Année politique Suisse 1991 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Unternehmer
Einiges Aufsehen erregte die Nein-Parole des
Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins zum Finanzpaket. Unternehmerverbände wichtiger exportorientierter Branchen wie die Maschinenindustrie hatten sich zuvor, wegen der vorgesehenen Abschaffung der steuerlichen Belastung auf Betriebsmitteln und Investitionen (Taxe occulte) für das Finanzpaket ausgesprochen. Der Vorort begründete seinen Entscheid damit, dass er einen Wechsel zum Mehrwertsteuersystem wohl begrüssen würde, dass er aber das Kompromisspaket nicht unterstützen könne, weil auf einen gleichzeitigen Abbau der Direkten Bundessteuer verzichtet worden sei
[1]. Der Arbeitgeberverband vertrat die gleiche Position wie der Vorort, während die Bankiervereinigung, welche primär an dem mit der Finanzreform gekoppelten Stempelsteuerabbau interessiert war, Zustimmung empfahl
[2].
In einer ersten Stellungnahme äusserte sich der Vorort grundsätzlich positiv zum EWR-Vertrag; einen
Beitritt zur EG bezeichnete er hingegen als nicht vordringlich. Unabhängig von den integrationspolitischen Entscheiden muss sich nach Ansicht des Vororts die Schweiz durch ein umfassendes marktwirtschaftliches Liberalisierungsprogramm erneuern. Nur so könne es der Wirtschaft gelingen, auch in Zukunft im härter gewordenen internationalen Wettbewerb zu bestehen
[3].
Der
Schweizerische Gewerbeverband (SGV), der schon 1977 und 1979 massgeblich zum Scheitern der Bundesfinanzreform beigetragen hatte,
bekämpfte auch das am 2. Juni dem Volk vorgelegte Finanzpaket. Grundsätzlich kritisierte er die unveränderte Beibehaltung der Direkten Bundessteuer. Besonders stark war die Opposition einzelner Branchenverbände (Coiffeure, Wirte), deren Leistungen der neuen Mehrwertsteuer unterstellt worden wären
[4]. An seinem Kongress in Bern vom 25. September kündigte der SGV an, dass er 1992 eine Volksinitiative zur Abschaffung der Direkten Bundessteuer bis zum Jahr 2002 lancieren werde
[5]. Von den Referenden, die gegen Parlamentsbeschlüsse der Herbstsession lanciert wurden, unterstützte der SGV offiziell dasjenige gegen das bäuerliche Bodenrecht. Allerdings verschickte er auch Unterschriftenbogen gegen die Parlamentsreform und den Beitritt zum IWF
[6].
Obwohl sich der scheidende Präsident Kündig am Kongress im September noch relativ positiv zum EWR-Vertrag geäussert hatte, beantragte im November der Vorstand des SGV der Gewerbekammer, welche für die definitive Stellungnahme zuständig ist, den EWR abzulehnen
[7].
Nach neunjähriger Amtszeit trat der Zuger CVP-Ständerat Kündig vom
Präsidium des SGV zurück. An seine Stelle wurde am Gewerbekongress vom 25. September in Bern der freisinnige Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Drogistenverbandes,
Hans-Rudolf Früh (AR) gewählt
[8].
[1] SHIV Info, April/Mai, 1991. Vgl. auch Ww, 11.4. und 23.5.91. Die LdU-Initiative für den öffentlichen Verkehr empfahl der Vorort zur Ablehnung.
[2] AT, 24.5.91 (Arbeitgeber); TA, 8.4.91 (Banken).
[3] NZZ, 7.12.91; Presse vom 13.12.91. Vgl. auch Schweiz. Handels- und Industrie-Verein, Für eine wettbewerbsfähige Schweiz von morgen. Ein wirtschaftspolitisches Leitbild, Zürich 1991 sowie oben, Teil I, 4a (Einleitung). Vgl. zum Vorort auch Politik und Wirtschaft, 1991, Nr. 7, S. 31 ff.
[4] Bund, 8.2.91. Vgl. auch BZ, 20.4.91 (Triponez). Die LdU-Initiative für den öffentlichen Verkehr empfahl der SGV zur Ablehnung (NZZ, 12.1.91).
[6] TA, 16.11.91; SGZ, 46, 14.11.91.
[7] NZZ, 19.11.91. Vgl. zum SGV auch Politik und Wirtschaft, 1991, Nr. 9, S. 27 ff.
[8] Bund, 8.2.91; Presse vom 26.9.91. Zu Früh siehe auch AT, 21.9.91; TA und SGT, 26.9.91; SHZ, 17.10.91.
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