2.Teilrevision Arbeitslosenversicherungsgesetz (BRG 93.095)

Als PDF speichern

Im Spätherbst leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft für eine zweite Teilrevision des AVIG zu. Damit sollen einerseits Teile aus dem dringlichen Bundesbeschluss (Abstufung der Taggelder je nach Familienpflichten, Zwischenverdienstregelung) gesetzlich definitiv verankert, andererseits die Finanzierungsgrundlagen dieses Versicherungszweiges verbessert werden. In Anbetracht der Dringlichkeit der Sanierung der Arbeitslosenversicherung beschränkt sich die Vorlage zur Hauptsache darauf, die Versicherungsleistungen, die Finanzierung der Versicherung sowie die aktiven Präventionsmassnahmen der aktuellen wirtschaftlichen Lage anzupassen. Tiefgreifende Anderungen des AVIG – wie etwa neue Finanzierungsmodelle – wurden auf die 3. Revision verschoben. Hauptpunkte der bundesrätlichen Vorschläge sind eine je fünfprozentige Degression der Leistungen nach 125 und 250 Tagen, deutlich verschärfte Zumutbarkeitskriterien und eine massive Erhöhung der Limite der beitragspflichtigen Löhne (von heute 97'200 auf 243'000 Fr.) bei gleichbleibendem Leistungsplafond, die Anhebung der Lohnbeiträge auf maximal 3% sowie die Einführung von à-fonds-perdu-Beiträgen des Bundes und der Kantone in der Höhe von je 5% der Versicherungsausgaben, wenn die Reserven und Beitragseinnahmen zur Deckung der Versicherungsausgaben nicht ausreichen.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Die Vorschläge stiessen in allen Lagern umgehend auf harsche Kritik. Die Gewerkschaften erachteten sie als inakzeptabel, da sie zu einem Zweiklassensystem der Versicherten, zur beruflichen Dequalifizierung der Arbeitslosen und zu Lohndumping auf Kosten der Arbeitslosenversicherung führten. Insbesondere wurde die Redefinition des Begriffs der Zumutbarkeit kategorisch bekämpft. Galt bisher eine Arbeit nur als zumutbar, wenn sie gewisse Kriterien erfüllte, so wird mit der Botschaft die Ausgangslage umgekehrt. Neu ist – mit abschliessend geregelten Ausnahmen – grundsätzlich jede Arbeit zumutbar, auch wenn der Verdienst deutlich tiefer ausfällt als das Taggeld. Die Gewerkschaften monierten zudem, die Anhebung des Plafonds der beitragspflichtigen Löhne und der Prämien sei ungenügend zur längerfristigen Finanzierung der ALV. Indem der Bund keine neuen Finanzierungsquellen vorschlage, erzeuge er einen finanziellen Druck, der schliesslich zur Abschaffung der Versicherung in ihrer heutigen Form führe. Auch die Arbeitgeberseite kritisierte die vorgesehene Finanzierung, allerdings aus ganz anderen Gründen. Ihrer Ansicht nach hätten Bund und Kantone stärker in die Pflicht genommen werden müssen. Die Anhebung des Plafonds lehnten sie rundweg ab, da sie eine massive – und ihrer Ansicht nach für die ALV verfassungswidrige – Umverteilung bewirke. Richtig erschienen den Arbeitgebern nur der Abbau der Taggelder nach 125 und 250 Tagen und die Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien. Einzig der bundesrätliche Vorschlag zur Einführung von Bundes- und Kantonsbeiträgen (anstelle blosser Darlehen) und die Verbesserungen bei der Beratung der Arbeitslosen fand die Unterstützung beider sozialpartnerschaftlicher Lager.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Mit wenig Begeisterung trat der Ständerat in der Frühjahrssession auf die im Vorjahr vom BIGA ausgearbeitete zweite Teilrevision des AVIG ein. Die Vorlage wurde als notdürftiges Flickwerk kritisiert, das keine neuen Ideen bringe und keine angemessene Antwort auf die Situation der fast 200'000 Arbeitslosen darstelle. Da sie aber auch nicht eine schnell realisierbare, bessere Lösung sah, schwenkte die kleine Kammer vorab aus finanziellen Gründen schliesslich in fast allen Punkten auf die Vorschläge des Bundesrates ein. In Detailfragen setzte der Rat dennoch etwas andere Akzente als der Bundesrat. So limitierte er die Kompetenz zur Heraufsetzung des Beitragssatzes auf drei Lohnprozente bis Ende 1999 und entband die Kantone von der Verpflichtung, sich in ausserordentlichen Situationen mit nicht rückzahlbaren Darlehen an den Ausgaben beteiligen zu müssen. Die Wartefrist vor dem erstmaligen Bezug von ALV-Entschädigungen für Schul- und Studienabgänger verlängerte er gegenüber dem Bundesratsentwurf um weitere sechs Monate auf ein Jahr.

Bei der Verschärfung des Begriffs der zumutbaren Arbeit fügte er zusätzlich das Kriterium ein, dass eine Arbeit auch dann zumutbar ist, wenn der Lohn bis zu 10% unter dem letzten Taggeld liegt. Als neue Leistung bezog der Ständerat sogenannte Vorruhestandszuschüsse ins Gesetz ein. Diese sollten an Arbeitnehmer ausgerichtet werden, die mindestens zwei Jahre vor dem ordentlichen Pensionierungsalter in den Ruhestand treten, sofern an ihrer Stelle eine junge Person eingestellt wird. Einstimmig verabschiedete die kleine Kammer die Vorlage zuhanden des Nationalrats.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Die Kommission des Nationalrates - im Gegensatz zum Ständerat nicht die SGK, sondern die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) - war dann endgültig nicht mehr bereit, einer fast ausschliesslich auf die Finanzierung ausgerichteten Vorlage zuzustimmen, welche die Anspruchsbedingung für ALV-Leistungen in erster Linie aufs Stempeln beschränkt. Sie setzte eine Arbeitsgruppe ein, der auch Vertreter der Sozialpartner angehörten, welche wegweisende Lösungen ausarbeiten sollte, nach denen vorab die Wiedereingliederung der Arbeitslosen verstärkt wird.

Bei der Finanzierung folgte die Kommission in den grossen Linien Bundes- und Ständerat, brachte aber noch einige Retouchen an. So soll die Finanzierung grundsätzlich weiterhin über maximal 2% des für die obligatorische Unfallversicherung massgebenden Lohnes, d.h. bis 97'200 Fr. pro Jahr erfolgen. Zur Tilgung der bis Ende 1995 aufgelaufenen Schulden soll der Bundesrat aber die Kompetenz erhalten, auf den über den plafonierten Betrag hinausgehenden Lohnsummen einen Beitrag von 1% zu erheben. Im Gegensatz zum Ständerat führte die WAK wieder die Bestimmung ein, dass bei ausserordentlichen Verhältnissen Bund und Kantone A-fonds-perdu-Beiträge in der Höhe von maximal 10% der laufenden Verpflichtungen zu leisten haben, d.h. je 5%.

Neu - und vor allem von den Medien als fast schon revolutionäre Kehrtwende gefeiert - war die Übernahme des Grundsatzes der IV, wonach Wiedereingliederung vor Rente kommt. Zu diesem Zweck soll die Arbeitsvermittlung in neuen regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zusammengefasst und professionalisiert werden, damit die Versicherten während der ganzen zweijährigen Rahmenfrist intensiv betreut werden können. Um vom passiven Taggeldbezug wegzukommen, reduzierte die WAK den Anspruch auf "normale" Taggelder grundsätzlich auf 150. Einzig ältere Versicherte sollten ohne Gegenleistung während 250 bzw. 400 Tagen Leistungen der ALV beziehen können. In der Absicht, aktive arbeitsmarktliche Massnahmen zu fördern, sollten bis zur Ausschöpfung der Rahmenfrist "besondere" Taggelder ausgerichtet werden, wenn der Arbeitslose einen Kurs besucht, an einem Beschäftigungsprogramm teilnimmt, einen Zwischenverdienst erzielt oder eine von der ALV unterstützte selbständige Arbeit aufnimmt. Zudem sollte die ALV unter gewissen Bedingungen Ausbildungszuschüsse für höchstens drei Jahre gewähren können.

Mit dieser neuen Ausrichtung wollte die WAK auch die Kantone in die Pflicht nehmen, vermehrt Plätze in Kursen und Beschäftigungsprogrammen zur Verfügung zu stellen. Sie führte deshalb die Bestimmung ein, dass die Kantone, falls sie dazu nicht imstande sind, einen Teil - 25% im Normalfall, 15% bei überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit - der ersatzweise auszurichtenden 80 besonderen Taggelder berappen müssen, auf die jeder Versicherte Anspruch hat. Im Gegenzug sollte der Arbeitslosenversicherungsfonds neu 90% der anrechenbaren Kosten für Programme zur vorübergehenden Beschäftigung übernehmen anstatt 50 bis 85% wie bis anhin.

Aber auch die Versicherten wurden von der WAK härter angefasst. Der Begriff der Zumutbarkeit einer Arbeit wurde gegenüber dem Ständerat noch etwas verschärft, die Wartezeit von 12 Monaten für Schul- und Studienabgänger bekräftigt und für alle Versicherten eine generelle Karenzfrist von fünf Tagen vor dem erstmaligen Bezug von ALV-Leistungen eingeführt. Da in letzter Zeit immer häufiger Missbräuche der ALV durch Arbeitgeber ruchbar geworden waren, verkürzte die WAK den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung und führte strengere Kontrollen ein. Die Schlechtwetterentschädigung wollte sie ganz streichen.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Nach ausgiebigen Diskussionen - und nach der deutlichen Ablehnung von drei Rückweisungsanträgen Blocher (svp, ZH), Zisyadis (pda, VD) und SD/Lega-Fraktion - folgte das Plenum des Nationalrates der Kommission in den wesentlichen Punkten. Es kam aber den Kantonen insofern entgegen, als es die Finanzierung der ersatzweise auszurichtenden Taggelder in dem Sinn änderte, dass der Kantonsanteil bei andauernder Arbeitslosigkeit bis auf 10% reduziert werden kann. Die Beteiligung der Kantone an den Kursauslagen wurde auf 5% gesenkt und der Beitrag des ALV-Fonds an die Beschäftigungsprogramme auf 95% erhöht. Der Aufhebung der Schlechtwetterentschädigung stimmte die grosse Kammer nicht zu. In der Gesamtabstimmung passierte das revidierte Gesetz mit 123:30 Stimmen bei 16 Enthaltungen.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Bei der zweiten Lesung der Gesetzesrevision zollte der Ständerat den Vorarbeiten des Nationalrates volle Anerkennung. Der Systemwechsel von passiver Versicherung zu aktiver Wiedereingliederungs- und Erwerbsfähigkeit wurde ebenso begrüsst wie die Neuregelung des Taggeldanspruchs, die Einführung regionaler Arbeitsvermittlungszentren und die Neuordnung der Finanzierung. Von links bis rechts waren sich die Standesvertreter aber einig, dass sich das Weiterbildungs- und Beschäftigungsprogramm für Arbeitslose in dem vom Nationalrat beschlossenen Umfang nicht realisieren lasse. Der Aufbau einer Parallelwirtschaft mit über 60'000 Arbeitsplätzen, an denen die reale Wirtschaft offenbar kein Interesse habe, sei den Kantonen nicht zuzumuten, ebenso wenig wie die Auflage, sich bei ungenügendem Angebot an der Finanzierung der deswegen notwendig werdenden ALV-Mehraufwendungen zu beteiligen.

Der Rat reduzierte deshalb das arbeitsmarktliche Pflichtangebot auf junge Arbeitslose bis zum 25. Altersjahr, womit sich die den Kantonen abverlangten Stellen auf knapp 15'000 Plätze verringerten. Bei den A-fonds-perdu-Beiträgen entliess er die Kantone angesichts ihrer anderweitigen Belastung wieder aus der Pflicht, gleich wie der Bund 5% ans jährliche Defizit zu leisten. Die Ständevertreter verschärften hingegen die Arbeitsannahmepflicht, indem nach vier Monaten Erwerbslosigkeit auch Arbeiten als zumutbar gelten sollten, die auf die Fähigkeiten oder bisherigen Tätigkeiten des Arbeitslosen nicht angemessen Rücksicht nehmen. Sie wollten die Karenzfrist von fünf Tagen vor dem ersten Bezug von ALV-Leistungen zwar ebenfalls sozialverträglich gestalten, bezeichneten aber keinen fixen Grenzbetrag, unterhalb dessen die Wartefrist nicht gilt, sondern wollten es dem Bundesrat überlassen, die Härtefälle zu bezeichnen.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Dies genügte nun der Kommission des Nationalrates wiederum nicht, weshalb sie erneut den Dialog mit den Sozialpartnern suchte, diesmal aber auch die Kantone und die Kommission des Ständerates als Gesprächspartner mit einbezog. Aus diesen Verhandlungen entstanden neue Vorschläge - in Anlehnung an den Tagungsort "Solothurner Kompromiss" genannt -, welche einen austarierten Mittelweg zwischen den ersten Entscheiden des Nationalrates und den Korrekturen des Ständerates darstellten.

Festgehalten wurde im Nationalrat an der möglichst raschen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess. Jeder Arbeitslose soll inskünftig gehalten sein, in einem arbeitsmarktlichen Programm tätig zu werden. Je nach Alter besteht ein unterschiedlicher Anspruch auf "freie" Taggelder: Erwerbslose unter 50 Jahren erhalten höchstens 150 ordentliche Taggelder, den Rest müssen sie mit dem Besuch von Beschäftigungsprogrammen, Kursen usw. "verdienen". Zwischen 50 und 60 Jahren werden 250 Taggelder ohne Vorbedingungen ausbezahlt, über 60-jährige erhalten 400 Taggelder. Anders als im bisher geltenden Gesetz, wo durch die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen und Weiterbildungsmassnahmen die Bezugsdauer von Taggeldern ständig neu ausgelöst werden konnte, wurde diese nun definitiv auf zwei Jahre beschränkt.

Um nicht nur die Jugendlichen in den Genuss von arbeitsmarktlichen Massnahmen kommen zu lassen, wurde das Pflichtangebot der Kantone zur Bereitstellung von Beschäftigungs- und Weiterbildungsprogrammen wieder auf 25'000 Plätze erhöht, wobei Kantone, welche die vom Bundesrat festgesetzte Quote, die im Verhältnis zur Arbeitslosen- und Einwohnerzahl definierte werden sollte, nicht erfüllen, 40% der Taggelder jener Arbeitslosen übernehmen müssen, die in keinem Programm untergebracht werden können. Der Ständerat hatte hier nur 20% vorgesehen. Als Gegenleistung an die Kantone wurde auf deren A-fonds-perdu-Beiträge an den ALV-Fonds verzichtet. Diese sollten im Rahmen von 5% nur noch vom Bund geleistet werden. Hingegen wurden die Kantone nicht von der Verpflichtung enthoben, dem ALV-Fonds Darlehen mit einem gegenüber dem freien Markt niedrigeren Zinssatz zur Verfügung zu stellen.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Bei allem Entgegenkommen schuf der Nationalrat aber doch wichtige Differenzen zum Ständerat. Die nach vier Monaten vorzunehmende Verschärfung bei der Zumutbarkeit einer Arbeit lehnte er mit 101:62 recht deutlich ab. Zu einer längeren Diskussion führte die Ausgestaltung der Karenzfrist vor dem ersten Bezug von Taggeldleistungen. Die Genfer SP-Vertreterin Brunner beantragte im Namen einer Minderheit, diese Massnahme durch besondere Überbrückungs-Taggelder in der Höhe von 50% der ordentlichen Taggelder abzufedern. Nationalrat Epiney (cvp, VS) bezeichnete die Karenzfrist als eigentlichen Schwachpunkt der Vorlage. Es genüge nicht, den Bundesrat zu Ausnahmeregelungen zu ermächtigen, er müsse dazu verpflichtet werden. Sein Genfer Parteikollege Maitre wollte zumindest all jene Versicherten von der Karenzfrist ausnehmen, deren Verdienst weniger als zwei Drittel des für die obligatorische Unfallversicherung massgebenden Höchstbetrags von rund 97'200 Fr. beträgt. Schliesslich wurde dem Antrag Epiney zugestimmt.

Mit 92:43 Stimmen hielt der Nationalrat an der - leicht restriktiver ausgestalteten - Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung fest, obgleich quer durch die Parteien der Verdacht geäussert wurde, dass damit von Arbeitgeberseite sehr oft Missbrauch betrieben werde. Andererseits trat aber auch Brunner (sp, GE) für deren Beibehaltung ein, da mit dieser Lösung vielfach Entlassungen vermieden werden könnten, die sonst die Versicherung viel teurer zu stehen kämen.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Nach längerer Diskussion verzichtete der Ständerat mit 29:9 Stimmen auf seine ursprünglich beschlossene Verschärfung bei der Definition der zumutbaren Arbeit. Da auch Bundesrat Delamuraz bekräftigt hatte, ein rigoroses Festhalten an den vier Monaten dürfte einer befriedigenden Regelung im Einzelfall nicht gerecht werden, stimmte der Ständerat hier der gemässigteren Fassung des Nationalrates zu. Gewichtige Differenzen wurden hingegen bei der Art der Finanzierung beibehalten resp. neu geschaffen. Entgegen dem Nationalrat, der die Kantone neu mit 10% an den Kosten der Kurse und mit 20% an jenen der Beschäftigungsprogramme beteiligen wollte, schlug der Ständerat vor, für die Kantone einen Pauschalbeitrag von 2500 Fr. einzuführen. Die Bereitstellung von gesamthaft 25'000 Plätzen in arbeitsmarktlichen Massnahmen wurde bestätigt, doch wurden die Kriterien für deren Verteilung auf die Kantone anders definiert. Während der Nationalrat hier eine Mischrechnung zwischen Einwohner- und Arbeitslosenzahlen vorgeschlagen hatte, beantragte die Kommission der kleinen Kammer aus Solidarität mit der besonders von Arbeitslosigkeit betroffenen Romandie, dass jeder Kanton höchstens für 30% aller Arbeitslosen Programmplätze zur Verfügung zu stellen habe. Auf Antrag von Ständerat Schiesser (fdp, GL) wurde dieser Satz mit 30:7 Stimmen um weitere 10% auf 20% gesenkt.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Da die Vorlage bereits zweimal in beiden Räten beraten worden war, wurde sie nun der Einigungskonferenz zugewiesen. Diese schlug in der noch strittigen Frage der Mittelbeschaffung für arbeitsmarktliche Massnahmen vor, dass die finanzielle Beteiligung der Kantone an den Weiterbildungs- und Beschäftigungsprogrammen tatsächlich pauschalisiert werden soll, erhöhte den kantonalen Beitrag pro Jahresplatz jedoch auf 3000 Fr. In der Verteilung auf die Kantone setzte sich ebenfalls ein Kompromiss durch. So sollte bei der Festsetzung der kantonalen Quote die Zahl der Einwohner und der Versicherten, nicht aber mehr der real Arbeitslosen, berücksichtigt werden, wobei die Verpflichtung für die Mindestzahl der Plätze, die ein Kanton bereitzustellen hat, 25% aller Versicherten im Kanton nicht übersteigen darf. Auf diesen Kompromiss konnten beide Kammer einschwenken, worauf die Vorlage in der Sommersession definitiv verabschiedet wurde. Unbestritten war seit Beginn der Beratungen, dass zu Lasten des ALV-Fonds regionale Arbeitsvermittlungszentren (RAV) eingerichtet werden, welche die Wiedereingliederung effizienter vornehmen sollen als die lokalen Arbeitsämter. Keine Opposition erwuchs auch der Einführung von Ausbildungszuschüssen, welche mindestens 30-jährigen Versicherten erlaubt, eine Berufslehre nachzuholen, sowie den Massnahmen zur Förderung der selbständigen Erwerbstätigkeit.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Das neue Gesetz wird etappenweise eingeführt. Auf den 1. Januar 1996 werden vorab jene Bestimmungen in Kraft gesetzt, die kurzfristig realisiert werden können, wie z.B. die Anhebung des beitragspflichtigen Lohnes, die Neuregelung der zumutbaren Arbeit, die Wartefristen für Jugendliche nach Abschluss der Ausbildung sowie die Verschärfungen bei der Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung. Bereits ab 1996 wirksam ist auch die Gesetzesbestimmung, wonach Arbeitslose bei der SUVA gegen Nichtberufsunfälle versichert sind.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Auf den 1. Januar 1997 trat die zweite Etappe des revidierten Konzepts der ALV in Kraft. Die Kantone waren erstmals dazu verpflichtet, im Bereich der arbeitsmarktlichen Massnahmen eine minimale Anzahl an Jahresplätzen (25'000) bereit zu stellen. Insgesamt gut 200'000 stellenlose Personen konnten im Berichtsjahr von einer derartigen Massnahme profitieren. Rund 35% der Angebote betrafen den Bereich der Aus- und Weiterbildung (Kurse, Übungsfirmen, Ausbildungspraktika), rund 57% Beschäftigungsprogramme (Programme zur vorübergehenden Beschäftigung, Berufspraktika) und etwa 8% spezielle Massnahmen (Einarbeitungszuschüsse, Ausbildungszuschüsse, Förderung der Selbständigkeit, Pendlerkostenbeiträge und Beiträge an Wochenaufenthalter).

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Der Bundesrat setzte den zweiten Teil des im Sommer 1995 vom Parlament verabschiedeten revidierten AVIG auf den 1. Januar 1997 in Kraft. Die Änderungen betreffen zur Hauptsache das neue Taggeldregime mit altersabhängigen und besonderen Taggeldern, den Anspruch auf vorübergehende Beschäftigung oder Kompensationszahlungen bei ungenügendem Angebot, die Pflicht der Kantone, ein Mindestangebot von 25'000 Jahresplätzen für Wiedereingliederungsmassnahmen bereitzustellen, sowie die Neugestaltung der Beratung und Kontrolle, die inskünftig auf regionaler Stufe - durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) - erfolgen wird. Ferner wurden die Bestimmungen über die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung verschärft und die Karenzzeit bei Kurzarbeit von zwei auf drei Tage erhöht. In einer neuen, auf zwei Jahre befristeten Verordnung wurde zudem die Förderung des Vorruhestandes geregelt. Diese Massnahme sieht vor, dass Arbeitgeber, die den freiwilligen Ruhestand eines Mitarbeiters mitfinanzieren und an dessen Stelle eine arbeitslose Person einstellen, unter bestimmten Voraussetzungen Unterstützungszahlungen der ALV erhalten.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Mit einer besonderen Verordnung setzte der Bundesrat auf den 1. Juli die Bestimmung des revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetzes in Kraft, wonach arbeitslose Personen in der beruflichen Vorsorge gegen die Risiken Tod und Invalidität zu versichern sind. Der Beitragssatz, der je zur Hälfte von den Arbeitslosen und der Arbeitslosenkasse getragen wird, beläuft sich auf 5,28% des koordinierten Taggeldes.

Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)