Migrations- und Asylpolitik in revidierter Bundesverfassung (BRG 96.091)

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Bereits in der Vernehmlassung zur Aktualisierung der Bundesverfassung hatten SP und SGB beantragt, die Integration der Ausländerinnen und Ausländer als eines der Sozialziele neu zu verankern. Entsprechend beantragte Brunner (sp, GE) im Ständerat in Art. 41, dass sich Bund und Kantone im Rahmen ihrer Mittel und ihrer Zuständigkeiten dafür einsetzen, dass jede ausländische Person sozial und beruflich integriert wird. Sie verwies darauf, dass eines der Hauptanliegen der Verfassungsrevision die Übernahme der heutigen Realität sei, weshalb es nicht angehe, bei den sozialen Zielen, die sich die Gesellschaft setze, eine derart bedeutende Minderheit der Bevölkerung nicht speziell zu erwähnen. Mit dem Argument, dass man nicht die Integrationsbemühungen einer einzelnen Minderheit besonders privilegieren könne, die Kompetenz des Bundes, ausländerpolitisch zu handeln, mit Art. 121 zudem ohnehin gegeben sei, wurde der Antrag mit 31 zu 4 Stimmen abgelehnt.

Im Nationalrat folgte Hubmann (sp, ZH) diesem Hinweis und regte einen neuen zusätzlichen Absatz im Ausländerartikel an, in dem gesagt werden sollte, dass der Bund die soziale und berufliche Integration der Ausländerinnen und Ausländer fördert. Bundesrat Koller verwies auf die laufende Teilrevision des ANAG, in welchem ein Integrationsartikel materiell zwar angenommen, bis zum Zeitpunkt dieser Beratung aber an der Ausgabenbremse gescheitert war. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass dieses wichtige ausländerpolitische Anliegen auf Gesetzesstufe geregelt werden könne. Es auf Verfassungsstufe zu erheben, schien ihm aber übertrieben, da die Ausländerpolitik ja noch andere Ziele verfolge, wie etwa das ausgewogene Verhältnis zwischen einheimischer und ausländischer Bevölkerung, die alle auch nicht explizit in die Verfassung aufgenommen worden seien. Auf seinen Antrag wurde der Antrag mit 88 zu 67 Stimmen abgelehnt.

Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Oppositionslos nahmen die Kammern das aus internationalen Abkommen, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention resultierende Non-refoulement-Verbot, welches besagt, dass niemand in einen Staat ausgeschafft werden darf, in dem ihm Verfolgung, Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht, explizit in die neue Bundesverfassung auf (Art. 25).

Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Art. 121 der revidierten Bundesverfassung (zuvor Art. 112) behandelt Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer. Gemäss Vorschlag des Bundesrates wird in Abs. 1 gesagt, dass die Gesetzgebung über die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern sowie über die Gewährung von Asyl Sache des Bundes ist. Während dieser Absatz im Ständerat unbestritten war, beantragte eine rechtsbürgerliche Minderheit im Nationalrat eine Aufteilung in zwei Absätze. Bei den Bestimmungen über die Ausländer hielt sich der Vorschlag an den Text des Bundesrates. Die Asylerteilung sollte hingegen verschärft formuliert werden. Insbesondere wollte die Minderheit sagen, dass die Schweiz im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen verfolgten und an Leib und Leben gefährdeten Ausländern und Ausländerinnen Asyl erteilt, soweit es für das Land tragbar ist. Bundesrat Koller bat den Rat, diesen Antrag abzulehnen, da damit der heute international massgebende Flüchtlingsbegriff über die Verfassung eingeschränkt würde. Der Antrag wurde ohne eigentliche materielle Diskussion mit 123 zu 25 Stimmen deutlich verworfen.

In Abs. 2 sollte nach den Vorstellungen des Bundesrates gesagt werden, dass der Bund Ausländer und Ausländerinnen aus der Schweiz ausweisen kann, wenn sie die Sicherheit des Landes gefährden. Auf Antrag ihrer Kommissionen stimmten beide Kammern einer Ausdehnung der Zuständigkeiten zu. Im definitiv angenommenen Absatz steht nun, dass Ausländerinnen und Ausländer ausgewiesen werden können, wenn sie die Sicherheit des Landes gefährden; damit erhalten die Kantone die Möglichkeit, ebenfalls aktiv zu werden. Die bereits bei Abs. 1 aktive Minderheit strebte auch hier eine Verschärfung an, indem die Kann- durch eine Mussformulierung ersetzt werden sollte. Koller bat den Rat erneut um Ablehnung, da eine zwingende Formulierung dem Non-refoulement-Prinzip widersprechen würde. Der Antrag unterlag mit 121 zu 32 Stimmen.

Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Auf Antrag seiner Kommission fügte der Ständerat beim Kapitel über die Bügerrechte die Bestimmung ein, wonach der Bund die Einbürgerung staatenloser Kinder erleichtert (Art. 38 Abs. 3). Der Bundesrat verwies darauf, dass hier über die eigentliche Nachführung hinausgegangen werde, anerkannte aber, dass der Antrag internationalen Bestrebungen entspricht, weshalb er ihm nicht opponierte. Die neue Bestimmung entfaltet ihre Wirkung vor allem bei jenen internationalen Adoptionen, welche – aus welchen Gründen auch immer – schliesslich scheitern, bei denen das ausländische Kind aber bereits in der Schweiz ist und ohne Einbürgerung riskieren würde, wieder in sein Heimatland ausgeschafft zu werden, wo es meistens über keine familiären Strukturen mehr verfügt. Dieser Beschluss entsprach einer 1993 vom Nationalrat angenommenen parlamentarischen Initiative Zisyadis (pda, VD) (Pa.Iv. 92.423), die deshalb als erfüllt abgeschrieben werden konnte.

Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)