Frist bei der Behandlung einer Volksinitiative

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Der Initiant der „Abzockerinitiative“, Thomas Minder, zeigte sich unzufrieden mit der überaus langen Behandlung seines Begehrens. Die Abstimmung der bereits im Februar 2008 eingereichten Initiative verzögert sich, weil sich die Räte in der Ausarbeitung des Gegenvorschlages nicht einig werden. Minder sprach von „taktischer Verschleppung“ und kündigte die Lancierung einer „Turbo-Initiative“ an, mit der er verlangen will, dass die zulässige Behandlungsfrist von Initiativen auf ein Jahr beschränkt wird. Bei allen Parteien stiess Minder mit diesem Vorhaben jedoch auf Kritik.

Dossier: Vorstösse für eine schnellere Behandlung von Volksinitiativen

Im Rahmen der Abzockerinitiative, über die die Räte seit Februar 2008 debattierten, wurde erneut über die Fristen zur Behandlung von Volksinitiativen diskutiert. Aktuell beträgt die Behandlungsfrist zweieinhalb Jahre mit der Möglichkeit der Verlängerung um jeweils 1 Jahr, wenn ein Rat einen Gegenentwurf beschliesst und ein solcher in der Differenzbereinigung feststeckt. Die Frist für die Abzockerinitiative wurde bereits zweimal um 1 Jahr verlängert. Die staatspolitische Kommission des Nationalrates kündigte an, mit einem Vorstoss im Rahmen der laufenden Revision des Parlamentsgesetzes die Diskussion um die Behandlungsfrist neu lancieren zu wollen. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, dass Volksabstimmungen aus taktischen Gründen verzögert würden. Deshalb müsse die Möglichkeit der Fristverlängerung eingeschränkt werden.

Dossier: Vorstösse für eine schnellere Behandlung von Volksinitiativen

Um eine Abkürzung der Frist bei der Behandlung einer Volksinitiative zu erzwingen, wurden im Berichtsjahr gleich fünf gleich lautende im Berichtjahr noch nicht behandelte Motionen eingereicht. (Mo. 12.4123 (de Courten); 12.4157 (Humbel); 12.4164 (Cassis); 12.4207 (Hess); Mo. 12.4277 (Schwaller)). Normalerweise hat der Bundesrat nach Einreichung einer Initiative ein Jahr Zeit, um eine Botschaft vorzulegen. Er hat zudem die Möglichkeit, einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag zu unterbreiten, womit sich die Frist für die Botschaft um sechs Monate verlängert. Von dieser Möglichkeit wollte die Regierung für die Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ eigentlich Gebrauch machen. Die Motionen verlangten nun aber, dass die Initiative möglichst rasch und ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung gelangt. Offiziell begründet wurde dies mit der Behandlung verschiedener Vorstösse zum Krankenversicherungswesen. Inoffiziell wollten die bürgerlichen Parteien, von denen die Vorstösse stammten, verhindern, dass die von der SP eingereichte Initiative zur Einheitskrankenkasse den Sozialdemokraten im Wahljahr 2015, wenn die Initiative aufgrund der verlängerten Frist wahrscheinlich zur Abstimmung gelangen würde, Aufwind verleihen könnte. Eine Verkürzung der Behandlungsfrist für Volksinitiativen war Gegenstand einer parlamentarischen Initiative Graf-Litscher (sp, TG) (11.455). Das Parlament hat aktuell zweieinhalb Jahre Zeit für die Behandlung einer Volksinitiative, wobei sich diese Frist um ein Jahr verlängert, wenn ein direkter oder indirekter Gegenentwurf angenommen wird und noch einmal um ein Jahr, wenn dieser in die Differenzbereinigung muss. Graf-Litscher zog ihr Begehren zurück, nachdem die SPK-N einstimmig zugesagt hatte, das Geschäft im Rahmen der Revision des Parlamentsgesetzes zu behandeln.

Dossier: Vorstösse für eine schnellere Behandlung von Volksinitiativen

Die Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ war Ursache von fünf gleichlautenden Motionen, die alle Ende 2012 – vier im Nationalrat und eine im Ständerat – von Gegnern des Volksanliegens eingereicht worden waren. Der Bundesrat wurde darin aufgefordert, die Initiative zur Einheitskrankenkasse der Stimmbevölkerung rasch und ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten. Mit ein Grund für die Einreichung der Vorstösse war die bestehende Regelung zur Frist bei der Behandlung einer Volksinitiative, wonach der Bundesrat ein Jahr Zeit hat, um für eine Initiative eine Botschaft zu entwerfen. Die Krankenkasseninitiative war Ende Mai 2012 eingereicht worden. Weil die Regierung den Entwurf eines Gegenvorschlages plante, hätte sich die Frist um ein halbes Jahr verlängert. Die Motionäre wiesen darauf hin, dass sowohl die Initiative als auch ein Gegenvorschlag in den Räten keine Chance hätten und deshalb der Umweg nicht gegangen werden müsse. Das Parlament sei entscheidungsreif und die Stimmbevölkerung habe schon mehrfach ihr Desinteresse an einer Einheitskrankenkasse gezeigt. In der Presse wurde hinter den bürgerlichen Begehren allerdings auch Wahltaktik vermutet, würde die SP-Initiative doch mit verlängerter Frist im Wahljahr zur Abstimmung gelangen. In der Diskussion im Ständerat, der die Motion Schwaller (cvp, FR) zuerst behandelte, wurden nicht vorwiegend gesundheits-, sondern staatspolitische Argumente vorgebracht. Die Motionen würden in den bewährten Prozess eingreifen und gesetzlich geregelte Fristen aushebeln, was nicht nur ein Unding, sondern auch ein Präzedenzfall wäre. Trotz dieser Bedenken hiess der Ständerat den Vorstoss mit 27 zu 17 Stimmen gut. Zwei Tage später behandelte der Nationalrat die vier Motionen de Courten (svp, BL) (12.4123), Humbel (cvp, AG) (12.4157), Cassis (fdp, TI) (12.4164) und Lorenz Hess (bdp, BE) (12.4207) in globo. Die SP, welche die Begehren ablehnte, warf den Motionären vor, ein Machtspiel zu spielen und dem neuen Gesundheitsminister Berset (sp) die Flügel stutzen zu wollen. Allerdings würden die Motionäre mit ihrem Vorgehen selber für eine Verzögerung sorgen, da der jeweilige Zweitrat erst im Juni über die Motionen werde befinden können. Bundesrat Berset wies auch in der grossen Kammer auf die bewährten Verfahrensregeln hin. Die Regierung würde ihre Arbeit so rasch wie möglich erledigen, aber die für den Gegenvorschlag Ende Februar gestartete Vernehmlassung nicht abbrechen. Mit 102 zu 71 Stimmen bei zwei Enthaltungen wurden jedoch alle vier Motionen angenommen. Gegen die Begehren stimmten die SP, die GP und die GLP. In der Sommersession überwies der Nationalrat die Motion Schwaller mit 109 zu 65 Stimmen und der Ständerat nahm die vier nationalrätlichen Vorstösse ebenfalls in globo an. Der Bundesrat verzichtete schliesslich doch auf einen Gegenvorschlag und legte die Botschaft zur Einheitskrankenkasseninitiative Ende September vor. Noch in der Wintersession wurden die fünf Motionen deshalb abgeschrieben.

Dossier: Vorstösse für eine schnellere Behandlung von Volksinitiativen