Piero Marchesi (svp, TI) forderte im März 2021 in einer Motion die sofortige Aufnahme von Verhandlungen zur Aushandlung eines neuen Freizügigkeitsabkommens mit der EU. Dabei sollten die Bilateralen Abkommen beibehalten werden, zugleich aber auch Artikel 121a der Bundesverfassung – der bei der Masseneinwanderungsinitiative angenommen worden war und dessen Vereinbarkeit mit der Personenfreizügigkeit für Komplikationen gesorgt hatte – angewendet werden. Marchesi argumentierte, dass das Vereinigte Königreich als Ex-EU-Mitgliedstaat durch das neue Freihandelsabkommen mit der EU bessergestellt sei als zuvor. Er monierte, dass die Schweiz die Einwanderung trotz der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative nicht autonom kontrolliere. Das bisherige Freizügigkeitsabkommen mit der EU habe «in den letzten 20 Jahren beträchtliche Probleme verursacht». Das neue Abkommen zwischen dem UK und der EU habe gezeigt, dass die EU offen für andere Lösungen als die der Bilateralen Abkommen sei. Die Schweiz solle diesen Präzedenzfall nutzen, um die Nachteile des gegenwärtigen Freizügigkeitsabkommens abzuschwächen oder zu beseitigen. In seiner Stellungnahme beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion, da sich die Schweizer Stimmbevölkerung im September 2020 durch die Ablehnung der Begrenzungsinitiative für den Erhalt der Personenfreizügigkeit ausgesprochen habe. Darüber hinaus unterscheide sich das britische Modell vom bilateralen Weg der Schweiz, da es sich dabei um ein Handels- und Kooperationsabkommen handle, das in ausgewählten Bereichen zusätzliche Kooperation vorsehe, bei dem aber nicht-tarifäre Handelshemmnisse bestehen blieben. Der bilaterale Weg der Schweiz gehe weit über den blossen Freihandelsansatz hinaus und verschaffe dem Land in gewissen Sektoren einen «gleichberechtigten, weitgehend hindernisfreien Zugang» zum EU-Binnenmarkt. Der Bundesrat verwies auch darauf, dass er schon in den Schlussfolgerungen des Berichts in Erfüllung des Postulats Keller-Sutter (fdp, SG; Po. 13.4022) festgestellt habe, dass selbst ein modernisiertes, umfassenderes Freihandelsabkommen einen Rückschritt im Vergleich zu den bilateralen Abkommen darstellen würde. Der Nationalrat nahm sich in der Frühjahrssession 2022 der Sache an und lehnte die Motion gegen den Widerstand der SVP mit 137 zu 53 Stimmen klar ab.