Année politique Suisse 1980 : Allgemeine Chronik / Schweizerische Aussenpolitik
 
Aussenhandel
Die schweizerische Aussenwirtschaft sah sich einer ungünstigen Weltwirtschaftslage gegenüber. Das Wachstum des Bruttosozialproduktes der westlichen Industriestaaten verlangsamte sich. Die Arbeitslosigkeit nahm zu. Der massive Anstieg der Erdölpreise, um 150% seit Ende 1978, stellte eine der Hauptursachen der Konjunkturschwäche dar. Einige Regierungen schlugen einen restriktiven monetären Kurs (Beschränkung des Wachstums der Geldmenge) ein, um die hohen Inflationsraten zu senken. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, welche sich sektoriell noch durch die aggressive Exportstrategie einiger Niedriglohnländer verschärften, waren mit ein Grund für das Wiedererstarken protektionistischer Tendenzen [47].
Trotz ihrer engen Auslandsverflechtung konnte sich die schweizerische Volkswirtschaft 1980 weitgehend von den Rezessionserscheinungen der übrigen Industriestaaten abschirmen. Die Beschäftigung erreichte den höchsten Stand seit 1975. Eine der Ursachen dafür, dass die schweizerische Konjunktur nicht parallel zur ausländischen verlief, ist in der Entwicklung des Wechselkurses zu suchen. Nominell sank der Wert des Frankens gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner 1980 um durchschnittlich ungefähr 3 1/2%. Da die Inflationsrate in der Schweiz um etwa 6 1/2 %geringer war als im Ausland, betrug die reale Abwertung gar rund 10%. Die Situation am Währungsmarkt war derjenigen von 1978 entgegengesetzt. Damals hatte der hohe Frankenkurs die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen. 1980 hingegen wirkte sich der gesunkene Kurs fördernd auf die Exporte aus. Der hohe Auslastungsgrad der Exportindustrie trug wesentlich zum guten Abschneiden der schweizerischen Gesamtwirtschaft bei. Am Jahresende verlangsamte sich jedoch das Wachstum der Ausfuhren. Der Auftragsbestand war nicht mehr höher als 1979. Nach und nach begann die ungünstige internationale Wirtschaftslage trotz des schwachen Frankens die Nachfrage nach schweizerischen Exporten zu beeinflussen. Die Entwicklung des Wechselkurses brachte auch Nachteile mit sich. Die Importpreise stiegen noch mehr, als es wegen der Verteuerung des Erdöls ohnehin der Fall gewesen wäre. Für die auf. Geldwertstabilität ausgerichtete schweizerische Konjunkturpolitik stellte dies eine unerwünschte Entwicklung dar [48].
Wechselkurswirkung und Erdölpreiserhöhung waren Hauptursachen dafür, dass sich die Einfuhren um durchschnittlich 20,7% verteuerten. Bei den Exporten war der Preisauftrieb nur halb so gross. Die Schweiz musste also eine markante Verschlechterung des realen Austauschverhältnisses (terras of trade) und damit eine Tendenz zur Passivierung der Handelsbilanz hinnehmen. Zudem wurde die reale Zunahme der Exporte von 1,7% durch diejenige der Importe, die 3,5% betrug, übertroffen [49]. Die gute inländische Konjunktur liess die Importnachfrage trotz der stark gestiegenen Preise zunehmen. Das Ergebnis war eine ausgeprägt defizitäre Handelsbilanz. Einfuhren in der Höhe von 60,9 Mia Fr. standen Ausfuhren von 49,6 Mia Fr. gegenüber. Die Exporte deckten demnach nur 81,5% der Importe. 1979 hatte diese Zahl noch 90,3% betragen. Die Saldi aus der Dienstleistungs- und der Kapitalertragsbilanz vermochten den Fehlbetrag im Aussenhandel nicht zu kompensieren. Dies obwohl sich der Tourismus erfreulich entwickelte und obwohl die Netto-Kapitalerträge aus dem Ausland deutlich stiegen. Zum erstenmal seit fünfzehn Jahren wies die Schweiz somit eine defizitäre Ertragsbilanz auf. Ungewollt kam die Schweiz mit der Passivierung ihrer Ertragsbilanz dem Wunsche derjenigen internationalen Organisationen entgegen, die von den Staaten mit einer guten Wirtschaftslage, also von der Bundesrepublik Deutschland, Japan und der Schweiz, eine Ausweitung ihrer Importnachfrage gefordert hatten; dieses Ziel, sollte mittels einer expansiven Konjunkturpolitik erreicht werden. 1980 vollzog sich in dieser Beziehung innerhalb des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der OECD jedoch ein beachtlicher Gesinnungswandel. Als Rezept gegen den weltweiten Konjunkturabschwung gilt nicht mehr monetäre und fiskalische Expansion, sondern die absolute Priorität der Inflationsbekämpfung. Damit empfehlen diese Organisationen nunmehr gerade den Kurs, den die schweizerische Nationalbank schon seit langem zu verwirklichen trachtet.
Bei einem beinahe stagnierenden Welthandelsvolumen vermochte die Schweiz ihren Weltmarktanteil leicht zu erhöhen. Wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz als Lieferanten und als Abnehmer waren nach wie vor die westeuropäischen Staaten. Die Importe aus diesem Gebiet stiegen nominal um 21%, die Exporte dorthin um 13,9%. Das schweizerische Handelsbilanzdefizit mit Westeuropa betrug nahezu 15 Mia Fr. Auch der Handel mit den aussereuropäischen OECD-Staaten führte zu einem Passivum. Gegenüber Japan musste die Schweiz sogar eine Exporteinbusse hinnehmen, während die Einfuhren aus diesem Land um 48,6% höher waren als vor Jahresfrist. Die gestiegenen Energiekosten führten zu einer markanten Ausweitung des Importwertes aus den OPEC-Staaten und aus den osteuropäischen Staatshalidelsländern. Während sich gegenüber der OPEC jedoch auch die Exporte um 23,9% zu steigern vermochten, stagnierte der Wert der Ausfuhren nach Osteuropa. Dies ist hauptsächlich auf die restriktive Handelspolitik dieser Länder zurückzuführen, die das Wachstum der Aussenverschuldung zu bremsen versuchen. Im Handel mit Iran war eine leichte Erholung zu verzeichnen. Das Niveau von 1978 wurde jedoch noch immer nicht erreicht. Die Schweiz ist also nicht zur Nutzniesserin des Wirtschaftsboykotts der USA und der EG geworden. Insgesamt führte der Handel mit den Nicht-OECD-Staaten (Staatshandelsländer und Dritte Welt) zu einem Aktivum in der Handelsbilanz von rund 4 1/2 Mia Fr.
Am stärksten vermochte die Maschinen- und Apparateindustrie ihre Ausfuhr zu steigern. Sie verkaufte nominal 14,1%, real 11,0% mehr ans Ausland als 1979. Auch die Branchen Metall- und Metallwaren, Textil und Bekleidung sowie Chemie schnitten gut ab. Die Uhrenindustrie weitete ihren Export zwar nominal um 8,9% aus, musste aber eine mengenmässige Einbusse von 6,1 % hinnehmen; der Trend zu teureren Produkten ist an dieser Entwicklung mitbeteiligt.
Bei den Importen sticht die Erhöhung der Einfuhr von Investitionsgütern um real 19% hervor. Rohstoffe und Halbfabrikate wurden 8,8% mehr importiert. Die Schweiz bezog real 0,6% weniger Energieträger vom Ausland als 1979; wegen der gestiegenen Preise musste sie dennoch 17,2% mehr dafür bezahlen als im Vorjahr. Stark fiel die Teuerung der importierten Edelmetalle für die Industrie ins Gewicht, da die Einfuhr auch mengenmässig beträchtlich stieg [50].
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Nuklearexporte
Wie schon 1979 stiessen die Nuklearexporte auf Kritik. Die Opposition gegen die Lieferung einer Schwerwasseranlage an Argentinien formierte sich in der «Arbeitsgemeinschaft gegen Atomexporte». Ihrer Ansicht nach ist das Interesse Argentiniens an diesem Geschäft in erster Linie militärischer Natur. Sie protestierte deshalb gegen die Ausfuhrbewilligung, die das Bundesamt für Energiewirtschaft der Firma Sulzer für die Schwerwasseranlage erteilte. Die Bewilligung stützte sich darauf, dass Buenos Aires der Schweiz zugesichert hatte, die Anlage nur für friedliche Zwecke zu gebrauchen. Die Nukleartätigkeit Argentiniens, das den Atomsperrvertrag nicht unterzeichnet hat, untersteht zudem der Kontrolle der Internationalen Atomenergie-Organisation [51].
Auch von ausländischer Seite wurden Bedenken gegen die schweizerischen Atorntechnologieexporte geäussert. Die USA kritisierten die Lieferung von industriellen Ausrüstungsgütern an Pakistan, welche nicht auf der Sperrliste des Nonproliferationsvertrages stehen, von denen die USA jedoch annehmen, dass sie zur Herstellung von Atomwaffen dienen könnten. Nach Ansicht der Administration Carter verstiess die Schweiz zwar nicht gegen den Buchstaben, wohl aber gegen den Geist des Atomsperrvertrages, den sie 1977 unterzeichnet hatte [52]. An der Konferenz zur Überprüfung des Atomsperrvertrages in Genf und an der Generalkonferenz der Internationalen Atomenergie-Organisation betonte die Schweiz, dass sie sich streng an ihre internationalen Verpflichtungen bezüglich der Nichtverbreitung von Atomwaffen halte. Sie wandte sich jedoch dagegen, dass nuklearindustriell führende Mächte einseitig auf andere Staaten Druck ausübten und deren Exporte, die der zivilen Nutzung von Kernenergie dienen sollen, zu behindern trachteten. Da sich Pakistan — trotz mehrmaliger Versicherung, seine Atomanlagen nur für friedliche Zwecke zu verwenden — nicht der Kontrolle der Internationalen Atomenergie-Organisation unterstellte, beschloss der Bundesrat zu überprüfen, wie er in Zukunft Nuklearexporte nach Pakistan behandeln will [53].
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Waffenausfuhr
Auch die Waffenausfuhr gab 1980 Anlass zu heftigen Diskussionen. Der «Informationsdienst 3. Welt» äusserte die Ansicht, dass der Export von Waffen in die Dritte Welt die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Entwicklungshilfe beeinträchtige. Die Tatsache, dass während des Militärputsches von 1979 in Bolivien schweizerische Sturmgewehre und Schützenpanzer im Einsatz gewesen waren, veranlasste die SPS, vom Bundesrat ein Verbot der Waffenausfuhr für ganz Lateinamerika zu fordern. Die Nationalräte Ziegler (sp, GE) und Carobbio (psa, TI) kritisierten in Einfachen Anfragen die Waffenlieferungen an die Philippinen. Der Bundesrat antwortete, die Unruhen auf den Philippinen hätten nie ein Ausmass angenommen, welches nach dem Gesetz als Verbotsgrund für die Waffenausfuhr gelten könnte [54].
 
[47] Weltwirtschaftliche Lage: Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen (in der Folge zitiert: Mitteilung/Konjunkturfragen). Nr. 268, Beilage zu Die Volkswirtschafi. 54/1981, Heft 3; BBl, 1981, I, S. 531 ff. Ölpreise: A. Schwietert und Th. Böni / W. Fautz in Der Monat in Winschafi und Finanz, 1981, Nr. 2; vgl. A. Nydegger. «Lücken in der Energiediskussion — Folgerungen für die internationale und schweizerische Politik», in Aussenwirtschufi. 35/1980, S. 221 ff. Protektionismus: vgl. BR F. Honegger, «Die Schweiz im weltwirtschaftlichen Geschehen», in Documenta, 1980. Nr. 3. S. 21 f.: NZZ, 243. 18.10.80.
[48] Wechselkursentwicklung: BaZ, 14, 17. 1.81; 24 Heures, 9, 13.1.81 ; SNB, Monatsbericht. Februar 1981, S. 33 und 35 ; vgl. oben, Teil I, 4b (Währung). Inwieweit der Wechselkurs auf die Exporte wirkt, ist umstritten ; vgl. Ch. Ditzler / Ch. Koellreuter / P. Kugler, «Einige empirische Ergebnisse bezüglich des Einflusses des Wechselkurses auf die schweizerische verarbeitende Industrie», in Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik. 116/1980, Nr. 2. S. 149 ff.; sowie Ch. Zenger, «Volkswirtschaftliche Wirkungen realer Kursänderungen des Schweizerfrankens», in Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen. 36/1980, S. 81 ff.
[49] Ohne Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenstände und Antiquitäten nahmen die Importe nominal um 20.5% und real um 7,8%, die Exporte um nominal 11,1% und real um 4,9% zu.
[50] BBl, 1980, III, S. 8 ff. und 1981. 1. S. 535 ff. (15. und 16. Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik); Mitteilung/Konjunkturfragen. Nr. 268; Die Volkswirrschaft, 54/1981. Heft 2, S. 8 ff.; Bund, 18.23.1.81 ; NZZ, 24. 30.1.80; Botschafter K. Jacobi, in «Werkplatz Schweiz», Beilage zu NZZ, 244, 20.10.80. Handel mit Entwicklungsländern : vgl. R. Höhn, Der schweizerische Aussenhandel mit der Dritten Welt 1972-1978, Adliswil 1980. Handel mit Iran: NZZ, 284, 5.12.80; TA, 285, 6.12.80. Wirtschaftspolitische Kursänderung von IMF und OECD: 24 Heures, 129. 5.6.80; NZZ, 210. 10.9.80; Bund, 224, 24.9.80; vgl. SPJ, 1979. S. 76.
[51] BaZ, 137. 14.6.80; Ldb, 185. 13.8.80; SP-Information, 80. 20.8.80; TW, 217, 16.9.80; NZZ, 244, 20.10.80. Vgl. SPJ, 1979. S. 77.
[52] Amerikanische Kommentatoren stellten fest, dass gleichzeitig schweizerische Gesuche um Bewilligungen für die Ausfuhr abgebrannter Brennstäbe von den USA ungewöhnlich eingehend geprüft wurden; sie nahmen an, dass die Gesuche blockiert bleiben würden, bis die Schweiz ihre Haltung gegenüber den Nuklearexporten nach Pakistan geändert habe.
[53] NZZ, 74, 28.3.80; 222.24.9.80; 288, 10.12.80; TA, 221.23.9.80; 222.24.9.80; BaZ, 269. 15.11.80; Bund, 305.30.12.80; vgl. Amtl. Bull. NR, 1980. S. 993 f. (Fragen an BR Aubert); vgl. ferner Verhandl. B. vers.. 1980, IV, S. 42. Revisionskonferenz zum Atomsperrvertrag: TLM, 222—224. 9.8.—11.8.80; 228. 15.8.80; NZZ, 187. 14.8.80; 189, 16.8.80. Konferenz der Atomenergie-Organisation: NZZ, 222, 24.9.80.
[54] TW, 6, 9.1.80; 71, 25.3.80: BaZ, 186, 11.8.80; Amtl. Bull. NR, 1980, S. 411 f.