Année politique Suisse 1998 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
Banken
Die
Grossbankenfusion von SBG und SBV zur UBS vom Dezember des Vorjahres gab auch im Parlament zu reden. Die beiden Ratsbüros integrierten die von der SP-Fraktion verlangte Sondersession zum Thema Unternehmenszusammenschlüsse und Zukunft des Werkplatzes Schweiz in die einwöchige Sondersession zur Beratung der Totalrevision der Bundesverfassung im Januar. Diskussionsthema (Beschlüsse gab es keine zu fassen) war schwergewichtig die Finanzpolitik, wo die SP die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer für Private forderte. In seiner Stellungnahme zu den eingereichten Interpellationen führte der Bundesrat aus, dass nach seiner Einschätzung die Bankenfusion langfristig positive Auswirkungen auf den schweizerischen Finanzmarkt haben werde, da damit eine von ihrer Grösse her international konkurrenzfähige Bank geschaffen werde. Die internationale Verflechtung dieser Bank und deren Grösse berge allerdings auch ein erhöhtes Risiko, weshalb unter Umständen die Bankenkommission als Aufsichtsgremium zu stärken sei. Den Arbeitsplatzabbau, der mit solchen Umstrukturierungen verbunden sei, bedauerte er, gab sich aber überzeugt, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz von der Globalisierung profitieren werde
[11]. Es ist geplant, den Personalbestand des Sekretariats der administrativ dem EFD unterstellten, aber von den Banken finanzierten
Bankenkommission in den nächsten drei Jahren von 60 auf 90 aufzustocken, wovon sich zehn Personen nur den Grossbanken widmen würden
[12].
In seiner Antwort auf eine Interpellation Schmid (svp, BE), der sich Sorge um die grössere Krisenanfälligkeit von international tätigen Bankkonzernen machte, erklärte der Bundesrat, dass er nicht vorhabe, staatliche Massnahmen zur
Risikoabdeckung von privaten Banken vorzuschlagen. Es seien hingegen Bestrebungen im Gang,
für diese
global tätigen Institute erhöhte Eigenkapitalanforderungen einzuführen. Die Schweiz unterstütze dieses Anliegen, das sich allerdings, um die Wettbewerbsposition der Schweizer Banken nicht zu verschlechtern, nur im internationalen Rahmen realisieren lasse
[13].
Der Bundesrat kam den Forderungen aus Basel, dass die neue UBS ihren
Firmensitz sowohl in Zürich als auch in Basel (wo bisher der SBV beheimatet war) haben darf, entgegen. Gestützt auf ein Gutachten einer interdepartementalen Arbeitsgruppe sprach er sich dafür aus, dass ausnahmsweise von der rechtlichen Vorschrift eines einzigen Firmensitzes abgewichen werden kann. Er wies allerdings auch darauf hin, dass der Ort des Hauptsitzes einer Firma weder arbeitsmarkt- noch steuerpolitisch von erheblicher Bedeutung sei. Die Bankleitung hielt sich an die bundesrätliche Empfehlung und beschloss, dass sie ihren Sitz sowohl in Zürich als auch Basel haben werde. Der Entscheid über die Zulassung eines Doppelsitzes kommt allerdings den kantonalen Handelsregisterbehörden zu
[14].
Die Fusion erweckte auch die Aufmerksamkeit der
Wettbewerbskommission. Da die Gefahr bestehe, dass die neue Grossbank zumindest in einzelnen Geschäftsbereichen und Regionen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen werde, ordnete sie eine Untersuchung an. Anfangs Mai bewilligte sie den Zusammenschluss, machte ihre Zustimmung allerdings von einigen Bedingungen abhängig. Da die neue UBS in einigen Regionen der Schweiz mit einem Marktanteil von über 40% im Firmenkundengeschäft eine marktbeherrschende Position innehabe, müsse sie dort insgesamt 25 Bankstellen verkaufen. Zudem müsse sie versuchen, die früher übernommenen Institute Solothurner Bank (ehemalige Kantonalbank) und Banca della Svizzera Italiana wieder abzustossen
[15]. Im Juni gaben schliesslich auch die Bankaufsichtsbehörden des wichtigsten Finanzplatzes New York und der USA ihre Zustimmung zur Fusion. Der Entscheid des ersten Gremiums war von einigen Druckversuchen amerikanischer und jüdischer Stellen begleitet gewesen, welche ihn von einem Einverständnis der Banken mit einer Globallösung bezüglich jüdischer Geldforderungen im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg (siehe dazu unten) hatten abhängig machen wollen
[16].
Im Nationalrat unternahm Ziegler (sp, GE) einen neuen Versuch zur
Abschaffung des staatlich sanktionierten Bankgeheimnisses. Bundesrat Villiger machte den von einem guten Teil der SP-Fraktion unterstützten Motionär einmal mehr darauf aufmerksam, dass bei kriminellen Tatbeständen, die auch in der Schweiz als solche gelten, das Bankgeheimnis aufgehoben ist und zudem auch andere europäische Staaten vergleichbare Regelungen kennen würden. Der Vorstoss wurde vom Plenum mit 75:42 Stimmen abgelehnt. In diesem Zusammenhang gab Villiger auch einen kritischen Kommentar zur Forderung der OECD ab, das Bankgeheimnis nicht nur bei Steuerbetrug, sondern bereits bei Steuerhinterziehung abzuschaffen: einige der europäischen Staaten, welche den internationalen Steuerwettbewerb am lautesten beklagten, würden zu jenen gehören, welche Grossverdiener und Privatfirmen mit Steuervergünstigungen und Subventionen köderten
[17].
Im Mai unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Teilrevision des Bankengesetzes. Diese umfasst in einem Teil A die rechtliche Neufassung des Kantonalbankenstatuts (s. unten) und in einem Teil B neue Bestimmungen über die grenzüberschreitende Aufsicht über Banken, Börsen und Effektenhändler. Die internationale Koordination der Aufsicht über die Akteure hat im Zeitalter der fortschreitenden Globalisierung der Finanzmärkte wesentlich an Bedeutung gewonnen. Da es keine supranationale Kontrollbehörde gibt, und die nationalen Aufsichtsorgane oft nicht in der Lage sind, die Aktivitäten der in ihrem Land niedergelassenen Filialen von Konzernen zu beurteilen, sind Bestrebungen im Gang, die international tätigen Finanzunternehmen von ihren Herkunftsländern her verstärkt konsolidiert zu kontrollieren. 1996 hatten in Stockholm Vertreter der Aufsichtsbehörden aus über 140 Staaten folgende drei Arten, Informationen über die Tätigkeit von Auslandniederlassungen von Finanzgesellschaften einzuholen, zum Minimalstandard erklärt: die Aufforderung an die Konzernleitung, Informationen bei ihren ausländischen Niederlassungen zu erheben und an die Aufsichtsbehörde des Stammsitzlandes weiterzuleiten, das Gesuch an die Behörden des Gastlandes, die benötigten Informationen einzuholen und schliesslich – mit dem Einverständnis des Gastlandes – die direkte Erhebung bei der ausländischen Niederlassung (sogenannte Vor-Ort-Kontrolle).
Diese
Vor-Ort-Kontrolle durch ausländische Behörden war bisher in der Schweiz nur mit einer Ausnahmebewilligung des Bundesrates zulässig, generell ist sie aber nach Art. 271 StGB als Amtshandlung für einen fremden Staat verboten. Der Bundesrat schlug nun vor, sie unter strengen Bedingungen und ausschliesslich im Rahmen der konsolidierten Aufsicht der Banken und der Effektenhändler zuzulassen. Gleichzeitig soll auch die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) ermächtigt werden, im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht im Ausland Vor-Ort-Kontrollen bei Niederlassungen schweizerischer Finanzgesellschaften durchführen zu dürfen. Die im Gesetz aufgeführten
Bedingungen, unter welchen ausländische Behörden in der Schweiz aktiv werden dürfen, sollen sicherstellen, dass diese sich auf die Aufgaben der Bankenaufsicht (namentlich Prüfung der Organisation, der Einhaltung der Eigenmittelvorschriften und der Informationspflichten sowie der Qualität der Geschäftsführung) beschränken und nicht für andere staatliche Instanzen (z.B. die Steuerbehörden) Informationen einholen oder an diese weiterleiten. So schreibt das Gesetz vor, dass sie dem Amtsgeheimnis unterliegen müssen und ihre Informationen nur mit Zustimmung der EBK an Dritte weiterleiten dürfen. Es ist ihnen damit explizit untersagt ihr Wissen an ihre nationalen Strafbehörden mitzuteilen, wenn die internationale Rechtshilfe ausgeschlossen wäre (beispielsweise bei Steuerhinterziehung). In Daten, welche mit den Kapitalbewegungen einzelner Kunden zu tun haben, werden die ausländischen Instanzen im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit ohnehin keinen Einblick erhalten. Wenn solche Angaben für die konsolidierte Aufsicht erforderlich sind, sollen sie von der EBK selbst erhoben und weitergeleitet werden
[18].
Der
Ständerat befasste sich bereits in der Herbstsession mit dem Geschäft und nahm die Vorschläge auf Antrag seiner Kommission ohne Änderungen an
[19].
In derselben Botschaft wie für die Bankenaufsicht (s. oben) legte der Bundesrat auch seine Vorschläge für eine
Neudefinition der Kantonalbanken vor. Als Kantonalbanken sollen künftig jene gelten, deren Existenz auf kantonalen Gesetzen beruht und an denen der Kanton mehr als einen Drittel des Kapitals und der Stimmen hält. Über eine
Staatsgarantie müssen sie hingegen nicht mehr verfügen. Mit dieser begrifflichen Neubestimmung sollen gleichzeitig auch gewisse Privilegien der Kantonalbanken aufgehoben werden. Unabhängig davon, ob sie über eine Staatsgarantie verfügen, sollen sie der Aufsicht der Bankenkommission unterstellt und in bezug auf Reservebildung und Verantwortlichkeitsbestimmungen den anderen Banken gleichgestellt werden. Kantonalbanken mit Staatsgarantie sollen jedoch weiterhin von einem Rabatt von 12,5% bei den Eigenmitteln profitieren können, da bei ihnen das Risiko vom Staat voll abgedeckt wird. Zudem sollen sie auch nicht der Bewilligungspflicht durch die Bankenkommission unterstehen und ihre Liquidation soll nur vom Kanton und nicht von der EBK angeordnet werden können. Für die Kantonalbanken der Kantone Genf und Waadt (welche zwar eine faktische aber keine formelle Staatsgarantie kennen) und Zug (wo der Kanton nur 20% des Aktienkapitals hält) sollen Übergangsbestimmungen gelten
[20].
Der
Ständerat befasste sich in der Herbstsession mit dem Geschäft und hiess es auf Antrag seiner Kommission ohne Änderungen gut
[21].
Gemäss einem
Bundesbeschluss von 1962 hatten schweizerische Vermögensverwalter Konten zu melden, die seit Kriegsende
nachrichtenlos geblieben waren und bei denen man aufgrund der Namen und des Wohnorts vermuten konnte, dass ihre Inhaber während des 2. Weltkriegs Opfer rassistischer, politischer oder anderer Verfolgung geworden waren. Für einen Teil der aufgrund dieses Beschlusses ermittelten Vermögen konnten damals keine Anspruchsberechtigten gefunden werden. Dieser Rest von rund 3 Mio Fr. war in den siebziger Jahren an den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund und an die Schweizerische Zentralstelle für Flüchtlingshilfe überwiesen worden. Da in jener Zeit die Suche nach Berechtigten nicht sehr intensiv vorgenommen worden war (im kommunistischen Mittel- und Osteuropa verzichtet man gar auf Nachforschungen, um eventuelle Erben nicht Repressalien auszusetzen), beschloss der Bundesrat jetzt,
heute noch eruierbare Berechtigte zu entschädigen. Er publizierte dazu eine Liste mit den Namen und Adressen der seinerzeit nicht ermittelten Konteninhaber und richtete Informations- und Meldestellen ein
[22].
Die Sucharbeit des
Volcker-Komitees nach nachrichtenlosen Konten bei Schweizer Banken und nach Anspruchsberechtigten wurde im Berichtsjahr fortgesetzt. Im Sommer waren im Auftrag dieses Komitees 375 meist ausländische Revisoren, im Herbst gar deren 420 mit der Überprüfung von Kontenbeständen schweizerischer Banken beschäftigt. Die gesamten Kosten dieser für das Image der Banken als sehr wichtig erachteten Operation wurden auf 150 Mio Fr. geschätzt
[23]. Die Ermittlung von Berechtigten für die rund 5000 nachrichtenlosen Konti ausländischer Inhaber, deren Namen die Banken im Vorjahr auf
Listen international publiziert hatten, wurde ebenfalls fortgesetzt. Nachdem knapp 10 000 Ansprüche eingegangen waren, konnten von den total 78 Mio Fr. deren 5,5 Mio zugewiesen werden, dabei betrug der Anteil von Geldern von Holocaustopfern weniger als 20%
[24].
In seiner Antwort auf Interpellationen der freisinnigen Fraktion im Nationalrat resp. von Beerli (fdp, BE) und Marty (fdp, TI) im Ständerat nahm der Bundesrat im Frühjahr zu den
Boykottdrohungen amerikanischer Finanzbehörden gegen Schweizer Banken und andere Unternehmen Stellung. Er wies darauf hin, dass er in einer gemeinsamen Erklärung mit der US-Regierung vom 26. März die Drohungen als ungerechtfertigt und kontraproduktiv verurteilt hatte. Er stellte im weiteren fest, dass sowohl seine Vertreter als auch die US-Regierung die betreffenden amerikanischen Gemeinden und Gliedstaaten über die WTO-Widrigkeit ihrer Sanktionsdrohungen unterrichtet hätten. Da diese das Ende 1997 ausgesprochene Moratorium am 26. März – nach einer Erklärung der Grossbanken, unter Umständen einer Globalentschädigung zuzustimmen – stillschweigend erneuert hätten, verzichte er aber vorläufig auf eine Klage bei der WTO. Die von der FDP angeregten Gegenmassnahmen gegen US-Firmen für den Fall, dass die Boykottdrohungen realisiert würden, lehnte er jedoch als untaugliche Mittel zur Durchsetzung politischer Anliegen ab
[25].
Ganz auf Eis gelegt waren die Boykotte allerdings nicht. Im Mai beschloss das Parlament des US-Staates New Jersey ein Gesetz, das die staatlichen Behörden zu einem Boykott schweizerischer Banken verpflichtet; die ursprünglich geplanten Sperren gegen andere schweizerische Unternehmen wurden hingegen fallengelassen (der Senat als Zweitkammer brauchte wegen des Abschlusses einer Globallösung im August (siehe unten) das Gesetz nicht mehr zu beraten). Anfangs Juli, als die Verhandlungen mit den Banken über eine Globallösung ins Stocken gerieten, sprach sich der vom New Yorker Finanzchef Alan Hevesi formierte Ausschuss für eine Aufhebung des Moratoriums aus und gab damit den staatlichen Behörden
freie Hand für die Ergreifung von Boykottmassnahmen. Unmittelbar nach diesem Entscheid gaben weitere Finanzchefs von Bundesstaaten und Gemeinden ihre Boykottpläne bekannt, die bis zum Abschluss einer Vereinbarung stufenweise gesteigert werden sollten und z.B. im Falle der Stadt New York auf alle schweizerischen Firmen ausgedehnt worden wären. Bundespräsident Cotti forderte darauf US-Präsidenten Clinton in einem „persönlichen Brief“ auf, sich gegen diese angedrohten Massnahmen einzusetzen
[26].
Bereits im Frühjahr, als sich ein
Globalabkommen zwischen den jüdischen Organisationen und den Sammelklägern einerseits und den Schweizer Grossbanken andererseits abzuzeichnen begann, hatten Bundesrat und Nationalbank erklärt, dass sie, entgegen den Forderungen der amerikanischen Kläger, keine Veranlassung sähen, sich an diesem Abkommen zu beteiligen
[27]. Erste konkretere Verhandlungen über diese Globalentschädigung – an denen spätestens ab Juli auch US-Unterstaatssekretär Eizenstat mitwirkte – fanden im April statt. Im Juni machten die Banken ein erstes Angebot von 600 Mio US$ publik, das von den jüdischen Organisationen sogleich als absolut ungenügend zurückgewiesen wurde. Diese forderten eine Summe 1,5 Mia US$ und gaben zu verstehen, dass damit für sie auch die „moralische Schuld“ der Schweiz und der Nationalbank getilgt wären
[28].
Als sich die beiden Seiten bei weiteren Verhandlungen anfangs Juli nicht einigen konnten, erhöhte die amerikanische Seite den Druck mit der oben dargestellten Wiederbelebung der Boykottdrohungen. Die Banken blieben vorerst bei ihrem Angebot und die Verhandlungen gingen, begleitet von viel an das breite Publikum gerichtete Rhetorik und Polemik von seiten der amerikanischen Organisationen und Anwälte weiter. Nach zähen Verhandlungen unter dem Vorsitz von Edward Korman, des für die Sammelklagen gegen die UBS (als Nachfolgerin des SBV und der SGB) und die Crédit Suisse zuständigen New Yorker Richters, kam es
am 12. August zu einer Einigung. Die Beteiligten unterzeichneten ein Abkommen, welches die beiden Grossbanken zur Bezahlung von
1,32 Mia US$ in vier über drei Jahre verteilte Raten verpflichtet. Diese Summe setzt sich zusammen aus einer Pauschalzahlung von 850 Mio (wobei die Banken auf Solidaritätsbeiträge der Schweizer Industrie hoffen) und die bereits geleistete Einlage in den Spezialfonds für Holocaustopfer (70 Mio). Eingeschlossen sind aber auch die Gelder, die im Rahmen der Suchaktion des Volker-Komitees (siehe oben) aufgespürt werden. Dieser Betrag wird inkl. Zinsen und Entschädigungen auf rund 400 Mio US$ geschätzt. Explizit eingeschlossen in diesem Vergleich der Banken mit den jüdischen Organisationen und den Anwälten der Sammelkläger sind sämtliche Forderungen gegenüber den Schweizer Behörden, der Nationalbank und der Wirtschaft mit Ausnahme der Versicherungsgesellschaften. Ebenfalls in diesem Betrag enthalten sind sämtliche Anwaltskosten der Kläger
[29].
Den Vorschlag der Grossbanken, dass sich neben der Industrie auch die
Nationalbank an der Globalentschädigung beteiligen solle, lehnte nicht nur diese, sondern auch sämtliche politischen Parteien kategorisch ab
[30]. Parlamentarier der SP und der Grünen regten im Nationalrat mit Interpellationen an, es den Banken zu verbieten, die Auslagen für diese Globallösung von ihrem steuerbaren Reingewinn abzuziehen. Der Bundesrat lehnte dieses Ansinnen als illegal und auch von der Sache her nicht gerechtfertigt ab
[31].
Wachmann
Christoph Meili, der im Vorjahr aus dem Shredderraum der UBS Dokumente geholt hatte und in der Folge von der Bewachungsfirma entlassen worden war, verklagte die UBS bei einem Gericht in New York wegen Verleumdung, Diskriminierung, Erzeugung von Qualen und anderer Delikte auf einen Schadenersatz von 2,56 Mia US$. Mit der Globallösung war auch diese Klage erledigt; die Höhe der an Meili gehenden Zahlung war nicht bekannt
[32].
Ende Mai veröffentlichte die Kommission Bergier einen Zwischenbericht zum
Goldhandel der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs. Er bestätigte die wichtige Rolle der Schweizerischen Nationalbank bei den Goldverkäufen Deutschlands, brachte aber keine aufsehenerregenden neuen Erkenntnisse. Eine Präzisierung brachte der Bericht in bezug auf den Umfang der von der Deutschen Reichsbank gekauften Goldbarren, die nachweislich, aber ohne dass die SNB dies damals erkennen konnte, von Opfern des Holocaust stammten. Deren Wert betrug gemäss den Erkenntnissen der Bergier-Kommission 582 000 Fr.
[33]. Dieser Zwischenbericht bestätigte allerdings die jüdischen Organisationen, aber auch US-Unterstaatssekretär Eizenstat in ihrer Haltung, dass sich die SNB an der Globallösung der Banken beteiligen müsse. Ende Juni reichten amerikanische Anwälte, welche bereits
Sammelklagen gegen die Schweizer Grossbanken eingereicht hatten, beim Bundesbezirksgericht in Washington zudem auch eine solche
gegen die Schweizerische Nationalbank ein. Die Nationalbank ihrerseits stritt die im Bericht erwähnten Handlungen nicht ab, kritisierte jedoch die Bergier-Kommission, weil sie es unterlassen habe, neben der historischen und politischen Analyse auch eine ökonomische vorzunehmen. Diese hätte unter anderem berücksichtigen müssen, dass der Spielraum der damaligen SNB-Leitung auch durch die Blockierung ihrer Guthaben in den USA eingeengt worden sei
[34].
Die Schweiz trat auf ein Rechtshilfegesuch
Äthiopiens ein, welches gegen den ehemaligen Regierungschef Tamirat Layne wegen Unterschlagung ermittelt. Die Genfer Staatsanwaltschaft liess in diesem Zusammenhang Konten Laynes und ihm nahestehender Personen auf einer Genfer Bank im Umfang von rund 12 Mio Fr. sperren. Das Bundesgericht lehnte im September den von einer der Betroffenen angefochtenen Entscheid des Bundesamtes für Polizeiwesen (BAP) ab, die Guthaben sofort den äthiopischen Behörden zu überweisen. Die Bankdokumente würden zwar übermittelt, aber für eine Überweisung der Gelder müssten die äthiopischen Behörden zuerst ein in einem korrekten Verfahren zustandegekommenes Gerichtsurteil vorlegen
[35].
Die Affäre um die Rückführung der in der Schweiz seit mehr als einem Jahrzehnt blockierten Vermögenswerte des philippinischen Ex-Präsidenten
Marcos näherte sich ihrem Abschluss. Zu Jahresbeginn publizierte das Bundesgericht seinen Entscheid über die Überweisung von weiteren rund 540 Mio Fr. auf ein Sperrkonto in Manila. Das BAP wurde vom Gericht angewiesen, die Überweisung vorzunehmen, wenn die philippinischen Behörden die Erfüllung der schweizerischen Bedingungen (insbesondere Garantie für die Durchführung eines ordentlichen Prozesses zur Einziehung und Verteilung sowie Berichterstattung über die Entschädigungen für Folteropfer) zusichern. Nachdem das BAP die Zusicherungen akzeptiert hatte, wurden auf seine Weisung die Gelder in zwei Tranchen im April und, nachdem das Bundesgericht noch die letzten dagegen eingereichten Beschwerden abgelehnt hatte, im Juli in die Philippinen überwiesen
[36].
Im Zusammenhang mit der im Vorjahr durchgeführten Suche nach Vermögenswerten des ehemaligen zairischen Staatschefs
Mobutu sprach die EBK eine Rüge gegen eine Bank aus, welche derartige Konten zuerst verschwiegen hatte. Da die Bank den Verantwortlichen entlassen und zudem organisatorische Massnahmen eingeleitet hatte, sah die Bankenkommission von schärferen Sanktionen ab. Sie kündigte an, dass sie beabsichtige, den Umgang mit Geldern von ausländischen Amtsinhabern im Rahmen einer Revision der Geldwäschereirichtlinien expliziter zu kodifizieren
[37]. Die Vermögenswerte Mobutus (rund 6 Mio Fr. auf Konten und eine Villa) blieben weiterhin gesperrt, da die Behörden des Kongo der wiederholten Aufforderung des BAP, nähere Informationen über den Zusammenhang dieser Werte mit den Mobutu vorgeworfenen Delikten zu liefern, nicht nachgekommen waren
[38].
[11]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 82 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 155 ff. Zur Kapitalgewinnsteuer siehe unten, Teil I, 5 (Direkte Steuern).11
[12]
SHZ, 25.2.98;
Bund, 22.4.98.12
[13]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1604.13
[14]
NZZ und
BaZ, 20.1.98;
BaZ, 22.1. und 31.1.98. Vgl. auch
SPJ 1997, S. 121 f. Die Aktionäre von SBG und SBV stimmten der Fusion ohne nennenswerten Widerstand zu (Presse vom 4.2. und 5.2.98).14
[15]
TA, 3.2.98;
NZZ, 11.4.98; Presse vom 6.5.98.15
[16]
NZZ, 4.6. und 9.6.98; Presse vom 5.6.98.16
[17]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1715 ff.17
[18]
BBl, 1998, S. 3847 ff.;
NZZ, 28.5.98.18
[19]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 905 ff.19
[20]
BBl, 1998, S. 3847 ff. Vgl.
SPJ 1997, S. 122.20
[21]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 905 ff.21
[22]
BBl, 1999, S. 470 ff.;
TA, 19.11.98.22
[23]
Bund, 26.6. und 25.9.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 124.23
[24]
TA, 19.11.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 125 f.24
[25]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1619 f.;
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 546 ff. Vgl. dazu auch die Antwort des BR auf Interpellationen von Schlüer (svp, ZH) und Bonny (fdp, BE) in
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2243 ff. resp. 2933.25
[26] Moratorium: Presse vom 26.3.-28.3.98. Aufhebung:
NZZ, 2.7. und 3.7.98; Presse vom 3.7.98;
Bund, 4.7.98; Presse vom 23.7.98 (Cotti). New Jersey:
TA, 4.3. und 18.5.98;
NZZ, 19.5. und 20.5.98;
Bund, 30.6.98;
LT, 7.9.98. Zum Hevesi-Ausschuss siehe
SPJ 1997, S. 126 f. Der Präsident der SD, NR Keller (BL), reagierte auf die Boykottbeschlüsse mit einem Aufruf, amerikanische und jüdische Unternehmen zu boykottieren, was ihm eine Strafanzeige wegen Verstoss gegen das Anti-Rassimusgesetz eintrug (
NLZ, 4.7.98; siehe oben, Teil I, 1c, Parlament).26
[27]
NZZ, 4.4.98;
LT, 8.4.98.27
[28] Presse vom 27.4.98 (erste Verhandlungen);
NZZ, 12.6.98 und Presse vom 20.6.98 (Bankenangebot);
LT, 27.6.98 (1,5 Mia US$).28
[29]
LT, 17.7.98; Presse vom 13.8.-15.8.98. Zur Zusammensetzung des Betrags und zum weiteren Verfahren siehe
Bund, 14.8.98;
BaZ, 15.8.98;
NZZ, 29.8.98. Amerikanische Anwälte haben im Laufe des Berichtsjahres auch gegen deutsche und österreichische und sogar gegen zwei amerikanische Banken Sammelklagen von Überlebenden des Holocaust eingereicht (
NZZ, 7.10. und 2.11.98).29
[30]
BaZ, 14.8. und 20.8.98;
BZ, 18.8.98; Presse vom 22.8.9830
[31]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2926 f. und 2927 ff. (Interpellationen Ostermann, gp, VD und de Dardel, sp, GE).31
[32]
TA, 15.1. und 14.8.98;
Bund, 19.1.98. Zu Meili siehe
SPJ 1997, S. 123 f.32
[33] Presse vom 26.5.98.33
[34] Beteiligung der SNB an der Globallösung:
LT, 23.7.98 sowie oben. Sammelklage: Presse vom 1.7.98 (diese ist mit dem Globalabkommen vom August gegenstandslos geworden). SNB:
NZZ, 19.1.98;
Bund, 31.7.98; vgl. auch die ähnliche Kritik des Lausanner Wirtschaftsprofessors Lambelet in
NZZ, 31.7. und 9.12.98 sowie die Replik in
NZZ, 10.10.98. Grundsätzlich zum Instrument der Sammelklage siehe
NZZ, 4.4. und 27.6.98.34
[35]
TA, 19.1. und 22.12.98;
NZZ, 21.1., 4.4. (BAP) und 11.9.98 (BG).35
[36]
NLZ, 16.1.98 (BG);
NZZ, 20.1., 27.1., 16.4. (BAP), 16.6. (Abweisung der letzten Beschwerden) und 21.7.98 (letzte Überweisung);
Bund, 21.4.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 129.36
[37]
BaZ, 12.2.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 128.37
[38]
Bund, 12.5.98. Zum Stand des Rechtshilfeverfahrens Mobutu siehe auch
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1606 ff.38
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