Année politique Suisse 1991 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
Ausländerpolitik
Der Bundesrat will sich der
Völkerwanderung von Süd nach Nord und von Ost nach West mit einer eigentlichen Migrationspolitik stellen, welche die Ausländer- und Asylpolitik ergänzt. Der Vorsteher des EDA erklärte anlässlich der Überweisung eines Postulates von Ständerat Bühler (fdp, LU), welches eine engere europäische Zusammenarbeit und eine Koordination der Migrationspolitik mit der Entwicklungshilfe und der Ausländerpolitik anregte, die Migrationen seien für die Schweiz wie für ganz Europa eines der wichtigsten Probleme der nächsten Jahrzehnte. Felber rief in Erinnerung, dass bereits anfangs Jahr in Wien eine Konferenz über Ost-West-Migration stattgefunden hatte, wobei die Idee eines internationalen Migrations-Abkommens unter den Industrieländern entstanden und gleichzeitig die Überzeugung bekräftigt worden war, dass vordringlich die Ursachen der Auswanderung beseitigt werden müssten
[1].
Im Mai stellte der Bundesrat einen neuen Bericht zur Ausländer- und Flüchtlingspolitik vor. Anders als der Strategiebericht zwei Jahre zuvor entstand dieser nicht mehr unter Federführung des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF), sondern unter jener des Biga. Im Vordergrund stehen denn auch mehr arbeitsmarktorientierte Fragestellungen. Hauptpunkt der mittelfristigen Ausländer- und Asylpolitik sei es, so führte Bundesrat Koller an der Pressekonferenz aus, eine EWR-konforme Ausländerpolitik zu definieren. Nach dem Willen des Bundesrat soll inskünftig ein Drei-Kreise-Modell zum Zug kommen. Der innere Kreis umfasst die EG- und Efta-Staaten. Deren Bürger sollen schrittweise keinen ausländer- oder beschäftigungspolitischen Beschränkungen mehr unterliegen, sowie dies ab 1993 auch im Rahmen des geplanten EWR vorgesehen ist.
Im zweiten Kreis des Modells befinden sich einerseits die traditionellen Rekrutierungsländer ausserhalb des EG- und Efta-Raumes, in denen bisher weniger qualifizierte Arbeitskräfte angeworben wurden. Konkret war damit Jugoslawien gemeint. Bürger dieser Staaten sollen nur noch als Saisonniers oder Jahresaufenthalter in unserem Land arbeiten können, wenn die Reserven aus dem inneren Kreis erschöpft sind. Dem zweite Kreis ordnete der Bundesrat anderseits alle jene Länder zu, mit denen die Schweiz enge kulturelle Beziehungen unterhält (Nordamerika, eventuell auch Australien, Neuseeland und die Länder Ost- und Südosteuropas). Hier erhofft sich der Bundesrat eine vermehrte Rekrutierung von hochqualifizierten Arbeitskräften. Für die Staaten des zweiten Kreises wird aber ein strenger politischer Massstab angelegt: sie müssen demokratisch regiert sein und die Menschenrechte beachten, asylrechtlich also zu den "safe countries" zählen. Zum dritten Kreis werden alle übrigen Länder gerechnet; dort würden grundsätzlich keine Arbeitskräfte rekrutiert. Ausnahmen für vorübergehende Aufenthalte von Spezialisten sollen indessen möglich sein. Ansonsten wird für Menschen des äussersten Kreises die Schweiz höchstenfalls Asylland bleiben.
Im Bereich der
Asylpolitik setzte der Bundesrat zwei Schwerpunkte. Einerseits will er inskünftig vermehrt dazu beitragen, die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den Herkunftsländern zu verbessern, um die
Ursachen der Auswanderung zu beseitigen. Andererseits strebt er eine immer
engere Zusammenarbeit mit den anderen europäischen Aufnahmestaaten an (Erstasylabkommen, Harmonisierung des Asylrechts, Datenaustausch). Zudem bekräftigte er erneut seinen Willen, die durch die dritte Asylgesetzrevision geschaffenen Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung möglichst voll auszuschöpfen
[2].
Im Nationalrat wurde der Bericht mit ziemlicher Skepsis aufgenommen. Die meisten Redner würdigten zwar, dass sich der Bundesrat um eine Gesamtschau der Probleme bemüht und eine gute Diskussionsgrundlage geschaffen habe, bemängelten aber die primär arbeitsmarktpolitische Ausrichtung des Berichts, die offen. sichtliche Abkehr von der Stabilisierungspolitik der 70er Jahre und die fehlenden Perspektiven in der Flüchtlingspolitik. Die innereuropäische Öffnung wurde im grossen und ganzen positiv aufgenommen, ausser bei den SD und Teilen der SVP, welche die fehlenden demographischen Berechnungen über die Auswirkungen des freien Personenverkehrs kritisierten. Wenig Freude am Modell der drei Kreise zeigten CVP und SP. Ihrer Ansicht nach werden damit bereits innerhalb Europas Bürger einzelner Staaten als Menschen zweiter Klasse diskriminiert. Zudem sei es stossend, meinten einige Votanten, dass nach dem bundesrätlichen Konzept ausgerechnet Personen aus Ländern, in denen Menschenrechte immer wieder verletzt werden, keine Chance mehr haben sollen, in der Schweiz zu arbeiten.
Erwartungsgemäss war es der dritte Kreis, der zu den hitzigsten Debatten führte. Hier taten sich Ruf (sd, BE) – welcher nicht nur die Rückweisung des Berichtes, sondern gar den Rücktritt des gesamten Bundesrates verlangte – und Dreher (ap, ZH) durch Rundumschläge gegen die bundesrätliche Politik hervor. Deutliche Kritik an der bisherigen Asylpolitik, aber ohne fremdenfeindliche Untertöne, übte auch die liberale Fraktion; sie regte an, das Asylgesetz sei abzuschaffen und die überholte Flüchtlingskonvention notfalls zu kündigen, dafür solle sich die Schweiz bereit erklären, in Absprache mit dem Genfer Uno-Hochkommissariat jedes Jahr ein bestimmtes Kontingent von Flüchtlingen vorübergehend aufzunehmen.
Kritisch zur Asylpolitik äusserten sich auch Abgeordnete der FDP und der SVP. Sie traten vor allem für ein rascheres Asylverfahren und einen konsequenteren Vollzug der Ausschaffungen ein; falls dies nicht erreicht werden könne, seien Quoten nicht mehr zu umgehen. CVP und links-grünes Lager forderten dagegen eine Asylpolitik, welche den internationalen Konventionen zu genügen habe – was eine Kontingents- oder Quotenregelung ausschliesse – und keine zusätzlichen Diskriminierungen schaffen dürfe. Einig über die Parteigrenzen war man sich eigentlich nur in der Feststellung, dass der weltweiten Migration längerfristig nur durch entsprechende Hilfsmassnahmen in den Herkunftsländern beizukommen sei
[3].
Im
Ständerat verlief die Beratung des Berichtes emotionsloser. Ganz klar war hier die Flüchtlingspolitik das Hauptthema, die innereuropäische Öffnung wurde kaum berührt. Auch in der kleinen Kammer mochten die Vertreter von SVP und FDP eine Kontingentierung oder gar die Anwendung von Notrecht nicht mehr ausschliessen. Einen neuen Ansatz brachten die beiden FDP-Vertreter Bühler (LU) und Jagmetti (ZH) in die Diskussion, die anstatt des Drei-Kreise-Modells eine Aufteilung in Ausländer-, Asyl- und Migrationspolitik vorschlugen, wobei bei letzterer eine Quotenregelung ins Auge gefasst werden könnte, ohne dass damit internationale Konventionen verletzt würden. Gleich wie im Nationalrat fanden sich CVP und SP in ihrer Kritik an der nach ihrer Ansicht diskriminierenden Unterscheidung in drei Kreise. Auch sie sprachen sich aber, wie ihre Kollegen in der Volkskammer, für ein rasches Verfahren und einen konsequenten Vollzug der Wegweisungsentscheide aus, allerdings nur unter strikter Wahrung des Non-refoulement-Prinzips
[4].
Im September
konkretisierte der Bundesrat erstmals das Drei-Kreise-Modell, indem er aufgrund der prekären menschenrechtlichen Situation in Jugoslawien die jugoslawischen Arbeitskräfte vom zweiten in den dritten Kreis relegierte, von einer regulären Rekrutierung als Saisonniers also praktisch ausschloss. Davon betroffen wären etwa 44 000 Saisonniers, rund ein Drittel des gesamten Saisonniersbestandes der Schweiz. Der Entscheid des Bundesrates stiess bei den hauptsächlich betroffenen Branchen (Hotellerie und Baugewerbe) und bei den Gewerkschaften auf heftige Ablehnung. Allgemein wurde befürchtet, der Ausschluss Jugoslawiens aus dem Kreis der traditionellen Rekrutierungsländer werde zu einer Flut von Asylgesuchen jugoslawischer Staatsbürger führen
[5].
In der Fragestunde der Herbstsession darauf angesprochen, relativierte der Bundesrat dann allerdings seinen Entscheid, von dem er bedauerte, dass er in der Öffentlichkeit teilweise missverstanden worden sei. Den Ausführungen Kollers zufolge soll Jugoslawien erst nach einer angemessenen Übergangsfrist von zwei bis drei Jahren vom zweiten in den dritten Kreis versetzt werden. Konkret bedeute dies, dass bereits bestehende Saisonnierarbeitsverhältnisse noch toleriert würden, dass man den Arbeitgebern aber anrate, anstatt neuen Jugoslawen lieber Angehörige der EG- oder Efta-Staaten anzuwerben. Gleichzeitig liess er durchblicken, dass, wenn sich die Menschenrechtslage im Verlauf dieser Übergangszeit zum Positiven wenden sollte, der Bundesrat seinen Entscheid noch einmal überprüfen könnte
[6].
Bereits eine Woche zuvor hatte die Landesregierung eine
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für jene Jugoslawen und ihre Familien beschlossen, die ihren Wohnsitz in den Bürgerkriegsgebieten – vor allem Kroatien – haben. Im November dehnte sie diese Massnahme auch auf Saisonniers kosovo-albanischer Herkunft aus. Ende Jahr gab der Bundesrat bekannt, angesichts des Bürgerkriegs alle ohne reguläre Arbeitsbewilligung in der Schweiz lebenden Jugoslawinnen und Jugoslawen aus Kroatien, dem Grenzgebiet Kroatien/Bosnien und aus der Region Kosovo sowie Deserteure und Dienstverweigerer vorläufig als Gruppe aufzunehmen, wodurch nicht mehr die Kantone allfällige Fürsorgeleistungen zu tragen haben, sondern der Bund. Gleichzeitig beschloss er aber, für jugoslawische Staatsbürgerinnen und -bürger ab 1. Januar 1992 die Visumspflicht einzuführen
[7].
Da gerade der Fall Jugoslawien zeige, dass die unterschiedlichen Zuständigkeiten im Bereich der Flüchtlings- und Ausländerpolitik immer wieder zu Problemen führen, will der Vorsteher des EJPD Mittel und Wege zu einer besseren Koordination dieser Teilbereiche prüfen lassen. Unter anderem soll untersucht werden, inwieweit sich mit einer
Zusammenfassung des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) und des Bundesamtes für Ausländerfragen (BFA) oder anderen organisatorischen Massnahmen eine verbesserte Abstimmung der Ausländer- und der Asylpolitik erreichen liessen. Das rasche und starke Wachstum des BFF veranlasste zudem den Bundesrat, eine Organisationsüberprüfung dieses Amtes anzuordnen, welches mit seinen nun rund 500 Mitarbeitern zum grössten Bundesamt im EJPD geworden ist
[8].
Die
Gewalt gegen Asylsuchende hat in den letzten vier Jahren massiv zugenommen. Von 1989 bis 1991 registrierte die Bundesanwaltschaft über 200 fremdenfeindliche oder vermutlich xenophob motivierte Gewalttaten, 90 allein 1991. Dabei handelte es sich in erster Linie um Übergriffe auf Asylunterkünfte (fast die Hälfte der Fälle). Die meisten von ihnen blieben unaufgeklärt. Aber auch dort, wo es zu keiner direkten Gewaltanwendung kommt, fühlen sich die Asylsuchenden und ihre Betreuer in zunehmendem Mass verängstigt und bedroht
[9].
Nach einer Serie von
Anschlägen auf Asylbewerberunterkünfte verurteilte der Vorsteher des EJPD im Namen des Bundesrates diese kriminellen Handlungen und erklärte, dass er mit grosser Sorge die zunehmende Gewalt gegen Asylbewerber verfolge. Da er aber gleichzeitig erklärte, Verständnis für das Unbehagen zu haben, das die zunehmende Immigration in der Bevölkerung auslöse, musste er sich – wie viele andere Behördenmitglieder und Politiker – vorwerfen lassen, mit der immer wieder praktizierten Unterscheidung zwischen "echten" und "unechten" Flüchtlingen und der Schaffung des Begriffs der "Wirtschaftsflüchtlinge" Öl ins Feuer zu giessen und so bei aller humanitärer Beteuerungen mitverantwortlich für den zunehmenden Fremdenhass zu sein
[10].
Trotz steigender Fremdenfeindlichkeit kam die von einer Splittergruppe der SD lancierte
Volksinitiative "gegen die Masseneinwanderung von Ausländern und Asylanten" nicht zustande. Den Hauptgrund sahen die Initianten in der abwartenden bis ablehnenden Haltung ihrer Partei, welche anfangs Jahr eine eigene Volksinitiative "für eine vernünftige Asylpolitik" lancierte
[11].
Die
SVP des Kantons Zürichs beschloss ebenfalls, eine
eidgenössische Volksinitiative gegen die illegale Einwanderung zu lancieren. Danach soll auf Asylgesuche von illegal Eingereisten – zur Zeit rund 90% – nicht eingetreten werden; Asylbewerber sollen zudem kein Geld mehr in ihre Heimat schicken dürfen. Der Vorstoss wurde damit begründet, dass Bundesrat und Parlament offensichtlich nicht im Stande seien, gegen den zunehmenden Asylmissbrauch einzuschreiten. Die Zürcher brachten damit die nationale Partei in Zugzwang; anfangs November kündigte der SVP-Zentralvorstand an, er werde der Delegiertenversammlung vom Januar 1992 eine modifizierte, für alle Kantonalsektionen akzeptable Initiative vorlegen
[12].
Unterschiedlicher Erfolg war einer
Anti-Rassismus-Kampagne der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) beschieden. Während die unter dem Motto "Gib dem Rassismus keine Chance" durchgeführten Anlässe auf reges Interesse stiessen, harzte es bei der Unterschriftensammlung für eine entsprechende Petition. Die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen (EKJ), welche in ihrem ersten Teilbericht zur Situation der Jugendlichen in der Schweiz unter anderem den Rassismus untersuchte, kam zum Schluss, dass für verunsicherte Jugendliche das rechtsextreme Angebot mit seinen einfachen Erklärungen politischer Vorgänge sehr attraktiv sein kann. Die Vermittlung negativ formulierter Werte (Antirassismus) genügt hier nach Ansicht der EKJ nicht mehr, nötig wären neben verbesserter Information vielmehr positive Ansätze, so etwa der alltägliche Umgang mit Demokratie, gelebter Solidarität und Toleranz. Die EKJ regte deshalb die Durchführung einer Rassismuspräventionskampagne an, die ähnlich breit angelegt sein müsste wie jene zum Thema Aids
[13].
Für allgemeine Fragen des Rassismus und die Verzögerungen bei der Ausarbeitung des Extremismusberichts sowie einer neuen Strafnorm gegen rassistisches und fremdenfeindliches Verhalten siehe oben, Teil I, 1b (Grundrechte).
Ende 1991 lebten in der Schweiz so viele Ausländer und Ausländerinnen wie nie zuvor. Mit 1,163 Mio Personen oder
17,1% der Bevölkerung wurde die Höchstmarke von 1974 (16,8%) deutlich überschritten. Die Zunahme betrug 5,7% gegenüber 5,8% im Vorjahr. 76% der Ausländerinnen und Ausländer besassen eine Niederlassungsbewilligung, 24% eine Jahresbewilligung. 70% stammten aus EG- und Efta-Staaten. Nicht in den ständigen Ausländerbestand eingerechnet wurden die insgesamt 26 000 internationalen Funktionäre, die knapp 116 000 Saisonniers, die 62 000 Asylbewerber und die 14 000 Aufenthalter mit einer Bewilligung von weniger als einem Jahr sowie die Grenzgänger, deren Anzahl (176 000 Personen) aufgrund der sich abzeichnenden Rezession leicht zurückging
[14].
Während die im geplanten EWR vorgesehene Freizügigkeit des Personenverkehrs noch vor Jahresfrist als eine Art Schreckgespenst gezeichnet worden war, dem nur durch eine ganze Reihe von Vorbehalten begegnet werden könne, kamen im Berichtsjahr sowohl der Bundesrat wie die Sozialpartner zur Einsicht, dass der freie
Personenverkehr in Europa mehr Vor- als Nachteile aufweisen werde. Die Schweizer Unterhändler pochten denn auch in den Verhandlungen mit der EG immer weniger auf Ausnahmeregelungen
[15].
Mit dem Argument, dass die Stellung der ausländischen Arbeitnehmer in den EWR-Verhandlungen ohnehin neu definiert werde, war der Bundesrat nicht bereit, eine Motion Fankhauser (sp, BL) für eine Revision der Ausländergesetzgebung in der verbindlichen Form anzunehmen. Die Motionärin hatte insbesondere die Abschaffung des Saisonnierstatuts mit seinem Verbot des Familiennachzugs sowie die Erteilung der Niederlassungsbewilligung bei Verheiratung mit einem Schweizer oder einer Schweizerin gefordert. Obgleich Fankhauser darauf hinwies, dass die Haltung der Schweiz den Saisonniers gegenüber in krassem Widerspruch zu dem in anderem Zusammenhang immer wieder propagierten Schutz der Familien stehe, folgte die grosse Kammer – allerdings nur ganz knapp – dem Antrag des Bundesrates und überwies die Motion lediglich als Postulat
[16].
Gewissermassen als Vorleistung an den EWR hob der Bundesrat den Grenzsanitätsdienst in seiner heutigen Form auf und löste ihn durch ein neues Konzept sanitätsdienstlicher Massnahmen bei Ausländern ab. Gemäss diesen Neuerungen, die ab 1. Januar 1992 gelten, werden Arbeitnehmer aus den EG- und EFTA-Staaten, den USA, Kanada, Australien und Neuseeland nicht mehr grenzärztlich untersucht
[17].
Für die Bestrebungen, die nicht ständig in der Schweiz lebenden ausländischen Arbeitnehmer in den Sozialversicherungen besserzustellen, siehe oben, Teil I, 7c.
Unter der Leitung des neuen Präsidenten der
Eidgenössischen Kommission für Ausländerfragen, Nationalrat Fulvio Caccia (cvp, TI), diskutierten Ende August über 100 Teilnehmer – Vertreter von Bundesbehörden, Ausländerorganisationen und Ausländerdienststellen – in Bellinzona an einer ersten nationalen Konferenz über die inskünftige Ausländerarbeit und die dazu notwendigen Mittel
[18].
In Ergänzung früherer Beschlüsse verabschiedete die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren neue
Empfehlungen zur Schulung fremdsprachiger Kinder und Jugendlicher, die im Mittel 16 bis 17%, in manchen Kantonen gar 30% der Schüler ausmachen. Die EDK betonte dabei besonders den Anspruch aller ausländischer Kinder, auch der illegal anwesenden, auf Bildung und auf gleichberechtigte Integration. Lehrmittel und Stundenpläne sollen inskünftig vermehrt auf den interkulturellen Unterricht abgestimmt und mindestens zwei Stunden pro Woche für die Sprache und Kultur des Herkunftslandes reserviert werden
[19].
Zur erleichterten Einbürgerung der zweiten Ausländergeneration sowie zum Stimm- und Wahlrecht für Ausländer siehe oben, Teil I, 1 b (Bürgerrecht sowie Stimmrecht).
[1] Amtl. Bull. StR, 1991, S. 977 f. Wiener Konferenz: Flüchtlinge, 1991, Nr. 1, S. 33 ff.; NZZ und SGT, 25.1.91; Bund und 7A, 26.1.91.
[2] BBl, 1991, III, S. 291 ff.; Lit. Werenfels; NZZ, 16.5.91; Presse vom 28.5.91; Ww, 30.5.91. Haltung der Fraktionen: NZZ, 5.6.91. Stellungnahme der Kirchen: Presse vom 11.6.91.
[3] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 996 ff. Mit 100:2 Stimmen lehnte der Rat den Rückweisungsantrag Ruf ab. Im Anschluss an diese Diskussionen regte NR Seiler (svp, BE) in einem überwiesenen Postulat die Schaffung einer interdepartementalen Koordinationsstelle Für Ausländerpolitik an (Amtl. Bull. NR, 1991, S. 2501).
[4] Amtl. Bull. StR, 1991, S. 869 W. und 879 ff.; NZZ, 6.2.91 (Jagmetti). In ähnliche Richtung wie die Vorstellungen Jagmettis geht auch ein Postulat Wiederkehr (Idu, ZH), welches für Angehörige des dritten Kreises zahlenmässig befristete, auf ca. drei Jahre beschränkte Arbeitsbewilligungen anregt (Verhandl. B.vers., 1991, VI, S. 118).
[6] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1706 f.; Amtl. Bull. StR, 1991, S. 925. Anfangs Dezember reichte die Gewerkschaft Bau und Holz eine Petition mit 18 000 Unterschriften ein, die verlangte, Jugoslawien sei wieder in den zweiten Kreis aufzunehmen (Bund, 6.12.91).
[7] Presse vom 24.9. und 21.11.91.
[9] LNN, 28.12.91; Presse vom 24.3.92. Für mögliche Ursachen von Fremdenhass siehe Lit. Mäder; BZ, 13.8.91; LNN, 14.8.91.
[10] Ww, 15.8.91; Presse vom 16.8.91; LNN, 6.9.91. CVP und SP beschuldigten in erster Linie die SVP, sich zu wenig von fremdenfeindlichen Parteien – und ihrer eigenen Zürcher Sektion – abzugrenzen und mit ihrer ambivalenten Haltung mitzuhelfen, den Fremdenhass zu schüren (Bund und LNN, 9.8.91).
[11] BBl, 1991, III, S. 1227; Presse vom 12.I.91; SPJ 1990, S. 231 f.
[12] Presse vom 11.10.91 ; LNN, 4.11.91. V.a. die Bündner SVP distanzierte sich von der Initiative ihrer Zürcher Parteikollegen (BüZ, 19.12.91). Die Zürcher Kantonalpartei hatte bereits im Juni dem BR eine Petition mit rund 100 000 Unterschrift übergeben, in welcher sie härteres Vorgehen gegen "unechte" Flüchtlinge und eine Kontingentsregelung verlangte (Presse vom 4.6.91).
[13] Lit. Eidg. Kommission; Bund, 7.8.91; Presse vorn 17.12.91.
[14] BA für Ausländerfragen, Ausländische Bevölkerung in der Schweiz, 1991, Nr. 2, Bern 1992; Die Volkswirtschaft, 65/ 1992, Nr. 5, S. 9*; Presse vom 21.9.91 und 24.1.92. Die Zahlen bei den Saisonniers sind jene von Ende August, dem saisonalen Höchststand der Beschäftigung.
[15] BaZ, 9.1.91; TA, 24.6.und 10.7.91; Suisse, 2.5.91; Presse vorn 30.7.91; SPJ 1990, S. 234. Siehe auch oben, Teil I, 2 (Europe).
[16] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 397 ff. Fankhauser reichte ebenfalls ein Postulat ein, welches den BR einlud, als humanitäre Geste im Rahmen des 700-Jahr-Jubiläums die Anwesenheit der versteckt in der Schweiz lebenden Kindern von Saisonniers zu legalisieren (Verhandl. B.vers., 1991, VI, S. 73). Siehe auch unten, Familienpolitik/Kinder.
[18] Tessiner Zeitung, 31.8.91.
[19] NZZ, 16.7.91; Presse vom 29.10.91. Für eine erste Bilanz der interkulturellen Pädagogik im Kanton Zürich siehe NZZ, 17.1.91.
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