Année politique Suisse 1987 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Strukturpolitik
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Forschungspolitik
Die Förderung der praxisorientierten Forschung durch den Staat wird in vielen Staaten und insbesondere in der EG als wichtiger Faktor für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft angesehen. Trotz ordnungspolitischer Bedenken ist auch in der Schweiz ein weiterer Schritt in dieser Richtung vollzogen worden. Mit einem Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EG war zwar 1986 für schweizerische Firmen prinzipiell der Zugang zu EG-Forschungsprojekten geöffnet worden. Da die EG aber bei ihren Technologieprogrammen für Unternehmen aus Mitgliedstaaten die Hälfte der Kosten übernimmt, fehlten schweizerischen privaten und öffentlichen Forschungsinstituten oft die Mittel, um sich beteiligen zu können. Zur Behebung dieses Wettbewerbsnachteils beantragte der Bundesrat dem Parlament unter dem Titel "Finanzierung der technologischen Zusammenarbeit in Europa 1988—1991" einen Verpflichtungskredit von 80 Mio Fr. Beide Kammern stimmten diesem Bundesbeschluss trotz gewisser ordnungspolitischer Vorbehalte zu. Grundsätzliche Kritik äusserte einzig Herczog (poch, ZH), der den technokratischen Charakter der EG-Forschungsprogramme kritisierte. Von der Wirtschaft war dieser Kredit ebenfalls begrüsst worden. Dabei wurde allerdings betont, dass die staatliche Unterstützung auf die sogenannte vorwettbewerbliche Phase beschränkt bleiben muss. Damit ist nach EG-Praxis gemeint, dass die Ausarbeitung zu einem marktreifen Produkt nicht unterstützungsberechtigt sein darf [12].
Die modernen Technologien haben ebenfalls Auswirkungen auf das Patentrecht. Der Ständerat akzeptierte die im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion Auer (fdp, BL), welche eine Revision des Patentrechts in dem Sinn verlangt, dass Substanzen und Systeme, wie sie die Gentechnologie hervorbringt, zum Patent angemeldet werden können. Die POCH-Nationalrätin Fetz (BS) möchte demgegenüber die praktische Anwendung dieser ethisch umstrittenen Forschungsrichtung bremsen: sie reichte eine Motion ein, die fordert, dass der Patentschutz nicht auf biologische Systeme ausgedehnt wird [13].
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Berggebiete und Fremdenverkehrsförderung
Förderungsmassnahmen für die Hotellerie und das Gastgewerbe werden in der Schweiz weniger als Hilfe an einen bestimmten Wirtschaftszweig, denn als regionalpolitisches Instrument betrachtet. Dies wurde besonders deutlich bei der Revision des "Bundesgesetzes über die Förderung des Hotel- und Kurortskredites" und einem dazugehörigen Finanzierungsbeschluss. Der Bundesrat verfolgte mit dieser Vorlage im wesentlichen drei Ziele: Die Aufstockung der Bundesdarlehen an die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredite (SGH) um 80 Mio Fr. für die näch sten zehn Jahre, die zeitliche Erstreckung 'der Zinsverbilligungsmassnahmen sowie die Ausdehnung dieser Massnahmen auf gewisse Tourismusregionen, die nicht im Berggebiet liegen. Bereits im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens hatten der Vorort und vor allem der Arbeitgeberverband — nicht aber der Gewerbeverband — ordnungspolitische Einwände gegen die staatliche Subventionierung von privaten Unternehmen angemeldet. Diese Kritik — gepaart mit ökologischen Einwänden gegen die Tourismusförderung — wurde im Nationalrat auch von Vertretern des LdU, der POCH und der Grünen sowie einem Freisinnigen (Auer, BL) vorgebracht, ein Nichteintretensantrag Fierz (gp, BE) scheiterte jedoch mit 118:16 Stimmen deutlich. Für die Regierungsparteien überwogen die regionalpolitischen Argumente zugunsten der Vorlage, obwohl auch in ihren Voten Zweifel an der Systemkonformität und am Nutzen dieser Finanzbeihilfen für die Renovation von Beherbergungsbetrieben nicht zu überhören waren [14].
Ohne jegliche Kritik passierte demgegenüber die 1986 vom Bundesrat vorgeschlagene Neufassung des auf Ende 1987 auslaufenden Bundesbeschlusses über die schweizerische Verkehrszentrale die beiden Räte. Damit ist die Subventionierung der Werbung für das Fremdenverkehrsland Schweiz für die nächsten fünf Jahre gesichert und auf einen höheren Stand gebracht worden [15].
Das EVD hat als letztes regionales Entwicklungskonzept dasjenige des Val-de-Ruz (NE) genehmigt. Damit verfügen alle 54 ausgeschiedenen Bergregionen über ein vom Bund anerkanntes Planungsinstrument, welches die Voraussetzung für die Ausrichtung von Bundesbeiträgen im Rahmen des Investitionshilfegesetzes für Berggebiete (IHG) bildet. Die Interessenvertreter der Berggebiete stellten an einer gemeinsamen Pressekonferenz ihre politischen Schlüsse aus den im Vorjahr präsentierten Ergebnissen des Nationalen Forschungsprogramms "Regionalprobleme der Schweiz" vor und verlangten eine Neuorientierung der Regionalpolitik. Wie diese aussehen sollte, blieb allerdings, mit Ausnahme der Forderung um Aufstokkung des Investitionshilfefonds von 800 auf 1 200 Mio Fr., noch recht unbestimmt [16].
 
[12] BBl, 1987, II, S. 910 ff.; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1 183 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 666 ff.; SHIV (Vorort), Jahresbericht, 117/1986-87, S. 119 ff. Siehe auch Ww, 7.5.87; SHZ, 7.5.87 (Interview mit dem Direktor des BA für Konjunkturfragen, Sieber), wf, AD, 27, 6.7.87 sowie unten, Teil I, 8a (Recherche) und SPJ, 1986, S. 66.
[13] Motion Auer: Amtl. Bull. StR, 1987, S. 644 f.; vgl. SPJ, 1986, S. 70. Motion Fetz: Verh. B.vers., 1987, IV, S. 53.
[14] BBl, 1987, II, S. 861 ff.; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1342 ff. und 1895; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 642 ff. und 695; BBl, 1988, I, S. 61. Siehe auch Presse vom 7.5.87; TA, 19.5.87; NZZ, 3.10.87; Vat., 7.10.87 sowie SPJ, 1986, S. 69.
[15] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 69 ff. und 1040; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 316 ff. und 425; BBl, 1987, III, S. 161; AS, 1987; S. 1210. Zur Botschaft siehe SPJ, 1986, S. 70.
[16] Val-de-Ruz: Die Region, 1987, Nr. 2 (Mitteilungen der Zentralstelle für regionale Wirtschaftsförderung); SGT, 24.4.87. Berggebiete: Bund, 24.2.87. Siehe auch Gesch.ber., 1987, S. 326 und SPJ, 1986, S. 69.