Année politique Suisse 1988 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
 
Wahlen in grösseren Städten
Tabellen: siehe elections_ccc_1988.pdf
Auch bei den kommunalen Wahlen in den Städten Bern, Biel und St. Gallen waren die Gruppierungen am Rande des traditionellen politischen Spektrums auf dem Vormarsch. Die Sitzgewinne der Autopartei auf der einen und der Grünen auf der andern Seite gingen jedoch nur in St. Gallen auf Kosten der bürgerlichen Parteien [29].
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Bern
Die Neubestellung des 80köpfigen Berner Stadtparlaments führte zu einem leichten Rechtsrutsch im Stadtrat. Gleichzeitig verlagerten sich die Kräfte auf die beiden Extreme des Parteienspektrums, indem vor allem die Autopartei und das linke Grüne Bündnis Sitzgewinne verbuchen konnten. Verlierer waren die Sozialdemokraten, deren nach wie vor grösste Fraktion von 23 auf 20 Mandate schrumpfte. Ebenfalls zu den Verlierern gehörten die POCH-Grünen, die 2 ihrer bisher 4 Sitze einbüssten, während gleichzeitig das Grüne Bündnis von einem auf 4 Sitze zulegte und damit Fraktionsstärke erreichte. Einen Sitz gewann auch die gemeinsame Liste von Jungem Bern und Freier Liste (FL, gesamtschweizerisch GPS), wobei alle 7 Gewählten dem seit Jahrzehnten in der Bundesstadt aktiven Jungen Bern angehören. Zusammen mit den weiterhin 2 Vertretern der Demokratischen Alternative (DA, gesamtschweizerisch GPS) werden die Linken und Grünen insgesamt künftig bloss noch auf 35 sichere Stimmen zählen können. Obwohl auch im rechten Lager Sitzverluste zu verzeichnen waren, errangen demgegenüber die bürgerlichen und rechten Parteien zusammen 41 von 80 Mandaten. Dabei gehörten die Autopartei, die mit 4 Vertretern auf Anhieb in Fraktionsstärke in den Stadtrat einzog, sowie die EDU mit einem und die SVP mit einem zusätzlichen Sitz zu den Wahlsiegern, während die NA und die FDP je 2 Mandate verloren. Die Einbussen bei der FDP wurden freilich durch die Wahl einer Vertreterin der Jungfreisinnigen gemildert. Der leichte Rechtsrutsch und die Polarisierung lassen sich zum Teil damit erklären, dass die Auseinandersetzungen um die autonome Hüttensiedlung Zaffaraya und die Reithalle im Zentrum des Wahlkampfs standen und den Forderungen nach Ruhe und Ordnung Auftrieb gaben. Allerdings sind im Berner Stadtrat weiterhin wechselnde Mehrheiten in Sachfragen möglich, wenn neben den LdU- und EVPAbgeordneten – beide Parteien fielen von 3 auf 2 Sitze zurück – auch einzelne Bürgerliche mit dem links-grünen Lager stimmen [30].
Die Gemeinderatswahlen in der Stadt Bern endeten mit der Bestätigung der 1984 errungenen bürgerlichen Mehrheit in der 7 Mitglieder zählenden Exekutive und mit einer Niederlage für die SP, deren Schuldirektorin Gret Haller nicht wiedergewählt wurde. Die linke Sozialdemokratin, die wegen ihres profilierten politischen Stils und ihres feministischen Engagements immer wieder unter Beschuss geraten war, scheiterte nicht zuletzt daran, dass sie beim traditionellen gewerkschaftlichen SP-Flügel Stimmen verlor und im Gegensatz zu ihren beiden Parteikollegen nur wenige bürgerliche Zusatzstimmen erzielte. Mit einem Wähleranteil von 28,1% sicherten sich die Sozialdemokraten zwar ihre zwei Regierungssitze, konnten aber das Mandat des zurücktretenden Heinz Bratschi, der 1984 von der SP nicht mehr nominiert und auf einer eigenen Liste gewählt worden war, nicht zurückerobern. Neu zog der Gewerkschafter Klaus Baumgauner in den Gemeinderat ein, der auf der SP-Liste Gret Haller um wenige Stimmen überrundet hatte. Das Mandat von Bratschi eroberte Joy Matter vom Jungen Bern, so dass die Stadtberner Exekutive weiterhin eine Frau und 6 Männer zählt. Zum Wahlsieg der bürgerlichen Liste "Vierer mit" aus FDP, SVP und CVP, die 51,8% der Stimmen erzielte und damit einen fünften Sitz nur knapp verfehlte, trug der Verzicht der NA und der Autopartei auf eine eigene Kandidatur bei. Demgegenüber traten die Parteien links des Bürgerblocks zersplittert mit insgesamt 9 Kandidierenden auf 4 Listen an (Listenverbindungen sind nicht gestattet). Eine Wahlallianz aller linken und grünen Kräfte mit dem Ziel, die bürgerliche Mehrheit zu brechen, war zuerst an der SP, dann am Jungen Bern gescheitert [31].
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Biel
Bei den Gemeindewahlen in Biel versuchten die bürgerlichen Parteien vergeblich, die Tradition des "roten Biels" zu brechen. Vielmehr rückte die parteipolitische Linke im Parlament deutlich vor. Die SP gewann die 1984 eingebüssten 2 Mandate zurück, womit die grösste Fraktion wieder 25 von 60 Sitzen im Stadtrat stellt. Je einen Sitzgewinn verbuchten das aus der POCH und der SAP hervorgegangene Grüne Bündnis, das mit neu 4 Mandaten Fraktionsstärke erreichte, sowie der LdU. Neu nahmen die Autopartei mit 3 Sitzen sowie die Freie Liste (GPS) mit 2 Sitzen im Stadtrat Einsitz. Demgegenüber verlor die FDP als einzige Partei ein Mandat. Nicht mehr angetreten waren die NA (bisher 2 Sitze) und die Freien Bieler Bürger (FBB), die 1984 mit 6 Mandaten noch die drittgrösste Fraktion gestellt und im Stadtrat jeweils das Zünglein an der Waage zwischen dem linken und dem rechten Block gespielt hatten.
Auch bei der Neubestellung der Bieler Exekutive musste das bürgerliche Lager eine Niederlage einstecken: Der Angriff der Gemeinschaftsliste "Bürgerliches Biel" auf die sozialdemokratische Mehrheit im Gemeinderat und auf das SP-Stadtpräsidium scheiterte, und der Sozialdemokrat Hermann Fehr wurde mit überwältigendem Vorsprung auf seinen freisinnigen Herausforderer als Stadtpräsident wiedergewählt. Unverändert blieb auch die Sitzverteilung in der neunköpfigen Stadtregierung (5 SP, 4 Bürgerliche). Während im ständigen Gemeinderat die Bisherigen bestätigt wurden, ersetzte im nichtständigen Gemeinderat Josef Anetzhofer (svp) seinen Parteikollegen Jakob Habegger, und als Nachfolgerin von Antoine Petermann (sp) wurde die Sozialdemokratin Françoise Steiner gewählt. Damit sind nun zwei Frauen in der Regierung der Stadt Biel vertreten [32].
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St. Gallen
Die Wahlen ins Parlament der Stadt St. Gallen führten zu beträchtlichen Sitzverschiebungen im 63 Mitglieder zählenden Gemeinderat und verstärkten den Trend der St. Galler Grossratswahlen noch: Die Gruppierungen an den äusseren Flügeln des Parteienspektrums gewannen, die bürgerlichen Parteien FDP und CVP verloren, und die SP konnte ihre Position halten. Zu den Wahlsiegern gehörten die Grüne Liste M.U.T. (Grünes Bündnis), die von einem auf 4 Mandate zulegte, und die mit ihr verbundene Liste der Politischen Frauengruppe (PFG) mit 2 Gewinnen und neu 3 Sitzen. Die Autopartei errang auf Anhieb 5 Sitze und erreichte damit ebenfalls — wie die Grünen und die PFG zusammen — Fraktionsstärke. Grosse Verlierer waren die Freisinnigen, die mit 6 Sitzverlusten und neu noch 14 Mandaten eine empfindliche Niederlage erlitten. Demgegenüber konnte die CVP, die 3 ihrer bisherigen 21 Sitze abgeben musste, den Schaden einigermassen in Grenzen halten. Innerhalb der CVP gewannen die Christlichsozialen an Gewicht auf Kosten des rechten CVP-Flügels, der mit einer eigenen Liste "Mittelstand und Gewerbe" angetreten war. Der LdU kam mit einem Sitzverlust davon [33].
Drei Wochen nach der empfindlichen Schwächung der bürgerlichen Regierungsparteien bei den Gemeinderatswahlen endeten die Wahlen in die städtische Exekutive, den fünfköpfigen St. Galler Stadtrat, mit dem Erfolg eines "wilden" CVP-Kandidaten: Nachfolger des altershalber zurückgetretenen Werner Pillmeier (cvp) wurde der von einem überparteilichen Komitee ins Rennen geschickte Erich Ziltener (cvp). Der offizielle CVP-Kandidat nahm die Hürde des absoluten Mehrs zwar ebenfalls, fiel jedoch als überzählig aus der Wahl. Sowohl der Demissionär als auch die beiden Kandidaten gehören der christlichsozialen Parteigruppe an. Diese hatte zuhanden der CVP-Mutterpartei den engagierten Umweltschützer Ziltener vorgeschlagen, verzichtete dann aber auf eine parteiinterne Kraftprobe, nachdem sich die CVP gegen den CSP-Favoriten entschieden hatte. Darauf entschloss sich Ziltener zu einer Kampfkandidatur und überflügelte — unterstützt von LdU, EVP und Grünen — seinen Kontrahenten. Die vier bisherigen Stadträte wurden bestätigt; eine Kandidatin der Grünen hatte keine Chance [34].
 
[29] Siehe auch die Aufstellung der 1988 gewählten Exekutivbehörden in der Buchausgabe; Vergleichswahlen siehe SPJ 1984, S. 37 ff. Zur Entwicklung des Frauenanteils in den städtischen Parlamenten siehe die Tabellen "1988 in kantonale / kommunale Parlamente gewählte Frauen" und "In kantonale und kommunale Parlamente gewählte Frauen 1981–I988" in der Buchausgabe.
[30] Bern: Stadtratswahlen (Legislative) vom 4.12.88: Presse vom 5.-7.12.88; Bund, 30.1.89 (Analyse von R. Burger). Wahlkampf: BZ, 27.5., 4.10. und 21.11.88; Bund, 15.8., 11.11., 14.11. und 16.11.88. Im Lauf der Legislatur 1984–1988 hatten mehrere Stadträte die Partei gewechselt (vgl. BZ, 22.11.88, Wahl-Beilage, S. 30). Zu den Auseinandersetzungen um Zaffaraya und Reithalle siehe SPJ 1987, S. 21 f.
[31] Bern: Gemeinderatswahlen (Exekutive) vom 4.12.88: Presse vom 5.-7.12.88; Bund, 28.1.89 (Analyse von R: Burger). Wahlkampf: Bund, 8.2., 17.9. und 24.11.88; BZ, 23.6., 27.8., 30.9. und 22.11.88; NZZ, 8.9.88; Ww, 10.11.88; TA, 30.1 1.88. Diskussionen um eine gemeinsame rot-grüne Liste: TW, 8.1., 3.2. und 21.11.88; Bund, 11.2., 17.3. und 21.4.88; BZ, 21.4., 26.8. und 30.8.88. Verteilung der Departemente: BZ, 13.1.89.
[32] Biel: Wahlen des Stadt- und Gemeinderates (Legislative bzw. Exekutive) vom 20.11.88: Berner Presse vom 21.11. und 22.11.88. Wahlkampf: BZ, 26.7., 4.10. und 14.11.88.; Bund, 30.8. und 11.11.88; TW, 1.9. und 10.11.88. Zum "roten Biel" siehe BZ, 27.10.88 sowie Lit. Kästli.
[33] St. Gallen: Gemeinderatswahlen (Legislative) vom 4.9.88: Presse vom 5.9.88; SGT, 6.9.88. Wahlkampf: SGT, 16.4., 19.7., 22.8., 30.8. und 1.9.88; SZ, 7.5.88; BaZ, 1.9.88.
[34] St. Gallen: Stadtratswahlen (Exekutive) vom 25.9.88: NZZ und SGT, 26.9.88. Wahlkampf: SGT, 19.5., 17.6., 12.8., 17.8. und 20.8.88. Verteilung der Departemente: SGT, 26.10.88.