Eine Mehrheit des Nationalrats sah die Ehre des schweizerischen Parlamentes durch Äusserungen beleidigt, welche Nationalrat Ziegler (sp, GE) in ausländischen Medien gemacht hatte. Stein des Anstosses war vor allem seine Aussage in einer Fernsehsendung des Süddeutschen Rundfunks, dass 70% der Parlamentarier Verwaltungsratsmitglieder von Grossbanken seien (in Wahrheit sind es 4,5%) und dass das Parlament korrupt sei. Die Volkskammer überwies mit 83:54 Stimmen eine Motion Stucky, welche vom Ratsbüro verlangt, den Wahrheitsgehalt dieser Anschuldigungen abzuklären und gegebenenfalls eine Entschuldigung von Ziegler einzuholen und diese der Offentlichkeit bekannt zu machen. Die mündlichen und schriftlichen Aussagen Zieglers werden das Parlament auch weiterhin beschäftigen. So reichte ein Genfer Untersuchungsrichter ein Gesuch um Immunitätsaufhebung wegen einer Verleumdungsklage eines Genfer Geschäftsmannes ein. Die zuständige Nationalratskommission beschloss, dem Plenum die Ablehnung des Gesuchs zu beantragen. In Zusammenhang mit seinem in Paris erschienen Buch «La Suisse lave plus blanc» ist Ziegler in Frankreich, wo ihn keine Immunität schützt, im Verlauf des Berichtsjahres in mehreren Fällen wegen Verleumdung bzw. Beschimpfung eingeklagt und zum Teil bereits verurteilt worden.

Im Fall Jeanprêtre (sp) änderte der Nationalrat im Berichtsjahr seine Meinung und schloss sich dem Entscheid des Ständerates an, die Immunität der Waadtländer Nationalrätin nicht aufzuheben.

Einmal mehr hatte sich das Parlament mit einem Begehren eines Untersuchungsrichters um die Aufhebung der Immunität von Nationalrat Jean Ziegler (sp, GE) zu befassen. Eine Tessiner Finanzfirma hatte Ziegler eingeklagt, sie im Rahmen einer Fernsehsendung kreditschädigend und verleumderisch angegriffen zu haben. Die Kommissionen beider Räte vermochten einen Zusammenhang zwischen Zieglers Abgeordnetentätigkeit und seinen Äusserungen im Fernsehen auszumachen und sprachen sich deshalb für die Ablehnung des Gesuchs aus. Diskussionslos folgten beide Kammern diesem Antrag.

Das Parlament hatte sich mit einem Gesuch der Zürcher Strafverfolgungsbehörden um Aufhebung der Immunität von Nationalrat Scherrer (fp, BE) zu befassen. Dieser war angezeigt worden, in der TV-Diskussionssendung "Arena" mit abfälligen Äusserungen über Asylbewerber gegen das Anti-Rassismusgesetz verstossen zu haben. Das Parlament erkannte einen engen Zusammenhang zwischen Scherrers Auftritt in der "Arena" und seiner politischen Tätigkeit und damit grundsätzlich auf die Zuerkennung der relativen Immunität. Da überdies die Aussagen Scherrers den Tatbestand des Diskriminierungsverbots wahrscheinlich ohnehin nicht erfüllen würden, kam es zum Schluss, dass in diesem Fall das Interesse an der freien politischen Meinungsäusserung von Parlamentsmitgliedern höher zu bewerten sei, als dasjenige an einer Strafverfolgung. Beide Kammern beschlossen ohne Gegenstimme, dem Gesuch um Aufhebung der relativen Immunität nicht stattzugeben.

Das Parlament hatte sich mit einem Begehren auf Immunitätsaufhebung des Bezirksgerichts Zofingen (AG) zu befassen, welches eine Ehrverletzungsklage der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen Nationalrat Giezendanner (svp, AG) zu beurteilen hat. Der Angeklagte hatte diese Organisation im Zusammenhang mit unbewilligten Demonstrationen und Strassensperren in Faxschreiben an Medienredaktionen als „Terroristenorganisation“ bezeichnet. Obwohl Giezendanner diesen Prozess führen wollte und deshalb für Aufhebung seiner Immunität plädierte, beschloss der Nationalrat auf Antrag seiner Rechtskommission, diese nicht aufzuheben. Begründet wurde dieser Entscheid damit, dass es sich hier eindeutig um eine politische Auseinandersetzung handle und deshalb, namentlich bei strafrechtlich eher unbedeutenden Fällen, die relative Immunität gelte. Der Ständerat schloss sich diesem Entscheid an.