Année politique Suisse 1986 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
Medienordnung
Die Arbeiten zu den einzelnen Elementen einer künftigen Medienordnung kamen weiterhin nur mit unterschiedlicher Geschwindigkeit voran. Dass aber nicht nur strukturelle, sondern auch inhaltliche Gesichtspunkte beachtet werden müssen, unterstrich Bundesrat Stich. Er wies auf den zunehmenden Warencharakter der Information hin, der die Inhalte des öftern zu kurz kommen lässt. Diese würden durch die unbedachte Übernahme der in andern demokratischen Staaten üblichen Personalisierung von Sachgeschäften und durch die generelle Tendenz zur Kommerzialisierung verfälscht
[1]. Gerade wegen der Kommerzialisierung besteht die Gefahr, dass das bestehende Informationsgefälle zwischen Stadt und Land noch weiter vergrössert wird. Die politischen Instanzen scheinen sich dieser Problematik jedoch bewusst zu sein. So stellte EVED-Generalsekretär F. Mühlemann an der Jahresversammlung der Vereinigung Schweizer Berggebiete (VSB) fest, dass das Bemühen um regionalen Ausgleich sowie um einen Abbau des Entwicklungsgefälles zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Regionen bzw. zwischen städtischen und ländlichen Gebieten zu den Konstanten schweizerischer Innenpolitik gehöre und dass dabei auch die Medienpolitik eingeschlossen sei. VSB-Vertreter waren sich dieser Sache weniger sicher und forderten eine
bessere Artikulierung der Interessen von Berggebieten und Randregionen in den aktuellen Diskussionen um die zu schaffenden gesetzlichen Grundlagen. Dabei steht vor allem eine bessere Radio- und Fernsehversorgung im Vordergrund. Für alle Medienbereiche ermittelt der SRG-Forschungsdienst seit zehn Jahren Zahlen zum Medienkonsum. Die gesamte Mediennutzung wie auch der Fernsehkonsum des Durchschnittsdeutschschweizers hat sich in diesem Zeitraum kaum verändert. Durch die Einführung der Lokalradios konnte jedoch eine deutliche Zunahme des Radiokonsums festgestellt werden, der kontinuierlich rückläufige Zahlen beim Lesen entgegenstehen, wobei weniger die Lesezeit bei Büchern zurückgeht als diejenige bei Zeitungen und Zeitschriften
[2].
Die offizielle Information des Bundes
verfügt nun über
eine einheitliche Rechtsgrundlage für die amtlichen Veröffentlichungen. Nach dem Nationalrat genehmigte auch der Ständerat das Bundesgesetz über die Gesetzessammlungen und das Bundesblatt
[3].
Eine Ausdehnung der Bundesinformation stiess jedoch auf etliche Probleme und Widerstände. So verzichtete der Bundesrat auf die
Ausstrahlung von kostspieligen EMD-Kurzfilmen zu militärischen Themen im Westschweizer Abonnementsfernsehen Télécinéromandie. Mit der staatlichen Unterstützung einer privaten Gesellschaft hätte sich der Bund auf ein problematisches Terrain begeben. Ein vorzeitiges Ende fand ebenfalls das Projekt einer parlamentseigenen Zeitung, die während den Sessionen täglich hätte erscheinen sollen. Das Büro des Ständerats beschloss, eine Versuchsphase gar nicht erst zu riskieren. Auf zum Teil vehementen Protest stiessen die während der «Dreizack»-Manöver im Herbst von der
Abteilung Presse und Funkspruch (APF) unter dem Titel «Infosuisse» ausgestrahlten Radio- und Fernsehsendungen. Der Verband Schweizer Journalisten (VSJ), unterstützt von weiteren Organisationen der Medienschaffenden, ortete eine Verletzung des in der Bundesverfassung festgelegten Grundsatzes der Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen, weil die APF als Organ des Bundes staatsabhängig sei. Während der Bundesrat darauf hinwies, dass weder er noch das EJPD oder die Übungsleitung auf Grund der Übungsanlage Einfluss auf die Programme der APF nehmen können, folgten einige Rechtsspezialisten eher der Linie des VSJ und erklärten, dass zumindest die Öffentlichkeit von realitätsbezogenen Übungen nicht notwendig und auch nicht legitimiert sei. Ein gewisses Erstaunen löste ein Urteil des Kassationshofs des Bundesgerichts aus, welches feststellte, dass eine Verletzung militärischer Geheimnisse auch dann vorliegen könne, wenn «keine im Interesse der Landesverteidigung zu wahrenden Geheimnisse beeinträchtigt worden sind». Auch die Verletzung des «Vorfeldes militärischer Geheimnisse» sei strafbar
[4].
[1] O. Stich, « Sprache und Information in der Demokratie», in Documenta, 1986, Nr. 3, S. 11 ff.; BaZ, 23.8.86 ; JdG, 23.8.86. Weitere Publikationen allgemeiner Art zu Medienfragen : F. H. Fleck, «La création d'une nouvelle entreprise de communication — critères économiques d'évolution et de communication», in Revue économique et sociale, 44/1986, S. 88 ff.; R. Grossenbacher, Die Medienmacher. Eine empirische Untersuchung der Beziehung zwischen Public Relations und Medien in der Schweiz, Solothurn 1986.
[2] Berggebiete: NZZ, 30.6.86; Vat., 30.6.86. Medienkonsum : BZ, 23.4.86; vgl. zu dieser Thematik auch H. Bonfadelli / U. Saxer, Lesen, Fernsehen und Lernen. Wie Jugendliche die Medien nutzen und die Folgen, Zug 1986.
[3] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 295 und 493 ; Amtl. Bull. StR, 1986, S. 84 ff., 182 und 214 ; BBl, 1986, I, S. 885 ff.; NZZ, 16.1.86; 12.3.86; 19.3.86; 20.3.86; BaZ, 12.3.86; vgl. SPJ, 1985, S. 182. Als Konsequenz des Informationschaos nach der Tschernobyl-Katastrophe wird der Aufbau einer von der Bundeskanzlei geleiteten Informationsstelle für Ernstfälle anvisiert, vgl. SZ, 21.8.86. Betreffend Information von ständerätlichen Kommissionssitzungen vgl. oben, Teil I, 1c (Parlament). Das Bundesgericht erklärte das im Pressegesetz des Kantons Waadt verankerte Berichtigungsrecht der Behörden als zulässig, allerdings nicht für den Bereich von Radio und Fernsehen, vgl. Presse vom 13.11.86 und SPJ, 1985, S. 182.
[4] EMD: NZZ, 20.2.86; TW, 22.3.86. Parlamentszeitung: NZZ, 14.6.86; 20.6.86; Ww, 25, 19.6.86. APF: NZZ, 24.9.86; JdG, 26.9.86; 24 Heures, 1.10.86; TA, 17.11.86; 24.11.86; Interpellation Renschler (sp, ZH) betreffend Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen in Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2058 f. ; «Dreizack» vgl. auch oben, Teil I, 3 (Instructions). Bundesgericht: NZZ, 9.8.86; 30.10.86; BaZ, 22.9.86. Im Bereich der Information wurden drei Postulate der NR Flubacher (fdp, BL), Frey (fdp, NE) und Oehler (cvp, SG) betreffend Presseschauen des Dokumentationsdienstes der Bundesversammlung, integrale TV-Übertragung der Nationalratsdebatten sowie Schweizerischer Feuilletondienst überwiesen, vgl. Amtl. Bull. NR, 1986, S. 965 f., 1490 und 956 f.
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