Année politique Suisse 1989 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
 
Geld- und Währungspolitik
Die Nationalbank hielt im Einvernehmen mit dem Bundesrat an ihrer restriktiven Geldmengenpolitik fest. Die bereinigte Notenbankgeldmenge reduzierte sich 1989 um 1,9%; das anfangs Jahr genannte Wachstumsziel von +2% wurde damit deutlich unterschritten. Bereits in den ersten Monaten hatte die Nationalbank erkannt, dass sie ihren Kurs verschärfen musste, um die sich beschleunigende Teuerung in den Griff zu bekommen. Die einzelnen Aggregate entwickelten sich unterschiedlich: Die Geldmenge M1 (Bargeldumlauf und Sichteinlagen) lag im Durchschnitt um 5,5% unter dem Vorjahresstand und widerspiegelte damit die Reaktion des Publikums auf die gute Verzinsung der Termineinlagen. Bei der Geldmenge M3, welche zusätzlich auch die Termin- und Spareinlagen umfasst: verlangsamte sich das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr von 9,8% auf 6,2%. Als Richtziel für 1990 legte die SNB im Einvernehmen mit dem Bundesrat ein Wachstum der bereinigten Notenbankgeldmenge um 2% fest [1].
Die restriktive Geldmengenpolitik stiess wegen ihrer kurzfristigen Auswirkungen auf die Zinsen freilich auch auf Kritik. Anlässlich der Behandlung einer Dringlichen Interpellation der SP-Fraktion im Nationalrat — bei der es allerdings primär um das Mietrecht und die Uberwälzung der gestiegenen Hypothekarzinsen auf die Wohnungsmieten ging — bezeichnete der Präsident des Mieterverbandes, Moritz Leuenberger (sp, ZH), diese Politik als verantwortungslos. Der Bundesrat stellte sich in seiner Antwort hinter die Nationalbank und betonte, dass im Hinblick auf eine mittel- und langfristige Geldwertstabilität kurzfristig höhere Zinssätze in Kauf zu nehmen seien [2].
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Währungspolitik
Der Schweizer Franken verlor in den ersten Monaten gegenüber den Währungen aller wichtigen Handelspartner an Wert. Begünstigt durch die Einführung des flexiblen Lombardsatzes und die starken Zinserhöhungen auf dem Eurofrankenmarkt erholte er sich vom Juni an wieder. Im letzten Quartal verbesserte sich der Frankenkurs gegenüber den Währungen der USA, Grossbritanniens und Japans weiter, während er sich gemessen an den Devisen des Europäischen Währungssystems (EWS) wiederum verschlechterte. So stieg der Wert der D-Mark bis zum Jahresende auf 0.91 Fr. und bewegte sich damit auf einem seit Mai 1981 nicht mehr erreichten Niveau. Im Jahresmittel lag der Wechselkurs des Frankens gegenüber allen andern wichtigen Währungen unter dem Stand des Vorjahres. Die grössten Abwertungen ergaben sich gegenüber dem US-Dollar (-10,5%) und den EWS-Währungen (-4,0 bis -5,7%). Der mit den Exporten in die 15 wichtigsten Handelspartnerländer gewichtete Wechselkursindex sank im Jahresmittel um 5,2%, der mit dem Konsumentenpreisindex gewichtete reale Index gar um 6,4% [3].
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Geld- und Kapitalmarkt
Die schweizerischen Geldmarktsätze stiegen 1989 weiterhin stark an. Der Satz für dreimonatige Einlagen auf dem Eurofrankenmarkt kletterte im Monatsmittel von 4,92% im Dezember 1988 auf 7,44% im Mai. Nach einer kurzen Beruhigung stieg er bis zum Dezember weiter auf 8,29%; die Tageswerte erreichten zu Jahresende fast 9%. Damit verschwand die Zinsdifferenz zu entsprechenden Einlagen am Eurodollarmarkt, welche anfangs Jahr noch rund 4% betragen hatte [4].
Am 14. April erhöhte die Nationalbank ihre offiziellen Sätze. Der Lombardsatz wurde von 6% auf 7% und der Diskontsatz von 4% auf 4,5% angehoben. Rund einen Monat später führte die Nationalbank den flexiblen Lombardsatz ein. Die tägliche Anpassung dieses Satzes an die Marktverhältnisse sollte dazu führen, dass die Banken nur bei aussergewöhnlichen Liquiditätsbedürfnissen auf Lombardkredite zurückgreifen. Den Diskontsatz erhöhte die SNB Ende Juni um einen weiteren Prozentpunkt auf 5,5% [5].
Auch auf dem Kapitalmarkt zeigte der Zinstrend nach oben, allerdings bedeutend weniger steil als bei den kurzfristigen Anlagen. Im Jahresverlauf erhöhte sich die Rendite für Obligationen der Eidgenossenschaft von durchschnittlich 4,1 % auf 5,75%. Die Vergütungen für Spareinlagen verbesserten sich im Mittel um rund einen Prozentpunkt auf knapp 4%. Auch die Hypothekarzinsen konnten sich dem allgemeinen Trend nicht entziehen. Die Sätze für Althypotheken stiegen im Monatsdurchschnitt von 5,00% im Januar auf 5,92% im Dezember, diejenigen für Neue gar von 4,99% auf 6,49% [6].
Analog zum Geldmarkt reduzierte sich auf dem Kapitalmarkt die Zinsdifferenz zum Ausland. Dies mag mit ein Grund sein, weshalb der schweizerische Kapitalmarkt weniger stark beansprucht wurde als in den vorangegangenen Jahren. Insgesamt wurden Obligationen und Aktien in der Höhe von 50,7 Mia Fr. emittiert (1988: 56,1). Dabei stieg die Beanspruchung durch inländische Schuldner um 21 % auf 19,4 Mia Fr. an, der Wert der neu aufgelegten ausländischen Anleihen war hingegen markant rückläufig. Der bewilligungspflichtige Kapitalexport (Anleihen und Kredite) bildete sich um 18% auf 42,0 Mia Fr. zurück. Bei insgesamt kleinerem Volumen erhöhten sich die Anteile der Entwicklungsländer und der Staaten Osteuropas an diesen Exporten auf 7,2% resp. 7,7%. Vier Fünftel davon gingen aber an Industrieländer: rund 30% nach Westeuropa und Nordamerika und knapp 50% nach Japan [7].
 
[1] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 33 ff.; " Die Geldpolitik der Nationalbank in den Jahren 1989 und 1990", in SNB, Quartalsheft, 7/1989, Nr. 4, S. 285 f.
[2] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1795 ff. und 1884 ff. Siehe auch Lit. Lusser und Rich sowie NZZ, 16.12.89.
[3] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 38 f.; SNB, Monatsbericht, 1990, Nr. 1, S. 33 ff.
[4] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 36 f.; SNB, Monatsbericht, 1990, Nr. 1, S. 39. Zur steuerlichen Entlastung von Geldmarktgeschäften siehe unten, Banken.
[5] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 36 f.
[6] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 39 f.; SNB, Monatsbericht, 1990, Nr. 1, S. 40. Zu den Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt siehe unten, Teil I, 6c (Mietwesen).
[7] SNB, Geschäftsbericht, 82/1989, S. 40 f.; SNB, Monatsbericht, 1990, Nr. 6, S. 57 ff.