Année politique Suisse 1973 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
Natur- und Heimatschutz
Auch im Natur- und Heimatschutz waren weiterhin
Bestrebungen für ein stärkeres Engagement des Bundes wirksam. Die dafür zuständige Abteilung des Eidg. Oberforstinspektorats befasste sich aufgrund der vom Parlament überwiesenen Motionen mit einer Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes, wobei sie den Entwicklungen im Raumplanungs- und Umweltschutzrecht Rechnung trug
[17]. Der Bundesrat entschied sich für eine Teilnahme an der Durchführung des « Jahres für Denkmalpflege und Heimatschutz », das der Europarat für 1975 proklamiert hatte ; zur Einleitung einer Aufklärungskampagne beherbergte Zürich im Sommer eine Konferenz, die staatliche und private Delegierte aus fast allen Ländern Europas vereinigte. Dabei wurde besonderes Gewicht auf eine Einordnung des Heimatschutzes in die moderne Raum- und Siedlungsplanung gelegt. Als èines von rund 50 europäischen Musterbeispielen soll in Mullen mit Bundesmitteln eine lebensfähige Altstadt restauriert werden
[18]. Anderseits unterzeichnete die Schweiz ein Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, das von der Umweltschutzkonferenz der UNO im Jahre 1972 angeregt worden war und das die Einführung einer entsprechenden Bewilligungspflicht vorsieht
[19].
Eine neue Forderung an den Bund betraf den
Schweizerischen Nationalpark. Da die Kosten für dessen Unterhalt den Schweizerischen Bund für Naturschutz immer stärker belasten, beschloss dieser, für den Park die Rechtsform einer öffentlichen Stiftung anzustreben, an der die Eidgenossenschaft beteiligt wäre
[20]. Ausserdem unterstützten dem Naturschutz nahestehende Kreise die Beauftragung des Bundes mit der Förderung der Wanderwege. Nachdem ein parlamentarischer Vorstoss vom Bundesrat eher zurückhaltend aufgenommen worden war, wurde im Spätsommer eine Verfassungsinitiative lanciert, die allerdings nicht unbestritten blieb
[21].
Mit wechselndem Erfolg wurde um einzelne von wirtschaftlicher Nutzung bedrohte Landschaften gekämpft. Der Bundesrat hiess eine Beschwerde gegen den Bau einer Luftseilbahn auf den Feekopf (VS) gut, wies aber eine weitere, die sich gegen ein entsprechendes Vorhaben am Kleinen Matterhorn wandte, mit der Begründung ab, dass die betreffende Gegend bereits verschiedene technische Anlagen aufweise und dass die Gemeinde Zermatt andere Teile ihres Gebiets unter Schutz gestellt habe
[22]. Auf kantonaler Ebene wurden Naturschutzziele mit Hilfe von Volksbegehren verfolgt : so reichte der Journalist Franz Weber in der Waadt 26 000 Unterschriften für die Erhaltung der Rebberglandschaft des Lavaux ein. Im Thurgau wurde die Bewahrung der natürlichen Ufer des Bodensees und des Rheins durch eine neue Verfassungsbestimmung, die auf eine Volksinitiative zurückging, zur Staatsaufgabe erklärt
[23].
Die Ersetzung des Schächtverbots der Bundesverfassung durch einen allgemeinen Artikel über den Tierschutz passierte ohne grössere Auseinandersetzungen Parlament und Volksentscheid. Die Aufzählung einer nicht abschliessend gemeinten Reihe von Teilgebieten, die der Bund vorzugsweise regeln soll, erregte bei Juristen Anstoss ; als Mittel zur Information des Stimmbürgers über die Tragweite der Revision wurde sie jedoch beibehalten. Überwiegend wandte man sich im Blick auf die Ausführungsgesetzgebung gegen eine Aufhebung des Schächtverbots ; dieses blieb in der Form einer Übergangsklausel bestehen. Für die Volksabstimmung gaben fast alle Parteien die Japarole aus ; vereinzelte opponierende Gruppen, so die Genfer Vigilance und mehrere Schlachthausdirektoren, glaubten vor allem einer bevorstehenden Wiederzulassung des Schächtens vorbeugen zu müssen. Der Entscheid fiel im Verhältnis 5 : 1 ; in keinem Kanton erreichten die Gegner einen Drittel der Stimmen
[24]. Über Tierschutzbestrebungen auf dem Gebiet der Jagd und der Fischerei ist schon an anderer Stelle berichtet worden
[25].
[17] Gesch.ber., 1973, S. 66 ; vgl. SPJ, 1972, S. 110. Zur Raumplanung vgl. oben, S. 99 ff.
[18] Gesch.ber., 1973, S. 50 f. ; NZZ, 306, 5.7.73 ; 311, 9.7.73 ; (sda) 591, 20.12.73 ; TA, 156, 9.7.73. Vgl. auch NZZ, 116, 11.3.73 ; 298, 1.7.73, sowie SPJ, 1972, S. 111. Als weitere « réalisations exemplaires », wurden in der Schweiz Martigny (VS), Corippo (TI) und Ardez (GR) bestimmt (Information des Schweizer Heimatschutzes).
[19] BBI, 1973, II, Nr. 48, S. 1021 ff. Vgl. SPJ, 1972, S. 107 f.
[20] Ldb, 95, 26.4.73 ; NZZ (sda), 243, 28.5.73.
[21] Vgl. Postulat Keller (fdp, TG) : Amtl. Bull. NR, 1973, S. 801 f. Initiative : Bund, 194, 21.8.73 ; NZZ, 385, 21.8.73 ; 440, 23.9.73 ; Touring, 37, 13.9.73.
[22] Feekopf und Kleines Matterhorn : NZZ (sda), 589, 19.12.73 ; Vat., 297, 22.12.73 ; vgL SPJ, 1971, S. 123. Auch wurde der Rekurs gegen die Rodung und Überbauung auf der < Schillermatte » (SZ) vom Bundesgericht abgewiesen (NZZ, 522, 9.11.73 ; vgl. SPJ, 1971, S. 123, Anm. 206). Über weitere von Verkehrsbauten bedrohte Landschaften vgl. oben, S. 90, 92.
[23] Waadt : GdL, 168, 21.22.7.73 ; (sda), 276, 26.11.73. Thurgau : TA (dds), 197, 27.8.73. Vgl. auch unten, S. 152 sowie SPJ, 1972, S. 111.
[24] Amtl. Bull. NR, 1973, S. 230 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1973, S. 443 ff. Definitive Fassung : BBI, 1973, i, Nr. 27, S. 1685 f. Parolen : TLM (sda), 335, 1.12.73. Die Volksabstimmung, die mit derjenigen über die Konjunkturdämpfungsbeschlilsse auf den 2.12. fiel, ergab eine Annahme mit 1 041 504: 199 090 Stimmen und 22 : 0 Ständen (BBI, 1974, I, Nr. 6, S. 312). Vgl. SPJ, 1972, S. 111 f., und oben, S. 58.
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