Année politique Suisse 1996 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
Frauen
In der Frühjahrssession stimmte die
kleine Kammer als Erstrat einstimmig der
Ratifikation des UNO-Übereinkommens zur Beseitigung aller Diskriminierungen der Frauen mit den vom Bundesrat beantragten Vorbehalten zu. Gegen die Ratifikation des Abkommens wandten sich lediglich die Abgeordneten Schmid (cvp, AI) und Reimann (svp, AG) mit der Begründung, das Abkommen beeinträchtige die in der Schweiz gültige Rechtsordnung, weil einzelne Bestimmungen zu
direkt anwendbarem Recht führten und damit dem Einfluss von Volk und Ständen entzogen würden. Die Juristin Beerli (fdp, BE) beruhigte ihre Kollegen und erklärte, die einzigen in der Konvention enthaltenen direkt anwendbaren Rechtsansprüche seien in der Schweiz
bereits umgesetzt. Auch Bundesrätin Dreifuss unterstrich, dass mit der Ratifikation des Übereinkommens keine Ausweitung der Sozialrechte verbunden sei. Mit 31:7 Stimmen wurde der Antrag Schmid, die Konvention nicht zu unterzeichnen, dafür aber deren Grundsätze in einen allgemeinen Bundesbeschluss zu kleiden, abgelehnt
[40].
Im
Nationalrat war es der Thurgauer Gusset, der im Namen der FP argwöhnte, die Frauenkonvention sei wohl das Mittel, um sozialistische Anliegen wie das Recht auf Arbeit und die Mutterschaftsversicherung durch die Hintertür einzuführen. Vorbehalte brachten auch die Liberalen an, während die SVP sich eines Kommentars enthielt. Auch hier konterte Bundesrätin Dreifuss, die UNO-Konvention werde das politische Leben in der Schweiz nicht auf den Kopf stellen, sondern könne höchstens den
Prozess zur Umsetzung der Gleichstellung von Frau und Mann in allen Lebensbereichen
dynamisieren. Einig waren sich die Rednerinnen von CVP, FDP und SP, dass die Ratifizierung des Abkommens aus dem Jahr 1979 nun überfällig sei. Die Konvention wurde schliesslich mit 99 gegen 22 Stimmen und bei 14 Enthaltungen gutgeheissen
[41].
Im Nachgang zur
UNO-Frauenkonferenz von Peking schlossen sich 24 Gruppierungen aus dem Bereich der nicht-staatlichen Organisationen zur Umsetzung der in Peking beschlossenen Aktionsplattform zusammen. Sie riefen die
"NGO-Koordination post Beijing Schweiz" ins Leben. Ziel der Dachorganisation ist die nationale und internationale Vernetzung, der Austausch von Erfahrungen und Informationen und der gemeinsame Auftritt gegenüber Dritten. Die Umsetzungsarbeit soll hingegen in den Organisationen selbst erfolgen. Aber nicht nur die nicht-staatlichen Organisationen bemühten sich um die Konkretisierung der in Peking gefassten Beschlüsse. Auch der Bundesrat setzte eine
interdepartementale
Gruppe ein, die den Auftrag hat, eine
nationale Aktionsplattform auszuarbeiten
[42].
Die rund 250
ausserparlamentarischen Kommissionen des Bundes sollen verkleinert, verjüngt und
vermehrt mit Frauen besetzt werden. Mit dieser Zielsetzung erliess die Landesregierung auf den 1. Juli eine entsprechende Verordnung. Beträgt der Anteil der Frauen weniger als die bereits 1992 stipulierten 30%, so verlangt die Bundeskanzlei neu vom zuständigen Departement eine schriftliche Begründung
[43]. Die erste Kommission, die nach den neuen Vorgaben zusammengesetzt wurde, ist die Zivildienstkommission. Sie wird zwar von einem Mann präsidiert (alt Nationalrat Anton Keller, cvp, AG), doch beträgt ihr Frauenanteil gut 48%
[44].
Nach einem Parlamentsbeschluss vom Herbst 1992, welchem sich der Bundesrat im Sommer 1993 anschloss, sollen
Erlasse und andere Texte des Bundes in ihrer deutschen Fassung auf kreative Weise
geschlechtsneutral und gleichzeitig lesbar abgefasst werden. Im Sinn einer Hilfestellung publizierte die Bundeskanzlei Mitte Januar einen
Leitfaden, der den Grundsatz der sprachlichen Gleichberechtigung in Erinnerung rief und konkrete Tips und Beispiele zu dessen Umsetzung anbot. Der Sprachdienst der Bundeskanzlei bietet zudem eine Beratung an, und in den Ausbildungskursen des Personalamts wird geschlechtergerechtes Formulieren ebenfalls ein Thema sein. Für das Französische und das Italienische ist kein entsprechender Leitfaden vorgesehen. Der Verzicht wurde damit begründet, dass linguistische Eigenarten dieser Idiome und eine gesellschaftlich und kulturell bedingte geringere Sensibilisierung für das Problem in den lateinischen Sprachgemeinschaften es verunmöglichten, die Empfehlungen telles quelles auf alle Amtssprachen zu übertragen
[45].
Der
5. Schweizerische Frauenkongress, der vom 19. bis 21. Januar in Bern stattfand, und an dem weit über 2000 Frauen aus allen Landesteilen sowie allen politischen, sozialen, kirchlichen und kulturellen Kreisen teilnahmen, stand unter dem Motto "L'avenir au féminin - Visionen unserer Zukunft - donne 2099". Den Auftakt der Veranstaltung machte Bundesrätin Ruth Dreifuss mit einer Rede, in der sie insbesondere die
Rolle des Staates bei der Verwirklichung der Gleichstellung herausstrich. Nötig seien eine Feminisierung des Staates und mehr Frauen in allen Institutionen. Bei der Frauenförderung gehe es nicht darum, Frauen zu bevorzugen, sondern nicht länger systematisch Männer vorzuziehen. Herzstück des Kongresses waren 80 Workshops, die in vier Foren die Themen "Offene Schweiz - globale Verantwortung", "Neue Lebens- und Arbeitsformen", "Soziale Sicherheit im 21. Jahrhundert" und "Gewaltfreie Gesellschaft" diskutieren. Zum Abschluss wurden in einer Plenarversammlung
knapp 80 Resolutionen verabschiedet. Als vordringlich wurde die Einführung einer Mutterschaftsversicherung für alle Frauen gefordert. Verlangt oder zumindest angeregt wurden ein flexibles Rentenalter mit ungekürztem Rentenanspruch, die gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, die Aufwertung der Familienbetreuung, die Förderung der Friedensforschung, die finanzielle Unterstützung der Frauenhäuser, die Aufhebung der Verjährung bei sexueller Ausbeutung, die Ratifikation der UNO-Konventionen über Frauen- und Kinderrechte sowie der Beitritt zu UNO und EU
[46].
Mehr als eine von fünf Frauen hat während ihres Lebens unter
physischer oder sexueller
Gewaltanwendung durch ihren Lebenspartner gelitten. Dies ergab die Auswertung einer im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes "Frauen in Recht und Gesellschaft" durchgeführten Studie, die sich auf die Befragung von 1500 Frauen stützte. Gewalt in Paarbeziehungen ist an keine sozialen Grenzen gebunden
[47].
Für eine Studie zum Gesundheitszustand der Frauen in der Schweiz siehe oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
Aus Anlass des 25. Jahrestages seit Einführung des Stimm- und Wahlrechts der Frauen auf Bundesebene untersuchte ein politologisches Forschungsinstitut Unterschiede im Wahl- und Abstimmungsverhalten zwischen Frauen und Männern. Die Auswertung listete 14 Abstimmungen auf, bei denen das Geschlecht den Ausschlag für ein Ja oder ein Nein gab. Die Erfolgsquote ist ausgeglichen: Siebenmal setzten sich die Frauen und siebenmal die Männer durch. Viermal erkämpften die Frauen ein Ja, nämlich beim neuen Ehe- und Erbrecht, dem Kernkraftmoratorium, der Alpeninitiative und dem Antirassismusgesetz. Dreimal gaben Frauenmehrheiten den Ausschlag zu einem Nein: bei der Fristenlösung, der Herabsetzung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf 18 Jahre (1979) und der Lockerung der Lex Friedrich (1995). Umgekehrt siegten die neinsagenden Männer beim Ausstieg aus der Atomenergie (1990), bei Atom- und Energieinitiativen (1979 und 1984), beim einem liberaleren Ausländergesetz (1982), der Kleinbauerninitiative, der Waffenplatzinitiative und der Initiative "Weg vom Tierversuch" gegen Ja-Mehrheiten der Frauen. Unterschiede wurden aber auch dort deutlich, wo sie auf das Abstimmungsergebnis keinen Einfluss hatten. Die Rekordabweichung wurde beim Werbeverbot für Tabakwaren erreicht, wo 18% mehr Frauen zustimmten.
Die Autoren der Studie konstatierten seit der Mitte der achtziger Jahre einen Trend der Frauen zu eigenständigerem Stimmverhalten. Frauen hätten den Wertewandel hin zu vermehrter Ökologie und zum Schutze des Menschen schneller und nachhaltiger vollzogen als die Männer. Dies zeige sich insbesondere bei ethischen Forderungen, sowie in der Sicherheits- und Ausländerpolitik. Das Nein der Frauen zur Lockerung der Lex Friedrich erklärten sie weniger mit fremdenfeindlichen denn mit ökologischen Motiven.
Bei den
Wahlen liessen sich
geringere Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen. Wie eine Auswertung der eidgenössischen Wahlen von 1995 zeigte, wurden nur gerade die Grünen häufiger von Frauen als von Männern gewählt. Interessant waren die geringen Unterschiede bei den Regierungsparteien. 45% der SP-Wählerschaft waren Frauen; 44% waren es auch bei der SVP, obwohl im Parlament weit mehr SP- als SVP-Frauen sitzen. Nach Meinung der Politologen ist dies ebenfalls Ausdruck eines qualitativen Wandels. Im rot-grünen Lager sei es inzwischen mehrheitsfähig geworden, Frauen gleichberechtigten Raum zuzugestehen. Rechtsstehende Parteien zögen hingegen Wählerinnen an, die beim traditionellen Rollenverständnis bleiben wollten
[48].
Der Regierungsrat des Kantons
Solothurn erachtete die im Vorjahr eingereichte
"Initiative 2001", welche eine gleich starke Vertretung der Frauen und Männer in allen Behörden des Kantons verlangte, als verfassungswidrig, da sie mit dem Diskriminierungsverbot kollidiere, die Männer benachteilige, und den Grundsatz des allgemeinen Stimm- und Wahlrechts verletze. Der Kantonsrat folgte dieser Argumentation und erklärte die Initiative für
ungültig, worauf die Initiantinnen Beschwerde beim Bundesgericht einreichten
[49].
In ihrer Vernehmlassung zur Totalrevision der Bundesverfassung sprach sich die
Eidg. Frauenkommission deutlich für die Einführung von
Quotenregelungen als Übergangslösung aus. Es genüge nicht, die Gleichstellung rein formal festzuschreiben, dabei aber keine Massnahmen vorzusehen, welche die immer noch real existierende Benachteiligung der Frauen abbauten
[50].
Die Medienpräsenz der Kandidatinnen im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen war auch 1995 im Vergleich zu ihren männlichen Konkurrenten unterproportional. Dennoch konnten sich die Frauen im Wahlkampf besser profilieren als noch vier Jahre zuvor. Dies zeigte eine Studie, welche von der Eidg. Frauenkommission in Auftrag gegeben wurde. Untersucht wurden für die Zeit vom 11. September bis 21. Oktober 1995 nach Sprachregionen ausgewählte Printmedien sowie die Sendegefässe von Schweizer Fernsehen und Radio. Bei 5057 Namensnennungen in fünf Deutschschweizer Zeitungen entfielen 27% auf Kandidatinnen und 73% auf Kandidaten, obgleich die Frauen 36% aller Kandidierenden in der Deutschschweiz ausmachten. Parteibezogen erreichten die SP-Kandidatinnen
die meisten Nennungen, gefolgt von jenen der FDP. Besser sah es in der Romandie aus, wo rund 34% der Nennungen auf Frauen entfielen.
Quantitativ
geschlechtergerecht verhielt sich
Radio DRS 1, in dessen Sendungen die Frauen 36% der Redezeit erhielten, wobei hier sogar mit der Berner Ständeratskandidatin Christine Beerli (fdp) eine Frau deutlich am längsten das Wort hatte. Anders verhielt es sich bei der Radio Suisse romande La Première, wo den Frauen nur gerade 25% Antennenpräsenz vergönnt war. Schlecht kamen die Kandidatinnen auch beim
Fernsehen weg (23% in der Deutschschweiz und 27% in der Romandie). Insbesondere FS DRS bat mit Vorliebe bestandene männliche Politprominenz vor die Kamera. Hinter Bodenmann rangierten neben dem Zürcher SVP-Mann Blocher die Vorsitzenden der drei bürgerlichen Bundesratsparteien an der Spitze. Erst als sechste folgte Monika Weber, vor Spoerry als achter und der Zürcher Grünen Verena Diener als neunter
[51].
Mit 142 von 162 Stimmen wurde die Luzernerin
Judith Stamm klar zur
Präsidentin des Nationalrates für 1997 gewählt. Als CVP-Vertreterin, die seit 1983 im Nationalrat sitzt, übernimmt sie als vierte Frau das Amt als höchste Schweizerin
[52].
Zu den Resultaten der Frauen bei kantonalen Wahlen siehe oben, Teil I, 1e. Für eine Basisbefragung der SVP zur Frauenpolitik vgl. unten, Teil IIIa (SVP).
Am 1. Juli des Berichtsjahres trat das neue
Gleichstellungsgesetz in Kraft. Sowohl das Eidg. Gleichstellungsbüro wie auch der Gewerkschaftsbund veröffentlichten aus diesem Anlass Publikationen, welche das Gesetz präzisieren resp. Anleitungen zur Bewertung von Arbeitsplätzen anbieten. Zu der von Arbeitgeberseite während der parlamentarischen Beratung des Gesetzes prognostizierten Flut von Lohngleichheitsklagen führte das neue Gesetz allerdings nicht
[53].
Anfangs Oktober fällte das Zürcher Verwaltungsgericht das
erste Urteil, das sich auf das neue Gesetz abstützt. Das Gericht entschied, dass der Kanton Zürich 16 Handarbeits- und zehn Hauswirtschaftslehrerinnen, die auf Lohndiskriminierung geklagt hatten, rückwirkend ab 1991 mehr Lohn zu bezahlen sowie künftig die beiden Berufsgruppen generell eine Lohnklasse höher (auf Stufe Primarschullehrkräfte) einzustufen habe. Bei diesem Prozess kam erstmals der Grundsatz der
Beweislastumkehr zum Zug, wonach Arbeitnehmende nur den Verdacht der Diskriminierung glaubhaft machen müssen, worauf es dann an der Arbeitgeberseite ist, diese Behauptung zu entkräften
[54].
Von der
Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt kann trotz Verbesserungen
nach wie vor keine Rede sein. Dies hielt das Bundesamt für Statistik (BFS) in einer am fünften Jahrestag des Frauenstreiks von 1992 veröffentlichten Bilanz fest. Dieser Tag war von den Gewerkschaften zum "Tag der Lohntransparenz" proklamiert worden (siehe oben, Teil I, 7a, Löhne). Das BFS ortete
markante geschlechtsspezifische Unterschiede im Erwerbsleben, in der Haushaltarbeit, aber auch in Bildung und Politik. Das Erwerbseinkommen der Frauen ist weiterhin tiefer als dasjenige der Männer. Mehr als die Hälfte der vollzeitlich erwerbstätigen Frauen verdienen jährlich weniger als 52 000 Fr. brutto. In dieser Kategorie befindet sich aber nur ein Fünftel der Männer. Bei den oberen Einkommenskategorien verhält es sich gerade umgekehrt. Fast ein Viertel der Männer verdient über 78 000 Fr. brutto im Jahr, jedoch nur 6,5% der Frauen. Während ein Drittel der Männer eine leitende Funktion ausübt, ist es bei den Frauen nur ein Sechstel. Die Erwerbslosigkeit belief sich 1995 bei Männern auf 2,8%, bei Frauen hingegen auf 3,9%. Die
Hausarbeit wird weiterhin
grösstenteils von Frauen verrichtet: 63% der befragten Frauen gaben an, allein dafür verantwortlich zu sein. Frauen investieren durchschnittlich 23 Stunden pro Woche in den Haushalt, Männer dagegen weniger als 10 Stunden. Die Beteiligung der Männer an der Hausarbeit hängt aber auch vom Bildungsgrad der Männer ab: je höher dieser ist, desto mehr sind sie bereit, ihren Beitrag an Kindererziehung und Hausarbeit zu leisten
[55].
Frauen verdienen
selbst bei gleicher Ausbildung und gleichem Lebens- und Dienstalter immer noch weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen auf gleicher Funktionsstufe. Dies ergab eine Bestandesaufnahme der Gehälter von über 5000 Angestellten der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA). Die SKA führte diese Erhebung der Löhne bereits zum vierten Mal durch. In der aktuellen Untersuchung hatten sich die Lohnunterschiede zwar verringert, waren jedoch noch nicht vollständig ausgeräumt. Einen Grund sah die SKA in den individuellen Lohnverhandlungen, bei denen sich Männer aggressiver und fordernder verhalten als Frauen
[56].
Eine vom Gleichstellungsbüro der
Stadt Genf in Auftrag gegebene Studie bestätigte ebenfalls diese Zahlen. Demnach verdienen die Frauen in der Stadt Genf durchschnittlich 1032 Fr. weniger pro Monat als ihre männlichen Kollegen. Gemäss dem Autor der Untersuchung gehen
40% dieses Unterschiedes auf das Konto der
geschlechtsspezifischen Diskriminierung. Objektiver Hauptgrund für die Unterschiede ist aber nach wie vor die unterschiedliche Ausbildung. Das wirkt sich während der gesamten Berufskarriere auf die Lohnentwicklung aus: Bei den Männern führt jedes zusätzliche Berufsjahr zu einer Lohnerhöhung von 2,4%, bei den Frauen hingegen lediglich zu einer Zunahme von 1,9%. Frauen haben auch die geringeren Aufstiegschancen: Während 11% der Männer zum höheren Kader gehören, sind es bei den Frauen nur 2,8%. Aber selbst diese wenigen Frauen erhalten im Durchschnitt einen niedrigeren Lohn als die Männer in vergleichbarer Position
[57].
Als schweizerische Premiere erliess die Schuldirektion der
Stadt Bern Richtlinien zur
Anrechenbarkeit der Familienarbeit. Die mit externen Fachleuten ergänzte Arbeitsgruppe Frauenförderung erstellte einen Raster, der angibt, wie Erfahrungen in der Familien- und Betreuungsarbeit sowie in anderen ausserberuflichen Tätigkeiten in Dienstjahre umgerechnet und damit lohnwirksam werden können. Diese Richtlinien traten auf den 1. Februar des Berichtsjahres in Kraft und sollen zunächst in der Städtischen Schuldirektion erprobt und bei der Festsetzung der Anfangslöhne von Wiedereinsteigerinnen angewendet werden. Wenn sie sich bewähren, sollen sie später auf weitere Direktionen der Stadtverwaltung ausgedehnt werden
[58].
Frauen
wählen nach wie vor typische "Frauenberufe". Diese Tendenz stellte das Bundesamt für Statistik (BFS) in einer neuen Studie über die Berufswahl fest. Zwischen 1970 und 1990 stieg der Anteil der Frauen an der Gesamtheit der erwerbstätigen Personen zwar von 33,8 auf 38,0%, die Konzentration auf die fünf häufigsten Frauenberufsgruppen lag aber immer noch bei 57%. An erster Stelle standen die Büroberufe vor dem Beruf der Verkäuferin und jenem der Krankenschwester. Einzig in den akademischen Berufen gelang es den Frauen, verstärkt in Männderdomänen vorzudringen. Im Vergleich zu 1970 gab es 1990 mehr Ärztinnen (23% gegenüber 13,9%), Anwältinnen (14,1% / 3,7%) und Bundesbeamtinnen (12,9% / 5,7%)
[59].
Anhand der Daten der Volkszählung von 1990 untersuchte das BFS auch die
regionalen Unterschiede bezüglich der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Im Landesdurchschnitt gehören 14,9% der Männer, aber nur 5% der Frauen einer höheren sozioprofessionellen Kategorie an; bei den ungelernten Arbeitnehmern ist hingegen der Anteil der Frauen deutlich höher (24,4%) als bei den Männern (15,7%). In elf Regionen (Jura, Freiburg und einzelne Gebiete in den Voralpen) übersteigt der
Anteil der ungelernten Frauen die 36%-Grenze, bei den Männern hingegen in keiner einzigen Region
[60].
Ein Postulat Aeppli (sp, ZH), welches den Bundesrat bittet, den Räten einen Bericht über die gesamtgesellschaftlich geleistete
bezahlte und unbezahlte Arbeit und ihre Aufteilung zwischen Frauen und Männern vorzulegen und konkrete Massnahmen vorzuschlagen, die zu einer gerechteren Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit beitragen, wurde vom Nationalrat stillschweigend angenommen
[61].
Eine von der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten und dem VPOD in Auftrag gegebene
Studie zeigte, dass die
Sparpolitik von Bund, Kantonen und Gemeinden wesentlich zulasten der Frauen geht, die in Teilzeitstellen und ehrenamtliche Arbeit abgedrängt werden, und deren Anteil am gesamten Erwerbseinkommen in den letzten Jahren gesunken ist
[62].
Für weitere Aspekte der Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt siehe oben, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt, Löhne und Arbeitszeit).
[40]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 61 ff. und 854. Vgl.
SPJ 1995, S. 263.40
[41]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1394 ff. und 1924 f. Als einzige Frau stimmte Fehr (svp, ZH) dagegen; Sandoz (lp, VD) und Wittenwiler (fdp, SG) enthielten sich der Stimme.41
[42] Presse vom 7.9.96;
NZZ, 9.9.96. Siehe
SPJ 1995, S. 263.42
[43]
F-Frauenfragen, 1996, Nr. 3, S. 57.43
[44]
Bund, 28.9.96. Im Dezember wählte der BR erstmals zwei Frauen in die Eidg. Bankenkommission (
F-Frauenfragen, 1997, Nr. 1, S. 69).44
[45]
Lit. Leitfaden; Presse vom 16.1.96. Zu den romanischen Landessprachen siehe auch ein Postulat Stump (sp, AG), welches vom Ratspräsidenten bekämpft und deshalb vorderhand der Diskussion entzogen wurde (
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1873).45
[46]
Documenta, 1996, Nr. 1, S. 9 ff. (Rede Dreifuss);
TA, 8.1. und 13.1.96;
Bund, 10.1., 13.1. und 17.1.96; Presse vom 15.1. und 18.-22.1.96;
Ww, 25.1.96;
WoZ, 26.1.96.46
[47]
NZZ, 5.10.96. Das Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann führte im Dezember zu diesem Thema eine Tagung unter dem Motto "Tolérance zéro" durch (
F-Frauenfragen, 1997, Nr. 1, S. 3 ff.).47
[48] Presse vom 6.2. und 7.7.96.48
[49]
NZZ, 6.1.96;
SZ, 25.1., 27.1. und 9.2.96;
Bund, 12.2.96; Presse vom 14.2.96.49
[50] Presse vom 24.2.96. Für die detaillierte Stellungnahme siehe
F-Frauenfragen, 1996, Nr. 1, S. 3 ff.50
[51]
Lit. Eidg. Kommission.51
[52]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1960.52
[53]
Lit. Decoppet, Eidg. Büro und Freivogel;
F-Frauenfragen, 1996, Nr. 2, S. 74;
SHZ, 21.3.96;
SoZ, 7.4.96;
BüZ, 4.5.96; Presse vom 1.6., 8.6., 1.7. und 2.7.96;
NZZ, 7.6., 8.6. und 23.7.96;
SZ, 22.6.96 (Interview mit BR Dreifuss);
Bund, 27.6.96;
TA, 28.6.96. Gleichzeitig wurde das Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann direkt dem Generalsekretariat des EDI unterstellt, wodurch es den Status eines eigenständigen Bundesamtes erhielt (
Bund, 30.3.96). Zur teilweise harzigen Umsetzung des neuen Gesetzes in den Kantonen siehe
BüZ, 20.8.96.53
[54] Presse vom 1.10. und 8.10.96;
NLZ, 10.10.96;
TA, 25.10.96. Das Urteil wurde vom Zürcher Regierungsrat an das Bundesgericht weitergezogen. Damit kann sehr rasch ein wegweisendes Urteil des höchsten Gerichtshofes erwartet werden (
F-Frauenfragen, 1997, 1, S. 66).54
[55]
Lit. Bundesamt. Gemäss der Lohnstrukturerhebung des BFS betrugen die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen 1994 immer noch 24% (
WoZ, 7.6.96).55
[56]
Bund, 17.1.96. Vgl. auch K. Oberholzer / R. Torre,
Bankfrauen in der Statistik, Zürich (Kaufmännischer Verein Zürich) 1996. Zur Notwendigkeit für Frauen, auf dem Arbeitsmarkt aggressiver aufzutreten siehe auch
TA, 13.6.96 und
BaZ, 28.9.96.56
[58]
TA, 3.2.96. Dass die öffentliche Verwaltung bei der Frauenförderung oftmals eine Pionierrolle einnimmt, zeigt sich auch in der Bundesverwaltung. Der Beschluss des BR von 1991, bei gleicher Qualifikation eine Frau vorzuziehen, falls diese im entsprechenden Amt untervertreten sind, wirkt sich aus. Der Frauenanteil stieg zwischen 1991 und 1996 von 17,4% auf 19,8%. Bei den Neuanstellungen betrug der Anteil der Frauen 1995 sogar 30,5% (
SGT, 19.11.96).58
[59]
Lit. Eidg. Volkszählung; Presse vom 13.2.96.59
[60]
Lit. Bundesamt. Resultate der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) ergaben, dass das Risiko, sich auf dem Arbeitsmarkt in einer benachteiligten Situation zu befinden, fast systematisch eng mit dem Geschlecht (weiblich), dem Bildungsstand (ohne nachobligatorische Bildung) und der beruflichen Stellung (keine Vorgesetztenfunktion) verbunden ist (
Sake-News, 1996, Nr. 5, hg. vom BFS).60
[61]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1859 f. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR zu einer Interpellation Roth (sp, GE) in
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2418 f.61
[62]
Lit. Bauer / Baumann. Eine Studie der ökumenischen Frauenbewegung Zürich wies nach, dass die Frauen die ersten Opfer der Deregulierung in der Wirtschaft sind; insbesondere die Arbeit auf Abruf - oft ohne Anspruch auf Arbeitszuteilung - hat in den letzten Jahren markant zugenommen (I. Meier,
Entfesselter Markt und schlanke Betriebe, Zürich 1996; Presse vom 30.4.96).62
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