Année politique Suisse 1998 : Grundlagen der Staatsordnung / Föderativer Aufbau
Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
Der Ständerat befasste sich als Erstrat mit dem neuen Bundesgesetz über die
Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes. Eine aus Abgeordneten aller vier Bundesratsparteien zusammengesetzte Kommissionsminderheit beantragte Nichteintreten. Ihre Opposition richtete sich nicht gegen den Inhalt des Gesetzes an sich, sondern sie erachteten es schlicht als überflüssig, da dessen Kerngehalt bereits in der neuen Bundesverfassung (Art. 55 der definitiven Fassung) enthalten sei. Die Kommissionsmehrheit hielt dem entgegen, dass die vom Gesetz vorgenommene detailliertere Regelung durchaus nützlich sei. Von besonderer Bedeutung sei dabei namentlich der im Gesetz, aber nicht in der Verfassung enthaltene Grundsatz, dass durch die Mitwirkung der Kantone die aussenpolitische Handlungsfähigkeit des Bundes nicht beeinträchtigt werden darf. Der
Nichteintretensantrag wurde mit 26:11 Stimmen
abgelehnt. In der Detailberatung wurde die Bedeutung dieses letzterwähnten Grundsatzes noch betont, indem er vom sechsten in den ersten Artikel verschoben wurde. Dem Misstrauen, das der Ständerat der Konferenz der Kantonsregierungen als allfälliges Sprachrohr der Kantone entgegenbringt, wurde insofern Rechnung getragen, als explizit festgehalten wurde, dass der Bundesrat nicht die Meinung „der Kantone“ an sich, sondern diejenige „aller“ Kantone einbeziehen muss. Trotz diesen Präzisierungen liessen sich nicht alle Mitglieder des Ständerats von der Notwendigkeit dieses neuen Gesetzes überzeugen. In der Gesamtabstimmung votierten 26 für und 9 gegen die Vorlage
[1].
Im Rahmen der
Totalrevision der Bundesverfassung kam es zu einer Aufwertung der Gemeinden und dabei insbesondere der städtischen Agglomerationen. Bei der Regelung des Verhältnisses zwischen Bund und Kantonen war die von den Kommissionen beider Räte eingebrachte Bestimmung, die den Bund verpflichtet, bei seiner Politik die Auswirkungen auf die
Gemeinden im Auge zu behalten, unbestritten. Im Ständerat opponierte hingegen Uhlmann (svp, TG) dem Vorschlag, dass der Bund dabei namentlich die
Interessen der Städte und der Agglomerationsgebiete sowie der Berggemeinden berücksichtigen solle, als Diskriminierung der anderen Gemeinden. Sein Streichungsantrag unterlag aber mit 31:8 Stimmen. Der Nationalrat beschloss in erster Lesung mit 86:63 Stimmen, lediglich die Städte und Agglomerationen aufzuführen, nicht aber die Berggebiete. Ein Streichungsantrag Schlüer (svp, ZH), der darin nur die Schaffung von neuen Subventionsansprüchen sah, wurde mit 95:51 Stimmen verworfen. In der Differenzbereinigung hielt der Ständerat an der Erwähnung auch der Berggebiete fest und konnte sich damit durchsetzen
[2].
Im Rahmen der Beratung der Totalrevision der Bundesverfassung beantragte Ständerätin Spoerry (fdp, ZH) zudem, beim
Finanzausgleich nicht nur die besonderen Lasten der Berggebiete sondern auch diejenigen der städtischen Agglomerationen zu berücksichtigen. Dieser Vorschlag wurde von Abgeordneten aus den Berggebieten bekämpft und unterlag mit 19:13 Stimmen. Im Nationalrat scheiterte ein entsprechender Antrag Gysin (sp, BS) ebenfalls, nachdem Bundesrat Koller zugesichert hatte, dass ein Entwurf zu einer Neuordnung des Finanzausgleichs, der unter anderem auch auf dieses Anliegen eingeht, noch vor Jahresende in die Vernehmlassung gegeben werde. Gysin vertrat seine Forderung auch mit einer Motion. Der Entscheid über diesen Vorstoss musste verschoben werden, nachdem Schlüer (svp, ZH) seine Opposition dagegen angemeldet hatte
[3].
Im Rahmen der Beratung der Totalrevision der Bundesverfassung beantragte Vallender (fdp, AR), dass kantonale Verträge mit dem Ausland nicht mehr der
Genehmigungspflicht durch den Bund unterstellt sind. Dieser Vorschlag konnte sich im Nationalrat und anschliessend auch im Ständerat durchsetzen. In Zukunft müssen derartige Abkommen – welche den Interessen des Bundes sowie der anderen Kantone freilich nicht widersprechen dürfen – dem Bund nur noch zur Kenntnis gebracht werden
[4].
Beide Parlamentskammern hiessen das
Zusatzprotokoll vom 9. November 1995
zum Europäischen Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von regionalen und lokalen Gebietskörperschaften ohne Gegenstimme gut
[5].
[1]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1315 ff.;
TA, 4.4.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 53.1
[2]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 61 ff., 68 f., 703 f. und 1107 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 907 ff. und 1887 ff. Vgl.
SPJ 1997, S. 54.2
[3]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 249 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1021 ff. (BV) und 2833 f. (Motion).3
[4]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 920 ff.4
[5]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 216 f.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1032 f. Vgl.
SPJ 1997, S. 54 f. Siehe allgemein auch F. Sager / A. Vatter, „Formen regionaler Zusammenarbeit in der Schweiz“, in
NZZ, 21.12.98.5
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