Année politique Suisse 1998 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Datenschutz und Statistik
Bei den Beratungen der Totalrevision der Bundesverfassung nahm der Ständerat und nach ihm auch der Nationalrat einen neuen Artikel über die Statistik auf. Diese formelle zusätzliche Bundeskompetenz, die in der Praxis längst realisiert ist, sich aber in der Regel nur auf Gesetze (z.B. über die Konjunkturpolitik) abstützt, war unbestritten und auch in der Botschaft des Bundesrates, allerdings nicht im Verfassungsentwurf selbst enthalten gewesen. Neben der Kompetenzzuweisung zur Durchführung von statistischen Erhebungen ermächtigt der Artikel den Bund auch, Vorschriften über die einheitliche Führung von amtlichen Registern zu erlassen [6].
Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates war der Auffassung, dass es dem Parlament nicht möglich sei, die im September des Vorjahres vom Bundesrat vorgelegten gesetzlichen Grundlagen für die Führung resp. den Aufbau von bestimmten Personenregistern des Bundesamtes für Polizeiwesen so rasch zu behandeln, dass sie noch vor dem 1. Juni 1998 in Kraft gesetzt werden können. Da das Datenschutzgesetz diese Rechtsgrundlagen in seinen Übergangsbestimmungen für bereits bestehende Datensammlungen mit schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofilen verlangt, könnten diese nicht mehr weitergeführt werden. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes hatte zudem die Kommission darauf aufmerksam gemacht, dass auch andere Bundesstellen bei der Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für ihre Datensammlungen in Verzug seien. Um einen gesetzlosen Zustand zu vermeiden, beantragte die Kommission deshalb mit einer parlamentarischen Initiative einen allgemeinverbindlichen Dringlichkeitsbeschluss für eine Verlängerung der Übergangsfrist im Datenschutzgesetz auf Ende 1999. Der Bundesrat begrüsste die Kommissionsinitiative und schlug sogar vor, die Frist noch um ein zusätzliches Jahr hinauszuschieben [7]. Das Parlament hiess die Fristverlängerung auf Ende 1999 gut. Im Nationalrat gab es eine Gegenstimme (Jaquet, sp, VD), in der kleinen Kammer keine [8].
In der Herbstsession behandelte der Ständerat dann die vier Gesetze über die Personenregister. Die vier Vorlagen passierten mit einigen Detailänderungen. Grundsätzlich umstritten war einzig das Gesetz über die Zusammenlegung der beiden bereits über gesetzliche Grundlagen verfügenden Datenbanken Isok (organisiertes Verbrechen) und Dosis (Drogen) der kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Bundes (Vorlage C). Vertreter des SP begründeten ihre Ablehnung mit dem Argument, dass die vorgeschlagenen Bestimmungen viel zu wenig präzis seien und keine echte Kontrolle durch die politischen Behörden garantieren könnten [9].
Parallel zu der im Vorjahr beschlossenen Revision des Fernmeldegesetzes waren auch die strafrechtlichen Bestimmungen über die Aufzeichnung von Telefongesprächen revidiert worden. Gemäss der auf den 1. Januar 1998 in Kraft getretenen neuen Regelung dürfen diese ohne ausdrückliche Genehmigung des Gesprächspartners nur noch für Not-, Hilfe- und Sicherheitsdienste aufgezeichnet werden. Damit wurde die bisherige Praxis der automatischen Aufzeichnung von Gesprächen durch Journalisten oder im Geschäftsleben illegal. Mit einer parlamentarischen Initiative verlangte nun Ständerat Frick (cvp, SZ), diese Neuerung wieder rückgängig zu machen und die Aufzeichnung vorbehaltlos zu erlauben, wenn sie zur Vermeidung von Missverständnissen eingesetzt wird (z.B. bei Interviews durch Medienschaffende oder bei geschäftlichen Absprachen). Auf Antrag der vorberatenden Kommission beschloss der Rat, dieser Initiative Folge zu geben [10].
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Volkszählung
Der Nationalrat befasste sich als Zweitrat mit der Teilrevision des Bundesgesetzes über die Volkszählung. Er lehnte mit 147:13 Stimmen einen Rückweisungsantrag Moser (fp, AG) / Ruf (sd, BE) ab; diese hatten verlangt, eine rein auf Registerdaten gestützte Erhebung durchzuführen. Die vom Ständerat vorgenommene Titeländerung in „Strukturerhebungsgesetz“ machte der Nationalrat wieder rückgängig, nachdem französisch- und italienischsprachige Abgeordnete darauf hingewiesen hatten, dass er sich nicht sinnvoll in ihre Sprachen übersetzen lasse. In den Detailbestimmungen wurde diese Bezeichnung, mit der man ausdrücken will, dass es um mehr als eine blosse Zählung von Personen geht, freilich beibehalten. In der kurzen Differenzbereinigung lenkte der Ständerat in der Titelfrage ein. Der Verpflichtungskredit von 108 Mio Fr. verteilt über die Periode 1998 bis 2005 für die Strukturerhebung 2000 fand in beiden Kammern Zustimmung. Dabei lehnte der Nationalrat einen Antrag Brunner (svp, SG) ab, diese Summe um 8 Mio Fr. zu kürzen. In der Schlussabstimmung hiess der Nationalrat die Vorlage mit 140:27, der Ständerat mit 38:3 Stimmen gut. Die Opposition stammte aus der FP, der SD und einem Teil der SVP-Fraktion [11].
 
[6] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 72; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 945 ff.6
[7] BBl, 1998, S. 1579 ff. und 1583 f. (BR). Siehe SPJ 1997, S. 28.7
[8] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 318 f., 788 (Dringlichkeit) und 838 (Schlussabstimmung); Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1296 f., 1366 f. (Dringlichkeit) und 1632 f. (Schlussabstimmung); BBl, 1998, S. 3593 und AS, 1998, S. 1586.8
[9] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1026 ff.9
[10] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 277 ff. Zur Revision des Fernmeldegesetzes siehe SPJ 1997, S. 199 f.10
[11] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1228 ff. und 1634 f.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 732 f. und 839; BBl, 1998, S. 3476 ff. (Gesetz) und 3595 (Kredit). Vgl. SPJ 1997, S. 28 f.11