Année politique Suisse 1999 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Raumplanung
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Landwirtschaftszonen
Am 7. Februar stimmte das Volk über die Revision des Raumplanungsgesetzes ab, gegen welche die GP und Umweltschutzorganisationen das Referendum ergriffen hatten. Die drei bürgerlichen Parteien FDP, CVP und SVP stellten sich auf die Seite der Bauern und befürworteten, dass die Landschaft ausserhalb der Bauzone intensiver genutzt werden kann. Mit der Ja-Parole unterstützten auch der SGV und der Vorort die Revision. Der übermässige Schutz der Landschaft sollte in den Augen der Befürworter der wirtschaftlichen Initiative der Bauern nicht mehr im Wege stehen. Den Gegnern stach hingegen die Gefahr vor einer Zersiedelung der Landschaft ins Auge. SP, Grüne und Umweltschutzverbände wehrten sich gegen die Zulassung von bodenunabhängigen Masthallen und Hors-sol-Gewächshäusern in der Landwirtschaftszone. In ihren Augen würden ausserdem kleinere und Bergbauernbetriebe nicht mehr konkurrenzfähig produzieren können. Entgegen der nationalen Parole schlugen sich die FDP Thurgau, Uri und St. Gallen, die SVP Jura und die CVP Aargau auf die Seite der Gegner. Auch die Gewerbeverbände Zürichs und Graubündens plädierten entgegen ihrer nationalen Organisation für ein Nein. Ihre Parole war allerdings nicht von Landschaftsschutzargumenten motiviert, sondern von der Angst vor Konkurrenzvorteilen für Landwirte, welchen es mit der Reform ermöglicht würde, nebenbei einen Gewerbebetrieb führen [1].
An der Urne hiess das Schweizer Stimmvolk die Teilrevision mit 55,9% Ja-Stimmen gut. Die Kantone Basel-Land, Glarus, Schaffhausen und besonders deutlich der Kanton Appenzell Innerrhoden (39,7% Ja-Stimmen) wiesen die Vorlage ab. Überdurchschnittlich grosse Zustimmung erhielt die Vorlage in den Kantonen Luzern, Zug, Freiburg, Tessin, Waadt und Wallis [2].
Revision des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG)
Abstimmung vom 7. Februar 1999

Beteiligung: 38,0%
Ja: 952 482 (55,9%)
Nein: 750 130 (44,1%)

Parolen:
Ja: FDP (3*), CVP (1*), SVP (1*), LP, FP, Lega, EDU; SBV, Vorort, SGV, Schweizerischer Tourismus-Verband.
Nein: SP (1*), GP, LdU, EVP, PdA, SD (1*); SGB, SGU, WWF, Pro Natura, Heimatschutz, Baumeisterverband.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Eine nach der Abstimmung durchgeführte Befragung (Vox-Analyse) ergab, dass Personen, welche einer der drei bürgerlichen Bundesratsparteien nahestehen, die Vorlage mit Stimmenanteilen zwischen 65% (svp) und 76% (cvp) angenommen hatten. Knapp dagegen sprachen sich die Sympathisanten der SP und die Mitglieder von Umweltschutzorganisationen aus (je 46%). Französisch- und Italienischsprachige votierten überdurchschnittlich stark für die Revision, hingegen spielte es für den Entscheid keine Rolle, ob jemand in einer Stadt oder auf dem Land wohnt. Das wichtigste Argument für die Befürworter waren die erhofften Vorteile für die Landwirtschaft, die Gegner gaben hauptsächlich allgemeine umweltschutzpolitische Gründe an [3].
Der Bundesrat schickte den Verordnungsentwurf im September in die Vernehmlassung. Die Kantone, der Baumeisterverband und der Vorort stimmten dem Entwurf im Grossen und Ganzen zu. Die Umweltverbände waren jedoch nicht zufrieden. Sie bemängelten unter anderem, dass ein Hof auch dann noch als überwiegend bodenabhängig gelten soll, wenn die Hälfte des Einkommens aus Hors-sol-Produkten stammt [4].
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Grundzüge der Raumordnung Schweiz
Mit einer Motion forderte Ständerat Büttiker (fdp, SO) die Behebung von Widersprüchen zwischen Umweltschutz- und Raumplanungsrecht. Das Raumplanungsgesetz schreibt die Konzentration von Nutzungen vor. Die Umweltschutzgesetzgebung enthält flächendeckende Vorschriften über die zulässige Luftbelastung. Aus der Sicht des Motionärs werden raumplanerisch erwünschte Nutzungen dadurch oft verunmöglicht. Aus planerischer Sicht sei die Ansiedlung eines Unternehmens in verkehrstechnisch gut erschlossenen Räumen sinnvoll, stehe aber oft im Konflikt mit den herrschenden Grenzwerten für die Luftbelastung. Die Motion verlangt vom Gesetzgeber, dass deshalb die Grenzwerte flexibler gestaltet werden. In seiner schriftlichen Stellungnahme pflichtete der Bundesrat dem Motionär bei, dass die vom Gesetzgeber verlangte Abstimmung von Raumplanung und Umweltschutz in der Praxis nicht immer reibungslos zu erfüllen ist. Dennoch war er der Meinung, dass der Vorstoss schliesslich unbegründet sei. Er ortete die auftretenden Probleme weniger in der Gesetzgebung sondern beim Vollzug. Die Bundesämter für Raumplanung und für Umwelt, Wald und Landschaft sollen deshalb in einer intensiven Zusammenarbeit prüfen, wie sich der Vollzug grundsätzlich verbessern lässt. Der Ständerat hiess die Motion mit 16 zu 14 Stimmen gut und hielt sich damit nicht an den Vorschlag des Bundesrates, sie in ein Postulat umzuwandeln [5].
Eine in der Frühjahrssession von Nationalrat Bosshard (fdp, ZH) eingereichte parlamentarische Initiative forderte eine umweltgerechte Innenstadtförderung und bemängelte in diesem Zusammenhang das Bewilligungsverfahren bei Neu- und grösseren Umbauten in den Innenstädten. Als Folge der grossen umweltrelevanten Auflagen durch die Baubehörden in den Städten drohe eine Zersiedelung und eine Zunahme des Agglomerationsverkehrs. Unter dem Strich wirke sich die restriktive Handhabung der Umweltschutznormen durch die Stadtbehörden immissionsfördernd statt -eindämmend aus. Der Vorstoss beabsichtigte insbesondere die Definition von Entwicklungszonen in Gebieten, denen eine überkommunale Bedeutung zukommt. Innerhalb dieser Zonen soll eine Erhöhung der geltenden Grenzwerte vorgenommen werden. Der Bundesrat erklärte sich nicht bereit, die Immissionsgrenzwerte generell herabzusetzen. Das Problem liege nicht in der Gesetzgebung sondern im Vollzug. Der Initiant zog seinen Vorstoss im Herbst zugunsten einer Motion der UREK-NR zurück, die den Bundesrat beauftragen will, gesetzliche und organisatorische Massnahmen zu evaluieren, die die raumplanerisch erwünschte Entwicklung von städtischen Zentren und Agglomerationen gewährleisten [6].
Eine Empfehlung von Ständerat Hofmann (svp, ZH) verlangte die Zusammenfassung der Raumordnungsfachstellen in der Bundesverwaltung. Bei der anstehenden Zusammenlegung des BWA mit dem Bawi sei es sinnvoll, die Abteilung Regionalpolitik des BWA mit dem bestehenden Bundesamt für Raumplanung zu einem neuen Bundesamt für Raumordnung zusammenzufassen. Die Empfehlung wurde in der Sommersession des Ständerates mit deutlicher Mehrheit überwiesen. Während derselben Sitzung wurde eine weitere Empfehlung Hofmann überwiesen, die vom Bundesrat eine Aufstockung des Personalbestandes des Bundesamtes für Raumplanung verlangt. Der Vorstoss wurde damit begründet, dass das Bundesamt mit der Annahme des revidierten Raumplanungsgesetzes durch das Volk vor neuen Aufgaben stehe. Die Vereinheitlichung des Vollzugs sowie die vermehrte Koordination zwischen den Kantonen erforderten zusätzliches Personal. Ein gleich lautendes Postulat Durrer (cvp, OW) wurde vom Nationalrat in der Herbstsession überwiesen [7].
In der Wintersession überwies der Ständerat ein Postulat Hofmann (svp, ZH), welches den Bundesrat beauftragt, einen Bericht zu den raumordnungspolitischen Auswirkungen der bilateralen Verträge mit der EU auf die Grenzkantone vorzulegen. Ein gleichlautendes Postulat ist vom Tessiner Ratti (cvp) im Nationalrat eingereicht, durch Robbiani (cvp) in der Wintersession übernommen, aber noch nicht behandelt worden. Der Bericht wird auf Mitte 2002 erwartet [8].
Das Bundesamt für Statistik und das Bundesamt für Raumplanung haben sich entschlossen, im Zuge der europäischen Integration, der wirtschaftlichen Konzentrationsprozesse und der Globalisierung, grossregionale statistische Einheiten zu schaffen, die für Regionalvergleiche innerhalb Europas benötigt werden. In der mehrjährigen Ausarbeitung wurde in Absprache mit den Kantonen eine Gliederung des Landes in sieben Grossregionen geschaffen. Der Bericht "Die Grossregionen der Schweiz" der ETH Zürich lieferte nun erstmals schweizerische Strukturkarten, die auf dem Raster der Grossregionen erstellt wurden [9].
 
[1] Presse vom 3.1.-6.2.99. Vgl. SPJ 1998, S. 204.1
[2] BBl, 1999; S. 2912 ff.; TA, 22.1.99; BüZ, 23.1.99; Presse vom 8.2.99.2
[3] Bisang, Kurt, Vox. Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 7. Februar 1999, Zürich 1999.3
[4] NZZ, 24.9. und 24.11.99; BaZ, 24.11.99; SN, 24.11.99; TA, 26.11.99; NLZ, 20.12.99; SZ, 17.12.99.4
[5] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 153 ff.5
[6] Verhandl. B.vers., 1999, II, Teil I, S. 33 (pa.Iv.) und IV, Teil. II, S. 161 (Motion); BaZ, 24.3.99; AZ, 24.4.99.6
[7] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 411 ff. und 421 f.; Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2195 f.7
[8] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 1061; Verhandl. B.vers., 1999, VI, Teil II, S. 151; NZZ, 28.12.99. Zu den Verträgen siehe oben, Teil I, 2 (Europa: EU).8
[9] Lit. Schuler/Compagnon/Jemelin.9