Revision des Staatsschutzgesetzes (BRG 07.057)

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Im Sommer gab das EJPD den Vorentwurf für eine Revision des Staatsschutzgesetzes (Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit) in die Vernehmlassung. Hauptziel dieses Projekts ist es, angesichts der stark angestiegenen Gefahr des internationalen Terrorismus die Prävention zu verbessern. Zu diesem Zweck sollen die Behörden – bei Verdacht auf Terrorismus, internationalen Waffenhandel oder Spionage – auch ohne konkreten Tatverdacht Post- und Fernmeldeverkehr überwachen, Privaträume abhören und Computer durchsuchen dürfen. Die Staatsschützer erhalten allerdings nicht freie Hand beim Einsatz dieser ausserordentlichen präventiven Mittel. Das Bundesamt für Polizei muss deren Anordnung zuerst dem Bundesverwaltungsgericht zur Stellungnahme vorlegen. Dann müssen die Vorsteher des EJPD und des VBS den Einsatz bewilligen. Fällt die Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts negativ aus, müsste der Gesamtbundesrat die Überwachung beschliessen. Die Überwachung soll in der Regel nicht länger als sechs Monate dauern und, wenn kein Strafverfahren eingeleitet wird, den Betroffenen mitgeteilt werden. Trotz diesen Einschränkungen kritisierten die Datenschutzbeauftragten die mangelhafte Kontrolle der Staatsschützer und insbesondere die Möglichkeit, auch Personen zu überwachen, bei denen kein konkreter Verdacht auf strafbares Handeln besteht. Auch die übrigen Reaktionen fielen vorwiegend kritisch aus. Nicht nur die Linke, sondern auch die SVP bezweifelten grundsätzlich die Notwendigkeit der neuen Aufklärungsmittel der Nachrichtendienste.

Dossier: Staatliche Überwachung

Im Juni legte der Bundesrat dem Parlament seinen Entwurf für eine Revision des Staatsschutzgesetzes (Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit) vor. Die darin vorgesehenen zusätzlichen Mittel der Informationsbeschaffung begründete er auch mit der in den letzten Jahren erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass auch die Schweiz Ziel von „islamistisch motivierten Terroranschlägen“ werden könnte. Die in der Vernehmlassung am meisten umstrittenen Änderungen, die präventive Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, das Abhören und Beobachten von Privaträumen sowie das Durchsuchen von Computersystemen bei Verdacht auf Terrorismus, internationalen Waffenhandel oder Spionage, wurden beibehalten. Die Anordnung dieser aussergewöhnlichen Massnahmen erfordert eine doppelte, richterliche und politische Kontrolle, welche durch das Bundesverwaltungsgericht einerseits und die Vorsteher von EJPD und VBS andererseits ausgeübt wird. Der Justizminister soll zudem die Kompetenz erhalten, Tätigkeiten zu verbieten, die terroristische oder gewalttätige Aktivitäten fördern oder die innere oder äussere Sicherheit des Staates gefährden. Der Bundesrat möchte zudem die in den letzten Jahren mehr als einmal umstrittene Tätigkeit von Informanten des Inlandnachrichtendienstes beim Bundesamt für Polizei (DAP, Dienst für Analyse und Prävention) auf eine sicherere rechtliche Basis stellen. Dazu gehören einerseits Vorschriften über die Entschädigung dieser Agenten, andererseits aber auch Massnahmen zu ihrem Schutz vor Repressalien durch die Ausstattung mit einer Tarnidentität. In ersten Reaktionen sprachen sich die Linke und die SVP gegen, die CVP und die FDP für die vorgeschlagenen Massnahmen aus.

Dossier: Staatliche Überwachung

Die vom Bundesrat im Vorjahr unterbreitete Revision des Staatsschutzgesetzes (Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit) kam beim Nationalrat als Erstrat nicht gut an. Eine aus Vertretern der SVP, der SP und der Grünen gebildete Mehrheit der Rechtskommission beantragte Rückweisung an den Bundesrat mit der Auflage, namentlich die Begriffe „innere“ und „äussere“ Sicheheit genauer zu definieren, die vorgesehene Zusammenarbeit der Bundesbehörden mit denjenigen der Kantone und vor allem denjenigen des Auslandes zu präzisieren und die parlamentarische Oberaufsicht zu stärken. Eine Minderheit aus einigen SP- und GP-Mitgliedern beantragte Nichteintreten und eine aus Vertretern der FDP und der CVP gebildete Kommissionsminderheit wollte die Revisionsvorschläge in der vorliegenden Form behandeln. In der Eintretensdebatte unterstützten die Fraktionen der SP und der GP den Nichteintretensantrag; sie kritisierten in erster Linie die vorgesehenen präventiven Informationsbeschaffungsmöglichkeiten, welche Vischer (gp, ZH) in Anspielung an die Geheimdienstdebatte in Deutschland als „den grossen Lauschangriff“ verurteilte. Ebenfalls für Nichteintreten auf das von alt-Bundesrat Blocher (svp) ausgearbeitete, jetzt aber von Bundesrat Schmid (bdp) vertretene Geschäft votierte eine grosse Mehrheit der SVP. Der Rat sprach sich mit 92 zu 79 Stimmen gegen das Eintreten aus.

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Der Ständerat befasste sich als Zweitrat mit der Revision des Staatsschutzgesetzes (Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit). Er beschloss, im Gegensatz zur grossen Kammer auf die Vorlage einzutreten, sie aber an den Bundesrat zur Überarbeitung zurückzuweisen. Dabei forderte er von der Regierung unter anderem die Konkretisierung von Begriffen wie „innere“ und „äussere Sicherheit“, eine Präzisierung der vorgesehenen Zusammenarbeit von eidgenössischen, kantonalen und ausländischen Polizeistellen sowie einen Ausbau der parlamentarischen Aufsicht. Der Nationalrat schloss sich diesem Entscheid gegen den Widerstand der SP und der GP, welche die Revision weiterhin grundsätzlich ablehnten, an. Die SVP hingegen wechselte ihre Position und wollte dem nun nicht mehr von Bundesrat Schmid (bdp), sondern von ihrem eigenen Bundesrat Maurer vertretenen Geschäft in einer überarbeiteten Version nochmals eine Chance geben.

Dossier: Staatliche Überwachung

Nachdem die Revision des Staatsschutzgesetzes 2009 insbesondere aufgrund der Idee, dem Staatsschutz das Abhören von privaten Räumen oder Telefongesprächen zu gestatten, gescheitert war, legte der Bundesrat im Oktober eine neue Teilrevision vor, die lediglich unbestrittene Fragen regeln soll. Neu wird ein weitgehendes Einsichtsrecht von Betroffenen in ihre Personendaten sowie die Möglichkeit von Tarnidentitäten und der Bewaffnung für Geheimdienstpolizisten vorgeschlagen. Die umstrittenen Fragen sollen in einer zweiten Teilrevision Ende 2012 vorgelegt werden. Die FDP kritisierte das schleppende Tempo. Eine Allianz aus SVP und SP habe die ursprüngliche Reform torpediert und verunmögliche eine wirksame Terrorabwehr. Es bestehe so die Gefahr, dass die Schweiz zum Hort internationaler Terroristen werde.

Dossier: Staatliche Überwachung

Der Bundesrat verabschiedete bereits 2007 einen Entwurf für die Revision des Bundesgesetzes über die Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS). Insbesondere sollte durch die Verbesserung der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung die Sicherheit gewährleistet werden. Unter den Massnahmen befanden sich als letzte Mittel auch die präventive Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, das Beobachten von gefährlichen Personen an nicht allgemein öffentlich zugänglichen Orten sowie die geheime Durchsuchung von Datenbearbeitungssystemen. Die Anwendung all dieser Mittel unterliegt der kumulativen Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht und der Exekutive. Nachdem das Parlament den Entwurf an den Bundesrat zurückgewiesen hatte, präsentierte dieser 2010 eine abgeschwächte Version, die sich auf die dringlichsten Punkte beschränkte. Nach einem langen Differenzbereinigungsverfahren konnten sich die beiden Kammern in diesem Jahr einigen. Neu erhält der Bürger ein direktes Auskunftsrecht, d.h. er darf erfahren, ob über ihn Daten angelegt werden. Der Nachrichtendienst darf aber die Auskunft aufschieben, wenn im Sinne des Staatsschutzes Interesse an Geheimhaltung besteht. In diesem Fall kann die betroffene Person den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten mit der Prüfung beauftragen, ob allfällige Daten rechtmässig bearbeitet werden. In der Schlussabstimmung wurde die Revision im Ständerat einstimmig bei drei Enthaltungen und im Nationalrat mit 145 zu 36 Stimmen angenommen. Dagegen votierten die Grünen und eine Mehrheit der SP-Fraktion.

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