Année politique Suisse 1979 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Informationspolitik
Anders als im kulturellen Bereich, wo Neues sich häufig nur am Rande artikuliert und kaum beachtet wird, verdeutlichten die technischen Neuerungen auf dem Mediensektor die Notwendigkeit einer neuen Medienordnung. Die jüngsten Auseinandersetzungen in diesem Bereich liessen erkennen, dass es dabei nicht nur um blosse rechtliche Festschreibungen, sondern vor allem um politische und wirtschaftliche Macht sowie um die Freiheit der Information und des Medienschaffenden geht. Dabei wird offenbar von interessierten Kreisen versucht, die bevorstehenden Entscheidungen zu präjudizieren. Dies umso mehr, als die im Vorjahr eingesetzte Kommission für eine Medien-Gesamtkonzeption ihre Arbeit erst Mitte 1981 abschliessen wird. Sie hat 1979 noch keine formellen Beschlüsse gefasst und sich neben der Erfassung des Ist-Zustandes vor allem den dringlich vorzuziehenden Massnahmen gewidmet und ihre Arbeit mit den andern medienrelevanten Rechtssetzungsprojekten koordiniert. Die von der Kommission erarbeiteten kommunikationspolitischen Zielsetzungen legen Wert auf eine Konsolidierung der Medienfreiheit und lehnen eine Qualitätskontrolle der Medien durch den Staat ab [1]. Medienfreiheit ist nach Ansicht der Schweizerischen Journalistenunion (SJU) auch von anderer Seite gefährdet. Sie fordert deshalb von der Medien-Gesamtkonzeption die Garantie, dass private Medienkonzerne nicht in bisherige und neue elektronische Massenmedien eindringen können [2].
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Information durch die Behörden
Eine Voraussetzung der Medienfreiheit wäre die Pflicht zur Information durch die Behörden. In dem aufden 1. Juni in Kraft getretenen Verwaltungsorganisationsgesetz des Bundes ist die Informationspflicht für Regierung und Verwaltung unter Voraussetzung eines allgemeinen Interesses und unter Vorrang wesentlicher öffentlicher und privater Ansprüche formell verankert. Kritische Stimmen bemerkten, dass die Informationspolitik des Bundes seither zurückhaltender geworden sei, und forderten eine umfassende Informationspflicht für Behörden aller Stufen. Der Verband der Schweizer Journalisten (VSJ) möchte diese als vorzuziehende Massnahme im Rahmen der Medien-Gesamtkonzeption verwirklicht wissen [3]. Nachdem sich schon vorher einzelne Fälle von Indiskretionen aus Protokollen und Kommissionsunterlagen ereignet hatten, führte die vorzeitige Veröffentlichung eines SRG-Papiers der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission zuerst zu einer Pauschalverwarnung der Bundeshausjournalisten durch das Nationalratsbüro und schliesslich zu einer Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen Parlamentarier und Journalisten bei der Bundesanwaltschaft. Diese Massnahmen stiessen weithin auf Kritik, wobei die wenig offene Informationspraxis des Bundes, auch als Geheimniskrämerei bezeichnet, für die Pannen verantwortlich gemacht wurde. Vorstösse im Nationalrat griffen das Problem auf. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit wurden Ende Jahr zumindest die Ermittlungen gegen die Parlamentarier eingestellt [4]. Die offizielle Informationspolitik geriet auch in Zürich unter Beschuss, als der kantonale Polizeikommandant Grob vier ausgewählte Journalisten über das KIS informierte, den Vertreter des «Volksrechts» abwies und den nichteingeladenen Presseorganen eine Tonbandaufzeichnung zustellte, aus der die kritischsten Teile eliminiert worden waren. Dies wurde als willkürliche Behinderung der Presse von mehreren Parteien im Kantonsrat verurteilt [5]. An früherer Stelle ist bereits die Kontroverse um die Abstimmungserläuterungen des Bundes zur Atominitiative zu Sprache gekommen ; der Einwand, den Gegnern der bundesrätlichen Meinung werde zuwenig Platz eingeräumt und ihre Argumentation selektioniert, wurde auch bei anderer Gelegenheit vorgebracht. Zwei ähnlich lautende Vorstösse im Nationalrat forderten deshalb, dass den Vertretern von Initiativ- und Referendumskomitees genügend Raum zu eigenen Stellungnahmen gesichert wird [6].
 
[1] BaZ, 31. 6.2.79; LNN, 149, 30.6.79; NZZ, 208, 8.9.79; 211. 12.9.79; JdG, 212, 12.9.79; Ldb, 210. 12.9.79; Vr, 213. 12.9.79; vgl. SPJ, 1978. S. 147.
[2] Vr, 63. 15.3.79; BaZ, 64. 16.3.79; 66. 19.3.79; TA, 65, 19.3.79.
[3] Informationspflicht: TA, 53. 5.3.79; 93. 23.4.79; Ldb, 240, 17.10.79; Kritik VSJ: Bund, 243. 17.10.79. Vgl. SPJ, 1978. S. 22.
[4] Vgl. Presse vom 1 1.9.79 und 18.9.79. dazu Ww, 36, 5.9.79 ; 41, 10.10.79 ; BaZ, 232. 4.10.79 ; 234, 6.10.79 ; TW, 233. 5.10.79; NZZ, 292. 15.12.79. Vorstösse: Parlamentarische Initiative Gerwig (sp, BS) betreffend Gewährleistung von Pressefreiheit und Redaktionsgeheimnis durch Geschäftsreglement des NR (Behandlung hängig, Verbandl. B. vers.. 1979, IV, S. 17): Interpellation Carobbio (psa, TI) betreffend Schutz der Stellung des Journalisten (Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1154 f.)
[5] Vr, 289. 17.12.79; 290, 18.12.79; TA, 294. 18.12.79. Vgl. oben. Teil I, 1b (Öffentliche Ordnung).
[6] Atominitiative : vgl. oben, Teil I, 1c (Volksrechte) und 6a (Kernenergie); dazu BaZ, 182.7.8.79; 293. 14.12.79. Vorstösse: Postulat Carobbio (psa, TI), überwiesen (Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1265 f.) und Motion Euler (sp, BS), als Postulat überwiesen (Amtl. Bull. NR, 1979, S. 1679 ff.).