Année politique Suisse 1995 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
 
Verwaltung
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Personal
Der Streit zwischen Bundesrat Stich und dem Parlament über die Pensionskasse des Bundespersonals konnte noch nicht beigelegt werden. Anlass der Auseinandersetzung bildeten sowohl die Führung, als auch die Probleme mit der Einführung der EDV und die Ungewissheit über die finanzielle Situation. In einem Bundesbeschluss hatte das Parlament Ende 1994 unter anderem festgehalten, dass der Bundesrat bis Ende 1997 revidierte Statuten vorlegen muss, welche eine Reduktion des technischen Defizits der Kasse erlauben [26]. Die Finanzdelegation beider Räte wiederholte in ihrem Bericht an die Finanzkommissionen ihre Vorwürfe an die Pensionskasse und bemängelte, dass keine Besserung eingetreten sei. Sie hielt insbesondere fest, dass die Buchhaltung nicht ordnungsgemäss geführt werde und deshalb nicht belegt werden könne, dass die in der Staatsrechnung ausgewiesenen Zahlen der Realität entsprechen würden [27].
Im Sommer verlangte die CVP-Fraktion die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). In der Herbstsession gab der Nationalrat einer entsprechenden parlamentarischen Initiative Hess (cvp, ZG) Folge. Dagegen hatten sich die Fraktionen von SP und LdU/EVP ausgesprochen; eine PUK sei überflüssig, weil die nötigen Unterlagen für eine Untersuchung durch eine ständige Parlamentskommission vorliegen würden. Der Ständerat lehnte zuerst einen Antrag seines Büros ab, vor dem Entscheid über die Einsetzung einer PUK von der Finanzdelegation und der GPK einen Bericht erstellen zu lassen; dann stimmte er gegen einen Nichteintretensantrag Onken (sp, TG) und für die Einsetzung einer PUK [28]. Die aus je fünf Mitgliedern beider Räte zusammengesetzte und von Nationalrat Schiesser (fdp, GL) präsidierte Kommission wurde am 6. Oktober gebildet [29].
Der Ständerat befasste sich als Zweitrat mit der Teilrevision des Beamtengesetzes, welche eine teilweise Flexibilisierung der Anstellungsverhältnisse für hohe Kaderstellen bringen soll. Er lehnte den Entscheid der grossen Kammer für die Abschaffung der vierjährigen Amtsdauer ab und stellte sich auf den Standpunkt, dass diese Frage im Rahmen einer Totalrevision des Beamtengesetzes für alle Personalkategorien gelöst werden soll. Dabei wurde argumentiert, dass der Beamtenstatus - d.h. vor allem die Wahl auf eine Amtsdauer - die Funktion habe, Schutz vor politischen oder anderen Pressionen zu bieten. Da Spitzenfunktionäre solchen Beeinflussungsversuchen eher ausgesetzt seien als Beamte auf unteren Stufen, mache es wenig Sinn, gerade bei ihnen mit der Abschaffung des Beamtenstatus zu beginnen. Die vom Bundesrat vorgesehene Flexibilisierung der Anfangslöhne für Spitzenbeamte fand hingegen Zustimmung. In der Differenzbereinigung schloss sich der Nationalrat diesen Entscheiden an. Gleichzeitig verabschiedeten beide Kammern die 1993 aufgrund von Parlamentsmotionen vom Bundesrat beantragte Aufhebung des automatischen Teuerungsausgleichs [30]. Basierend auf diesem teilrevidierten Beamtengesetz verabschiedete der Bundesrat im Oktober die ab 1996 gültigen Vollzugserlasse. Neben einer generellen Flexibilisierung bei den Anfangslöhnen und beim Stufenanstieg wurden auch die Modalitäten für die Ausrichtung von Prämien für hervorragende Leistungen (bis zu 5000 Fr. pro Jahr) festgelegt [31].
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Organisation
Das Parlament hiess die vom Bundesrat im Vorjahr beantragte Umwandlung des Bundesamtes für geistiges Eigentum in eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführte öffentlich-rechtliche Anstalt gut. In der Eintretensdebatte im Nationalrat wurde von verschiedener Seite betont, dass das neue Organisationsstatut als zukunftweisender Prototyp für die Modernisierung der gesamten Bundesverwaltung angesehen werden könne. Umstritten war in der Detailberatung bloss, ob das Personal öffentlich- oder privatrechtlich angestellt werden soll. Mit dem Argument, dass ein Institut, das sich auf dem Markt bewähren wolle, in seiner Personalpolitik flexibel sein müsse, setzte sich knapp die von der bürgerlichen Mehrheit bevorzugte privatrechtliche Anstellung durch. Dies hatte zur Folge, dass die SP und die GP in der Gesamtabstimmung der Vorlage nicht mehr zustimmten [32].
Der Ständerat beschloss in Abweichung vom Nationalrat einstimmig eine öffentlich-rechtliche Anstellung, da das Personal auch hoheitliche Aufgaben zu erfüllen habe. Nachdem Bundesrat Koller vor dem Nationalrat dargelegt hatte, dass eine öffentlich-rechtliche Anstellung keinesfalls mit einer Beamtung gleichzusetzen sei, und dass in bezug auf Leistungslohn und Kündigung die allgemeine Angestelltenordnung des Bundes nicht massgeblich sein müsse, fügte sich die grosse Kammer diesem Entscheid [33].
Nachdem bereits diverse Kantone und Gemeinden erste Erfahrungen mit dem "New Public Management" (NPM) machen, sind auch beim Bund Weichen in diese Richtung der Verwaltungsreform gestellt worden. Im Rahmen der Beratung der Regierungsreform (s. oben) hatte der Nationalrat im Januar einem Antrag zugestimmt, der für Verwaltungsbereiche, die mit einem Leistungsauftrag geführt werden, Ausnahmen vom Finanzhaushaltsgesetz vorsieht, um eine Globalbudgetierung und die Übertragung von Kreditresten auf das nächste Jahr zu ermöglichen. Für den Ständerat war das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) nicht der richtige Ort für die Einführung dieser Neuerung. In dem von ihm verlangten Zusatzbericht schlug der Bundesrat dann vor, diese Bestimmungen in das Finanzhaushaltsgesetz und das Gesetz über Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes zu integrieren. Das Parlament stimmte diesen Teilrevisionen zu [34].
Als erstes der drei Bundesämter, deren Wegzug aus der Bundesstadt 1992 beschlossen worden war, dislozierte das Bundesamt für Wohnungswesen mit seinen rund 50 Beschäftigten nach Grenchen (SO) [35].
 
[26] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 840 ff. und 1249 ff.; Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2387 ff.; BBl, 1995, I, S. 716 f. Zur Kasse vgl. auch TA, 5.5.95; Ww, 12.10.95.26
[27] BBl, 1995, III, S. 401 ff.27
[28] BBl, 1996, I, S. 513 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2004 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1004 ff.; BBl, 1996, I, S. 519; BZ, 23.6.95; TA, 3.10. und 5.10.95.2
[29] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1062; BZ und TA, 7.10.95. Vgl. auch SGT, 26.1.95.29
[30] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 66 ff. und 440; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 594 ff. und 1010 f.; BBl, 1995, II, S. 413 ff. Vgl. SPJ 1994, S. 37 f. Zum Teuerungsausgleich siehe auch BBl, 1995, II, S. 459. Vgl. SPJ 1993, S. 36. Eine parl. Initiative Allenspach (fdp, ZH) für eine Flexibilisierung der Anstellungsbedingungen der Spitzenbeamten wurde als erfüllt abgeschrieben (Amtl. Bull. NR, 1995, S. 599 f.). Vgl. zum Beamtenstatus in der Schweiz auch TW, 2.10.95.30
[31] AS, 1995, S. 5067 ff.; BZ und NZZ, 19.10.95.31
[32] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 234 ff. Vgl. SPJ 1994, S. 38.32
[33] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 321 ff. und 439; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 766 f. und 1009 f.; BBl, 1995, II, S. 391 ff.; AS, 1995, S. 5057 ff. Siehe auch Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 8, S. 42 ff.33
[34] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 115 ff., 137 ff., 1426 ff. (Bericht des BR), 1924 f., 2075 und 2300; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 353 ff., 876 ff., 986 f. und 1066; BBl, 1995, IV, 451 ff.; NZZ, 11.5.95. Generell zu NPM siehe auch Lit. Hablützel und Lit. Schedler; Schweizerische Zeitschrift für politische Wissenschaft, 1/1995, Nr. 1, S. 133 ff.; SHZ, 9.2. und 24.8.95; BaZ, 10.2.95; NZZ, 13.11.95; Bund, 28.11.95; TA, 21.12.95 sowie SPJ 1994, S. 38.34
[35] NZZ und SZ, 11.11.95. Vgl. SPJ 1992, S. 36.35