Année politique Suisse 1987 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Einnahmenordnung
1987 zeitigten die langjährigen Bemühungen der Bürgerlichen, bestimmte Kategorien von Steuerzahlern zu entlasten und gleichzeitig das Wachstum der Bundeseinnahmen zu beschneiden, einen konkreten Erfolg, indem ein diesbezüglicher befristeter Bundesbeschluss von beiden Räten verabschiedet wurde. Da sich das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bei den Räten in Behandlung befindet und voraussichtlich nicht vor 1991 in Kraft gesetzt werden kann, erachteten es die Fraktionen der drei bürgerlichen Bundesratsparteien als opportun, die von ihnen als dringend angesehene steuerliche Entlastung von Familien ohne Kompensation der Einnahmenausfälle vorzuziehen. Alle drei Parteien hatten sich bereits vorher um das Anliegen gekümmert, die CVP und die SVP mit entsprechenden Motionen, die FDP mit einer Volksinitiative für einen familienfreundlichen Doppeltarif, die allerdings nur mit Mühe zustande gekommen und im Frühjahr 1987 eingereicht worden war. Begründet wurde die Eile mit der als stossend empfundenen Mehrbelastung von Doppelverdiener-Ehepaaren gegenüber von Konkubinatspaaren, die vom Bundesgericht 1984 in bezug auf kantonale Steuern gerügt worden war. Die opponierende Ratslinke sah diesem "Steuergeschenk", das in der letzten Session vor den Wahlen beschlossen wurde und das niemandem eine Mehrbelastung, gutgestellten Ehepaaren aber spürbare. Entlastungen bringt, eher wahltaktische Uberlegungen zugrunde liegen. Das hinderte sie jedoch nicht daran, ihrerseits das Ziel einer getrennten Ehepaarbesteuerung mit noch massiveren Steuerentlastungen zu verfolgen.
Zur Diskussion standen im Nationalrat drei Vorlagen für Sofortmassnahmen, jene der bürgerlichen Kommissionsmehrheit, jene der sozialdemokratischen Kommissionsminderheit sowie ein Gegenvorschlag des Bundesrates. Unbestritten war in allen Fraktionen die Notwendigkeit der steuerlichen Angleichung von Ehe- und Konkubinatspaaren. Die Kommissionsmehrheit beantragte die Schaffung eines Doppeltarifes für Alleinstehende und Verheiratete mit einer gleichzeitigen Verflachung der steilen Progression für Einkommen zwischen 50 000 und 100 000 Franken. Die Minderheit, unterstützt von der LdU/EVP- und der PdA/PSA/POCHFraktion, wollte beim Einfachtarif bleiben, dafür aber ein "Teilsplitting", das heisst eine getrennte Veranlagung für doppelverdienende Ehepaare bis zu einem Einkommen von 20 000 Franken einführen. Ausserdem sollten die von der Mehrheit vorgeschlagenen Kinderabzüge von 4000 Franken pro Kind auf 5000 erhöht werden. Beim ersten Vorschlag wurde mit jährlichen Einnahmenausfällen von rund 365 Mio Fr., beim zweiten gar mit solchen von rund 470 Mio Fr. gerechnet. Der Finanzminister erinnerte deshalb daran, dass die Eliminierung der kalten Progression im Jahr 1989 einen zusätzlichen Steuerausfall von 550 Mio Fr. bringen werde und setzte sich deshalb für die bundesrätliche Lösung ein. Diese wollte vor allem die Familien mit Einkommen von weniger als 50 000 Franken begünstigen, jene von über 100 000 Franken dagegen zusätzlich belasten. In der Schlussabstimmung wurde der Vorschlag der Kommissionsmehrheit bei etlichen sozialdemokratischen Enthaltungen mit 105:31 Stimmen angenommen.
Bereits zwei Wochen später wurde das Geschäft im Ständerat behandelt. O. Piller (sp, FR) machte hier erneut darauf aufmerksam, dass die Vorlage nicht mittlere, sondern hohe Einkommen am meisten begünstige, erzielten doch in seinem Kanton 92% der Steuerzahler Einkommen von weniger als 50 000 Franken und könnten so von einer Entlastung von lediglich 50 bis 80 Franken profitieren. Bundesrat Stich warnte nochmals vor der Gefährdung einer umfassenden Steuerreform durch das Herauslösen der Steuerentlastungen, doch die kleine Kammer folgte den Argumenten der Nationalratsmehrheit und verabschiedete den bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über direkte Steuern, höchstens aber bis 1992 befristeten Bundesbeschluss mit 33:4 Stimmen
[5].
Die Behandlung des Bundesgesetzes über direkte Steuern (DBG) beschäftigte den Nationalrat als Zweitrat in der Wintersession, wobei die Beratungen nicht sehr weit gediehen. Ein zu Beginn gestellter Rückweisungsantrag einer SP-Vertreterin, die eine getrennte Besteuerung von Ehegatten verlangte, wurde als familienpolitisch unerwünscht zurückgewiesen. In zahlreichen Punkten folgte sodann der Rat den Vorgaben des Ständerates. So wandten sich auch die Volksvertreter gegen die Besteuerung von Beteiligungsgewinnen und von Gratisaktien und bekräftigten die Solidarhaftung der Ehepartner als Entsprechung der gemeinsamen Besteuerung.
Wie in der kleinen Kammer im Vorjahr wurde auch hier ein von sozialdemokratischer Seite lancierter Vorstoss abgewiesen, der einen Abzug eines Teils der Wohnungsmietkosten verlangte. Das Anliegen schien umso berechtigter, als der Rat zuvor die sehr eigentümerfreundliche Haltung des Ständerates in bezug auf die Besteuerung des Eigenmietwertes nur geringfügig abgeschwächt hatte. Nach seinem Willen sollen Wohneigentümer künftig einen Eigenmietwert abziehen können, der unter Berücksichtigung der ortsüblichen Verhältnisse und der Nutzung festgesetzt wird. Mit einer Vereinfachung der Administration und mit Anliegen des Umweltschutzes begründete Bundesrat Stich anschliessend die von der Kommission vorgesehene Pauschalierung der Berufsauslagen, welche insbesondere der Begünstigung von Autopendlern ein Ende gesetzt hätte. Da diese Änderung eine Mehrbelastung der Erwerbstätigen von insgesamt 80 Mio Fr. bedeutet und abgelegen Wohnende benachteiligt hätte, folgte die bürgerliche Mehrheit auch hier wieder dem Ständerat und beschloss, bei der individuellen Berechnung der Berufsauslagen zu bleiben. Zu einer nach Ansicht der Mehrheit unzulässigen Benachteiligung der Selbständigerwerbenden hätte sodann ein sozialdemokratischer Antrag geführt, der auch die Abzüge für die gebundene berufliche Altersvorsorge pauschalieren wollte.
Der wichtige Entscheid betreffend eines Übergangs zur einjährigen Gegenwartsveranlagung, vom Ständerat abgelehnt, von der Nationalratskommission befürwortet, von den bürgerlichen Fraktionen dann aber wiederum verworfen, wurde bei Abbruch der Verhandlungen an die Kommission zurückgewiesen
[6].
Bei den indirekten Steuern setzte sich Bundesrat Stich, wie oben vermerkt, für die Kompensation der "taxe occulte", (Warenumsatzsteuer auf Investitionsgütern und Betriebsmitteln) durch eine zehnprozentige Energiesteuer ein. Ende des Jahres bekam diese Idee auch Unterstützung durch eine im Auftrag des EFD erstellte Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Beseitigung der "taxe occulte" und einer Besteuerung der Energieträger. Die Verfasser, der Basler Professor G. Bombach und die "Basler Arbeitsgruppe für Konjunkturforschung", stellten darin einerseits zwar fest, dass diese Schattensteuer im Vergleich zu Wechselkursschwankungen, Subventionierungen und administrativen Handelshemmnissen nur geringe Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte habe. Sie betonten andererseits aber doch die Systemwidrigkeit der auf Investitionsgütern erhobenen WUSt und unterstrichen, dass ihre Abschaffung das Kapital relativ zur Arbeit verbilligen und somit zu Investitionsanreizen und zu einer höheren Arbeitsproduktivität führen würde.
Als Kompensation der Einnahmenausfälle rechneten sie drei mögliche Varianten durch. Die (von der FDP begünstigte) Ausdehnung der WUSt auf die Energieträger kam dabei am schlechtesten weg, da sie zuwenig einbrächte und zudem vor allem die Haushalte treffen würde, könnten doch Gewerbe und Industrie die für die Produktion benötigte Energie steuerfrei beziehen und hätten also keine Anreize zum Energiesparen. Eine Energieabgabe von 4%, dies die zweite Variante, würde zwar alle gleichermassen treffen, wäre aber zu gering, um lenkend wirksam zu sein und die "taxe occulte" auszugleichen. Dies könnte dagegen mit der dritten Variante, eben mit der zehnprozentigen Energieabgabe, erreicht werden, die ausserdem zu Substitutionsprozessen und in der Folge zu positiven konjunkturellen Wirkungen führen würde. Mit einer Energieabgabe wäre zwar das Problem der Schattensteuer nicht ganz aus der Welt geschafft, doch würden nach Bombach die meisten Exportprodukte so gleichmässig damit belastet, dass keine Wettbewerbsverzerrungen mehr entstünden. Von solchen wären höchstens energieintensive Produktionen (zum Beispiel Aluminium) betroffen, so dass sich die Wirtschaft allenfalls einem gewissen Strukturwandel unterziehen müsste.
Neben diesem Hauptteil der Studie wurden von den Experten auch noch zwei Vorschläge zur langfristigen Finanzierung der AHV unterbreitet und gegeneinander abgewogen. Der eine sieht eine Erhöhung der Lohnprozente um 0,8% vor, was angesichts hoher Lohnnebenkosten als nachteilig betrachtet wird, beim anderen geht es um eine Erhöhung der WUSt auf 7,2%, wodurch der in der Schweiz sehr niedrige Anteil der indirekten Steuern etwas dem internationalen Niveau angepasst würde. Gerade die grösstmögliche Anpassung des schweizerischen Abgabesystems an die in der Europäischen Gemeinschaft erhobenen indirekten Steuern wurde auch andernorts als dringend eingestuft, um der Öffnung des europäischen Binnenmarktes im Jahre 1992 begegnen zu können. Als hinderlich für eine systemgerechte Ausgestaltung der WUSt wurde dagegen von Bundesrat Stich die Motion Schmid (cvp, AI) gewertet, die im Frühjahr vom Ständerat überwiesen worden war und die die Abschaffung der WUSt auf energiesparenden Investionen verlangt
[7].
[5] CVP (Motion Meier, GL): vgl. SPJ, 1986, S. 90. Im Frühjahr überwies der StR eine Motion Gadient (svp, GR), die einen Steuerrabatt für Verheiratete verlangte (Amtl. Bull. StR, 1987, S. 45 ff.; Presse vom 6.3.87). Initiative der FDP: BBl, 1987, II, S. 354; Presse vom 28.2.87; NZZ, 10.4.87; vgl. SPJ, 1986, S. 90. Bundesbeschluss: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1115 ff. und 1519; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 522 ff. und 571; BBl, 1987, III, S. 256 ff.; Presse vom 24.9. und 8.10.87.
[6] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1707 ff., 1771 ff., 1795 ff. und 1835; Presse vom 15.-18.12.87; wf, Dok., 48, 30.11.87; vgl. auch SPJ, 1986, S. 90.
[7] Gutachten Bombach: Presse vom 13.11.87; SGT, 23.11.87. Motion Schmid: Amtl. Bull. StR, 1987, S. 96 f.; Presse vom 12.3.87; BaZ, 23.9.87; vgl. auch unten, Teil I, 6 a (Politique énergétique).
Copyright 2014 by Année politique suisse
Dieser Text wurde ab Papier eingescannt und kann daher Fehler enthalten.