf das Gesetz eintrat. Die Stimmung trauter Einigkeit fand jedoch in der Detailberatung ein schnelles Ende, was sich in zahlreichen Minderheitsanträgen manifestierte. Damit erfolgreich war eine Minderheit um Nationalrat Aeschi (svp, ZG), die mit ihrem Antrag verlangte, einen von der vorberatenden Kommission (WAK-NR) eingesetzten Passus, der negative Folgen von Hochfrequenzhandel eindämmen wollte, wieder zu streichen. Die bürgerliche Mehrheit folgte diesem Antrag mit 116 zu 45 Stimmen deutlich. Ebenfalls durchzusetzen vermochte sich ein Antrag, der Geschäfte von der Meldepflicht befreien wollte, sofern es sich bei den daran beteiligten Akteuren um nichtfinanzielle Gegenparteien (Akteure aus der Realwirtschaft) handelte. Kontrovers diskutiert wurde ein Antrag de Buman (cvp, FR), der die Schaffung von sogenannten Positionslimiten forderte. Mit diesem Instrument werden die Anteile, die ein bestimmter Akteur an einem Derivat erwerben kann, begrenzt und damit die Möglichkeiten zur Beeinflussung des Preises durch einen einzelnen Marktteilnehmer eingeschränkt. Trotz der Unterstützung durch Bundesrätin Widmer-Schlumpf und trotz der Tatsache, dass sowohl die USA als auch die EU entsprechende Regeln kennen bzw. schaffen, fand der Antrag keine Mehrheit und wurde mit 103 zu 73 Stimmen verworfen. Schliesslich gelang es der bürgerlichen Ratsmehrheit auch, die Strafbarkeit von fahrlässig verübten Delikten in diesem Kontext aufzuheben und Bussenobergrenzen für verschiedene Delikte zu senken.
Die kleine Kammer nahm sich in der darauffolgenden Sommersession des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes an. Dabei wurde deutlich, dass sich die Kantonsvertreter nur teilweise mit den Vorschlägen des Nationalrates anfreunden konnten. Einig waren sich die beiden Kammern bei der Frage, ob der Hochfrequenzhandel eingeschränkt werden sollte: Wie bereits der Nationalrat sprach sich auch der Ständerat gegen derartige Bestimmungen aus. Ebenfalls einverstanden erklärte sich die kleine Kammer mit dem Vorhaben des Nationalrates, fahrlässig begangene Delikte in diesem Zusammenhang von einer Bestrafung auszunehmen. Bezüglich der Meldepflicht von Geschäften zwischen nichtfinanziellen Gegenparteien stellte sich die kleine Kammer auf den Standpunkt des Bundesrats, wonach auch Geschäfte solcher Art meldepflichtig sein sollten. Im Gegensatz zum Nationalrat, der die Schaffung von Positionslimiten abgelehnt hatte, sprach sich der Ständerat für die Schaffung derselben aus. Nach dem Willen des Ständerates sollte der Bundesrat die Kompetenz erhalten, zu gegebener Zeit Positionslimiten einzuführen, wobei es der Finma unterliegen sollte, diese zu fixieren. In der Schlussabstimmung passierte die Vorlage die kleine Kammer schliesslich einstimmig, womit sie zurück in den Nationalrat gelangte.
Die grosse Kammer zeigte sich bezüglich Meldepflicht von Geschäften zwischen nichtfinanziellen Gegenparteien kompromissbereit: Ein Minderheitsantrag Caroni (fdp, AR), der die Befreiung von der Meldepflicht nur auf kleine nichtfinanzielle Parteien beschränken wollte, wurde angenommen. Kein Entgegenkommen signalisierte die grosse Kammer hingegen bei den Positionslimiten. Der Antrag der Kommission, dem ständerätlichen Vorschlag zuzustimmen, scheiterte knapp mit 91 zu 95 Stimmen am Willen des bürgerlichen Lagers.
Im weiteren Verlauf des Differenzbereinigungsverfahrens gelang es den beiden Räten schliesslich doch noch, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen, wobei beide Kammern je einmal von ihrer ursprünglichen Haltung abwichen. Der Nationalrat sprach sich, wenn auch mit 92 zu 92 Stimmen und mit Stichentscheid des Präsidenten Rossini (sp, VS) äusserst knapp, für den ständerätlichen Entwurf aus, der dem Bundesrat die Kompetenzen einräumte, Positionslimiten einführen zu können. Der Ständerat hingegen machte in der Frage der Befreiung von der Meldepflicht Konzessionen und erklärte sich schliesslich mit dem Kompromissvorschlag des Nationalrats, wonach nur Geschäfte zwischen kleinen nichtfinanziellen Gegenparteien nicht meldepflichtig sein sollen, einverstanden.
In der Schlussabstimmung wurde das Finanzdienstleistungsgesetz mit 137 zu 54 (Nationalrat) bzw. 43 zu 1 Stimmen gutgeheissen, wobei die SVP die einzige Partei war, die sich gegen die Vorlage aussprach. Damit machte sie deutlich, dass aus ihrer Sicht zu viele von der EU vorgegebene Inhalte in das vorliegende Gesetz eingeflossen seien.