Année politique Suisse 1992 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Verwaltung
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats befasste sich mit der
Vertretung der Sprachgruppen in der allgemeinen Bundesverwaltung (d.h. ohne PTT, SBB und Regiebetriebe). Sie kam dabei zum Schluss, dass sich trotz der 1983 vom Bundesrat erlassenen entsprechenden Weisungen die Anteile der Sprachminderheiten nicht erhöht haben. Zwar nahm zwischen 1982 und 1990 der Anteil der Französischsprachigen leicht von 15,1% auf 15,7% zu, der Anteil der Italienischsprachigen bildete sich jedoch von 5,0% auf 4,8% zurück und der Anteil der Romanischsprachigen blieb bei 0,6%. 1980 hatten die Anteile dieser Sprachgruppen an der schweizerischen bzw. der gesamten Bevölkerung 20,1%/4,0%/0,9 % bzw. 18,4%19,8%/0,8% betragen. Als Massnahmen zur Veränderung dieses Zustandes empfahl die GPK dem Bundesrat namentlich die Ernennung von nichtdeutschsprachigen Personalchefs und einen Ausbau der Übersetzungsdienste, um zu gewährleisten, dass alle Beschäftigten Texte in ihrer Muttersprache verfassen können
[15].
Mehr zu reden als in früheren Jahren gab im Nationalrat der Antrag des Bundesrates, ihn für die Periode 1993-1996 zu ermächtigen, die
Löhne des Bundespersonals an die Teuerung anzupassen. Er hatte vorgeschlagen, wie bisher den Anspruch des Personals auf die Erhaltung der Kaufkraft anzuerkennen und dazu einen vom Bundesrat jährlich festzulegenden Teuerungsausgleich auszurichten. Die Auto-Partei blieb zwar mit ihrem Nichteintretensantrag isoliert; in der Detailberatung schlug jedoch die von der FDP, der SVP und der LP unterstützte Kommissionsminderheit vor, den Bundesrat zur Ausrichtung eines Teuerungsausgleichs zu ermächtigen, ohne aber einen expliziten Anspruch des Personals zu statuieren. Dieser Antrag unterlag freilich ebenso wie der Versuch, den Bundesrat zu verpflichten, bei der Festlegung der Höhe dieses Teuerungsausgleichs neben den Lebenshaltungskosten noch weitere Faktoren wie die Lage der Wirtschaft und der Bundesfinanzen zu berücksichtigen. Auch im Ständerat konnte sich ein analoger Antrag nicht durchsetzen
[16].
Die rapide Verschlechterung der Bundesfinanzen veranlasste allerdings das Parlament in der Dezembersession zu einer Meinungsänderung. Beide Räte überwiesen gegen den Widerstand der Linken je eine Motion ihrer Finanzkommissionen, welche den Bundesrat auffordert, eine Vorlage auszuarbeiten, die es ermöglicht, in Perioden mit wirtschaftlicher Rezession und defizitären Bundesfinanzen auf den vollständigen Ausgleich der Teuerung zu verzichten. Dabei ist die Motion des Nationalrats etwas zurückhaltender formuliert, indem sie dem Bundesrat die Möglichkeit einräumt, auch die Komponente des sozialen Ausgleichs zu berücksichtigen
[17].
Ein erstes Opfer mussten die Bundesangestellten bereits bringen: Der Bundesrat setzte den Teuerungsausgleich auf 3,0% fest (bei einer Inflationsrate von 3,4% zu Jahresende). Zudem reduzierte er die 1988 angesichts des ausgetrockneten Arbeitsmarkts und den dadurch entstehenden Rekrutierungsproblemen eingeführte jährliche Sonderzulage für das Personal in der Agglomeration Genf und der Stadt Zürich von 2100 Fr. auf 1100 Fr.; für die Agglomerationen Bern, Lausanne, Basel und Winterthur und die Vororte Zürichs wurde sie vollständig gestrichen
[18].
Der Nationalrat befasste sich mit einer im Vorjahr vom Ständerat überwiesenen und auch von einer Mehrheit seiner vorberatenden Kommission unterstützten Motion Rüesch (fdp, SG). Diese hatte vom Bundesrat verlangt, die Bestimmungen der
Pensionskasse des Bundes in dem Sinne zu ändern, dass die hohen Einkaufssummen für Kaderpersonal, welches von der Privatwirtschaft zum Bund wechseln möchte, nicht zu einem Hinderungsgrund für eine Anstellung werden. Bundesrat Stich verwies auf die wachsende Bedeutung der Freizügigkeitsabkommen und bekämpfte zusammen mit Eggenberger (sp, BE) diesen Vorstoss, welcher seiner Meinung nach im Endeffekt zu einer generellen Übernahme der Einkaufskosten durch den Bund führen würde. Der Rat folgte dieser Argumentation und überwies die Motion lediglich in Postulatsform
[19].
Der Ständerat überwies die von der Volkskammer im Vorjahr gutgeheissene Motion für die Schaffung eines verbesserten Personalmanagementssystems ebenfalls. Mit diesem System soll die Information über Personalbewegungen verbessert und der Vollzug der Stellenplafonierung wirksamer gestaltet werden
[20].
Das im Verlauf der Jahre massiv geschrumpfte Projekt der Dezentralisierung der Bundesverwaltung trat in die Entscheidungsphase. Der Ständerat stimmte als Erstrat ohne Opposition den
Baukrediten für die Verlegung von drei Bundesämtern von Bern nach Neuenburg, Biel und Grenchen (SO) zu. Der Widerstand des von der Verlegung betroffenen Personals kam dann im Nationalrat zur Sprache. Insbesondere der Gewerkschaftsvertreter Vollmer (sp, BE), aber auch der Fraktionssprecher der FDP wiesen auf eventuelle negative Auswirkungen auf das Betriebsklima in den umzusiedelnden Amtern für Statistik, für Wasserwirtschaft bzw. für Wohnungswesen hin; am ausgeprägtesten war die Kritik am neuen Standort Grenchen. Rückweisungsanträge von Dünki (evp, ZH) für das Projekt in Grenchen und der SD/Lega-Fraktion für die Vorhaben in Biel und Neuenburg wurden jedoch deutlich abgelehnt. In Anbetracht der Vorteile in bezug auf die Rekrutierung von französischsprachigem Personal und der von der Dezentralisierung erhofften wirtschaftlichen Stärkung der Jurasüdfussregion schien einer Mehrheit des Rates ein Umzug oder ein längerer Arbeitsweg für das Personal durchaus zumutbar
[21].
Die Beratung des an sich wenig umstrittenen
neuen Bundesstatistikgesetzes erhielt durch den EWR-Vertrag einige Brisanz. In der EWR-Botschaft publizierte Schätzungen ergaben, dass der Bund neben den heute vorhandenen rund 215 noch ca. 150 neue Stellen benötigen würde, um den sich aus einem EWR-Beitritt ergebenden statistischen Informationsverpflichtungen nachzukommen. Während der Ständerat das Gesetz mit einigen vom Bundesrat nicht bekämpften Detailkorrekturen verabschiedete, belastete im Nationalrat dieser in der Botschaft zum Statistikgesetz noch nicht erwähnte finanzielle Mehraufwand die Beratungen. Das Gesetz wurde zwar – abgesehen von der zusätzlichen Präzisierung, dass sich die Beanspruchung von Unternehmen durch statistische Erhebungen auf ein Minimum beschränken müsse – ohne grosse Veränderungen verabschiedet; in der Schlussabstimmung gab es aber dann trotzdem eine beachtliche oppositionelle Minderheit von 29 Stimmen
[22]. Der Nationalrat überwies eine Motion Etique (fdp, JU), welche verlangt, dass insbesondere auch eine Statistik über den Umfang und die regionale Verteilung der durch öffentliche und halböffentliche Aktivitäten (Gesundheitswesen, Verkehr, Militär etc.) ausgelösten Finanzströme erstellt werden soll
[23].
[15] BBl, 1992, III, S. 495 ff.
[16] BBl, 1991, IV, S. 1085 ff.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 408 ff. und 1286; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 420 ff. und 629; BBl, 1992, III, S. 983 f.
[17] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 1205 f.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2395 ff. Die beiden nicht identischen Motionen sind noch nicht verbindlich, da sie erst je vom eigenen Rat überwiesen worden sind.
[18] Bund, 17.12.92. Vgl. SPJ 1987, S. 28 und 1988, S. 32.
[19] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 428 f. Vgl. SPJ 1990, S. 224.
[20] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 433 ff. Vgl. SPJ 1991, S. 38.
[21] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 49 ff.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 534 ff.; Presse vom 19.3.92. Kritik des Personals: Bund, 13.3.92. Vgl. SPJ 1991; S. 37.
[22] BBl, 1992, I, S. 373 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 674 ff., 912 f. und 1069; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1654 ff. und 2217; BBl, 1992, VI, S. 61 ff.; Bund, 23.11.92. Zum Inhalt des Gesetzes vgl. SPJ 1991, S. 38 f. sowie C. Malaguerra in NQ, 18.1.92.
[23] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2528 f.
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