Revision des Verjährungsrechts (BRG 13.100)

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Fälle von unzureichendem Rechtsschutz bei Asbestopfern waren 2007 der Anstoss für eine Motion der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen (07.3763), die den Bundesrat mit der Revision des Haftpflichtrechts beauftragte. Die Verjährungsfristen sollten derart angepasst werden, dass auch bei Spätschäden Schadenersatzansprüche gegeben sind. 2014 lag nun dem Parlament ein Entwurf zur Revision des OR vor, durch den die bislang komplexen und unübersichtlichen Regelungen punktuell angepasst und verbessert werden sollten. Zu den Kernpunkten der Vorlage gehörte erstens, nicht zuletzt in Reaktion auf ein Urteil des EGMR, die Einführung einer besonderen, absoluten Verjährungsfrist von dreissig Jahren bei Personenschäden und Bauwerkmängeln. Zweitens sollte für Ansprüche aus dem Delikts- und Bereicherungsrecht die Verjährungsfrist von einem auf drei Jahre verlängert werden. Schliesslich war drittens für vertragliche Forderungen eine Frist von zehn Jahren vorgesehen. Die Vorschläge kamen beim Nationalrat nicht gut an. Die SVP und die FDP votierten gar für Nichteintreten, konnten sich aber nicht durchsetzen. Gut hiess der Nationalrat nur die Fristverlängerung für das Delikts- und Bereicherungsrecht. Bei den Spätschäden reduzierte er die Frist aufgrund der schwierigen Beweisbarkeit von dreissig auf zwanzig Jahre und bei den vertraglichen Forderungen wollte er bei der aktuellen Regelung bleiben. Mit 84 zu 45 Stimmen bei 59 Enthaltungen aus den Reihen der SP, der Grünen und der SVP überwies der Nationalrat die Vorlage an die zweite Kammer.

Dossier: Révision du droit de la prescription 2013–2018

Mit der Revision des Verjährungsrechts, welches im Wesentlichen nach wie vor auf dem Obligationenrecht von 1881 basiert, sollen insbesondere verschiedene Verjährungsfristen auf ihre heutige Tauglichkeit hin überprüft werden. In seinem Entwurf schlug der Bundesrat drei zentrale Änderungen vor: Die relative Verjährungsfrist sollte von einem auf drei Jahre erhöht und die absolute Verjährungsfrist von zehn auf dreissig Jahre verlängert werden, um damit auch Spätschäden gerecht zu werden. Als Drittes wollte er im Interesse der Einheitlichkeit und Einfachheit des Verjährungsrechts die heute für einige besondere Vertragsverhältnisse bestehende fünfjährige Verjährungsfrist auf zehn Jahre erstrecken und somit der allgemeinen vertragsrechtlichen Verjährungsfrist anpassen. In der Wintersession 2015 beriet die kleine Kammer als Zweitrat über die Vorlage.

Die Verlängerung der relativen Verjährungsfrist war wie schon zuvor im Nationalrat auch im Ständerat unumstritten. Demgegenüber gab die Erhöhung der absoluten Verjährungsfrist mit Hinblick auf Spätschäden – insbesondere Asbestfälle – Anlass zu ausgedehnten Diskussionen. Der Nationalrat hatte hier eine Verjährungsfrist von zwanzig Jahren beschlossen, was für den Ständerat aber nicht in Frage kam. Die Mehrheit der RK-SR beantragte ihrem Rat, die dreissigjährige Verjährungsfrist, wie sie vom Bundesrat vorgesehen worden war, zu übernehmen. Eine Minderheit setzte sich für das Verbleiben bei der heute geltenden Frist von zehn Jahren ein. Sie argumentierte, dass selbst eine dreissigjährige Verjährungsfrist nicht ausreiche, um Langzeitschäden abzudecken und ausserdem die Aktenaufbewahrungspflicht unverändert zehn Jahre betrage, was zu prozessualen Schwierigkeiten aufgrund mangelnder Beweise führe. Eine knappe Mehrheit der Ratsmitglieder liess sich von der Argumentation der Kommissionsminderheit überzeugen und verwarf mit 23 zu 21 Stimmen bei 0 Enthaltungen die Erhöhung der absoluten Verjährungsfrist auf dreissig Jahre. Auch die dritte Änderung, die Aufhebung der fünfjährigen Sonderfrist für bestimmte Vertragsverhältnisse, wurde von der Kantonskammer abgelehnt, obwohl ihr ihre Kommissionsmehrheit das Gegenteil beantragt hatte.

Ein letzter Streitpunkt zeigte sich in den Übergangsbestimmungen. Nachdem der EGMR geurteilt hatte, dass das Schweizer Verjährungsrecht nicht EMRK-konform sei, weil es einem Asbestopfer keinen Zugang zu einem Gericht gewähre, nahm sich die RK-SR der Asbestproblematik im Besonderen an. Dazu setzte sie Übergangsbestimmungen ein, denen zufolge das neue Verjährungsrecht unter gewissen Voraussetzungen rückwirkend zur Anwendung kommen kann. Diese Rückwirkung soll jedoch nur subsidiär zum Zuge kommen, soweit kein Sonderregime zur angemessenen Entschädigung von durch Asbest verursachten Personenschäden besteht. Über ein solches Sonderregime in Form eines Fonds zur Entschädigung von Asbestopfern wird zur Zeit an einem Runden Tisch mit Vertretern der Asbestproblem-Verursacher verhandelt, welcher im März 2015 zum ersten Mal tagte. Der Lösungsvorschlag mit einer subsidiären Rückwirkungsklausel fand im Rat breite Zustimmung. In der Gesamtabstimmung überwies die kleine Kammer den Entwurf einstimmig wieder an den Nationalrat zur Differenzbereinigung.

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Im Hinblick auf die Arbeiten am Runden Tisch Asbest beschloss die RK-NR im Februar 2016 einstimmig, die Revision des Verjährungsrechts bis Ende August 2016 zu sistieren. Dadurch sollen Erkenntnisse und Resultate des Runden Tisches in die weiteren Beratungen zum Verjährungsrecht einfliessen können.

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Nach Anhörung des Runden Tisches Asbest sowie von Vertretungen der Wissenschaft, der Gewerkschaften und der Versicherungsbranche beschloss die RK-NR im September 2017 mit 13 zu 11 Stimmen, ihrem Rat die Abschreibung der Revision des Verjährungsrechts zu beantragen. Sie bezeichnete die vom Runden Tisch erarbeitete Stiftungslösung als ausreichend und angemessen und sah deshalb keine Notwendigkeit für die Gesetzesrevision mehr.

Ihre Schwesterkommission teilte diese Ansicht jedoch nicht. Mit 11 zu 0 Stimmen bei zwei Enthaltungen sprach sich die RK-SR im Oktober 2017 gegen eine Abschreibung aus. Ziel der Gesetzesrevision sei eine verjährungsrechtliche Lösung für sämtliche Personenschäden mit langer Latenzzeit und nicht nur für Asbestschäden. Der Gesetzesentwurf enthalte diesbezüglich Verbesserungen, über welche in den Räten bereits Einigkeit bestanden habe und die man nun nicht verwerfen solle. Überdies sah es die RK-SR als wichtig an, der Kritik des EGMR am schweizerischen Verjährungsrecht mit der Revision Rechnung zu tragen. Damit ist es an der nationalrätlichen Kommission, die Differenzbereinigung fortzusetzen.

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Im Frühjahr 2018 setzte der Nationalrat die parlamentarische Beratung der Revision des Verjährungsrechts fort, in der es, nachdem beide Räte die Vorlage je einmal behandelt hatten, noch vier Differenzen zu bereinigen gab. Der wichtigste Streitpunkt betraf die Länge der absoluten Verjährungsfrist bei Personenschäden. Die Mehrheit der nationalrätlichen Rechtskommission beantragte, sie bei zwanzig Jahren festzusetzen – wie es der Nationalrat auch schon als Erstrat beschlossen hatte, bevor der Ständerat als Zweitrat entschieden hatte, sie bei den heute geltenden zehn Jahren zu belassen. Die zwanzigjährige Frist sollte einerseits einen Kompromiss zwischen der ständerätlichen Lösung und dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates darstellen, welcher dreissig Jahre vorgesehen hatte. Andererseits berichtete Kommissionssprecher Corrado Pardini (sp, BE) auch von den durchgeführten Anhörungen mit der Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer, wo die Frist von zwanzig Jahren ebenfalls als Bestandteil des Kompromisspakets ausgehandelt und akzeptiert worden sei. «All diejenigen, die diesen Kompromiss torpedieren, torpedieren gleichzeitig auch – das war für die Kommission entscheidend bei ihrer Entscheidfindung – die unbürokratische Lösungsfindung des Runden Tisches und somit auch des Fonds, der den Asbestopfern die Entschädigungen ausbezahlen soll», strich er die Bedeutung der Vorlage heraus. Neben der Forderung nach Rechtssicherheit aus den Wirtschaftskreisen, die den Fonds zur unbürokratischen Hilfe speisen, drängte auch ein Entscheid des EGMR aus dem Jahr 2014 auf die Verlängerung der Verjährungsfrist. Dieser hatte im Fall eines Schweizer Asbestopfers entschieden, dass die zehnjährige Verjährungsfrist zu kurz sei, um den von Spätschäden betroffenen Opfern das Recht auf Zugang zu einem Gericht zu gewährleisten. Dies bedeute wiederum, dass mit dem Status quo von zehn Jahren auch die Rechtssicherheit nicht garantiert sei, da allfällige Klagen am EGMR gutgeheissen würden, ergänzte BDP-Fraktionssprecher Bernhard Guhl (bdp, AG). Auch Bundesrätin Sommaruga sprach sich für die Kompromisslösung aus, jedoch nicht ohne zu betonen, dass der Bundesrat nach wie vor eine dreissigjährige Frist bevorzugte. Im internationalen Vergleich bleibe man auch mit zwanzig Jahren noch unter den allgemeinen Standards. Dennoch sei selbst eine minimale Verbesserung im Vergleich zur heutigen Situation viel wert. Demgegenüber beantragte eine Kommissionsminderheit um Yves Nidegger (svp, GE), bei der heute geltenden, zehnjährigen Frist zu bleiben und sich dem ständerätlichen Beschluss anzuschliessen. Auch eine zwanzigjährige Verjährungsfrist löse die gegenwärtigen und vor allem die zukünftigen Probleme nicht, beispielsweise hinsichtlich Spätfolgen von Medikamenten, Nanotechnologie oder nichtionisierender Strahlung, wie SVP-Fraktionssprecher Pirmin Schwander (svp, SZ) ausführte. Das Parlament solle sich nicht von der Wirtschaft erpressen lassen und nicht akzeptieren, dass erst Geld in den Fonds einbezahlt werde, wenn die Vorlage in deren Sinne angenommen worden sei. Mit 102 zu 90 Stimmen stimmte der Nationalrat schliesslich dem Mehrheitsantrag und damit der Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist bei Personenschäden auf zwanzig Jahre zu. Dagegen votierten die geschlossene SVP-Fraktion sowie die Mehrheit der FDP-Fraktion; alle anderen Fraktionen sprachen sich geschlossen für die Änderung aus. Die übrigen Differenzen betreffend den Stillstand der Verjährung während des Prozesses sowie die Übergangsbestimmungen, insbesondere die Streichung der vom Ständerat eingefügten Rückwirkungsklausel zugunsten der Rechtssicherheit, wurden diskussionslos angenommen.

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Die Differenzbereinigung in der Revision des Verjährungsrechts stand im Sommer 2018 auf der Agenda des Ständerates. Die zentrale Frage war nach wie vor, ob die absolute Verjährungsfrist für Personenschäden auf zwanzig Jahre verdoppelt oder wie bis anhin bei zehn Jahren belassen werden soll. Letzteres beantragte eine Minderheit der RK-SR um Thomas Hefti (fdp, GL), der für Kongruenz und Konsequenz im Obligationenrecht plädierte, welche im Hinblick auf die ebenfalls zehnjährige Aufbewahrungspflicht für Dokumente nur mit der zehnjährigen Verjährungsfrist sichergestellt werden könnten. Die Kommissionsmehrheit beantragte jedoch, in dieser Frage dem Nationalrat zu folgen und die Frist bei zwanzig Jahren festzusetzen. Kommissionssprecher Stefan Engler (cvp, GR) betonte auch, dass der Gesetzgeber hier in seiner Entscheidung nicht völlig frei sei, da die zehnjährige Frist vom EGMR für unzureichend befunden worden war, um im Fall eines Asbestopfers das Recht auf Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten. Demnach sehe die Kommissionsmehrheit in der zwanzigjährigen Frist «eine angemessene Abwägung zwischen Rechtssicherheit, Opferschutz, Anforderungen des EGMR und noch realistischen Beweismöglichkeiten.» Die Ratsmehrheit schloss sich dieser Argumentation an und hiess die zwanzigjährige Verjährungsfrist mit 38 zu 7 Stimmen gut. Die rückwirkende Übergangsbestimmung, die der Ständerat bei seiner letzten Beratung in die Vorlage eingefügt hatte, führte Kommissionssprecher Engler aus, sei mittlerweile – d.h. nachdem die Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer am 1. Juli 2017 ihre Aktivität aufgenommen hat – nicht mehr nötig und sogar schädlich, würde sie doch die Rechtssicherheit für die potenziellen Geldgeber und damit die finanzielle Sicherheit der Stiftung gefährden. Nach Schaffung der Stiftung sei in der vorliegenden Vorlage kein Bedarf für ein Sonderregime für Asbestopfer mehr gegeben, weshalb die Kommission die Streichung der entsprechenden Bestimmung beantragte. Diese und die letzte verbleibende Differenz bezüglich der Neufestlegung der Gründe, die eine Verjährung nicht beginnen oder stillstehen lassen, räumte der Ständerat mit stillschweigender Zustimmung zum Beschluss des Nationalrates aus, womit das Geschäft für die Schlussabstimmung bereit war. Diese fiel in beiden Räten deutlich zugunsten der Vorlage aus: Der Ständerat stimmte mit 38 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung für das revidierte Verjährungsrecht; der Nationalrat tat dies mit 130 zu 68 Stimmen, wobei sich die SVP-Fraktion geschlossen dagegenstellte, was sich mit ihrer Haltung in der Fristfrage deckte.

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