Mittels einer parlamentarischen Initiative sollen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bei den Krankenkassenprämien entlastet werden (Pa.Iv. 13.477)

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Die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit der beiden Räte überwiesen eine von sozialdemokratischer Seite eingereichte parlamentarische Initiative Rossini (sp, VS) zur Änderung der Prämienkategorien für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Krankenversicherungsgesetz. Der Vorstoss verlangt, die Einteilung der KVG-Versicherten in Kinder, junge Erwachsene und Erwachsene bezüglich der Alterslimiten zu revidieren – neu sollen Kinder und Jugendliche bis zum 20. Geburtstag, nicht nur bis zum 18., in die unterste Kategorie fallen. Gleichzeitig soll festgeschrieben werden, dass die Versicherer für Kinder und junge Erwachsene die Prämienhöhe tiefer ansetzen müssen als für Erwachsene. Begründet wurde der Vorstoss damit, dass eine solche Einteilung zwar seit Inkrafttreten des KVG existiere, die Prämien für junge Erwachsene aber überproportional angestiegen seien und sich so nach und nach an jene der älteren Versicherten angeglichen hätten, womit die Unterschiede heute kaum mehr ins Gewicht fielen. Dies sei ein gesellschaftliches Problem, so die Ausführungen, und dem Geist des Gesetzes werde nicht mehr Rechnung getragen. Da sich die meisten Jugendlichen unter 20 Jahren noch in Ausbildung befinden, müssten die hohen Prämien von den Eltern getragen werden, was viele Familien stark belaste.

Dossier: Prämienverbilligung

Ende Oktober 2015 präsentierte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) einen Vorentwurf für eine Gesetzesvorlage, mit der eine finanzielle Entlastung der Familien bei den Krankenversicherungsprämien erreicht werden soll, und kündigte eine Vernehmlassung dazu an. Das Paket war mit 15 zu 8 Stimmen beschlossen worden. Es geht zurück auf zwei parlamentarische Initiativen: eine (10.407) von Ruth Humbel (cvp, AG) bereits 2010 eingereichte Initiative zur Prämienbefreiung für Kinder und eine (13.477) von Stéphane Rossini (sp, VS) zur Änderung der Prämienkategorien für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die 2013 eingereicht wurde. Da die beiden parlamentarischen Vorstösse ein gemeinsames Ziel verfolgen, war beschlossen worden, einen gemeinsamen Vorentwurf vorzulegen. Die SGK-NR schlägt zwei Hauptmassnahmen vor: Eine Veränderung des Risikoausgleichs zugunsten von jungen Erwachsenen und eine Erhöhung der Prämienverbilligung für bestimmte Kinder und junge Erwachsene in Ausbildung. Konkret schwebt der Kommissionsmehrheit vor, dass die Krankenversicherer in Zukunft für junge Erwachsene zwischen 19 und 25 Jahren 50 Prozent weniger und für 26- bis 35-Jährige 20 Prozent weniger in den Risikoausgleich einzahlen müssen, was ihnen ermöglicht, den entsprechenden Gruppen substanzielle Prämienrabatte zu gewähren. Gemäss den Berechnungen der SGK-NR würden diese für die jüngere Gruppe rund CHF 90, für die ältere Gruppe rund CHF 20 pro Monat betragen. Die Einzahlungen in den Risikoausgleich für Erwachsene ab 36 Jahren würden entsprechend ansteigen, was Prämiensteigerungen von geschätzt rund CHF 20 pro Person und Monat nach sich ziehen würde. Die Verschiebung der Prämienlast würde zu Einsparungen bei der individuellen Prämienverbilligung im Rahmen von geschätzt CHF 70 bis 75 Mio. führen. Diese Summe finanziert im Modell der Kommission die zweite Massnahme: Eine Erhöhung der Prämienverbilligung für Kinder und junge Erwachsene in Ausbildung, welche in Haushalten mit tiefem und mittleren Einkommen leben, auf mindestens 80%. Aktuell beträgt die Prämienverbilligung für die entsprechende Gruppe mindestens 50%. Insgesamt soll die Massnahme für die Prämienverbilligung kostenneutral ausfallen. In der gleichen Vorlage schlägt die Kommission zudem vor, einen eigenen Risikoausgleich für Kinder zu schaffen – bisher werden Kinder im Risikoausgleich nicht berücksichtigt. Der Vorentwurf enthält auch verschiedene Minderheitsanträge. Die Vernehmlassung begann am 23. November 2015 und dauerte bis zum 15. März 2016.

Dossier: Prämienverbilligung

Im Juli 2016 legte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates ihren Entwurf für eine Gesetzesrevision zur finanziellen Entlastung der Familien bei den Krankenversicherungsprämien vor. Im begleitenden Bericht nahm sie auch auf die durchgeführte Vernehmlassung Bezug. Das Echo bei den 65 Antwortenden war weitgehend positiv gegenüber dem Ziel und den Ansätzen der Revision. Als einzige Partei lehnte die SVP die Bestrebungen grundsätzlich ab, zu ihr gesellten sich sechs Kantone. Andere Parteien und weitere Vernehmlassungsteilnehmer befürworteten die Stossrichtung, unterstützten zum Teil jedoch Minderheitsanträge aus der Kommission. Eine Entlastung der Erwachsenen bis 35 Jahre beim Risikoausgleich kam bloss bei einer Minderheit gut an, namentlich der FDP, der BDP, dem Gewerbeverband und einer Minderheit innerhalb von Santésuisse. Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer, insbesondere die SP, die CVP, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, Economiessuisse, Curafutura und eine Mehrheit von Santésuisse sowie 20 Kantone bevorzugten die Minderheitsvariante, die vorsah, nur die 19- bis 25-Jährigen zu entlasten. Damit sollte vermieden werden, einen Präzedenzfall für ein altersabhängiges Prämiensystem zu schaffen. Diese weniger weitreichende Massnahme war in der Kommission unbestritten gewesen. Weitgehend gemischte Reaktionen gab es auf den angedachten Risikoausgleich für Kinder. Betreffend des Ausbaus der Prämienverbilligung für junge Menschen unterstützten die SP und der SGB den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, während fast alle Kantone, FDP und BDP sowie die Economiesuisse und andere Organisationen am geltenden Recht festhalten wollten. Die CVP schlug vor, die Prämienverbilligung nur für Kinder zu erhöhen, nicht jedoch für junge Erwachsene in Ausbildung. In ihrem Vorschlag an die Bundesversammlung folgte die SGK-NR letzterer Variante, wobei sie die Pflicht zur Prämienverbilligung an junge Menschen in Ausbildung ganz strich, um die Vorlage für die Prämienverbilligung kostenneutral zu halten. Sie sah zudem aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse von der Einrichtung eines Risikoausgleichs unter Kindern ab: Ein sinnvolles Verhältnis zwischen dem neu entstehenden Aufwand und dem Nutzen sei nicht garantiert, insbesondere da Kinder oft schon vor ihrer Geburt versichert würden und Behandlungskosten im Zusammenhang mit Geburtsgebrechen von der IV getragen werden. Im Gesetz soll, entgegen der derzeitigen, eher unklaren Situation, ausdrücklich festgehalten werden, dass Kinder nicht zum für den Risikoausgleich massgebenden Versichertenbestand gehören. Bezüglich der Senkung der Beiträge an den Risikoausgleich hatte die Kommission mit Stichentscheid ihres Präsidenten Cassis (fdp, TI) entschieden, auch an der Senkung für Erwachsene bis 35 Jahre festzuhalten und nicht nur an jener für junge Erwachsene bis 25 Jahre. In der Schlussabstimmung der SGK war der Entwurf mit 13 zu 11 Stimmen passiert; ein knappes Verhältnis, das bereits auf anstehende Auseinandersetzungen im Plenum hindeutete.

Dossier: Prämienverbilligung

Im Juli 2016 nahm der Bundesrat Stellung zum Bericht der SGK-NR zur finanziellen Entlastung der Familien bei den Krankenversicherungsprämien, der auf den parlamentarischen Initiativen Humbel (10.407) und Rossini (13.477) beruhte. Er pflichtete der Kommission bei, dass vorerst noch kein Risikoausgleich für Kinder geschaffen werden sollte, da er zuerst die Erfahrungen bei der Verfeinerung des Risikoausgleichs der Erwachsenen abwarten wolle. Auch bezüglich der Prämienverbilligungen stimmte er der Kommission zu. So sollten die Kantone in Zukunft für Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen die Prämien von Kindern zu 80 Prozent sowie die Prämien von jungen Erwachsenen in Ausbildung weiterhin zu 50 Prozent verbilligen. Hingegen beantragte der Bundesrat entgegen dem Entscheid der Kommission, die 26-35-Jährigen beim Risikoausgleich nicht zu entlasten. In Übereinstimmung damit lehnte er auch die Schaffung einer entsprechenden neuen Alterskategorie ab, die eine Verpflichtung zu tieferen Prämien dieser Altersgruppe für die Versicherer nach sich gezogen hätte.

Dossier: Prämienverbilligung

In der Wintersession 2016 behandelte der Nationalrat als Erstrat den Entwurf zu den parlamentarischen Initiativen Humbel (10.407) und Rossini (13.477) zur finanziellen Entlastung der Familien bei den Krankenversicherungsprämien. Zuvor hatte die SGK-NR die Einwände des Bundesrates umgesetzt und auf eine Entlastung der 26-35-Jährigen verzichtet. In der Eintretensdebatte erhielt das Geschäft grösstenteils Zuspruch. Einzig Toni Brunner (svp, SG) sprach sich gegen Eintreten aus, da eine zusätzliche Reduktion der Kinderprämien eine weitere Erhöhung der übrigen Prämien zur Folge hätte. Dies sei in Zeiten eines starken Prämienanstiegs nicht zu rechtfertigen. Dennoch trat der Nationalrat mit 116 zu 60 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) auf die Vorlage ein.
Inhaltlich entschied sich die grosse Kammer mit 125 zu 64 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen den Widerstand von SP, Grünen, Grünliberalen und vereinzelten Mitgliedern der SVP- und der FDP-Fraktion für die Ausnahme der Prämien von Kindern (unter 19 Jahren) aus dem massgebenden Versichertenbestand des Risikoausgleichs. Zudem sollen die Versicherer beim Risikoausgleich für Versicherte zwischen 19 und 25 Jahren entlastet werden. Dies würde nicht nur die Prämien der Jugendlichen um etwa CHF 90 pro Monat senken, sondern auch die total ausbezahlten Prämienverbilligungen der Kantone. Ob Letztere jedoch verpflichtet werden sollen, die dadurch frei werdenden Gelder für eine Erhöhung der Prämienverbilligungen von Kindern aus Haushalten mit unteren oder mittleren Einkommen einzusetzen, war äusserst umstritten. Hier entschied sich der Nationalrat nur knapp mit 96 zu 91 Stimmen bei 4 Enthaltungen für eine Erhöhung der Prämienverbilligungen von Kindern um mindestens 80 Prozent und gegen den Antrag von Bruno Pezzatti (fdp, ZG), der den Handlungsspielraum der Kantone nicht weiter einschränken wollte und entsprechend für den Status Quo plädierte.

Dossier: Prämienverbilligung

Im März 2017 behandelte der Ständerat als Zweitrat den Entwurf zu den parlamentarischen Initiativen Humbel (10.407) und Rossini (13.477) zur finanziellen Entlastung der Familien bei den Krankenversicherungsprämien. Wie bereits im Erstrat war auch im Ständerat vor allem die Frage nach den Prämienverbilligungen für Kinder aus Haushalten mit unteren oder mittleren Einkommen umstritten. Ein Minderheitsantrag Dittli (fdp, UR) beabsichtigte, die Kantone in der Vergabe ihrer Prämienverbilligungen nicht weiter einzuschränken und die Höhe der IPV für Kinder bei 50 Prozent zu belassen. So hatten sich die Kantone in der Vernehmlassung gegen diesbezügliche Änderung ausgesprochen, zumal sie bezweifelten, dass die Mittel, die sie bei den IPV der Jugendlichen dank deren Entlastung beim Risikoausgleich sparen können, genug seien, um diese höheren IPV für Kinder zu finanzieren. So rechnete Roland Eberle (svp, TG) zum Beispiel für den Kanton Thurgau vor, dass eine solche Änderung in der Tat deutlich höhere Kosten nach sich ziehen würde. Hans Stöckli (sp, BE) und Gesundheitsminister Berset wiesen jedoch darauf hin, dass diese Erhöhung der Prämienverbilligungen für Kinder das „Kernstück“ respektive das „Herz“ der Vorlage seien und sich durch einen Verzicht darauf im Vergleich zu heute kaum etwas ändern würde. Zudem hätten die Kantone freie Hand bei der Abgrenzung von „unteren und mittleren Einkommen“. Ganz knapp, mit 22 zu 21 Stimmen (0 Enthaltungen), sprach sich der Ständerat für eine solche Entlastung der Eltern aus. Nachdem die kleine Kammer auch bei den übrigen Artikeln keine Differenzen zum Nationalrat geschaffen hatte und die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 27 zu 9 Stimmen (8 Enthaltungen) deutlich annahm, war die Vorlage bereit für die Schlussabstimmungen. Dabei blieben Überraschungen aus, der Nationalrat stimmte diesen Änderungen des KVG mit 192 zu 4 Stimmen (1 Enthaltung) und der Ständerat mit 32 zu 6 Stimmen (7 Enthaltungen) zu.

Dossier: Prämienverbilligung