Im Kanton Jura belebte das Rassemblement jurassien den Kampf um die Wiedervereinigung aller französischsprachigen Bezirke des ehemaligen Fürstbistums Basel unter dem Dach des Kantons Jura mit der Idee einer kantonalen Volksinitiative. Diese wurde nach abklärenden Gesprächen mit allen kantonalen Parteien (und nachdem sie an der "Fête du peuple" vom 11. September in Delémont von der Versammlung gutgeheissen worden war) am 25. November lanciert. Sie verlangt in Form einer nichtformulierten Gesetzesinitiative; dass die Wiedervereinigung zu einem der Hauptziele der Politik von Regierung und Parlament erklärt werden. Obwohl dies im Initiativtext nicht erwähnt ist, fordert das Begehren eine Ausführungsgesetzgebung zu dem seinerzeit von der Bundesversammlung nicht gewährleisteten Wiedervereinigungsartikel 138 der jurassischen Kantonsverfassung.

Dossier: Moutier et le conflit jurassien
Dossier: Rassemblement jurassien (RJ) après la fondation du canton du Jura

Die im Vorjahr vom Rassemblement jurassien (RJ) im Kanton Jura lancierte Volksinitiative "Unir" konnte am 15. November mit 23'277 Unterschriften, das sind rund die Hälfte aller Stimmberechtigten, eingereicht werden. Sie verlangt in der Form einer nichtformulierten Gesetzesinitiative, dass sich die jurassischen Behörden mit Nachdruck für die Integration der bernisch gebliebenen südjurassischen Bezirke in den neuen Kanton einsetzen müssen. Das jurassische Kantonsparlament seinerseits stimmte oppositionslos einer Motion Roland Béguelins (sp) zu, welche die Regierung beauftragt, die "Stiftung für die Wiedervereinigung" mit einem Beitrag von CHF 300'000 zu unterstützen. Auch der Gemeinderat von Moutier (BE) genehmigte einen Beitrag an diese von vielen jurassischen Gemeinden unterstützte Stiftung. Das RJ stellte im weitern den ersten Teil einer Studie vor, welche die Vor- und Nachteile ökonomischer und sozialer Art bei der Gründung eines von der Schweiz unabhängigen jurassischen Kleinstaates nach dem Vorbild Liechtensteins aufzeigen soll.
Bernische Politiker und Politikerinnen reagierten auf die Motion des jurassischen Parlaments mit Protesten: Der Grosse Rat beauftragte die Kantonsregierung, sich beim Bundesrat gegen die "Annexionspolitik" des Kantons Jura einzusetzen, und im Nationalrat erkundigten sich bernische Abgeordnete beim Bundesrat mit Interpellationen über dessen Beurteilung der Situation.

Dossier: Moutier et le conflit jurassien
Dossier: Rassemblement jurassien (RJ) après la fondation du canton du Jura

Das jurassische Kantonsparlament erklärte ohne Gegenstimmen die im Vorjahr eingereichte Volksinitiative "Unir" als gültig und beauftragte damit die Regierung, bis Mitte 1991 ein Gesetz vorzulegen, welches das Begehren konkretisiert. Die Initiative verlangt von den Behörden eine aktive Politik zur Eingliederung der bernisch gebliebenen französischsprachigen Bezirke in den neuen Kanton. In der konkreten Formulierung des Gesetzgebungsauftrags ersetzte das Parlament den annektionistisch gefärbten Begriff "Wiedervereinigung" durch die Umschreibung "institutionelle Einheit des Juras". Im weiteren stimmte das Parlament ebenfalls ohne Gegenstimme dem Antrag der Regierung zu, die "Fondation pour la réunification du Jura" mit einem Beitrag von CHF 300'000 zu unterstützen.

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Dossier: Rassemblement jurassien (RJ) après la fondation du canton du Jura

Die bernische Regierung reichte beim Bundesgericht staatsrechtliche Klage gegen die Gutheissung der Volksinitiative "Unir" durch das jurassische Parlament und gegen die staatlichen Beiträge an den "Wiedervereinigungsfonds" ein. Sie sieht darin einen Verstoss gegen die in der Bundesverfassung verankerte Garantie des kantonalen Territoriums, welcher noch gravierender sei, als der 1977 von der Bundesversammlung gestrichene Wiedervereinigungsartikel der jurassischen Kantonsverfassung. Bereits vorher war die bernische Exekutive vom Grossen Rat mit einer von SVP, SP und FDP unterstützten Motion Houriet (fdp) aufgefordert worden, sich mit konkreten Massnahmen gegen die Gebietsansprüche des Kantons Jura zu widersetzen. Ebenfalls mit einer Motion hatte ein anderer Berner Jurassier (Benoit, svp) verlangt, dass als Gegengewicht zum jurassischen Wiedervereinigungsfonds ein bernischer Fonds zur Verteidigung der territorialen Integrität zu gründen sei. Auf Antrag der Regierung, welche auf die schlechten Erfahrungen mit staatlichen Propagandafonds hinwies, lehnte der Grosse Rat diesen Vorstoss ab.

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Dossier: Rassemblement jurassien (RJ) après la fondation du canton du Jura

Die 1990 vom jurassischen Parlament für gültig erklärte Volksinitiative "Unir" des RJ, welche von den Kantonsbehörden eine aktive Politik für eine Eingliederung der beim Kanton Bern verbliebenen südjurassischen Bezirke fordert, war von der bernisehen Regierung mit einer staatsrechtlichen Klage beim Bundesgericht angefochten worden. Dieses erklärte am 17. Juni die Initiative "Unir" für ungültig, weil sie gegen die in der Bundesverfassung verankerte Bestandesgarantie für die Kantone verstosse, und forderte die jurassischen Behörden auf, ihr keine Folge zu geben. In der schriftlichen Begründung führten die Richter aus, unzulässig sei nicht der Wunsch nach einer Vereinigung an sich, sondern dass dieses Ziel nicht in einem einvernehmlichen Verfahren mit Bern und dem Bund angestrebt werden soll, sondern mit Propagandaaktionen auf dem Gebiet des Kantons Bern.
Bereits vor diesem Entscheid hatte die jurassische Regierung dem Parlamentsauftrag von 1990 entsprochen und ein Ausführungsgesetz zur Initiative "Unir" vorgelegt. Dieses proklamiert, dass das Erreichen der "institutionellen Einheit" des Juras (d.h. des Zusammenschlusses aller sechs Bezirke) eines der wichtigsten Ziele des Kantons sein soll. Für die Koordination der diesbezüglichen kantonalen Aktivitäten ist die Einsetzung eines Delegierten für die Wiedervereinigung vorgesehen. Nicht allein diese Aktivitäten, sondern auch private Organisationen, welche sich für diese Ziele einsetzen, will die Regierung über einen speziellen Budgetposten finanzieren. Zudem soll ein aus Vertretern des Kantons Jura und Bewohnern der drei bernjurassischen Bezirke gebildeter Rat Vorschläge für die Organisation eines gemeinsamen Kantons erarbeiten.
Das Parlament des Kantons Jura hiess dieses Gesetz in erster Lesung bei Stimmenthaltung der Freisinnigen gut. Nach dem Bundesgerichtsurteil über die Initiative "Unir" drängte das RJ auf eine unveränderte Verabschiedung in zweiter Lesung. Die Regierung und die vorberatende Kommission schlugen hingegen vor, das Gesetz etwas zu entschärfen, indem die gemeinsame Kommission nicht vom Kanton Jura sondern von der vom Bundesrat eingesetzten Konsultativkommission ernannt werden soll; überdies wurde jede Erwähnung der Initiative selbst vermieden. Das Parlament hiess in zweiter Lesung das so überarbeitete Gesetz mit 40 zu 12 Stimmen bei drei Enthaltungen gut. Der Widerstand kam von der FDP, welche nicht gegen das Gesetz an sich opponierte, sondern vor allem gegen die finanzielle Unterstützung von privaten Organisationen, welche für eine Vereinigung kämpfen. Die Aktivitäten dieser Organisationen (RJ, Bélier, Unité jurassienne) hätten sich nach Ansicht der FDP bisher nur kontraproduktiv auf das auch vom jurassischen Freisinn befürwortete Ziel einer Wiedervereinigung ausgewirkt. Die bernische Regierung reichte unverzüglich eine Beschwerde beim Bundesrat ein, worin sie von ihm Massnahmen zur Durchsetzung des Bundesgerichtsentscheides forderte.

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