Année politique Suisse 1998 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
 
Forschung
Zur künstlichen Fortpflanzung und zur Xenotransplantation siehe oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
Der Schweizerische Wissenschaftsrat bestätigte in einer umfangreichen Studie den sogenannten “Brain drain” – die Abwanderung hochqualifizierter Schweizer Wissenschafter in die USA – mit steigender Tendenz. Der Rat regte Massnahmen zur Unterstützung der Rückkehr von Auslandschweizern beispielsweise in Form von “Come-Back”-Stipendien an [59]. Eine vom Vorort und dem Bundesamt für Statistik im Februar veröffentlichte Statistik hatte aufgezeigt, dass über die Hälfte der rund 15 Mia Fr., welche die Schweizer Wirtschaft 1997 für die Forschung aufgewendet hatte, im Ausland – vor allem in die USA – ausgegeben worden war [60].
Zu zahlreichen Diskussionen Anlass gab im Berichtsjahr die ungewisse Zukunft des Centro svizzero di calcolo scientifico (CSCS), das von der ETH Zürich im Auftrag des Bundes betriebene Hochleistungsrechenzentrum in Manno bei Lugano. Der plötzliche Rücktritt des CSCS-Direktors, Jean-Pierre Therre, im August verstärkte die bereits durch eine Interpellation von Nationalrat Cavalli (sp, TI) und darauffolgende Medienberichte geschürten Unsicherheiten. Vordergründig schien die massive Kritik der CSCS-Belegschaft an Therres Führungsmängeln zum Rücktritt geführt zu haben. Ausschlaggebend waren jedoch vor allem die im Tessin wachsenden Befürchtungen, die ETH wolle den nationalen Supercomputer wieder in Zürich integrieren und betreibe deshalb am Standort Manno eine Politik der Austrocknung. In seiner Antwort auf die Interpellation Cavalli vertröstete der Bundesrat das Parlament auf die Behandlung der Botschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Technologie [61].
Seit Anfang des Berichtsjahres war eine Tierversuchskommission im Amt, in der die Laboratorien der Kantone Basel-Stadt, Basel-Land und Aargau vertreten sind. Sie beurteilt die Gesuche und führt regelmässig Inspektionen durch. Etwa zwei Drittel aller Tierversuche in der Schweiz werden in diesen drei Kantonen durchgeführt. Die Anzahl der Versuchstiere sank im Kanton Basel-Stadt von über 1,5 Mio im Jahre 1983 auf rund 300 000 im Jahre 1997 [62].
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Forschungsprogramme und -gelder
Der Bundesrat hiess im Berichtsjahr eine achte Serie von Nationalen Forschungsprogrammen (NFP) mit einem Gesamtkredit von 48 Mio Fr. gut und wählte dazu vier Themenblöcke aus: “Bildung und Beschäftigung”, “Zukunftsprobleme des Sozialstaates Schweiz”, “Implantate und Transplantate” sowie “molekulare Strukturen”. Die allen vier Programmen gemeinsame Leitfrage focussiert auf die Auswirkungen naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse auf die Gesellschaft [63].
Nach der bereits 1997 erfolgten Zustimmung der grossen Kammer genehmigte auch der Ständerat eine Erhöhung des 1995 bewilligten Verpflichtungskredits zur Finanzierung von Tätigkeiten der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) um 30 Mio Fr. ohne Gegenstimmen. Diese Spezialfinanzierung dient dem Aufbau der Kompetenz in anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung an den FHS in den Jahren 1998-1999. Die KTI bildet mit ihrem erweiterten Leistungsauftrag insbesondere im Bereich der sogenannten “technologisch orientierten Programmforschung” (TOP) sowie des Wissens- und Technologietransfers neben dem Schweizerischen Nationalfonds den zweiten Hauptpfeiler der nationalen Forschungsförderung. Der Ständerat nahm zudem vom Technologiebericht des Bundesrates Kenntnis [64].
Das bilaterale Forschungsabkommen Schweiz – EU gelangte dank dem Abschluss der bilateralen Verhandlungen mit der EU bei den anderen Dossiers anfangs Dezember zum Durchbruch. Der Vertrag, der vor zwei Jahren ausgehandelt worden war und der für das 4. EU-Rahmenprogramm eine volle und weitgehend gleichberechtigte Teilnahme von Schweizer Partnern in EU-Projekten vorsah, kann damit fast unverändert auf das 5. EU-Rahmenprogramm 1999-2002 umgeschrieben und auf den 1. Januar des Jahres, das der Inkraftsetzung der Verträge mit der EU folgt, auch finanziell wirksam werden [65].
Der Ständerat überwies ein Postulat Cottier (cvp, FR) und ersuchte damit den Bundesrat, im Rahmen seiner wissenschaftspolitischen Schwerpunktsetzung den Ausbau des Netzes der Stellen für Wissenschaftsattachés voranzutreiben, um so die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz in der europäischen Forschungslandschaft zu sichern [66].
Im November präsentierten der Schweizerische Nationalfonds, die Schweizer Akademien und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) einen Leitfaden für Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern. Er listet elf Grundsätze auf, nach denen in Zielvorstellung, Umsetzung und Kontrolle vorgegangen werden soll. So soll der Forschungsgegenstand gemeinsam mit den Partnern festgelegt und eventuelle Gewinne gerecht verteilt werden. Besondere Beachtung gilt dabei der Nützlichkeit für die Bevölkerung der Region, der Ausbildung von Leuten der Region und der dortigen Schaffung von Forschungseinrichtungen [67].
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Gentechnologie
Die höchsten Wellen unter den eidgenössischen Abstimmungsvorlagen im Jahre 1998 warf eindeutig die Gen-Schutz-Initiative. Sie löste heftige, emotional aufgeladene Kontroversen über Chancen und Risiken der Gentechnik aus. Das aufwühlende Thema stürzte Bevölkerung und Parteien in ein Dilemma: Wer nicht berufshalber oder aus weltanschaulichen Gründen einen Entscheid fällen wollte, stand verunsichert und unentschlossen der Polarisierung durch Befürworter und Gegner gegenüber. Bei Annahme der Initiative wären folgende drei Teilverbote statuiert worden: Verboten werden sollten gentechnisch veränderte Tiere, die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen und die Patentierung derart manipulierter Tiere und Pflanzen bzw. von Verfahren zu ihrer Veränderung oder von daraus gewonnenen Produkten. Schliesslich verlangte das Volksbegehren auch, dass Forschende, welche ein Gesuch für die Anwendung von gentechnischen Verfahren einreichen, den Nutzen von Forschungsarbeit im Gentechnikbereich und das Fehlen von Alternativmethoden ausweisen [68].
Zu Beginn des Berichtsjahres wurde die Abstimmungskampagne über die Initiative mit der Gründung des nationalen Komitees “Ja zum Genschutz!” eröffnet. Unter dem Präsidium der grünen Nationalrätin Ruth Gonseth (BL) formierten sich über fünfzig eidgenössische Parlamentsmitglieder aus dem grünen und sozialdemokratischen Lager zu einem Komitee, das sich auf Dutzende von Organisationen mit insgesamt einer halben Million Mitglieder stützen konnte. An der Gründungs-Pressekonferenz standen “Profitstreben” und “Heilsversprechen” der Genforschung im Zentrum der Kritik [69].
Im April riefen die Bundesratsmitglieder Dreifuss, Couchepin und Leuenberger zur Verwerfung der Initiative auf. Sie lehnten die Verbotsphilosophie der Initianten ab, deren “pauschale und einfache Antworten” einem rationalen Diskurs nicht standhalten würden; die Initiative lähme die Forschung, verhindere Chancen und vernichte Arbeitsplätze. Die Initianten reagierten mit Empörung auf den Bundesratsauftritt – insbesondere gegen jenen der Sozialdemokratin Dreifuss und ihres Parteikollegen Leuenberger und warfen diesen vor, durch die Industrie instrumentalisiert zu sein. Ein Graben spaltete die SP schon seit Ende März, als sich namhafte Parteimitglieder in einem offenen Brief an die SP-Geschäftsleitung gegen die vom schweizerischen Parteivorstand gefasste Ja-Parole gewandt und letztlich eine Revision der Parolenfassung gefordert hatten. In Neuenburg und der Waadt entschieden sich die Kantonalsektionen der Partei gegen die Initiative; in den Kantonen Basel-Land, Jura und Wallis beschlossen sie Stimmfreigabe [70].
Abgesehen von den bürgerlichen Parteien und der Pharmaindustrie, die geschlossen gegen die Initiative auftraten, gab der Abstimmungskampf reihum ein Bild der Zerrissenheit wieder, in der die Suche nach nüchternen Argumenten für oder gegen die Initiative schwierig blieb. Die Diskussion über die Gefährdung von Arbeitsplätzen und wissenschaftlicher Standortattraktivität beispielsweise basierte je nach Lager auf höchst unterschiedlichen Berechnungen und Zahlen. Die Position der Bauern war von internen Flügelkämpfen zwischen konventionellen und biologischen Bauern geprägt. Obwohl viele Bauern wegen der Rinderseuche BSE Angst vor schwer kontrollierbaren Auswirkungen bekundeten, wollte der Bauernverband auf die Vorteile, welche die Gentechnologie auch der Landwirtschaft bringen könnte, nicht verzichten, so dass er sich zur Nein-Parole entschloss. Der Gewerkschaftsbund und die Angestelltenverbände konnten sich hingegen zu keiner Parole durchringen. Die Auswirkungen einer Annahme der Initiative auf die Beschäftigungslage schien niemand richtig abschätzen zu können. Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund stellte sich mit seiner Ja-Parole auf die Seite der Initiativbefürworter. Die Gründung eines Ärztekomitees für die Initiative sowie das Engagement von Forscherinnen und Forscher auf der gegnerischen Seite sorgten für Aufsehen. Ende April demonstrierten rund 2000 Studenten, Assistentinnen und Professoren in Zürichs Strassen gegen das Volksbegehren. Ein solche Demonstration von Professoren hatte es in der Schweiz noch nie gegeben. Wenn sich bei manchen angesichts dieser Auseinandersetzungen Hoffnung auf mehr Transparenz und Demokratie in der Forschung regte, machte sich bei anderen eine zunehmend aggressive Wahlkampfrhetorik breit, die bis in juristische Geplänkel mündete. Die Schweizerische Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG), ihres Zeichens Trägerin der Initiative, reichte gegen verschiedene Dozenten an den Universitäten Basel, Bern und Zürich Aufsichtsbeschwerden ein. Im Visier hatte die SAG jene Professoren, die Mitglieder von “Forum Gen, Persönlichkeiten für eine sinnvolle Bio- und Gentechnologie” waren. Stein des Anstosses war eine Inseratekampagne von “Forum Gen” gewesen, in der festgehalten wurde, die Initiative verbiete die Erforschung noch unheilbarer Kankheiten wie Krebs, Aids, multiple Sklerose oder Alzheimer. Die Initianten bezeichneten diese Aussage als glatte Lüge, da die Initiative lediglich die Forschung mit transgenen Tieren verbiete, nicht aber die medizinische Forschung generell [71].
Die grüne Fraktion versuchte im Hinblick auf die Abstimmung die Streitfragen um die Patentierung von Leben erneut ins politische Rampenlicht zu rücken, da dieses äusserst umstrittene Thema in der Gen-Lex-Vorlage nicht geklärt wird. Mit einer im Januar angekündigten Motion hielt die grüne Fraktion den Bundesrat an, Alternativen zur Patentierung von Lebewesen zu präsentieren – nach wie vor vom Grundsatz ausgehend, dass Tiere und Pflanzen vom Patentschutz ausgeschlossen und in ein wirksames Schutzsystem eigener Art integriert werden müssen. Im weiteren drängte die grüne Fraktion in einer Interpellation nach gerechten Abgeltungen für die Nutzung genetischer Ressourcen. Der Bundesrat müsse Massnahmen gegen die “Biopiraterie”, das heisst die Patentierung von Erfindungen, die sich Gen-Ressourcen aus Entwicklungsländern entschädigungslos zunutze machen, ergreifen [72].
Volksinitiative “Gen-Schutz-Initiative
Abstimmung vom 7. Juni 1998

Beteiligung: 41,3%
Nein: 1 252 302 (66,7%) / 20 6/2 Stände
Ja: 624 964 (33,3%) / 0 Stände

Parolen:
Nein: FDP, CVP, SVP, LP, FP, Lega; SGV, Vorort, Arbeitgeberverband, Bauernverband.
Ja: SP (5*), GP, LdU, EVP, SD (1*), EDU (1*); CNG.
Stimmfreigabe: CSP (2*); SGB, Angestelltenverbände
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Überraschend deutlich lehnte die Stimmbevölkerung die Initiative am 7. Juni mit einer Zweidrittelmehrheit von 66,7% Nein-Stimmen ab. Am deutlichsten verwarfen die Kantone Wallis und Waadt mit 15,8% bzw. 16,8%; am meisten Ja-Stimmen erhielt das Volksbegehren in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden (44,2%) und Graubünden (42,7%). Deutlicher als die Deutschschweiz lehnte die Romandie mit nur 19% Ja-Stimmen die Initiative ab, wohingegen es in der Deutschschweiz und in der italienischen Schweiz immerhin 37% waren. Überdurchschnittlich war die Zustimmung in den landwirtschaftlichen Regionen insbesondere der Kantone Bern, Graubünden und Tessin [73].
Eine nachträgliche Interpretation der Zweidrittelmehrheit als vorbehaltlose Zustimmung zur Gentechnologie sei gemäss der Vox-Analyse dieses Urnengangs unzulässig. Die Vox-Befragung ergab nämlich, dass nur 51% der Stimmberechtigten – oder 56% der tatsächlich Stimmenden – die Gentechnologie grundsätzlich befürworteten. Bestätigt wurden die am Abstimmungssonntag geäusserten Eindrücke, wonach die Stimmbevölkerung von der Gentechnologie neue Methoden zur Bekämpfung bisher unheilbarer Krankheiten erwartet. Dieser Hoffnung ordneten viele Skeptiker ihre Bedenken unter und stimmten trotz vorhandener Befürchtungen über negative Auswirkungen Nein. Befördert wurde dieses Verhalten dadurch, dass die Abstimmungsgegner die Genschutz-Initiative konsequent als Genverbots-Initiative apostrophierten. Die inhaltliche Umdeutung der Vorlage weg von den Motiven des Natur- und Umweltschutzes hin zur Angst vor Beschränkungen und Verboten hatte bewirkt, dass ein grosser Teil der Stimmberechtigten das Volksbegehren nicht bloss ablehnte, um etwas Neues zu verhindern, sondern um positive Errungenschaften zu bewahren. Einer zersplitterten Basis im befürwortenden Lager stand am Abstimmungswochenende eine geschlossene Gegnerschaft gegenüber: Nur gerade Mitglieder von Umweltorganisationen stimmten mit 55% der Initiative zu. Keine andere gesellschaftliche Gruppierung oder Partei-Anhängerschaft war mehrheitlich auf der Befürworterseite. Den grössten Ja-Stimmenanteil gab es im rot-grünen Lager mit 50%, bei der SPS waren es 46%, bei Mitgliedern von Konsumentenorganisationen rund 40%; Gewerkschaftsmitglieder legten kaum mehr Ja ein als der Durchschnitt der Bevölkerung. Auf massive Ablehnung stiess die Initiative bei Anhängern der bürgerlichen Parteien: Rund 70% der Stimmberechtigten, die sich der bürgerlichen Mitte und dem rechtsbürgerlichen Lager zugehörig fühlen, stimmten Nein – bei FDP-Anhängern waren es gar 92%. Die Vox-Analyse stellte weiter fest, dass sich Personen mit höherem Einkommen mehrheitlich klarer gegen die Initiative gestellt hatten. Frauen standen dem Volksbegehren mit 39% Befürworterinnen positiver gegenüber als Männer (28%) [74].
Kurz nach der Abstimmung reichten die FDP-Fraktion im Nationalrat sowie Leumann (fdp, LU) im Ständerat eine Motion ein, mit welcher sie die Anpassung des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente an die EU-Richtlinien über den Schutz biotechnologischer Erfindungen und damit eine nähere gesetzliche Bestimmung der Grenzen der Patentierbarkeit forderten. Die Motion wurde im Nationalrat seitens der Grünen bestritten und ihre Behandlung verschoben; im Ständerat wurde sie mit Einverständnis des Bundesrats überwiesen [75].
Im März 1998 war das Vernehmlassungsverfahren zum Gen-Lex-Paket abgeschlossen worden. In der Vernehmlassung waren insbesondere Fragen zur Notwendigkeit eines Rahmengesetzes, zum Einbezug des Patentgesetzes und weiterer Gesetze, ferner zur Regelung des Haftpflichtrechts und zur Verlängerung der Verjährungsfrist von 10 auf 30 Jahre aufgeworfen worden. Obwohl Parlament und Bundesrat beschlossen hatten, kein eigenes Gentechnologiegesetz zu schaffen, sondern neue Normen in verschiedenen Gesetzen zu erlassen, forderte nun die SVP, doch die Schaffung eines kurzen Grund- oder Koordinationsgesetzes zu prüfen. Bei den Haftungsbestimmungen gab insbesondere zu reden, inwieweit die Landwirtschaft für Schäden haftbar ist, die auf gentechnisch veränderte Organismen zurückzuführen sind. Die Industrie und die meisten Kantone akzeptierten die verlängerte Haftpflicht, gegen die sich landwirtschaftliche Kreise und die Versicherungswirtschaft aussprachen. Grundsätzlich zeigte die Vernehmlassung die altbekannten Gräben zwischen Bürgerlichen einerseits und Linken sowie Grünen andererseits auf. Erstere hielten die im Entwurf vorgeschlagenen Leitplanken für ausreichend, letzteren gingen sie zu wenig weit [76].
Im Oktober präsentierte der Bundesrat seinen Bericht zu den Vernehmlassungsergebnissen bezüglich des Gen-Lex-Pakets und beauftragte das UVEK mit der Ausarbeitung einer Vorlage, ohne jedoch enge inhaltliche oder zeitliche Vorgaben zu machen. Der Bundesrat hielt im Bericht an seiner Skepsis gegenüber einem speziellen Gentechnikgesetz fest. Er ziehe es vor, die Materie dort zu regeln, wo Gentechnologie als Hilfsmittel Verwendung findet – im Lebensmittelgesetz oder im Tierschutzgesetz, vor allem aber im Umweltschutzgesetz. Er beharrte auf der 30jährigen Verjährungsfrist [77].
Noch vor der Abstimmung über die Gen-Schutz-Initiative hatte der Bundesrat die Zusammensetzung der Eidgenössischen Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich bekanntgegeben. Die Kommission ist Bestandteil des indirekten Gegenvorschlags von Bundesrat und Parlament zur Initiative und in erster Linie als beratendes Organ für den Gesetzgeber und die Vollzugsbehörden gedacht. Sie beobachtet und beurteilt aus ethischer Sicht die Entwicklungen und Anwendungen der Bio- und Gentechnologie im ausserhumanen Bereich und nimmt zu den damit verbundenen Fragen aus ethischer Sicht Stellung. Sie soll sich namentlich zur Einhaltung der Grundsätze der Achtung der Würde der Kreatur sowie der Wahrung der Sicherheit von Mensch und Umwelt, des Schutzes der genetischen Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten und zu deren nachhaltiger Nutzung äussern. Von der zwölfköpfigen Kommission müssen mindestens die Hälfte Ethikwissenschafterinnen oder –wissenschafter sein. Sie sollten den Bundesrat bereits bei der Ausgestaltung der ethisch relevanten Vorschriften der Gen-Lex-Vorlage beraten. Der Bundesrat wählte elf Mitglieder, das zwölfte Mitglied sollte später ernannt werden. Das Präsidium der Kommission übernahm Andrea Arz De Falco, Theologin an der Universität Freiburg. Bald entpuppte sich die Kommission als Spielball der Interessen und Auslöser taktischer Ränkespiele. Tatsächlich hatte das Bundesamt für Veterinärwesen (BVet) das Geschäft ungewohnt zügig zu einem Zeitpunkt vorangetrieben, als noch nicht einmal die ordentliche Vernehmlassung zur entsprechenden Gesetzesgrundlage abgeschlossen war, was vom BVet mit der rasch fortschreitenden Entwicklung im Gentechbereich erklärt wurde. Die Initiativbefürworter kritisierten, der Bundesrat habe aus rein abstimmungstaktischen Gründen überstürzt eine einseitige und unkritische Kommission zusammengesetzt. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Basler Biologin und Genschutzbefürworterin Florianne Koechlin verzichtete aus Protest auf den Einsitz in der Kommission mit der Begründung, sie wolle nicht zur blossen Alibifrau degradiert werden. Auch die Federführung durch das BVet löste bei Linksgrünen und Umweltkreisen Widerstand aus; sie erachteten das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) in Ethikfragen als kompetenter. Obwohl in diesem letzten Punkt ein Entgegenkommen signalisiert und das BUWAL mit der Besorgung des Kommissionssekretariats beauftragt wurde, machten die sozialdemokratische und die grüne Fraktion unmittelbar nach Einsetzung der Kommission dem Bundesrat erneut Vorwürfe. Es fehle der nun eingesetzten Kommission an Personen, die der Gentechnologie gegenüber grundsätzlich kritisch eingestellt seien, an Vertretern aus dem Bereich Tier- und Umweltschutz und an kritisch eingestellten Frauen. Mit einem Antrag an den Bundesrat reagierte das BUWAL auf die Kritik und verlangte eine Vergrösserung der Kommission um zwei auf 14 Sitze. Dabei sollten Biolandbau sowie Tier- und Umweltschutz mehr Gehör erhalten. Dieser Antrag wurde vom BVet und der Pharmaindustrie bekämpft [78].
 
[59] NZZ, 1.5. und 4.11.98; AZ, 15.6.98; SGT, 4.7.98.59
[60] Lit. Vorort; Presse vom 18.2.98.60
[61] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2256 ff.; NZZ, 26.6., 25.9., 28.10. und 9.12.98; CdT, 4.7. und 17.10.98; BaZ, 29.8.98; AZ, 31.8.98; LT, 12.9.98. Vgl. oben (Hochschulen).61
[62] NZZ, 6.8.98.62
[63] Presse vom 2.4.98.63
[64] BBl, 1998, S. 1479; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 379 ff.; NZZ, 18.3.98. Vgl. auch Vision, 1998, Nr. 4, S. 27-29 und SPJ 1997, S. 316.64
[65] BBW Journal, 1999, Nr. 1, S. 2; NZZ, 7.12.98. Vgl. auch SPJ 1997, S. 315 f. Zu den Verhandlungen über die bilateralen Verträge mit der EU siehe oben, Teil I, 2 (Europe: UE).65
[66] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1214.66
[67] Presse vom 28.10.98.67
[68] Presse vom 1.4. bis 5.6.98. Anfangs 1997 hatte das Parlament entschieden, die Gen-Schutz-Initiative zur Ablehnung zu empfehlen, und gleichzeitig der Gen-Lex-Motion zugestimmt, mit welcher das Rechtssetzungsverfahren im Bereich der ausserhumanen Gentechnologie beschleunigt werden sollte. Ende 1997 war das Gen-Lex-Paket als indirekter Gegenvorschlag zur Initiative in die Vernehmlassung geschickt worden, der im wesentlichen die Anliegen der Gen-Lex-Motion übernimmt (SPJ 1997, S. 316 ff.). Zum von der Motion beantragten BR-Bericht vom 15.12.97 betreffend Stand der Gesetzgebung über die ausserhumane Gentechnologie vgl. BBl, 1998, S. 1648.68
[69] Presse vom 28.1.98.69
[70] Presse vom 26.3. und 22.4.98. Die Aussage von NR Haering (sp, ZH), die SP-Fraktion werde bei Annahme der Initiative schon am Tag nach der Abstimmung einen parlamentarischen Vorstoss zur Lockerung der Verbote einreichen, wurde bei den Initiativbefürwortern als Rückenschuss bewertet und sorgte innerhalb der Partei für zusätzliches böses Blut (TA, 28.3.98).70
[71] Presse vom 26.1., 25.2., 25.3., 17.4., 29.4., 7.5., 8.5. und 19.5.98; NZZ, 2.5. und 6.5.98; BaZ, 20.5.98; WoZ, 21.5.98; Bund, 26.5.98. Zur im Verlauf des Jahres 1997 erfolgten Formierung diverser Gruppierungen pro und contra Gentechnik vgl. SPJ 1997, S. 317 f. Eine Klage der Stiftung für Konsumentenschutz gegen die Kampagne des “Forum Gen” war bereits im März vom Berner Untersuchungsrichter abgeschmettert worden (TA, 6.3.98; NZZ, 10.3. und 24.3.98).71
[72] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1629 ff.; Verhandl. B.vers., VI, 1998, Teil II, S. 92; Presse vom 9.1. und 8.5.98.72
[73] BBl, 1998, S. 4363 f.; Presse vom 8.6.98.73
[74] Sibylle Hardmeier / Daniel Scheiwiller, Vox: Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 7. Juni 1998, Zürich 1998. Presse vom 8.6.98; LT, 15.6.98; NZZ, 1.7., 14.8. und 19.9.98.74
[75] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2179; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1038; BaZ, 10.6.98.75
[76] Presse vom 1.4. und 9.6.98; Bund, 29.5.98; BaZ, 4.6.98; TA, 8.6.98. Siehe SPJ 1997, S. 316 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Anwort des BR auf die Anfrage von StR Plattner (sp, BS) betreffend fehlende Schutzmassnahmen beim Umgang mit genmanipulierten Organismen in der Gen-Lex sowie auf die Frage von NR Gonseth (gp, BL) betreffend die Haltung der Schweiz zum Biosafety Protocol (Amtl. Bull. StR, 1998, S. 540 f.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 429).76
[77] Presse vom 29.10.98.77
[78] Presse vom 14.1. und 28.4.98; NZZ, 23.3. und 2.9.98; BaZ, 25.3. und 28.12.98; SGT, 1.4.98; TA, 3.4.98; Bund, 22.4.98; WoZ, 18.6.98. Zur Vorgeschichte der Ethikkommission vgl. SPJ 1997, S. 318 f.78