Année politique Suisse 1986 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
Geld und Währung
Im Berichtsjahr setzte sich auf dem schweizerischen Geld- und Kapitalmarkt der Zinsabbau fort. Trotzdem ergab sich für die Realverzinsung dank der niedrigen Teuerungsrate ein seit langem nicht mehr erreichter Höchstwert. Der massive Kurszerfall des Dollars gegenüber dem Franken und anderen wichtigen Währungen hielt, zumindest in der ersten Jahreshälfte, an. Das Parlament übernahm die Forderungen der Banken nach einem Abbau der steuerlichen Belastung von Bankgeschäften und verpflichtete den Bundesrat zur Ausarbeitung entsprechender Vorlagen. Für die Regierung lassen sich die meisten dieser Begehren, die für den Bund Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe bringen könnten, nur dann verwirklichen, wenn es gelingt, neue fiskalische Einnahmequellen innerhalb des Bankensektors zu erschliessen. Nach dem vorläufigen Scheitern der Teilrevision des Bankengesetzes will die Eidgenössische Bankenkommission die ihr vom Gesetz eingeräumten Kompetenzen umfassender auslegen. Gelegenheit dazu bot sich ihr im Berichtsjahr im Zusammenhang mit der in einer ersten Phase auf Notrecht abgestützten Blockierung der Konten des ehemaligen philippinischen Staatspräsidenten Marcos.
Das Wachstum der
Geldmenge entwickelte sich auch 1986 im Rahmen der von der Nationalbank festgelegten Zielgrösse. Die bereinigte Notenbankgeldmenge nahm im Jahresmittel um 2,0% zu (1985: 2,2%). Im Gegensatz zu den Notenbanken anderer Industriestaaten hielten die schweizerischen Behörden an ihrem relativ restriktiven Kurs, der sich an den realen Wachstumsmöglichkeiten der Volkswirtschaft orientiert, fest. Diese Politik wurde von keiner Seite grundsätzlich in Frage gestellt. Immerhin wünschten Vertreter der Banken und der Exportwirtschaft eine etwas flexiblere Haltung, die es erlauben würde, extreme Wechselkursschwankungen auszugleichen. In Absprache mit dem Bundesrat legte die Nationalbank für 1987 ein unverändertes Wachstumsziel von 2,0% für die bereinigte Notenbankgeldmenge fest
[1].
Die Erfolgsrechnung der Nationalbank war erneut gekennzeichnet durch einen hohen Verlust auf dem Konto Devisenbestand als Folge der Tieferbewertung des amerikanischen Dollars. Der Abschreibungsbedarf von 3,7 Mia Fr. konnte nur noch zum Teil durch die Auflösung von Rückstellungen für Währungskorrekturen aufgebracht werden. Mehr als die Hälfte musste aus den laufenden Erträgen und aus der Position Rückstellung für Währungsrisiken, die sich am Jahresende noch auf 13,1 Mia Fr. belief, finanziert werden
[2].
Der
Kurs des Schweizer Frankens entwickelte sich gegenüber den andern für die Wirtschaft wichtigen Währungen
uneinheitlich. Der amerikanische Dollar setzte den im Frühjahr 1985 eingeleiteten Sturzflug vorerst fort. Er sank von über 2 Franken im Januar auf rund Fr. 1.65 im August und stabilisierte sich dann. Zu Jahresende wurde der Dollar noch zu Fr. 1.62 gehandelt. Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so ausgeprägte Abwertung ergab sich beim britischen Pfund. Leicht an Wert verloren haben gegenüber dem Franken ferner die Währungen Frankreichs und Italiens. Die für den Aussenhandel besonders wichtigen Kurse der D-Mark und des Yen blieben nahezu unverändert. Der mit den Exporten in die 15 bedeutendsten Handelspartnerländer gewichtete Index der Fremdwährungskurse stieg im Jahresdurchschnitt um 9,4% an ; infolge der in der Schweiz relativ niedrigen Teuerungsrate betrug die reale Aufwertung jedoch bloss 6,7%. Erstmals seit 1983 hat sich die Nationalbank – allerdings in bescheidenem Umfang – im Oktober an den Devisenmarktinterventionen massgebender europäischer Notenbanken zur Stützung des Dollars beteiligt. Da die fundamentalen Wirtschaftsdaten für einen weiteren Wertverlust der amerikanischen Währung sprachen, bestand das Ziel dieser Aktionen nicht im Einleiten einer Trendumkehr, sondern in der Verhinderung eines abrupten Kurssturzes
[3].
Auf dem Geld- und Kapitalmarkt setzte sich über das ganze Jahr gesehen der
leichte Zinsabbau fort. Einzig im Mai und Juni ergab sich namentlich auf dem Geldmarkt eine momentane Anspannung als Folge von erhöhter Geldnachfrage der Banken zu Monatsende. Die Nationalbank reagierte auf diese Liquiditätsengpässe mit einer etwas flexibleren Geldmengenpolitik. Der Satz für Dreimonatsgelder auf dem Eurofrankenmarkt bewegte sich im Monatsmittel von Januar bis April zwischen 3,9% und 4,1 %, stieg dann auf 5,0% im Juni und reduzierte sich bis Dezember wieder auf 4,2%. Im Jahresdurchschnitt lag er mit 4,2 % um 0,7 % tiefer als im Vorjahr. Diskont- und Lombardsatz blieben auf den im März 1983 festgelegten Werten von 4,0% resp. 5,5%
[4]. Die Zinsen auf dem Kapitalmarkt entwickelten sich im grossen und ganzen ähnlich wie diejenigen auf dem Geldmarkt. Die durchschnittliche Rendite für Anleihen der Eidgenossenschaft verringerte sich im Monatsmittel von 4,4% auf 4,1 %. Auch die Zinssätze für Kassenobligationen wurden leicht zurückgenommen, während diejenigen für Sparhefte und Neuhypotheken 1986 noch weitgehend stabil blieben. Allerdings kündigten die in diesen Bereichen marktführenden Banken Hypothekar- und auch Sparheftzinssenkungen um je 1/4 % für 1987 an. Diesen Verlautbarungen waren Zinssenkungsentscheide einzelner kleiner Institute vorangegangen, und auch die Vereinigung privater Lebensversicherungen hatte ihren Mitgliedern eine Reduktion um 1/4 % auf den 1. August 1986 empfohlen
[5].
Die
Nettobeanspruchung des schweizerischen Kapitalmarkts nahm nochmals zu. Die Steigerungsrate bei den inländischen Schuldnern lag bei rund 30%, für die Emissionen von Ausländern fehlen zuverlässige Nettozahlen, doch deutet der Anstieg bei den Bruttowerten um rund einen Viertel ebenfalls auf ein markantes Wachstum hin. Die gute Verfassung sowohl der Wirtschaft als auch der Börse veranlasste die schweizerische Industrie zu einer lebhaften Aktienemissionstätigkeit. Die vorwiegend guten Rechnungsabschlüsse beim Bund, den Kantonen und Gemeinden erlaubten es der öffentlichen Hand, ihre Verschuldung auf dem Kapitalmarkt abzubauen. Bei den von der Nationalbank bewilligten Kapitalexporten trat mit einem Total von 52,5 Mia Fr. erneut eine Steigerung ein. Die Aufteilung nach Ländergruppen zeigt, dass sich das Schwergewicht noch mehr auf die Industrieländer verlegt hat (85,7% gegenüber 79,2% im Vorjahr). Besonderes Gewicht kam dabei den japanischen Schuldnern zu, die 28% aller bewilligungspflichtigen Kapitalexporte beanspruchten. Der Anteil der Entwicklungsländer bildete sich auf 2,7% zurück (1985: 4,7%)
[6].
Die Nationalbank setzte 1986 ihre
Deregulierungspolitik auf dem Kapitalmarkt fort. Auf den 29. Mai strich sie die Vorschriften bezüglich der Laufzeiten und dervorzeitigen Rückzahlung von Anleihen ausländischer Schuldner. Im Bereich der Notesemissionen hob sie die Mindeststückelung von 50 000 Fr. ebenso auf wie die Depotpflicht. Beibehalten wurden hingegen die sogenannten Syndizierungsvorschriften, welche verlangen, dass bei Emissionsgeschäften in Schweizer Franken alle am Ausgabesyndikat beteiligten Gesellschaften in der Schweiz domiziliert sein müssen. Dieses Gebot stellt einen gewissen Wettbewerbsschutz für die inländischen Gesellschaften dar und verhindert zudem, dass diese Geschäfte zwecks Umgehung der Stempelabgabe im Ausland abgewickelt werden. Die Liberalisierungsbeschlüsse der Nationalbank erhöhten die Dringlichkeit eines verbesserten Anlegerschutzes bei der Emission von Notes. Der Versuch der Behörden, die Banken zum Abschluss einer Konvention über die Prospektpflicht für die Ausgabe von Notes zu veranlassen, scheiterte jedoch vorerst an deren ablehnender Haltung. Die Bankenkommission kündigte daraufhin an, dass sie beabsichtige, in Zukunft nicht mehr zwischen Obligationen und öffentlich begebenen Notes zu differenzieren, und auch für die zweiten einen Prospekt zu fordern
[7].
[1] SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 12 f. und 24 ff. Die einzelnen Geldmengenaggregate entwickelten sich wie folgt : M1 : 4,5%; M2: 6,1%; %; M3: 6,8%. Vgl. auch P. Languetin an der Generalversammlung der SNB (SNB, Quartalsheft, 1986, S. 1127 if.). Banken : AT, 12.12.86 ; NZZ, 20.12.86. Wirtschaft : NZZ, 7.10.86. Geldmengenziel 1987: SNB, Quartalsheft, 1986, S. 207 f. Zur Geldmengenpolitik in einzelnen Staaten siehe auch Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Sechsundfünfzigster Jahresbericht, Basel 1986, S. 129 If.
[2] SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 50 ff. ; NZZ, 27.3.87. Auf die Bekanntgabe des Ertragssaldos wurde 1986 verzichtet.
[3] SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 13 f., 28 und 39 f.; SNB, Monatsbericht, 1987, Nr. 1, S. 33 ff. und Nr.4, S. 33 ff.; Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen, 40/1986, S. 61 ff. Zu den Devisenmarktinterventionen vgl. auch Presse vom 8.10.86 und Bund, 15.11.86. Zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2 (Commerce extérieur).
[4] SNB, Monatsbericht, 1987, Nr. 1, S. 38 f.; SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 26 f. Zu den Ultimoschwierigkeiten siehe auch P. Languetin in TA, 17.12.86.
[5] SNB, Monatsbericht, 1987, Nr. 1, S.40; SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 29. Zu den Spar- und Hypothekarzinssenkungen siehe auch NZZ, 10.1.86; 29.5.86; TW, 13.1.86; 24 Heures, 23.1.86; TA, 29.4.86 (Versicherungen); 3.1.1.86 ; BaZ, 3.12.86. Die Konsumentinnenorganisationen lancierten 1986 ihre Volksinitiative für eine staatliche Überwachung der in Konvenien und Kartellen abgesprochenen Zinsen (siehe dazu oben, Teil I, 4a, Wettbewerb). Vgl. auch SPJ, 1985, S. 69 sowie unten, Teil I, 6c (Miete).
[6] SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S.29 ff. Zu den Obligationenanleihen und Aktienemissionen siehe auch SNB, Monatsbericht, 1986, Nr. 7, S. 43 ff. und 1987, Nr. 1, S. 43 ff. Die «Aktion Finanzplatz Schweiz—Dritte Welt» reichte beim Bundesrat eine mit 25 000 Unterschriften versehene Petition ein, die unteranderem verlangt, dass die Bewilligung von Kapitalexporten in Entwicklungsländer von deren Vereinbarkeit mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen abhängig gemacht wird (Aktion Finanzplatz Schweiz—Dritte Welt, Finanzplatz-lnformationen, 1985, Nr. 4; TW, 17.1.86).
[7] SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 35 ; SKA, Bulletin, 1986, Nr. 7, S. 20 ; NZZ, 21.6.86. Vgl. auch P. Klauser, «Notenbankbefugnisse im Kapitalmarkt», in Wirtschaft und Recht, 38/1986, S. 145 ff.; K.J. Hopt, «Schweizerisches Kapitalmarktrecht», a.a.O., S. 101 ff. Prospektpflicht: SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 36; Eidg. Bankenkommission, Jahresbericht 1986, S. 33 f. Vgl. auch SPJ, 1985, S. 70; Ww, 43, 23.10.86; TA, 22.11.86. Zu den Innovationen auf dem internationalen Geld- und Kapitalmarkt und deren Folgen siehe auch wf, Dok., 33, 11.8.86 ; Ww, 41, 9.10.86; 42, 16.10.86; K. Schiltknecht, «Der schweizerische Kapitalmarkt in einer veränderten Umwelt », in Wirtschaft und Recht, 38/1986, S. 91 ff. ; M. Lusser, «Innovationen an den Finanzmärkten », in SNB, Quartalsheft, 1986, S. 255 ff.
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