Année politique Suisse 1996 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
 
Geld- und Währungspolitik
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Geldmenge
Die Geldmengenpolitik der Nationalbank blieb grundsätzlich immer noch dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet, nahm aber bewusst stärkere Rücksicht auf die konjunkturellen Gegebenheiten. Die schlechte Wirtschaftslage veranlasste sie zu einer expansiveren Politik als ursprünglich vorgesehen. Statt wie geplant um 1% wuchs die Notenbankgeldmenge zwischen dem vierten Quartal 1995 und dem vierten Quartal 1996 um 5%. Die am 26. September vorgenommene Senkung des Diskontsatzes auf den historischen Tiefstsatz von 1% signalisierte, dass die Nationalbank auch längerfristig mit niedrigen Zinsen rechnet. Sowohl von den Wirtschaftsverbänden als auch vom Bundesrat wurde dieser Entscheid als Beitrag zur Stimulierung der Wirtschaft begrüsst [1].
Die Nationalbank kündigte an, dass sie 1997 ihren gelockerten geldpolitischen Kurs beibehalten wolle. Die Expansion der Notenbankgeldmenge solle wie bereits 1996 leicht über dem mittelfristigen Wachstumsziel von 1% liegen [2].
Dieser expansive Kurs war auch vom Parlament gefordert worden. Unter dem Eindruck der anhaltend schlechten Wirtschaftslage hatte der Nationalrat in der Frühjahrssession seinem Wunsch nach einer stärkeren Lockerung der Geldpolitik Ausdruck gegeben. Gegen den Antrag des Bundesrates, der vor dem Aufbau eines Inflationspotentials warnte, überwies er ein entsprechendes Postulat Kühne (cvp, SG), das zusätzlich auch noch eine Ausrichtung der Währungspolitik auf das Europäische Währungssystem (EWS) oder die DM anregte [3].
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Währung
Der seit Anfang 1993 anhaltende Anstieg des Kurses des Schweizer Frankens setzte sich im Berichtsjahr nicht fort. Der amerikanische Dollar erholte sich und konnte den im Vorjahr erlittenen Wertverlust im Vergleich zu anderen wichtigen Währungen wieder wettmachen. Die D-Mark verlor hingegen an Wert, wenn auch nicht im selben Ausmass wie der Schweizer Franken. Der Wertrückgang des Frankens setzte bereits zu Jahresbeginn ein und hielt praktisch während des ganzen Jahres an. Bis zum Dezember verlor der Franken exportgewichtet fast 10% an Wert und glich damit den Anstieg der beiden vorangegangenen Jahre wieder aus. Am stärksten fiel die Kurskorrektur gegenüber dem britischen Pfund und der italienischen Lira aus (-20% resp. -17%), aber auch der US-Dollar verbesserte sich gegenüber dem Schweizer Franken innert Jahresfrist um 14,6%. Die für die Exportwirtschaft besonders wichtige D-Mark wurde im Vergleich zum Franken um rund 5% aufgewertet [4].
Die politische Linke forderte weiterhin eine auch an währungspolitischen Zielen orientierte Geldmengenpolitik. Eine sozialdemokratische Interpellation aus dem Jahr 1995 gab dem Nationalrat Gelegenheit darüber zu diskutieren. Die Vertreter der SP wiederholten ihre Forderung, neben stabilitätspolitischen vermehrt auch währungspolitische Ziele zu berücksichtigen. Bundesrat Villiger hielt dem entgegen, dass angesichts der Internationalität der Finanzmärkte eine autonome Beeinflussung der Wechselkurse durch eine expansive Geldmengenpolitik nicht mehr möglich sei und diese einzig zum Aufbau eines Inflationspotentials führen würde [5].
Aus der unter der Frankenaufwertung der vorangegangenen Jahre besonders leidenden Tourismusbranche wurde die Schaffung eines "Tourismusfrankens" mit von der Nationalbank garantierten fixen Wechselkursen angeregt. Der Bundesrat lehnte dieses Ansinnen als nicht praktikabel und zudem im Widerspruch zu internationalen Wirtschaftsverträgen (WTO und IWF) stehend ab [6].
Die geplante europäische Währungsunion (EWU) beschäftigte verstärkt auch die schweizerischen Politiker und Behörden. Bundesrat Villiger erklärte auf Anfrage, dass es nicht Sache der Schweizer Regierung sei, Urteile über die Wünschbarkeit und die Realisierungschancen dieses EU-Projekts auszusprechen. Der Bundesrat habe gemeinsam mit der Nationalbank die Kommission für Konjunkturfragen beauftragt, mögliche Szenarien in bezug auf die Auswirkungen der Währungsunion auf die Kursentwicklung des Schweizer Frankens auszuwerten. Gemäss einer ersten Einschätzung durch den Bundesrat dürfte es für die Schweiz am günstigsten sein, wenn die gemeinsame Währung unter Einhaltung der sogenannten Maastricht-Kriterien und mit strengen Auflagen für das zukünftige finanzpolitische Verhalten der Mitgliedsstaaten planmässig eingeführt würde. Auch von einer Verschiebung des Startzeitpunkts mit der Absicht, abzuwarten, bis genügend EU-Mitglieder die Eintrittsbedingungen erfüllen, seien für die Schweiz kaum negative Auswirkungen zu befürchten. Eine Aufweichung der Kriterien würde hingegen zu Währungsturbulenzen mit entsprechendem Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken führen [7].
Die Kommission für Konjunkturfragen kam in ihrer Studie zu ähnlichen Schlüssen wie der Bundesrat. Sie forderte zudem die Beibehaltung der autonomen, das heisst nicht auf die EWU ausgerichteten Geldpolitik der Nationalbank und den Verzicht auf eine Anbindung des Frankens an die DM oder den Euro [8].
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Geld- und Kapitalmarkt
Auf dem schweizerischen Geldmarkt setzte sich die Abwärtstendenz des Vorjahres nicht fort. Die Zinsen für dreimonatige Eurofrankenanlagen stiegen im ersten Halbjahr um 0,5 Prozentpunkte auf 2,5% an. Im zweiten Halbjahr reduzierten sie sich dann wieder bis auf 2,0% zu Jahresende. Die langfristigen Zinssätze bewegten sich mehr oder weniger parallel dazu. Die Durchschnittsrendite für eidgenössische Obligationen stieg zuerst von 3,7% auf 4,3 % (Mai) und sank dann wieder bis auf 3,7% zu Jahresende. Die Hypothekarzinsen blieben weitgehend stabil. Erst gegen Jahresende kamen die Neuhypotheken leicht ins Rutschen [9].
Die Nettobeanspruchung des schweizerischen Kapitalmarktes ging im Berichtsjahr zurück. Zurückzuführen war dies vor allem auf die im Vergleich zum Vorjahr massiv höheren Rückzahlungen [10].
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Nationalbank
Die im letzten Jahr nicht abschliessend behandelte Motion der Finanzkommission des Nationalrats für eine Erhöhung der Obergrenze der Gewinnausschüttung der Nationalbank von gegenwärtig 600 Mio Fr. wurde mit dem Einverständnis des Bundesrats in Postulatsform überwiesen. Ein Antrag Aregger (fdp, LU), den Vorstoss auch in dieser Form abzulehnen, unterlag mit 70 zu 48 Stimmen [11]. Eigentlich hatte die Nationalbank vorgesehen, wegen den Buchverlusten auf den Devisenreserven für das Rechnungsjahr 1995 lediglich 142 Mio Fr. Gewinn an den Bund und die Kantone abzuliefern. Die Kritik an ihrer Anlagepolitik und die anschliessenden Diskussionen (siehe unten) führten dann jedoch zu einer Korrektur. Durch die Aktivierung von stillen Reserven (d.h. konkret durch die Bewertung von handelbaren Terminkontrakten und Wertpapieren zu Marktpreisen) konnte für das Jahr ein einmaliger ausserordentlicher Ertrag von 1,56 Mia Fr. ausgewiesen werden, was die nachträgliche Erhöhung der Gewinnbeteiligung 1995 um 458 auf 600 Mio Fr. erlaubte [12].
Die Frage einer gewinnbringenderen Bewirtschaftung der Devisenreserven der Nationalbank stand weiterhin auf der politischen Traktandenliste. Der Lausanner Ökonomieprofessor von Ungern-Sternberg warf der SNB vor, sie hätte mit einer attraktiveren Anlagepolitik in den letzten Jahren zusätzliche Milliardenbeträge erwirtschaften und damit auch die Ausschüttungen an die öffentliche Hand erhöhen können. Die FDP-Fraktion regte mit einer Interpellation eine Lockerung der Anlagevorschriften im Nationalbankgesetz an, welche heute die maximale Anlagedauer auf 12 Monate festlegen. Der Bundesrat gab bekannt, dass sich als Reaktion auf diese Kritik eine aus Angehörigen der eidgenössischen Finanzverwaltung und der Nationalbank gebildete Arbeitsgruppe mit dieser Frage, aber auch mit der Überprüfung der Golddeckung der Währung befasst. Diese Arbeitsgruppe veröffentlichte am 20. Dezember ihren Bericht. Sie kam darin zum Schluss, dass die Anlagepolitik geändert werden sollte. Insbesondere müssten stille Reserven in Zukunft in Rückstellungen umgewandelt, die Anlagevorschriften gelockert und der Golddeckungssatz von 40% auf 25% reduziert werden. Damit könnte die SNB ihren jährlich an den Bund und die Kantone zu verteilenden Gewinn um rund 400 Mio Fr. steigern [13]. Nationalrat Ledergerber (sp, ZH) reichte eine parlamentarische Initiative mit ähnlichen Zielen ein. Dabei präzisierte er auch, wie die von ihm auf rund 5 Mia Fr. pro Jahr veranschlagten Gewinne zu verwenden wären: zu je einem Drittel für die Arbeitslosenversicherung, für die Tilgung der Schulden des Bundes und für die Kantone [14].
Die Nationalbank hatte sich zuvor ebenfalls dafür ausgesprochen, die Verfassungsvorschrift der Goldbindung des Frankens zu streichen (die Pflicht, Franken gegen Gold einzutauschen, war bereits 1953 aufgehoben worden). Diese Reform würde es der SNB zum Beispiel erlauben, einen Teil ihrer Goldreserven zu verkaufen und den Ertrag gewinnbringend anzulegen [15]. Im Entwurf für eine neue Bundesverfassung wurde diesem Anliegen Rechnung getragen. Anstelle der Verpflichtung, dass der Notenumlauf durch Gold- und Devisenbestände gedeckt sein muss, soll die Vorschrift treten, dass die Notenbank zur Bildung ausreichender Devisenreserven verpflichtet ist [16].
Eine Gruppe von politisch wenig bekannten Genfern lancierte im April eine Volksinitiative "für die Finanzierung aufwendiger und langfristiger Infrastrukturvorhaben". Diese sieht vor, in Zukunft die stillen Reserven der Nationalbank, welche sich aus der Unterbewertung der Aktiven ergeben, dem Bund zur Verfügung zu stellen. Konkret visiert das Volksbegehren die Goldreserve der Nationalbank an, welche gemäss den Übergangsbestimmungen der Initiative zu 80% des Marktwertes bilanziert werden soll. Als Verwendungszweck der Aufwertungsgewinne nennt die Initiative die Finanzierung der geplanten neuen Alpenbahntransversalen (NEAT) [17].
Gemäss Art. 39 BV verfügt der Bund über das Monopol zur Ausgabe von Banknoten, wobei er den praktischen Vollzug an eine zentrale, unter seiner Mitwirkung verwaltete Aktienbank delegieren kann. Bisher hatte das Parlament die Schweizerische Nationalbank für eine Zeitdauer von jeweils 10 oder 20 Jahren mit dieser Aufgabe betraut. Der Bundesrat beantragte dem Parlament, den auf 20. Juni 1997 auslaufenden Beschluss von 1976 um weitere 20 Jahre zu verlängern. Beide Parlamentskammern verabschiedeten den Beschluss diskussionslos und einstimmig [18].
Im September legte der Bundesrat eine Botschaft für eine Teilrevision des Münzgesetzes vor. Die Revision betrifft die Regelungen für die Ausgabe von Gedenkmünzen, deren Ertrag der Bund zur Unterstützung nationaler kultureller Projekte verwendet. Um das vorhandene Marktpotential besser auszunützen, soll es dem Bund in Zukunft erlaubt sein, diese Gedenkmünzen zu einem höheren Preis als dem Nennwert zu verkaufen. Damit würde zum bisherigen Prägegewinn (Nennwert minus Herstellungs- und Vertriebskosten) auch noch ein marktabhängiger Zusatzertrag kommen. Der Ständerat stimmte diesem Vorschlag in der Dezembersession diskussionslos zu [19].
 
[1] SNB, Jahresbericht, 89/1996, S. 29 ff.; Presse vom 27.9.96.1
[2] SNB, Jahresbericht, 89/1996, S. 34; "Die Geldpolitik im Jahre 1997", in Geld, Währung und Konjunktur, 1996, S. 289 f.2
[3] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 450 ff. Vgl. dazu auch oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).3
[4] SNB, Jahresbericht, 89/1996, S. 12 und 24.4
[5] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 228 ff. Vgl. auch SPJ 1995, S. 116 f.5
[6] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1224 f. (Interpellation Loretan, cvp, VS).6
[7] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 25 ff. (Stellungnahme zu einer als Postulat überwiesenen Motion Cottier (cvp, FR), welche eine entsprechende Abklärung forderte); Amtl. Bull. NR, 1996, S. 643 f. und 1223 f.7
[8] Lit. Kommission für Konjunkturfragen; Presse vom 5.11.96. Vgl. auch Lit. Roth.8
[9] SNB, Jahresbericht, 89/1996, S. 24 f. und 27; Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 10, S. 23* und 70/1997, Nr. 2, S. 23*.9
[10] SNB, Jahresbericht, 89/1996, S. 24. Vgl. auch "Schweizer-Franken-Anleihen im Jahre 1996", in Geld, Währung und Konjunktur, 1997, S. 73 ff.10
[11] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 448 ff. Vgl. SPJ 1995, S. 117. Zur Kontroverse um die Goldgeschäfte der Nationalbank während des 2. Weltkriegs siehe unten, Banken.11
[12] SNB, Jahresbericht, 89/1996, S. 64 f. und 70; Presse vom 21.12.96.12
[13] Ungern: Bund, 2.2.96; Bund, NZZ und TA, 4.6.96; SHZ, 13.6.96. Interpellation und BR: Amtl. Bull. NR, 1996, S. 999 ff. Empfehlungen Arbeitsgruppe: Presse vom 21.12.96.13
[14] Verhandl. B.vers, 1996, IV, Teil I, S. 36 f.14
[15] Bund, 22.11.96.15
[16] BBl, 1997, I, S. 1 ff. (v.a. S. 303); SNB, Jahresbericht, 89/1996, S. 36 f. und 87. Vgl. auch Lit. Lusser (Auf dem Weg ...).16
[17] BBl, 1996, II, S. 271 ff. Vgl. auch unten, Teil I, 6b (Chemins de fer).17
[18] BBl, 1996, III, S. 23 ff.; Amtl. Bull. StR, 1996, S. 602; Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2979 f.; BBl, 1997, I, S. 821. Vgl. SPJ 1976, S. 66.18
[19] BBl, 1996, V, S. 58 ff.; Amtl. Bull. StR, 1996, S. 951 f. Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1868 ff. (Postulat Widrig, cvp, SG).19