Année politique Suisse 1979 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Wettbewerb
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Kartellgesetz
Gemäss den Vorschlägen der Expertenkommission für die Revision des Kartellgesetzes soll der wirtschaftliche Wettbewerb in Zukunft in unserem Land stärker betont werden. Kartelle und andere wettbewerbsbehindernde Organisationen sollen zwar weiterhin erlaubst sein, Kampfmassnahmen gegen Aussenseiter dürften sie jedoch nach Ansicht der Kommissionsmehrheit nur noch unter bestimmten Bedingungen ergreifen. In der Vernehmlassung äusserten die Konsumenten- und Arbeitnehmerorganisationen, die CVP, die SP, der Landesring und mit einigen Einschränkungen auch die FDP und die SVP ihre Zustimmung zum Entwurf [20]. Heftige Einwände kamen aber von den Unternehmerverbänden, die im Revisionsprojekt eine verkappte Kartellverbotsgesetzgebung zu erkennen glaubten. Insbesondere befürchten sie, dass Kartelle der Konkurrenz von Aussenseitern hilflos ausgesetzt sein werden, da es ihnen in den wenigsten Fällen gelingen werde, den für Abwehrmassnahmen (Boykott etc.) erforderlichen Nachweis des gesamtwirtschaftlichen Nutzens des Kartells zu erbringen. Im weitern kritisieren sie auch, dass der Kartellkommission die Verfügungskompetenz anstelle des heutigen Empfehlungsrechts zugesprochen werden soll. Wohl eher von taktischer Bedeutung ist die Forderung der Unternehmer, nicht nur den Gütermarkt, sondern auch den Arbeitsmarkt, und damit die Gewerkschaften, dem Kartellgesetz zu unterstellen. Vertreter der Rechtswissenschaft sind sich weitgehend einig, dass die Regelung der Arbeitsmarktbeziehungen im Rahmen des Arbeitsrechtes zu geschehen habe. In ihren Grundsätzen betonen zwar auch die meisten Gegner des Entwurfs die Bedeutung des Wettbewerbs als eines konstitutierenden Elements der marktwirtschaftlichen Ordnung. Sie messen dabei aber der Gewährleistung eines liberalen Aussenhandels einen wesentlich höheren Stellenwert zu als der Bekämpfung von Kartellabsprachen [21].
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Detailhandel
Obwohl wahrscheinlich die Einkäufe von Schweizern im grenznahen Ausland infolge der Entwicklung der Währungskursrelationen nachgelassen haben, bildeten sich die realen Detailhandelsumsätze 1979 erneut leicht zurück (–1,0%) [22]. Trotz des massiven Schrumpfungsprozesses bei der Anzahl von Verkaufsstellen im Lebensmittelhandel ist laut einer Untersuchung der Kartellkommission der Wettbewerb in dieser Sparte nicht beeinträchtigt. Dabei wurde allerdings nicht untersucht, ob die Versorgungssicherheit noch in allen Gebieten des Landes gewährleistet ist. In einem unbestrittenen Postulat schlug die SVP-Nationalratsfraktion die Abklärung eben dieser Frage vor [23]. Den Existenznöten der kleinen Detailhändler hat sich auch die Republikanische Bewegung mit der Lancierung einer als allgemeine Anregung formulierten Volksinitiative «zur Sicherung der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern und gegen das Ladensterben» angenommen. Im Kanton Freiburg reichte die SVP ein Volksbegehren ein, welches die Einführung einer Konzessionspflicht für die Erstellung von Einkaufszentren fordert [24].
Der Migros-Genossenschaftsbund als grösster Detailhändler wurde von verschiedenen Seiten unter Beschuss genommen. Der dem Handelsgewerbe nahestehende Nationalrat Schärli (cvp, LU) regte mit einer parlamentarischen Initiative an, dass man bei Genossenschaften vom allgemein üblichen Prinzip der Gewinnbesteuerung abweiche, und sie auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuere. Die Kriterien für die Bemessung der Wirtschaftskraft seien dabei so zu wählen, dass Genossenschaften, die klein sind oder der Landwirtschaft angehören, von einer solchen Sonderabgabe nicht betroffen werden [25]. Kritik am Verhalten der Migros wurde auch in den Reihen der Genossenschafter selbst laut. Eine sich «Migros-Frühling» nennende Vereinigung von Teilhabern kündigte an, für die Genossenschaftswahlen vom Frühjahr 1980 Gegenkandidaten zur bestehenden Geschäftsleitung aufstellen zu wollen. Ziel dieser internen Opposition ist es, den Belangen des Umweltschutzes, der Sozialpolitik und der Entwicklungsländer bei den Entscheiden der Migros grösseres Gewicht zukommen zu lassen [26].
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Konsumentenschutz
Anlässlich der Beratungen der zuständigen Nationalratskommission ist ein weiterer Vorschlag für einen Verfassungsartikel über den Konsumentenschutz ausgearbeitet worden. Die Kommissionsmehrheit schlägt ein weitgehendes Festhalten an der auch von der Volksinitiative und der gleichlautenden parlamentarischen Initiative Waldner (sp, BL) geforderten Generalklausel vor, möchte aber ausdrücklich erwähnen, dass bei Massnahmen zugunsten der Konsumenten die Handels- und Gewerbefreiheit nicht verletzt werden darf. Dem Bundesrat geht diese allgemeine Bevollmächtigung zum Erlass von konsumentenschützerischen Gesetzen zu weit. Er verlangt, dass neue Bundesaufgaben bereits auf Verfassungsstufe genau definiert sein müssen und beantragt deshalb die Zustimmung zu dem von den Konsumentenorganisationen kritisierten Entwurf der Expertenkommission des EVD unter dem Vorsitz von Prof. Nef. Dieser Entwurfzählt die allfälligen neuen Befugnisse abschliessend auf. Die grosse Kammer entschied sich, vorerst die parlamentarische Initiative Waldner zu behandeln und die Volksinitiative mit dem dazugehörigen bundesrätlichen Gegenvorschlag zurückzustellen. Dies um zu verhindern, dass — bei einer Annahme des Gegenvorschlags durch das Parlament — die Schaffung eines Konsumentenartikels in der Volksabstimmung an einem doppelten Nein scheitert. In der eigentlichen Beratung setzte sich gegen den Widerstand des Freisinns und der SVP, welche sich den Argumenten der Regierung anschlossen, die Fassung der Kommissionsmehrheit (Generalklausel unter Wahrung der Handels- und Gewerbefreiheit) mit 83:60 Stimmen durcit [27].
Oft werden Konsumenten durch spezielle Abmachungen in Kaufverträgen (auch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder «Kleingedrucktes» genannt) übervorteilt. Mit einer Motion verlangte Nationalrat Alder (ldu, BL), dass man die Grundsätze dieser Geschäftsbedingungen durch das Obligationenrecht regle, um missbräuchliche Formulierungen verbieten zu können. Gegen den Bundesrat, der sich nicht darauf festlegen lassen wollte, in welches Gesetzeswerk diese an sich unbestrittene Neuerung aufzunehmen sei, und deshalb die Umwandlung in ein Postulat empfahl, beschloss derNationalrat Festhalten an der Motionsform. Die kleine Kammer korrigierte daraufhin diesen Entscheid und stellte sich hinter den Antrag der Exekutive [28]. In verschiedenen Staaten sind zur Zeit Bestrebungen im Gange, eine sogenannte Produktehaftpflicht einzuführen. Diese Kausalhaftung macht die Herstellerfirmen für Schäden, die dem Letztabnehmer durch fehlerhafte Erzeugnisse zugefügt werden, verantwortlich und entschädigungspflichtig. Wohl erkannte der Bundesrat dem von Nationalrat Neukomm (sp, BE) als Motion eingereichten Begehren seine Bedeutung zu. Da er diese Frage aber international geregelt sehen möchte und ein Vorprellen der Schweiz ablehnt, sprach er sich für die Umwandlung in ein Postulat aus und erhielt dabei die Unterstützung der Mehrheit der Volkskammer [29].
 
[20] NZZ, 76. 31.3.79; 207, 7.9.79; 274, 24.11.79; Bund, 166, 19.7.79; 170. 24.7.79; 171, 25.7.79; Walter R. Schluep, «Fragen zur Revision des schweizerischen Wettbewerbsrechts», in Die Volkswirtschaft, 52/1979, S.285 f. Konsumenten: NZZ, 104, 7.5.79. Gewerkschaften: Gewerkschaftliche Rundschau, 71/1979, S. 137 ff. CVP : Vat., 130, 7.6.79. SP : TW, 149.29.6.79. LdU : NZZ (sda), 128, 6.6.79. FdP : NZZ, 165, 19.7.79. SVP : NZZ (sda). 156, 9.7.79.
[21] Schweiz. Handels- und Industrieverein (Vorort). Jahresbericht 1978/79. S. 39 tf. und 120 ff.; SAZ, 74/1979, S. 477 f.; NZZ, 11. 15.5.79; 193, 22.8.79; 198. 28.8.79; 217, 19.9.79; 234, 9.10.79: 237. 12.10.79.
[22] SAZ, 75/1980. S. 106. Auslandseinkäufe: JdG, 257. 3.11.79; 260. 7.11.79.
[23] Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission, 14/1979. Heft 3/4. S. 273 f.: Amtl. Bull. NR, 1979, S. 1135. Vgl. ebenfalls NZZ, 264. 13.11.79; 276. 27.11.79; Brückenbauer, 19, 11.5.79.
[24] BBl, 1979, I, S. 674 f. ; Vat., 51, 2.3.79. Die Initiative wird auch vom Schweizerischen Detaillisten-Verband unterstützt (NZZ, 62. 15.3.79). Freiburg: Lib., 298. 26.9.79; TLM, 4. 4.1.80.
[25] Verhandl. B.vers.. 1979. IV, S. 16; TW, 56. 8.3.79.
[26] 24 Heures, 304. 31.10.79; BaZ, 294. 15.12.79: LNN, 292. 18.12.79.
[27] BBl, 1979, II, S. 53 ff. (Bericht der NR-Kommission) und 745 ff. (Botschaft und Gegenvorschlag zur Volksinitiative); Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1082 ff.; NZZ, 220. 22.9.79. VgI. auch SPJ, 1978. S. 59; Ernst. A. Kramer. «Konsumentenschutz als neue Dimension des Privat- und Wettbewerbsrechts», in Zeitschrift für Schweiz. Recht, 98/1979, I, S. 49 ff und F. J. Albrecht, Konsumerismus und Konsumenteninformation als verbraucherpolitisches Instrument, Zürich 1979.
[28] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 596 tT. ; Amtl. Bull. StR, 1979, S. 344 ff.
[29] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1155 ff Der StR lehnte eine gleichlautende Motion Lieberherr (sp, ZH) ab (Amtl. Bull. StR, 1979. S. 352 ff.).