Im Juni verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft für einen Bundesbeschluss über Massnahmen zum Haushaltausgleich bis ins Jahr 2001. Das Konzept, das auf dem Voranschlag 1997 und dem Finanzplan 1998-2000 basiert, war in der letztjährigen Vernehmlassung im wesentlichen gut aufgenommen worden. Kernelement ist eine Übergangsbestimmung in der Verfassung (Art. 24), die bis 1999 ein Defizit von höchstens vier Milliarden und bis ins Jahr 2001 einen ausgeglichenen Haushalt vorschreibt bzw. höchstens noch ein Defizit von 2% der Einnahmen - rund CHF 1 Mrd. - zulässt. Bei schlechter Wirtschaftslage gilt eine Nachfrist von höchstens zwei Jahren. Von den ursprünglich zwei Notbremse-Varianten behielt der Bundesrat die «weichere» bei, wonach er weitere Kürzungen vornehmen muss, wenn die Sparziele verfehlt werden. Diese nimmt er teils in seiner eigenen Zuständigkeit vor, teils beantragt er sie den eidgenössischen Räten auf Gesetzesstufe. Das Parlament kann die Anträge des Bundesrates im einzelnen abändern, ist jedoch an den Gesamtbetrag der vom Bundesrat vorgeschlagenen Einsparungen gebunden. Beide Räte müssen sie in der gleichen Session und im Dringlichkeitsverfahren behandeln.

Ende September verabschiedete der Bundesrat den Finanzplan 1999-2001, der ohne Berücksichtigung des Sparprogramms 98 (siehe unten) für 1999 noch Defizite von 6.4 Mrd. (1999), 4.7 Mrd. (2000) und 3.4 Mrd. (2001) vorsieht. Gegenüber dem letztjährigen Finanzplan 1998-2000 ergibt sich für 1999 und 2000 eine Verschlechterung in der Grössenordnung von insgesamt einer Milliarde. Die im Rahmen der Finanzplanbereinigung erzielten Einsparungen wurden durch höhere Darlehen an die Arbeitslosenversicherung von jährlich rund einer Milliarde mehr als kompensiert. Weiter mussten die Einnahmeprognosen zum Teil massiv reduziert werden, insbesondere bei der direkten Bundessteuer, der Verrechnungssteuer sowie bei der Mineralölsteuer als Folge der Beschlüsse des Parlaments im Zusammenhang mit der NEAT-Finanzierung. Gemäss Finanzplan 1999-2000 werden die Ausgaben im Durchschnitt nur noch um jährlich 1,8% ansteigen, was einem realen Nullwachstum entspricht. Die Einnahmen nehmen jährlich um geschätzte 3,5% zu. Damit zeichnet sich eine klare Trendwende ab: Defizite und Ausgabenwachstum sollen schrittweise zurückgehen. Dem Finanzplan liegen insgesamt aber optimistische Annahmen zugrunde.

Als Erstrat lehnte der Nationalrat in der Herbstsession zwei Rückweisungsanträge Rechsteiner (sp, SG) und David (cvp, SG) ab, die vor einseitigen Sparmassnahmen auf Kosten von sozial Schwächeren warnten und neben Ausgabenkürzungen auch Mehreinnahmen forderten. In der Detailberatung sorgte ein Antrag Blocher (svp, ZH), der Parlament und Gesamtbundesrat bei Nichterreichen des Sanierungsziels zum Rücktritt zwingen wollte, zwar für ein Spektakel, er fand aber schliesslich wenig Unterstützung. Auch ein Antrag Raggenbass (cvp, TG), einzelne Sparerlasse dem fakultativen Referendum zu entziehen, war chancenlos, ebenso wie ein Antrag Vallender (fdp, AR), der dem Bundesrat das Recht einräumen wollte, die notwendigen Sparmassnahmen - unter Vorbehalt eines Volksreferendums - selbst vorzunehmen, wenn die Bundesversammlung das Sparziel verfehlt. Hingegen brachte Vallender einen Antrag durch, wonach das Sparziel auch nach 2001 in der Verfassung verankert bleibt, wenn bis dann keine definitive Regelung zum Budgetausgleich gefunden ist. Mit 96 zu 61 Stimmen verabschiedete der Nationalrat die Vorlage schliesslich.

In der Wintersession genehmigte mit 25 zu 5 Stimmen auch der Ständerat das Haushaltsziel 2001. Ein Antrag Onken (sp, TG), neben Einsparungen auch die Möglichkeit von Mehreinnahmen im Verfassungsartikel zu verankern, wurde mit 23 zu 12 Stimmen abgelehnt. Der Ständerat gab sich allerdings sehr skeptisch gegenüber dem ambitiösen Fahrplan des Bundesrates. Dieser musste einräumen, dass das Etappenziel 1999, das noch ein Defizit von CHF 4 Mrd. vorsieht, vorab wegen der hohen Arbeitslosigkeit nicht zu erreichen sei. Im Einvernehmen mit dem Bundesrat korrigierte der Ständerat die Eckdaten deshalb und setzte für 1999 ein Defizit von CHF 5 Mrd. und für das Jahr 2000 ein solches von CHF 2.5 Mrd. ein. Am Haushaltsziel für 2001 - ein Restdefizit von höchstens einer Milliarde - hielten Ständerat und Bundesrat hingegen fest. Die Verfassungsübergangsbestimmung wird 1998 zur Abstimmung kommen.

Der Schuldenberg des Bundes hat sich seit Beginn der 1990er Jahre mehr als verdoppelt und erreichte im Mai die CHF 100 Mrd. Marke; allein zur Deckung der Schuldzinsen gab der Bund 1998 CHF 3.4 Mrd. aus. Mit dem Verfassungsartikel (Art. 24 BV) zum «Haushaltsziel 2001» sollten Bundesrat und Parlament auf einen verbindlichen Kurs für die Gesundung der öffentlichen Finanzen verpflichtet werden. Ziel der Übergangsbestimmung in der Verfassung war es, den Rechnungsausgleich bis ins Jahr 2001 durchzusetzen. Der Fahrplan sah eine schrittweise Reduktion des Defizits (1999: 5 Mrd.; 2000: 2.5 Mrd.) auf maximal eine Milliarde Franken bzw. 2% der Einnahmen im Jahr 2001 vor. Würde das Ziel verfehlt, müsste der Bundesrat den beiden Räten ein Sparpaket vorlegen, deren Prioritäten das Parlament zwar verschieben könnte, an dessen Sparvorgabe es jedoch gebunden wäre. Linke und Gewerkschaften standen zwar hinter dem Kompromiss des runden Tisches (vgl. weiter unten), hielten die Abstimmungsvorlage jedoch für überflüssig und sozialpolitisch unverträglich. Sie befürchteten, dass sich die bürgerliche Seite mit einem Ja zum Haushaltsziel vom Konsens verabschieden und Sparmassnahmen unter Verzicht zusätzlicher Einnahmen insbesondere bei den Sozialwerken durchsetzen würde. Darüber hinaus bemängelten sie, der Verfassungsartikel würge den Konjunkturaufschwung ab und delegiere die Budgethoheit, eine der wichtigsten Kompetenzen des Parlamentes, teilweise an den Bundesrat. Das Schweizerische Komitee «Ja zum Haushaltsziel 2001» warf der Linken inkonsequentes und politisch nicht verantwortbares Verhalten vor. Die bürgerliche Seite fühlte sich zusätzlich von einem Inserat der SP mit dem Schlagwort «Nein zu diesem Sparbetrug» provoziert. Darin wurde Altbundesrat Otto Stich (sp) zitiert, das Parlament schlage dem Schweizer Volk mit dem Haushaltsziel «eine grundlegend falsche Massnahme» vor. Das Pro-Komitee empfand die Einmischung des früheren Finanzminister in die Abstimmungsdebatte als «hinterhältig» und «schlechtem politischen Stil» entsprechend. Auch Finanzminister Villiger zeigte sich von dieser Attacke seines ehemaligen Bundesratskollegen überrascht.

Mit einem Ja-Stimmenanteil von knapp 71% und der Zustimmung aller Kantone wurde das Haushaltsziel 2001 deutlicher als erwartet angenommen. Am klarsten stimmte der Kanton Appenzell Innerrhoden mit einem Ja-Anteil von 81,1% zu, gefolgt von den Kantonen Glarus (78,1%), Zug (78,0%), St.Gallen (77,1%) und Nidwalden (77,0%). Am knappsten war die Annahme der Vorlage mit einem Unterschied von lediglich 590 Stimmen im Kanton Jura (52,1%). In der Romandie (61%) und in der italienischsprachigen Schweiz (62%) fiel die Zustimmung generell weniger deutlicher aus als in der Deutschschweiz (74%), was nicht zuletzt auf die schwierigere Wirtschaftslage zurückgeführt wurde. Das Ergebnis war für Finanzminister Villiger ein persönlicher Erfolg, nachdem er sich für die Vorlage besonders intensiv eingesetzt hatte. Die bürgerliche Seite zeigte sich mit dem deutlichen Verdikt des Volkes zufrieden. Nach Ansicht von CVP-Präsident Durrer habe das Volk einer Finanzpolitik zu Lasten kommender Generationen eine deutliche Absage erteilt. FDP-Präsident Steinegger interpretierte das Abstimmungsergebnis als eindeutige Legitimation, die Bundesfinanzen in Ordnung zu bringen, insbesondere auf der Ausgabenseite. Für die SVP war klar, dass das Volk genug habe von der Schuldenwirtschaft; beim Sparen gebe es in Zukunft keine Tabu-Bereiche mehr. Die SP als eigentliche Verliererin des Abstimmungskampfes forderte die Umsetzung der Versprechen am runden Tisch und verlangte, dass zur Sanierung des Bundeshaushaltes keine einseitigen Sparübungen zu Lasten der Sozialwerke gemacht werden dürften. Enttäuscht zeigte sich auch die Grüne Partei, die dem Bundesrat vorwarf, die Bevölkerung getäuscht zu haben, indem er eine Lösung der Finanzprobleme ohne Mehreinnahmen als möglich erscheinen liess.


Abstimmung vom 7. Juni 1998

Beteiligung: 40,9%
Ja: 1 280 329 (70,7%) / 20 6/2 Stände
Nein: 530 486 (29,3%) / 0 Stände

Parolen:
— Ja: FDP, CVP, SVP, LP, LdU, EVP, FP, SD, EDU; SGV, Vorort, Arbeitgeberverband, Angestelltenverbände, Bauernverband.
— Nein: SP, GP, CSP, Lega, PdA; SGB, CNG.

Gemäss Vox-Analyse widerspiegelte sich die Homogenität und hohe Zustimmung zum Haushaltsziel darin, dass viele gesellschaftliche Merkmale wie Geschlecht, Schulbildung, Erwerbsgrad, berufliche Stellung, Haushaltseinkommen oder Alter in keinem signifikanten Zusammenhang mit dem Abstimmungsverhalten standen. Obwohl die Gegnerschaft vor allem den Einwand der sozialen Unverträglichkeit erhoben hatte, fiel die Ablehnung der Vorlage bei den Rentner nicht höher aus, eher im Gegenteil. Grössere Verhaltensunterschiede ergaben sich nur in sprachregionaler und parteipolitischer Hinsicht. Während das bürgerliche Lager (87%) geschlossen hinter dem Haushaltsziel stand, waren die Sympathisanten der rot-grünen Parteien skeptischer; aber auch sie stimmten mit deutlicher Mehrheit (61%) der Vorlage zu.