Année politique Suisse 1990 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
Presse
Die
Pressekonzentration schritt im Berichtsjahr weiter voran. Die Zusammenschlüsse konnten unter anderem als Massnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb des zukünftigen europäischen Binnenmarkts interpretiert werden. Die Frage, ob durch eine Konzentration auf rein unternehmerischer Ebene die Meinungsvielfalt in Gefahr sei, wurde unterschiedlich beurteilt
[4].
Vor allem die
Tages-Anzeiger AG hat in verschiedene Richtungen expandiert und in bezug auf das Umsatzvolumen den bisherigen Branchenersten Ringier überholt. Im Zeitungsbereich hat sie 49% des Aktienkapitals der Berner Zeitung übernommen, mit welcher sie schon längere Zeit in den Bereichen "Das Magazin", "Sonntagszeitung" und verschiedener Beilagen zusammenarbeitete. Dieser medienpolitisch bedeutende Schulterschluss wurde seitens der Tages-Anzeiger-Gruppe damit gerechtfertigt, dass er nötig sei, um einen starken Schutz vor ausländischen und branchenfremden Übergriffen zu bilden. Die beiden Verlagshäuser haben zudem gemeinsam mit den "Luzerner Neuste Nachrichten" im Inseratebereich unter dem Namen "Swiss-Combi" einen Zusammenschluss vollzogen. Eine Diversifizierung stellte das Vordringen der Tages-Anzeiger AG in den audiovisuellen Bereich dar: Sie übernahm 40% des Aktienkapitals der Condor Productions AG, dem Marktleader in der Schweiz für TV- und Kinowerbespots, Spielfilme und Serien
[5]
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Die Ringier AG beklagte das finanzielle Fiasko des im Jahre 1989 eingestellten "Basler Blicks" und kämpfte mit den Folgen rückläufiger Anzeigenerlöse auf dem inländischen Markt, was unter anderem, trotz hoher Verkaufszahlen, zur Einstellung des "Blick für die Frau" führte. Hingegen konnte das relativ erfolgreiche Wirtschaftsmagazin "Cash" unter dem Namen "Profit" in die Tschechoslowakei expandieren.
Grosses Aufsehen erregten die
Pläne zu einer überregionalen welschen Tageszeitung in Zusammenarbeit mit der Westschweizer Edipresse, welche zur. Verlegergruppe Lamunière S.A. gehört. Hierzu wurde der bisherige Chefredaktor der Ringier-Publikation "Hebdo", Jacques Pilet, als Projektleiter zu Edipresse delegiert
[6]
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In der
sozialdemokratischen Presselandschaft hat sich — zum Teil infolge dieses wirtschaftlichen Konkurrenzdrucks, aber auch aus politischen Gründen — ein Öffnungsprozess abgezeichnet. Das "Volksrecht" (Zürich) und die "Winterthurer AZ" kündigten an, ihr Aktienkapital auch für ideell nahestehende links-grüne Gruppierungen zu öffnen
[7].
Die 1894 von Verlegern und dem Journalistenverband gegründete
Schweizerische Depeschenagentur (SDA) kämpfte im Berichtsjahr weiterhin mit finanziellen Schwierigkeiten. Trotz Rationalisierungsmassnahmen — unter anderem der Abbau von sechs Redaktorenstellen im französischsprachigen Dienst — wurde ein Defizit von mindestens einer Million Franken erwartet. Chefredaktor Oswald Sigg und der Verwaltungsrat schlugen eine
höhere Abgeltung aus der Bundeskasse vor, weil die sehr teure Nachrichtenversorgung der gesamten Schweiz in drei Sprachen als eine nationale Aufgabe ausreichend honoriert werden sollte. In seiner Antwort auf zwei parlamentarische Vorstösse gab der Bundesrat bekannt, dass er die Verwaltung mit der Überprüfung der Forderungen der SDA beauftragt hat. Neben der finanziellen Krise schwelte aber auch die interne Führungskrise weiter: Chefredaktor Sigg reichte seine Kündigung ein, nachdem es ihm nicht gelungen war, eine neue Führungsstruktur gegen den Widerstand des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung durchzusetzen. Neuer Chefredaktor wurde der Welschwalliser Bernhard Reist
[8]
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Finanzielle Engpässe führten bei den
Photoagenturen im laufenden Berichtsjahr zu einer Monopolisierung, indem der Bildagenturdienst von Associated Press (AP) durch die schweizerische
Keystone Press AG in einem Kooperationsvertrag übernommen wurde
[9]
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Eine Bereicherung der Agenturlandschaft erfuhr die Schweiz hingegen durch die Wiedereröffnung der
sowjetischen Nachrichtenagentur Novosti. Im Jahre 1983 war die Agentur auf Druck des damaligen Bundesrates Friedrich wegen Propagandatätigkeit und Verdacht auf subversive Indoktrination kurzerhand geschlossen worden. Novosti ist, im Gegensatz zur staatlichen Nachrichtenagentur Tass, das Informationsorgan von fünf sowjetischen Organisationen kultureller Ausrichtung, darunter der Journalistenunion und des Schriftstellerverbandes. Laut dem neuen Leiter, Yuri Puschkin, geniessen diese Organisationen heutzutage dank der Öffnung der Sowjetunion eine viel grössere Unabhängigkeit von Staat und Partei, wovon jetzt auch das Novosti-Büro in Bern profitiere
[10].
[4] SHZ, 15.2.90; TA, 9.3.90; Bilanz, 1990, Nr. I1. Zum Projekt einer rätoromanischen Tageszeitung in "Rumantsch Grischun" siehe oben, Teil I, 8b (Das Verhältnis zwischen den Sprachgruppen).
[5] TA und BZ, 9.2.90; Presse vom 10.2.90; Klartext, 1990, Nr. 2; SJU news, 1990, März. Swiss Combi: NZZ, 16.10. und 1.11.90. Condor: TA und TW, 10.2.90.
[6] Geschäftsbericht 1989: NZZ, 25.4.90; L'Hebdo, 3.5.90. NZZ, 15.9.90 (Blick für die Frau). SGT, 25.4.90; TA, 10.7.90 (Cash). DP, 11.10.90; Presse vom 16.10.90 (welsche Tageszeitung). Vgl. auch Klartext, 1990, Nr. 5.
[7] BüZ, 19.10.90; TA, 26.10.90; BaZ, 24.11.90; Klartext, 1990, Nr. 5.
[8] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 738 und 783 f.; JdG, SHZ und BaZ, 1.2.90; TA, 9.2. und 1.9.90. Bund, 7.12.90; Klartext, 1990, Nr. 1 und 6; SJU news, 1990, März; vgl. auch SPJ 1989, S. 252 f.
[9] SN, 8.3.90; NZZ, TW, 29.8.90; Klartext, 1990, Nr. 2.
[10] AT, 10.7.90; SN, 17.8.90. Zur Schliessung siehe SPJ 1983, S. 17.
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