Année politique Suisse 1992 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Indirekte Steuern
Nachdem die SP und die Gewerkschaften gegen den 1991 vom Parlament beschlossenen Abbau der Stempelsteuer auf Finanzmarktgeschäften ein Referendum eingereicht hatten, kam die Vorlage am 17. September zur Abstimmung
[12].
Die Argumente für und gegen die Änderung des Stempelsteuergesetzes unterschieden sich kaum von jenen, welche schon 1991 im Rahmen der Revision der Bundesfinanzordnung, in welche die Anderung des Stempelsteuergesetzes integriert war, vorgebracht worden waren
[13]. Mit einem klaren
Mehr von 61,5% wurde die Vorlage vom Volk angenommen; die höchsten Ja-Anteile mit 68 bis 71% verzeichneten die Finanzzentren Genf, Zürich und Zug, den geringsten Anteil mit 50,8% erzielte der Kanton Uri. Gemäss der Vox-Analyse waren parteipolitische Merkmale und die Links-Rechts-Orientierung besonders relevant für das Stimmverhalten. Unter den bürgerlichen Parteien konnte die FDP ihre Anhängerschaft am besten hinter ihre Parole scharen. Im rot-grünen Lager, welches die eigentliche Gegnerschaft der Vorlage ausmachte, konnte die SP ihre Anhängerschaft nicht von einem Nein überzeugen: fast die Hälfte ihrer Sympathisanten stimmte für die Abschaffung der Stempelabgaben; unter der grünen Wählerschaft waren es mit 42% etwas weniger. Die soziodemographischen Merkmale wie Alter, Geschlecht, Bildung und Sprachregion waren kaum relevant für das Stimmverhalten. Bei den Beweggründen wurden von den Befürwortern die Erhaltung des Finanzplatzes Schweiz, die Verhinderung von Kapitalabwanderung sowie die Konkurrenzfähigkeit des Bankenwesens genannt. Unter den Nein-Stirnmenden gaben 42% die prekäre Situation der Bundesfinanzen und die fehlende Kompensation der Einnahmenausfälle als Hauptgrund für ihre ablehnende Haltung an. Eine zweite wichtige Gruppe von Gegnern liess vor allem eine grundsätzlich kritische Haltung gegenüber dem profitorientierten Denken der Banken erkennen
[14].
Revision des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben. Abstimmung vom 27. September 1992
Beteiligung: 45,7%
Ja: 1 230 579 (61,5%)
Nein: 771'351 (38,5%)
Parolen:
– Ja: FDP, CVR, SVP, LP, LdU, EVP (1*), AP; SHIV, SGV.
Nein: SP, GP, PdA, EDU; SGB, CNG.
Stimmfreigabe: SD
*In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Der Bundesrat hat auf den 1. April die Biersteuer um 2,64 Rappen pro Liter erhöht, was Mehreinnahmen in der Höhe von 13 Mio Fr. einbringen soll. Diese Massnahme hatte sich durch die Bierpreiserhöhung der Brauereien aufgedrängt, da laut Bundesverfassung die fiskalische Gesamtbelastung des Biers durch die Biersteuer, die Zollzuschläge sowie die Warenumsatzsteuer im Verhältnis zum Bierpreis unverändert bleiben muss. Auf den ersten September hat der Bundesrat ausserdem die Tabaksteuer erhöht, wovon Mehreinnahmen von 26 Mio Fr. erwartet werden
[15].
Für die Finanzierung der Direktzahlungen an die Landwirtschaft beschloss die kleine Kammer mit 23 zu 3 Stimmen als Erstrat die
Unterstellung von Lebensmitteln und nicht alkoholischen Getränken unter eine reduzierte Warenumsatzsteuer von 1,5%, womit 450 Mio Fr. zugunsten der Direktzahlungen bereitgestellt werden können
[16].
Die als Teil D der Sanierungsmassnahmen 1992 zur Entlastung des Bundeshaushaltes vorgeschlagene
Erhöhung des Treibstoffzolls um 25 Rappen pro Liter war in den beiden Räten an und für sich nicht umstritten, nur die Höhe der zusätzlichen Abgabe bildete während längerer Zeit den Zankapfel zwischen National- und Ständerat. Der Bundesrat begründete die Erhöhung mit der seit der Einführung des Grundzolls im Jahre 1936 aufgelaufenen Teuerung von rund 600%, welche nie ausgeglichen worden war. Die zusätzlichen Einnahmen in der Höhe von rund 1,6 Mia Fr. sollten je zur Hälfte für die allgemeine Bundeskasse und den Strassenbau verwendet werden. In der ständerätlichen Erstlesung blieben zwei Varianten in der Minderheit, welche die Strassenrechnung stärker begünstigen wollten, worauf die Vorlage mit der vorgeschlagenen Erhöhung von 25 Rappen pro Liter mit 30 zu 4 Stimmen angenommen wurde
[17].
Im Nationalrat setzte sich jedoch eine Mehrheit, zusammengesetzt aus der FDP, der LP und Teilen der CVP, mit dem Antrag auf eine
Reduktion der Erhöhung von 25 auf 20 Rappen pro Liter knapp gegen die SP, die Grünen und eine Mehrheit der CVP durch. Sowohl der Antrag Zwygart (evp, BE), einen Aufschlag von 30 Rappen vorzunehmen, als auch jener von Friderici (lp, VD) auf Zollermässigung für Dieseltreibstoff wurden verworfen
[18]. Im Differenzbereinigungsverfahren beharrte der Ständerat daraufhin zuerst auf seiner ursprünglichen Entscheidung, eine Benzinzollerhöhung von 25 Rappen pro Liter vorzunehmen, schwenkte dann aber nach hartnäckigem Beharren des Nationalrats mit 21 zu 18 Stimmen auf dessen Vorschlag einer Erhöhung um 20 Rappen pro Liter ein. Die vom Bundesrat beantragte Dringlichkeitsklausel wurde von beiden Räten abgelehnt
[19].
Wie schon vor den Verhandlungen in den beiden Räten angekündigt, ergriff ein überparteiliches Komitee bestehend aus Vertretern der Auto-Partei, bürgerlichen Parlamentariern sowie dem Westschweizer Centre patronal das
Referendum gegen die Treibstoffzollerhöhung. Unterstützt wurde das Komitee vom Schweizerischen Nutzfahrzeugverband Astag und dem ACS, nicht aber vom grössten Verband der Automobilisten, dem TCS
[20].
Eine vom WWF und dem Unternehmer Stephan Schmidheiny in Auftrag gegebene Studie, welche die Zusammenhänge zwischen Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch, Wirtschaftswachstum und Energiebesteuerung analysierte, zeigte Möglichkeiten auf, wie durch eine sukzessive Verteuerung der Energiepreise effizienter und umweltschonender produziert werden könnte. Durch eine Rückverteilung der Zusatzeinnahmen an die Bevölkerung und an die Industrie würde die Staatsquote nicht erhöht. Hierzu wird an anderer Stelle ausführlicher berichtet
[21].
Nachdem der Bundesrat und der Ständerat schon im Herbst 1991 die Einführung eines
Ökobonus, welche in einer Standesinitiative des Kantons Zürich gefordert worden war, abgelehnt hatten, verwarf auch der Nationalrat das Vorhaben mit 76 zu 31 Stimmen. Ebenfalls abgelehnt hat die grosse Kammer die parlamentarische Initiative Schmidhalter (cvp, VS), welche die Einführung einer zweckgebundenen Umweltsteuer auf elektrischer Energie zum Ziel hatte
[22].
Die von Bundesrat Cotti geforderte Einführung einer
CO2-Abgabe zur Verminderung des Ausstosses von Kohlendioxid, welches unter anderem für die globale Erderwärmung mitverantwortlich ist, fand zwar im Rahmen der sogenannten Klimakonvention am Erdgipfel der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro (Brasilien) Beachtung, konnte allerdings nur in unverbindlicher Form verabschiedet werden
[23].
Als Teil F der Sanierungsmassnahmen 1992 beschloss das Parlament, das seit 1928 in der Verfassung verankerte Spielbankenverbot aufzuheben, um damit eine zusätzliche Einnahmequelle in Form von Steuerabgaben zu erschliessen. Die Aufhebung des Spielbankenverbots ist Teil einer mittelfristigen Sanierung, da diese Massnahme erst ab 1996 wirksam wird. Die aus den Spielcasinos erzielten Einnahmen in einer geschätzten Höhe von 150 Mio Fr. sollen zweckgebunden für die Finanzierung des Bundesbeitrags an die AHV/IV eingesetzt werden. Zu den Details dieses Beschlusses siehe oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik)
[24].
[12] BBl, 1992, III, S. 795 f. Siehe auch SPJ 1990, S. 128 f. und 1991, S. 143 f.
[13] NZZ, 27.7.92; Bund, 13.8.92.
[14] BBl, 1992, IV, S. 441 ff.; wf-Dokumentation, 27.7.92; Presse vom 28.9 und 29. 9.92 Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 27. September 1992, Bern 1992.
[15] Gesch.ber. 1992, 2. Teil, S. 237; NZZ, 26.3.92.
[16] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 457 ff.; Presse vom 12.6.92. Vgl. auch oben, Teil I, 4c (Politique agricole).
[17] BBl, 1992, III, S. 349 ff. (v.a. 371 ff); Amtl. Bull. StR, 1992, S. 579 ff.; NZZ, 18.6.92.
[18] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1882 ff.; Presse vom 1.10 und 2.10.92. Siehe auch die Zusatzbotschaft des BR zur Treibstoffzollerhöhung: BBl, 1992, V, S. 1235 IT.
[19] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 953 ff., 1004 ff., 1038 und 1070; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1977 ff., 2070 f. und 2217 f.; BBl, 1992, VI, S. 107 ff.
[20] NZZ, 22.10 und 26.10.92; TA, 26.10.92.
[21] LNN, 22.4.92; vgl. auch Lit. Mauch und unten, Teil I, 6a (Politique énergétique, Energies alternatives).
[22] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 177 ff. (Standesinitiative ZH) und S. 184 ff. (Schmidhalter); Presse vom 31.1.92. Vgl. auch SPJ 1991, S. 146 und 193.
[23] BZ, 9.6 und 15.6.92; NZZ, 19.6.92. Vgl. auch unten, Teil I, 6d (Politique de protection de l'environnement, Qualité de l'air).
[24] Zum Massnahmenpaket siehe unten, Voranschlag 1993.
Copyright 2014 by Année politique suisse
Dieser Text wurde ab Papier eingescannt und kann daher Fehler enthalten.