Année politique Suisse 1979 : Allgemeine Chronik / Schweizerische Aussenpolitik
Bilaterale Beziehungen
Nicht nur mit dem Besuch in Afrika vollzog die Schweiz eine längst fällige Öffnung ihrer Aussenpolitik. Zur Vertiefung der bilateralen Beziehungen diente auch der erste Besuch eines schweizerischen Aussenministers in den USA. Die Bedeutung dieser Reise, die in publizistischer Hinsicht erheblich weniger Staub aufwirbelte als der Vorstoss nach Afrika, dürfte vor allem darin gelegen haben, durch den politischen Kontakt ein gewisses Gegengewicht zu den bis anhin hauptsächlich wirtschaftlichen Beziehungen zu schaffen. Wie nötig dieser Schritt war, zeigten die schlechten Kenntnisse, die man in Washington von den in der Schweiz herrschenden politischen Verhältnissen hatte
[11].
1979 waren die schweizerischen Beziehungen zum Iran nicht immer spannungsfrei. Abgesehen von der Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft einiger von Schweizer Firmen in Angriff genommener Vorhaben zeitigte der Sturz des Schahs auch politische Konsequenzen. So verlangte die neue Regierung schon kurz nach dem Sturz des Schahs vom Bundesrat die Sperrung von dessen Vermögenswerten in der Schweiz
[12]. Die Landesregierung lehnte dieses Gesuch mit dem Argument ab, man könne nicht jedesmal, wenn in einem anderen Land eine nicht durch Wahlen zustandegekommene Regierungsänderung erfolge, Sondernormen schaffen und auf diese Weise alle bisher geschlissenen Verträge ausser Kraft setzen, da man sonst zu Recht des Opportunismus bezichtigt würde
[13]. Während die bürgerlichen Parteien den Entscheid des Bundesrates, die iranische Führung auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen, geschlossen unterstützten, stiess er bei der SPS, aber auch beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, auf heftige Kritik. Beide hatten die Regierung vorgängig aufgefordert, den Forderungen des iranischen Revolutionsrates nachzugeben, wobei sie zur Begründung auf die Bedeutung des Iran als Absatzgebiet für schweizerische Produkte verwiesen und damit die Interessen der Industrie gegenüber denjenigen der Finanzwirtschaft hervorhoben. Sie untermauerten ihr Verlangen zudem mit dem Hinweis auf die als verbrecherisch bezeichnete Politik des früheren Schahs
[14].
Um ihrer Forderung Gewicht zu verleihen, reichte die SPS-Parlamentsfraktion in der Märzsession eine dringliche Interpellation ein, und weil die Antwort des Bundesrates sie nur teilweise befriedigte, verlangte die Linke Diskussion. Die bürgerliche Ratsmehrheit lehnte eine solche jedoch ab und bezeichnete die Begründung des Vorstosses als oberflächlich. Auf SP-Seite löste dieses Verhalten der Bürgerlichen heftige Proteste aus
[15].
Trotz der aufgeregten Debatten, die durch die Forderung der iranischen Regierung und die bundesrätliche Antwort auf dieses Begehren in der schweizerischen innenpolitischen Szene ausgelöst wurden, erwies sich die Lage schliesslich als keineswegs dramatisch. Zwar schienen sich die Beziehungen vorerst noch zu verschlechtern, als der Bundesrat aus Anlass der Hinrichtung des früheren iranischen Ministerpräsidenten Hoveida seiner Bestürzung über die summarischen Todesurteile Ausdruck verlieh
[16]. Es zeigte sich aber in der Folge, dass dem Iran an guten Beziehungen zur Schweiz gelegen war. Entgegen früheren drohenden Worten aus Teheran akzeptierte denn auch der neu ernannte Botschafter, Farivar-Teherani, den bundesrätlichen Entscheid hinsichtlich der verlangten Sperrung der Guthaben des Schahs
[17].
Wie auch die übrigen westeuropäischen Länder geriet die Schweiz durch die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran in eine nicht unproblematische Lage, als die Vereinigten Staaten von den Europäern eine Unterstützung ihrer Wirtschaftsmassnahmen gegen den Iran verlangten. Wenn in Bern eine Sperre der iranischen Guthaben auch nicht erwogen wurde und man über das Vorgehen der Amerikaner, besonders der amerikanischen Banken, nicht eben erbaut war, so kam man doch, wegen des beispiellosen Bruchs des Völkerrechts, nicht darum herum, eine gewisse Solidarität zu üben, indem die Schweiz darauf verzichtete, die Massnahmen der USA zu unterlaufen
[18].
Heftige Diskussionen entzündeten sich, als die Absicht des EDA bekannt wurde, den Aussenminister der Palästinensischen Befreiungsfront (PLO), Kaddoumi, zu empfangen. Mit Nachdruck trat man auf der linken Seite nicht nur für den Besuch des PLO-Vertreters, sondern auch für die diplomatische Anerkennung der von ihm vertretenen Organisation ein, wobei man sich auf die Bedeutung der PLO auf internationaler Ebene berief; eine solche Bedeutung anerkannte auch die Landesregierung
[19]. Dieses Argument wurde allerdings nicht nur von den pro-israelischen Kreisen, die sich einer Anerkennung der PLO aus prinzipiellen Gründen widersetzten, als nicht eben stichhaltig empfunden. So meinten bürgerliche Ratsmitglieder, eine Durchbrechung des bisherigen Prinzips, wonach nur Staaten anerkannt würden, mache es schwierig, überhaupt noch eine Grenze zu ziehen
[20]. Die Diskussionen um den Besuch Kaddoumis spitzten sich zu, als die Organisationen der Juden in der Schweiz beim Bundesrat eine Petition hinterlegten
[21], besonders aber, als der israelische Aussenminister Dayan, anlässlich einer Tagung der Botschafter seines Landes in Zürich, die PLO als Mörderbande titulierte und sich gegen den Empfang Kaddoumis aussprach
[22]. Allerdings erwies sich Dayans Äusserung als kontraproduktiv, da die Einmischung eines fremden Staates in schweizerische Angelegenheiten auf weitverbreitete Ablehnung stiess. Der Bundesrat hielt denn auch an seiner Absicht, den PLO-Repräsentanten in Bern zu begrüssen, unmissverständlich fest, doch wiederum unterblieb die nun schon seit langem angekündigte Visite, offiziell wegen Terminschwierigkeiten
[23].
[11] BaZ, 120, 25.5.79; TA, 119. 25.5.79.
[12] TW, 48. 26.2.79; NZZ, 49. 28.2.79.
[13] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 354 ff.
[14] B. Kappeler, Sekretär des SGB. in Tw, 52, 4.3.79; vgl. dazu auch P. Eberhard, «Finanzplatz—Werkplatz», in Schweizer Monatshefte, 59/1979, S. 95 ff.
[15] Amtl. Bull. NR,1979, S. 354 f.; NZZ, 69, 23.3.79; TW, 69, 23.3.79.
[16] Ldb, 85. 12.4.79; 24 Heures, 86. 13.4.79.
[17] NZZ, 158, 1 1.7.79 ; 24 Heures, 159, 11.7.79.
[18] Bund, 287, 7.12.79 ; NZZ, 286, 8.12.79.
[19] TA, 184. 11.8.79 ; für die Haltung des BR vgl. Amtl. Bull. NR, 1979. S. 203 ff. Antwort auf Vorstösse von NR Alder (Idu, BL) und NR Dürrenmatt (Ip, BS).
[20] Amtl. Bull NR, 1979. S. 203 ff.; Vat.. 102, 3.5.79.
[23] NZZ, 101, 3.5.79; Vat., 102, 3.5.79.
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