Année politique Suisse 1970 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
Kommunale Wahlen
Unter den grossen Stadtgemeinden hatten Zürich und Winterthur ihre Legislativ- und Exekutivbehörden neu zu bestellen.
In Zürich konnten sich zum erstenmal die Frauen daran beteiligen. Im Gemeinderat (Legislative) traten Verschiebungen zugunsten des Landesrings und der Evangelischen Volkspartei ein, während BGB und Christlichsoziale Mandate verloren und die PdA überhaupt keine Vertretung mehr erhielt. Auch im Stadtrat (Exekutive) verschob sich das Parteienverhältnis: der Landesring errang einen zweiten Sitz und verdrängte den Vertreter der Christlichsozialen. Als erste Frau zog die Sozialdemokratin Emilie Lieberherr in die Stadtexekutive ein; in der Legislative gewannen die Frauen nur 8 von 125 Mandaten. Die Stimmbeteiligung sank gegenüber den letzten Männerwahlen von 68,5 auf 57,5 %
[13].
In Winterthur, wo die Frauen noch nicht mitwirken durften, waren im Gemeinderat die Jungen Löwen die Hauptgewinner; empfindliche Verluste erlitten die hier noch selbständig vorgehenden Demokraten; im Stadtrat gelang es den Sozialdemokraten, den erst 1968 gewählten Landesring-Vertreter Ketterer zu sprengen
[14].
In drei Grossstädten waren Ersatzwahlen in die Exekutive umstritten. In
Zürich kostete der Rücktritt des Finanzvorstandes Bieri, der vier Monate nach seiner glänzenden Wiederwahl den Übertritt in die Leitung einer Bank ankündigte, die Freisinnigen ihren zweiten Stadtratssitz. Die freisinnige Kandidatin Martha Ribi erreichte zwar im ersten Wahlgang einen Vorsprung vor dem in den Gesamterneuerungswahlen unterlegenen christlichsozialen Staatsanwalt M. Koller; dieser siegte jedoch in der zweiten Runde, da sich die meisten übrigen Parteien neutral verhielten. An den Wahlkämpfen beteiligten sich auch Aussenseiter, so ein Vertreter der Nationalen Aktion gegen die Überfremdung und ein anarchistischer Jugendlicher, der im gleichzeitig laufenden Globuskrawall-Prozess dem christlich-sozialen Kandidaten als Angeklagter gegenüberstand
[15]. Wenn somit in Zürich der Versuch einer Frau, durch eine Ersatzwahl in die Stadtexekutive zu gelangen, fehlschlug, hatte in
Bern eine ähnliche Kampagne Erfolg. Hier handelte es sich freilich um eine Doppelkandidatur einer einzelnen Partei, deren Anspruch auf den vakanten Sitz unangefochten blieb; als Vertreterin der Bürgerpartei (BGB) setzte sich Ruth Geiser gegenüber ihrem männlichen Konkurrenten durch
[16]. Zu einer Veränderung von grösserer Tragweite kam es in
Genf, wo ein 1969 in den Staatsrat gewählter Liberaler zu ersetzen war. Bei einer Stimmbeteiligung von 24,3 % siegte der von den Sozialisten unterstützte PdA-Nationalrat Dafflon über den von den Radikalen und den Vigilants, nicht aber von den Christlichsozialen empfohlenen liberalen Kandidaten
[17]. Damit erhielt erstmals ein Kommunist Eintritt in die Genfer Stadtregierung, was in bürgerlichen Kreisen einiges Unbehagen verursachte; der Gewählte betonte demgegenüber, dass er sich auf seine Verwaltungsaufgabe konzentrieren wolle
[18].
[13] Gemeindewahlen in Zürich vom 8.3.70: Gemeinderat: BGB 5 (1966: 11), Freisinnige und Demokraten 26 (24), Christlichsoziale 15 (18), Evangelische 12 (7), Landesring 26 (22), Sozialdemokraten 41 (41), PdA 0 (2); Stadtrat: BGB 1, Freisinnige 2, Landesring 2, Sozialdemokraten 4 (NZZ, 113, 9.3.70; 114, 10.3.70).
[14] Gemeindewahlen in Winterthur vom 8.3.70: Gemeinderat: BGB 5 (1966: 5), Freisinnige 8 (7), Demokraten 8 (11), Christlichsoziale 6 (7), Evangelische 2 (2), Landesring 8 (7), Junge Löwen 4 (2), Sozialdemokraten 19 (19); Stadtrat: BGB 1, Freisinnige 1, Demokraten 2, Christlichsoziale 1, Sozialdemokraten 2 (Lb, 55, 9.3.70; 56, 10.3.70).
[15] Zürcher Stadtratsersatzwahlen vom 15.11. und 13.12.70. (NZZ, 531, 14.11.70; 579, 12.12.70; AZ, 265, 14.11.70; 273, 24.11.70; NZN, 268, 16.11.70; 292, 14.12.70). Zum Rücktritt E. Bieris vgl. NZZ, 310, 8.7.70; 322, 15.7.70; zum Krawall-Prozess oben, S. 17.
[16] Berner Gemeinderatsersatzwahl vom 15.11.70 (NZ, 525, 13.11.70; NBZ, 267, 16.11.70).
[17] TdG, 38, 14./15.2.70; 39, 16.2.70; 40, 17.2.70. Nach der Ersatzwahl vom 15.2.70 setzte sich der Genfer Administrativrat aus 1 Liberalen, 1 Radikalen, 1 Christlichsozialen, 1 Sozialisten und 1 PdA-Vertreter zusammen.
[18] TLM, 47, 16.2.70; Bund, 38, 16.2.70; NZZ. 83, 19.2.70. Vgl. dagegen NZ, 168, 14.4.70.
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