Année politique Suisse 1992 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Strukturpolitik
Der Bundesrat veröffentlichte im September einen
Bericht über die "Technologiepolitik des Bundes ". Gestützt auf die Empfehlungen einer Arbeitsgruppe sprach er sich darin gegen eine interventionistische Industrie- und Technologiepolitik aus und lehnte namentlich auch die Schaffung eines Bundesamtes für Technologie ab. Die Experten hatten in ihrer Analyse der Exportindustrie gute Wettbewerbsfähigkeit im technologischen Bereich bescheinigt. Schwachstellen und staatlicher Handlungsbedarf wurden hingegen beim Arbeitsmarkt (Zulassung von ausländischen Spezialisten) und der inländischen Wettbewerbsordnung (Kartelle sowie öffentliches Beschaffungswesen) ausgemacht. Im eigentlichen Technologiebereich soll sich der Staat gemäss Bundesrat weiterhin mit einer subsidiären Rolle, namentlich in der Weiterbildung und bei der Förderung spezieller Forschungsbereiche (z.B. Mikroelektronik) begnügen
[21].
Der Abbau von Arbeitsplätzen veranlasste den SMUV, vom Bund Massnahmen zur Stützung der Innovations- und Risikobereitschaft der Industrie zu fordern und das 1985 vom Volk abgelehnte Projekt einer Innovationsrisikogarantie neu ins Gespräch zu bringen
[22].
Die vom Bundesrat 1990 vorgeschlagene
Revision des Markenschutzgesetzes passierte das Parlament ohne grundlegende Änderungen. Es ging dabei um eine Anpassung der aus dem Jahre 1890 stammenden Bestimmungen an die Realitäten des heutigen Wirtschaftslebens und gleichzeitig um eine Harmonisierung mit dem EG-Markenrecht. Die wesentlichsten Neuerungen betreffen die Ausweitung des Markenbegriffs auf Dienstleistungen, die Einführung einer Garantiemarke und der Übergang vom bisherigen Gebrauchsrecht zur expliziten Registrierung von Marken
[23].
Die
Aufhebung des in der Bundesverfassung verankerten
Spielbankenverbots war bisher vor allem von Vertretern des Tourismusgewerbes gefordert worden, welche sich davon eine Attraktivitätssteigerung ihres Angebots versprachen. Zu Jahresbeginn hatte der Nationalrat eine derart begründete Motion Cotti (cvp, TI) mit 85 zu 50 Stimmen überwiesen. Gianfranco Cotti hatte unter anderem auch geltend gemacht, dass der angestrebte Schutz der einheimischen Bevölkerung vor den negativen Folgen von Glücksspielen angesichts der heutigen Mobilität und des dichten Netzes von Spielbanken, welches ausländische Unternehmen entlang der Landesgrenzen aufgebaut haben, ohnehin illusorisch geworden sei. Aus moralischen, sozialpolitischen und ethischen Gründen wurde die Motion namentlich von Zwygart (evp, BE), Zisyadis (pda, VD), Ziegler (sp, GE) und Scherrer (edu, BE) erfolglos bekämpft
[24].
Die schlechten Aussichten für die Entwicklung der Bundesfinanzen hatten den Bundesrat etwa gleichzeitig veranlasst, seine bisher eher ablehnende Haltung zur . Zulassung von Spielbanken zu korrigieren. Im Rahmen der "
Sondermassnahmen 1992 für den Bundeshaushalt" schlug er vor, Art. 35 BV in dem Sinn zu ändern, dass das Spielbankenverbot aufgehoben und die Gesetzgebung – insbesondere auch über maximale Einsätze – und Konzessionierung zur Bundessache erklärt werden, wobei die Kantone für die Zulassung von Geldspielautomaten zuständig bleiben. Von den Bruttospielerträgen der Kasinos müssten 80% an den Bund abgeliefert werden, welcher sie zur Finanzierung der AHV zu verwenden hat. Beide Parlamentskammern stimmten diesem Vorschlag zu, im Nationalrat gegen die von Vertretern der SP, den Grünen, der LdU-EVP-Fraktion und der SD getragene grundsätzliche Opposition. In der Detailberatung fand auch ein Antrag Aguet (sp, VD), einen zulässigen Höchsteinsatz von 20 Fr. in der Verfassung festzuschreiben, keine Mehrheit. Nicht durchzusetzen vermochte sich aber auch ein Antrag Cotti (cvp, TI), der den von den Kasinobetreibern an den Bund abzuliefernden Ertragsanteil von 80% auf 50% senken wollte. In der Schlussabstimmung hiess der Nationalrat die Verfassungsänderung mit 113:58, der Ständerat mit 34 gegen 1 Stimme gut
[25].
Die
Schweizerische Verkehrszentrale (SVZ) ist eine öffentlichrechtliche Körperschaft, deren Hauptaktivität die Organisation und Durchführung der touristischen Werbung für die Schweiz ist. Sie wurde dabei bisher vom Bund finanziell unterstützt; der auf Ende 1992 auslaufende Finanzierungsbeschluss von 1987 hatte eine Steigerung dieser Beiträge auf 31 Mio Fr. pro Jahr erlaubt. Damit deckte der Bund rund 60% der Kosten der SVZ; dieser Anteil blieb aber deutlich unter demjenigen anderer wichtiger Fremdenverkehrsländer (Frankreich : 92%, Osterreich, Spanien und Italien: 100%). Angesichts des verschärften Wettbewerbs auf dem internationalen Tourismusmarkt hatte die SVZ eine
Erhöhung dieses Beitrags auf 52 Mio Fr. verlangt. Die schlechte Finanzlage veranlasste den Bundesrat, darauf nicht einzutreten, sondern dem Parlament zu beantragen, die Subvention für 1993 und 1994 auf 31 Mio Fr. einzufrieren. Obwohl seine Kommission eine Erhöhung auf 39 Mio Fr. und Bühler (fdp, LU) eine solche auf 35 Mio Fr. beantragt hatten, stimmte der Ständerat diesem Vorschlag zu. Auch im Nationalrat wurde eine Aufstockung auf 35 Mio Fr. abgelehnt, immerhin aber eine teuerungsbedingte Erhöhung auf 32,6 Mio Fr. beschlossen, was auch die Zustimmung der Ständekammer fand
[26].
Ausgehend von der Feststellung, dass eine Angleichung der Pro-Kopf-Einkommen zwischen den Berggebieten und den städtischen Agglomerationen des Mittellandes mit den Instrumenten der bisherigen Regionalpolitik nicht erreicht worden ist, forderte der Walliser Ständerat Bloetzer (cvp) mit einer Motion "eine umfassende Revision" dieser Politik. Dabei sollte zwar das bisherige Konzept der Investitionshilfe für den Ausbau der Infrastruktur beibehalten, jedoch die Grenzen für beitragsberechtigte Vorhaben weiter gezogen und vor allem die Mittel aufgestockt werden. Obwohl nicht nur Bundesrat Delamuraz, sondern auch der Bündner Gadient (svp) für die Umwandlung in ein Postulat plädierten, überwies der Rat die Motion mit 19 zu 1 Stimme. Der Ständerat forderte zudem den Bundesrat mit einem Postulat auf, einen
Bericht über die längerfristigen Entwicklungschancen der Berggebiete vorzulegen
[27]. Der Nationalrat überwies eine Motion der CVP-Fraktion für ein regionalpolitisches Aktionsprogramm mit den Schwerpunkten Förderung der Infrastruktur und der Ausbildung sowie Verstärkung des Finanzausgleichs lediglich als Postulat
[28].
Knappheit im Fonds der
Investitionskredite für das Berggebiet hatte seit einiger Zeit zu Verzögerungen bei der Behandlung der Gesuche geführt. Die Walliser Darbellay und Delalay (beide cvp) forderten den Bundesrat mit gleichlautenden Motionen in beiden Räten auf, für diese zurückgestellten Gesuche vor allem die Instrumente der Bürgschaft für Darlehen auf dem Kapitalmarkt resp. der Übernahme der Zinskosten einzusetzen, und den im Budget 1992 vorgesehenen Betrag von 68 Mio Fr. für neue Anträge zu reservieren. Diese Vorstösse wurden vom Bundesrat akzeptiert und von den jeweiligen Parlamentskammern überwiesen
[29].
Mit dem Einverständnis des Bundesrats überwiesen National- und Ständerat auch eine Motion von Nationalrat Matthey (sp, NE), welche verlangt, dass der 1994 auslaufende Bundesbeschluss von 1978 über
Finanzierungsbeihilfen zugunsten wirtschaftlich bedrohter Regionen verlängert wird. Gemäss einem von Nationalrat Maître (cvp, GE) eingereichten Postulat sollte der Beschluss allerdings in dem Sinn revidiert werden, dass nicht nur Regionen mit wirtschaftlichen Strukturproblemen davon profitieren könnten, sondern alle Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit
[30].
[21] NZZ, 10.9.92. Vgl. dazu v.a. unten, Teil I, 8a (Recherche, Formation professionnelle). Eine Studie der KoF/ETH attestierte der schweizerischen Exportindustrie ebenfalls gute Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der technologischen Innovationen (LZ, 29.5.92). Vgl. auch C. Knoepfel, "Technikstandort Schweiz", in Die Volkswirtschaft, 65/1992, Nr. 11, S. 23 ff. sowie Lit. Hotz.
[22] NZZ, 27.4.92. Vgl. dazu SPJ 1985, S. 62 f. Diese Forderung bildete auch einen Teil des von der SP gegen Jahresende präsentierten Programms zur Konjunkturankurbelung (siehe oben, Konjunkturpolitik).
[23] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 21 ff., 385 ff. und 749; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 395 ff., 1181 ff. und 1475; BBl, 1992, V, S. 891 ff. Zum Inhalt des Gesetzes siehe SPJ 1990, S. 101 sowie NZZ, 7.7.92.
[24] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 208 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 591 f. (Abschreibung der inzwischen erfüllten Motion). Der NR hatte noch 1985 einen entsprechenden Vorstoss abgelehnt (SPJ 1985, S. 61, Fussnote 6). Zu den grenznahen ausländischen Casinos siehe NQ, 18.2.93.
[25] BBl, 1992, IV, S. 349 ff. (v.a. 379 f. und 434 ff.); Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1900 ff. und 2218; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 587 f., 957 und 1070; BBl, 1992, VI, 58 f.; Presse vom 17.1 und 2.10.93.
[26] BBl, 1992, V, S. 1185 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 968 ff., 1207 und 1363; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2291 ff. und 2792; BBl, 1993, I, S. 28 und 1334; Presse vom 20.8.92; SHZ, 24.9.92.
[27] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 248 f. (Postulat) und 1245 1992, VI, S. 68). Siehe auch Lit. Rey.
[28] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2742. Vgl. auch NZZ, 11.3.92 (Bericht über EG-Kompatibilität der schweizerischen Berggebietsförderung).
[29] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 626; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 181 f. Siehe auch Gesch.ber. 1992, S. 259 f.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2240; SHZ, 17.9.92 sowie SPJ 1991, S. 116.
[30] Motion: Amtl. Bull. NR, 1992, S. 624; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 1244. Postulat: Verhandl. B.vers., 1992, VI, S. 100. Vgl. auch Gesch.ber. 1992, S. 260 f.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2258 f. und SPJ 1978, S. 57.
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