Marktöffnung Erdgasversorgung Schweiz / neues Gasversorgunsgesetz

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Eine Marktöffnung der Erdgasversorgung in der Schweiz sei nur noch eine Frage der Zeit, berichteten unter anderem die NZZ und das St. Galler Tagblatt im März 2019. Ausgelöst wurde die Diskussion durch eine im Januar 2019 eröffnete Untersuchung der Weko, in welcher die Behörde prüft, ob zwei Gasversorger ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht haben. Der Prozess gilt als Präzedenzfall und der Entscheid könnte Auswirkungen auf die durch das BFE geleitete und durch eine im Jahr 2014 eingereichte parlamentarische Anfrage Jans (sp, BS; A 14.5054) ausgelöste Ausarbeitung des neuen Gasversorgungsgesetzes (GasVG) haben, das gemäss dem St. Galler Tagblatt Ende 2019 in einem Entwurf erstmals publik gemacht werden soll. Derzeit ist der Gasmarkt nur teilweise geöffnet: So dürfen seit 2012 dank der sogenannten Verbändevereinbarung Grossverbraucher den Lieferanten frei wählen – private Haushalte hingegen müssen ihr Erdgas weiterhin beim lokalen, meist in öffentlicher Hand befindlichen Anbieter beziehen.

Dossier: Gaz naturel libéralisation du marché

Wie in den Medien vorgängig bereits gemunkelt, eröffnete der Bundesrat Ende Oktober 2019 die Vernehmlassung für die Schaffung eines neuen Gasversorgungsgesetzes (GasVG). Gemäss den Ideen des Bundesrates soll eine Teilmarktöffnung des Gasmarktes Schweiz in die Wege geleitet werden. Demnach sollen künftig Grosskundinnen und -kunden mit einem jährlichen Verbrauch von mindestens 100 Megawattstunden ihren Gaslieferanten frei wählen können. Dies entspräche aktuell rund 70 Prozent des Gas-Gesamtvolumens – und damit mehr als mit der aktuell geltenden Verbändevereinbarung –, die künftig auf dem freien Markt beschafft werden könnten. Das Modell wäre somit mit jenem vergleichbar, das bereits in der Stromwirtschaft Anwendung gefunden hatte. Der Bundesrat schlug keine komplette Marktöffnung vor, da er mit einem Rückgang von fossilen Energieträgern in der Wärmeversorgung und mit der Stilllegung von gewissen Gasnetzen rechnete. Den Gemeinden, die meist Besitzer dieser Gasversorgungsunternehmen sind, könne mit einer Teilliberalisierung mehr Spielraum geboten werden, um den Umbau besser koordinieren zu können. Nebst der Teilmarktöffnung beinhaltete der Vorentwurf auch die Einführung des sogenannten Entry-Exit-Modells sowie der Festlegung der zuständigen Aufsichtsbehörde, wonach künftig die ElCom für die Überwachung des Gasmarktes zuständig sein und deshalb den neuen Namen Energiekommission EnCom erhalten soll. Von der im neuen Gasversorgungsgesetz für den Gasbereich konstruierten spezialisierten Marktordnung versprach sich der Bundesrat die Etablierung von mehr Rechtssicherheit, da derzeit einzig die Regelung in Artikel 13 Absatz 1 des veralteten Rohrleitungsgesetzes von 1963 als spezielle Rechtsgrundlage für den Gasmarkt diene. Die Vernehmlassung dauerte bis Mitte Februar 2020.

Dossier: Gaz naturel libéralisation du marché

Mitte Februar 2020 endete die Vernehmlassung zur Schaffung eines neuen Gasversorgungsgesetzes (GasVG). Das neue Gesetz soll eine Teilmarktöffnung des Gasmarktes Schweiz bewirken und die Rahmenbedingungen im Gassektor klarer und schweizweit einheitlicher ausgestalten. Das UVEK hatte der Vernehmlassung unter anderem einen Fragebogen beigelegt, mithilfe dessen die Vernehmlassenden ihre Stellungnahmen in strukturierter Weise kundtun konnten.
Unter den Parteien zeigte sich ein geteiltes Bild: Zwar waren sich alle grösseren Parteien darin einig, dass es eines neuen Gasversorgungsgesetzes bedürfe, welches Rechtssicherheit schafft und die aktuelle, rudimentäre rechtliche Regelung des Gassektors gemäss dem Rohrleitungsgesetz aus den 1960er Jahren ersetzt. Allerdings verlangten die FDP und die SVP eine Verschlankung des Vorentwurfs. Konkret solle das neue Gesetz auf die wesentlichen Punkte zur Marktregulierung begrenzt sowie klima- und energiepolitische Massnahmen gestrichen werden. Im Gegensatz dazu verlangten die SP und die Grünen, dass Klima- und Energieziele verstärkt berücksichtigt werden. Einzig die CVP schien mit dem Vorentwurf bis auf wenige Punkte einverstanden zu sein. Bei der Frage der Öffnung zeigte sich ebenfalls ein geteiltes Bild: Während die FDP, die GLP, die SVP und die CVP eine vollständige Öffnung des Gasmarktes forderten und damit weitergehen wollten als der Bundesrat, der nur eine Teilmarktöffnung vorgesehen hatte, wollten die SP und die Grünen ganz auf eine Marktöffnung verzichten, da eine solche den Klimazielen entgegenwirke und Unsicherheit schaffe.
Zu reden gaben neben den klimapolitischen Bedenken vor allem auch die finanziellen Überlegungen. So machte der «Blick» auf die hohen Gaspreise im Vergleich zu ausländischen Grenzregionen aufmerksam, in denen der Markt vollständig geöffnet ist. In einer Beispielrechnung würde eine Familie in Rorschach (SG) im Vergleich zu den österreichischen Nachbarn pro Jahr fast CHF 1000 mehr bezahlen. Dass der Markt nur für Grosskunden geöffnet werden soll, stiess deshalb vor allem auch dem HEV sauer auf. Auf der anderen Seite würden sich Schweizer Stromfirmen startklar machen, um in den Gasmarkt einzusteigen und «Bündelangebote» anzubieten, wie die NZZ und die Berner Zeitung berichteten.
Eine Botschaft für das neue GasVG wollte der Bundesrat im Laufe des Jahres 2021 an das Parlament überweisen.

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