Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1990–1997)

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Immer häufiger ertönt auch der Ruf nach ärztlich kontrolliertem Zugang zu Heroin. Sowohl die Basler Regierung als auch die neue Zürcher Stadtexekutive befürworteten die versuchsweise Abgabe, um damit die Verelendung der Konsumenten und die Beschaffungskriminalität einzudämmen. Zur Abklärung des Spielraums, den das geltende BetmG hier bietet, gab das BAG beim EJPD ein Gutachten in Auftrag. Dieses kam zum Schluss, eine Heroinabgabe in grösserem Rahmen wäre nicht zulässig, doch könnte sie in einem limitierten Versuch toleriert werden.

Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Um einen abrupten Abbruch der therapeutischen Behandlungen zu vermeiden, und weil sich die an den Versuchen beteiligten Kantone und Gemeinden überwiegend für die Fortsetzung der medizinisch kontrollierten Betäubungsmittelabgabe aussprachen, beschloss der Bundesrat, jenen Personen, die Ende 1996 in ein Abgabeprojekt eingebunden sind, mindestens bis zum Vorliegen des Schlussberichts (voraussichtlich Sommer 1997), spätestens aber bis Ende 1998 die von ihnen benötigten Betäubungsmittel (Heroin, Morphin und intravenös zu verabreichendes Methadon) weiter abzugeben. Da auch der zweite Zwischenbericht eine durchaus positive Bilanz der Versuche mit der Betäubungsmittelverschreibung ziehen konnte, ging Bundesrätin Dreifuss anlässlich der eidgenössischen Jugendsession noch weiter und kündigte an, dass sie dem Bundesrat bald eine Gesetzesrevision vorschlagen werde, um die Versuche mit der kontrollierten Drogenabgabe zu einem festen Instrument der Drogenpolitik zu machen. Dabei sei die Drogenabgabe aber nur für diejenigen Süchtigen gedacht, die auf keine andere Therapie mehr ansprechen würden.
Der in der Solothurner Strafanstalt Oberschöngrün seit einem Jahr durchgeführte, weltweit erste Versuch mit der Abgabe von Heroin an schwerstabhängige Inhaftierte ergab ebenfalls sehr gute Resultate

Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Im Sommer legten die Forschungsbeauftragten den Abschlussbericht über den wissenschaftlichen Versuch zur ärztlich kontrollierten Verschreibung von Betäubungsmitteln vor. Wie bereits der Zwischenbericht hatte vermuten lassen, waren die Resultate der dreijährigen Versuchsreihe durchwegs positiv. Kernaussage des Berichts war, dass sich die heroinunterstützte Behandlung von schwerstsüchtigen Personen bewährt hat und deshalb weiter geführt werden sollte. 83 der 1146 beteiligten Frauen und Männer versuchten in dieser Zeit den völligen Ausstieg aus ihrer Abhängigkeit. Neben den Süchtigen profitierte auch die Allgemeinheit von der Heroin-Verschreibung. So verbesserte sich der Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten, die Obdachlosigkeit sank von 12% auf 1%, und vielen gelang es, wieder in der Arbeitswelt Fuss zu fassen. Schulden konnten massiv abgebaut werden. Als geradezu drastisch bezeichneten die Experten den Rückgang der Straffälligkeit während des Versuches. Die Zahl der Delikte, aber auch der straffälligen Personen und damit der gerichtlichen Verurteilungen nahm massiv ab. Mit der kontrollierten Abgabe konnten so die enormen gesamtwirtschaftlichen (medizinischen und strafrechtlichen) Folgekosten der Drogensucht vermindert werden.

Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin