Änderung des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten (BRG 98.035)

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Da ein eigentliches Transplantationsgesetz wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen wird, soll die besonders heikle Frage der Xenotransplantation (Übertragung tierischer Organe auf den Menschen) in einer Übergangslösung geregelt werden, welche die klinische Anwendung verbietet und die Forschung strengen Ausnahmebewilligungen unterstellt. Mitte Jahr leitete der Bundesrat dem Parlament eine entsprechende Botschaft für einen dringlichen Bundesbeschluss zu. In der Frühjahrssession hatte der Ständerat diskussionslos eine diesbezügliche Motion des Nationalrates überwiesen.

Dossier: Transplantation d'organes, de tissus et de cellules

Um die besonders heikle Frage der Xenotransplantation (Übertragung tierischer Organe, Gewebe und Zellen auf den Menschen) vorläufig zu regeln, hatte der Bundesrat bereits im Vorjahr dem Parlament im Rahmen des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten ein bis zum Vorliegen des eigentlichen Transplantationsgesetzes befristetes Verbot mit eng begrenzten Ausnahmemöglichkeiten beantragt. Nach dem bundesrätlichen Konzept sollten gezielte klinische Versuche bei konkreten Heilungschancen zulässig sein, nicht aber grössere wissenschaftliche Experimente. Eine weiter gehende medizinische Behandlung mittels Transplantaten von tierischen Zellen und Geweben (nicht aber von ganzen Organen) sollte nur erlaubt sein, wenn ein Infektionsrisiko für die Bevölkerung ausgeschlossen und der therapeutische Nutzen nachgewiesen werden kann. In beiden Fällen bedürfte der Eingriff einer Bewilligung des BAG.

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Als Sprecherin der Kommissionsmehrheit begründete Dormann (cvp, LU) im Nationalrat das vorsichtige Vorgehen des Bundesrates mit dem Risiko, dass bei einer Xenotransplantation bisher unbekannte, dem Aids- und dem Ebola-Virus sowie der Creutzfeld-Jakob-Krankheit verwandte Erreger auf den Menschen überspringen und sich dann unkontrolliert verbreiten könnten. Zudem verwies sie auf den ethischen Einwand, wonach der Mensch die anderen Lebewesen nicht einfach zu Ersatzteillagern degradieren dürfe. Minderheitsvertreter Deiss (cvp, FR) meinte demgegenüber, ein Verbot mit Ausnahmen setze falsche Signale, es werde damit ein eigentliches Moratorium eingeführt, und dieses gefährde den Forschungsplatz Schweiz. Er beantragte, das relativierte Verbot durch eine Bewilligungspflicht zu ersetzen und fand dabei die Unterstützung von Egerszegi (fdp, AG), Hochreutener (cvp, BE) und Bortoluzzi (svp, ZH) als Sprecher ihrer Fraktionen.

Die Grüne Gonseth (BL) warf der Minderheit vor, mit ihrem Antrag gebe sie lediglich dem Druck der Pharmalobby nach. Noch härter ging Bundespräsidentin Dreifuss mit ihrem künftigen Amtskollegen Deiss ins Gericht. Sie befand, er habe am Rande der Fairness argumentiert, da der Bundesrat kein eigentliches Moratorium vorgeschlagen habe. Sein Antrag sei wohl entstanden, weil der Pharmaindustrie das Wort ”Verbot” im bundesrätlichen Konzept nicht gefalle; es sei eines Parlaments aber ”unwürdig”, sich durch die ”Arroganz eine Branche” die Wortwahl diktieren zu lassen. Die Transplantation von Tierorganen werde in der vorgesehen Übergangsfrist medizintechnisch gar nicht möglich sein; sie zu propagieren wecke falsche Hoffnungen bei schwer kranken Personen.

Ihr Appell zeigte Wirkung. Neben den geschlossenen Fraktionen von SP, GP, LdU/EVP und SD stimmten auch 10 CVP-, 5 FDP- und 2 SVP-Abgeordnete gegen die Parole ihrer Fraktionen. Dem Bundesrat wurde mit 88 zu 75 Stimmen Folge geleistet. Kaum Unterstützung fanden hingegen weitergehende Anträge aus der SP: Für einen Antrag Goll (ZH), klinische Versuche mit Tierorganen vorläufig ausnahmslos zu verbieten, sprachen sich nur gerade 49 von 157 anwesenden Abgeordneten aus. Ein Antrag von Felten (BS), die Xenotransplantation generell zu verbieten, scheiterte mit 118 zu 38 Stimmen.

Angesichts der Abstimmungsergebnisse zog Goll eine 1997 eingereichte Motion für ein Moratorium für Xenotransplantation zurück (Mo. 97.3544).

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Im Ständerat setzten sich die bürgerlichen Vertreter gegen Bundes- und Nationalrat durch. Die Mehrheit des Rates sah den (durchaus nicht geleugneten) Risiken mit einer streng kontrollierten Bewilligungspflicht genügend Rechnung getragen und brachte vor, die Forschung würde durch ein Verbot zu sehr behindert und abgeschreckt. Es sei besser, die Forschungsaktivität unter selber definierten Bedingungen steuern zu können und im eigenen Lande zu behalten, als mit rigorosen Vorschriften eine Auslagerung zu provozieren, sagte etwa Schiesser (fdp, GL). Für Simmen (cvp, SO) machte es zudem keinen Sinn, zwischen Organen einerseits und Zellen und Geweben andererseits Hierarchien zu schaffen, da in allen Fällen ein Abstossungs- und Infektionsrikio bestehe.

Den freisinnigen Argumenten widersprach Bundespräsidentin Dreifuss: Die Schweiz sei das erste Land, welches eine Gesetzgebung für die Xenotransplantation einführe, weshalb sie Signalfunktion habe und ihre Verantwortung wahrnehmen müsse. Der Bundesrat bewege sich mit seiner Variante auf der gleichen Linie wie die WHO und die OECD. Zudem werde die Forschung keineswegs verhindert, da der bundes- und nationalrätliche Vorschlag klinische Versuche selbst mit Organen ja zulasse. Eine grundsätzliche Bewilligung sei aber angesichts der Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern im jetzigen Zeitpunkt nicht zu verantworten. Diese Erklärung fand aber genau so wenig Gehör wie jene des Basler SP-Standesvertreters Plattner, der argumentierte, die Xenotransplantation sei noch weit davon entfernt, zum Routineeingriff zu werden. Zurzeit bestehe ein faktisches Moratorium, welches aus der Vernunft der Forscher und der Bevölkerung geboren sei. Deshalb verstehe er nicht, warum ein massvolles Verbot nicht vorläufig in den Beschluss aufgenommen werden könne. Zudem würde eine bedingte Zulassung den Empfehlungen des Europarates widersprechen.

Der Rat beschloss mit 26 zu 7 Stimmen die von der Pharmaindustrie klar favorisierte „Ja, aber“-Version und sprach sich mit 27 zu 8 Stimmen auch für die Organübertragung als allgemeine therapeutische Massnahme aus. Nach dem Willen der kleinen Kammer sollen alle Arten von Xenotransplantation grundsätzlich erlaubt sein, jedoch einer strengen Bewilligungspflicht unterstellt werden. Die Transplantation von tierischen Zellen, Geweben und ganzen Organen soll sowohl in klinischen Versuchen als auch als Standardbehandlung zugelassen werden. Für den klinischen Versuch besteht die Auflage, dass ein Infektionsrisiko für die Bevölkerung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten kann. Für die Standardbehandlung muss dieses Risiko nach Stand von Wissenschaft und Technik ganz ausgeschlossen sein. Zudem muss ein therapeutischer Nutzen erwartet (klinische Versuche) oder nachgewiesen sein (Standardbehandlung).

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Nach dem deutlichen Votum in der kleinen Kammer zeichnete sich im Nationalrat ein Stimmungswandel ab. Vergeblich wehrten sich die Zürcher SP-Nationalrätin Goll und die grüne Baselbieter Ärztin Gonseth für einen Vermittlungsvorschlag ihrer Luzerner CVP-Kollegin Dormann. Diese wollte am Verbotskonzept des Bundesrates festhalten, für Ausnahmebewilligungen aber die Kriterien des Ständerates übernehmen – allerdings mit der gewichtigen Einschränkung, dass routinemässig bloss tierische Zellen und Gewebe auf den Menschen übertragen werden dürfen; die Verpflanzung ganzer Tierorgane sollte im Rahmen von Standardbehandlungen nach wie vor ausnahmslos untersagt bleiben. Für diesen Kompromiss setzte sich auch Bundespräsidentin Dreifuss ein, vermochte aber gegen das Hauptargument der Bürgerlichen, ein Verbot würde den Forschungsstandort Schweiz in unzulässiger Weise beeinträchtigen, nichts mehr auszurichten. Neben der nach wie vor geschlossenen Opposition der Fraktionen der SP und der Grünen fand der Kompromissvorschlag nur noch die Unterstützung von 5 CVP-Vertretern, 5 LdU/EVP-Nationalräten und 2 Schweizer Demokraten. Mit 77 zu 72 Stimmen lehnte die grosse Kammer den Vermittlungsvorschlag Dormann ab und folgte damit auf der ganzen Linie den Beschlüssen des Ständerates.

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