Année politique Suisse 1999 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
Frauen
In Anwesenheit von Bundespräsidentin Ruth Dreifuss wurde Mitte Juni der
Aktionsplan der Schweiz zur Gleichstellung von Frau und Mann vorgestellt. Der Katalog von rund 3000 wünschenswerten Massnahmen ist eine Folgearbeit der 1995 in Peking durchgeführten UNO-Weltfrauenkonferenz. Die Umsetzung der unverbindlichen Empfehlungen hängt in erster Linie vom guten Willen und von den finanziellen Möglichkeiten der Adressaten (Behörden und Institutionen) ab. Die Ausarbeitung des Aktionsplanes erfolgte in enger Zusammenarbeit von 15 Bundesämtern und rund 50 nichtgouvernementalen Organisationen (NGOs)
[67].
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates beauftragte die Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle mit einer
Kurzevaluation der zehnjährigen Tätigkeit des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG), in der insbesondere Wirkungsfragen angegangen werden sollten. Der Bericht kam zum Schluss, das Büro erfülle seinen Auftrag sehr kompetent und habe eine beeindruckende Aktivität in einem breiten Spektrum entwickelt. Ausgehend vom Bericht gab die GPK vier Empfehlungen zur Gleichstellungspolitik ab. Erstens solle das EBG die Entwicklung einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Frau und Mann fördern. Der Gleichstellungsauftrag werde oft einseitig frauenspezifisch angegangen; heute stelle sich die Frage nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie aber auch aus Sicht der Männer. Zweitens soll das Büro die Vertretung von Frauen in technischen und wissenschaftlichen Berufen fördern. Drittens soll der Bundesrat konkrete Massnahmen treffen, um in der Bundesverwaltung Bewusstsein und Fachkompetenz für Gleichstellungsfragen zu unterstützen. Viertens sollen Parlament und Regierung in Botschaften und Berichten darlegen, wie sich die Vorlagen auf die Gleichstellung auswirken
[68].
Im November gab das EBG erstmals seine neue
Jahreszeitschrift „Paso Doble“ heraus. Die Publikation erscheint zweisprachig in einer Auflage von 85 000 Exemplaren und will in erster Linie Verantwortliche aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ansprechen
[69].
Zur Wahl einer zweiten Bundesrätin sowie zur sogenannten Quoteninitiative siehe oben, Teil I, 1c (Einleitung und Regierung). Zum Abschneiden der Frauen bei Wahlen in eidgenössische und kantonale Gremien siehe oben, Teil I, 1e.
In einem Leitentscheid anerkannte das
Bundesgericht
Lohnunterschiede zwischen gleich qualifizierten weiblichen und männlichen Arbeitskräften für
zulässig, wenn diese auf eine starke individuelle Verhandlungsposition der neu eingestellten Person oder auf die konjunkturelle Situation im Zeitpunkt der Anstellung zurückgehen. Die Differenz ist jedoch im Rahmen periodischer Bereinigungen der Salärstruktur
so bald als möglich und zumutbar zu beseitigen. Konkret hatte das Bundesgericht die Klage einer Frau zu beurteilen, welche für die gleiche Arbeit im Lokalressort einer Tageszeitung um rund 15 bis 25% schlechter entlöhnt wurde als ein nach ihr eingestellter männlicher Kollege. Das Unternehmen begründete die Lohndifferenz unter anderem mit der guten Konjunktur im Zeitpunkt der Anstellung des Mannes. Zusätzlich wurde geltend gemacht, der Bewerber sei der eigentliche Wunschkandidat gewesen und habe auf Grund dieser individuellen Verhandlungsposition auf einem Lohn bestanden, der seinem früheren Salär als Primarlehrer entsprach
[70].
Zu einer Erhebung des Bundesamtes für Statistik über das Ausmass der unbezahlten Arbeit, die primär von Frauen geleistet wird, siehe oben, Teil I, 7a (Arbeitswelt). Für die Bestrebungen, die Frauen bzw. die Frauenforschung in der Wissenschaft stärker zu fördern, vgl. unten, Teil I, 8a (Hochschulen).
[67]
Lit. Eidg. Büro; Presse vom 12.6.99. Die NGOs, die am Aktionsplan mitgearbeitet hatten, legten ihre weitergehenden – Forderungen in einem „NGO-Bericht zum Aktionsplan der Schweiz“ nieder (
WoZ, 26.8.99). Vgl. auch
SPJ 1995, S. 263.67
[68]
Lit.
Kurzevaluation; Presse vom 20.11.99
.68
[69] Presse vom 12.11.99;
TA, 22.11.99.69
[70]
NZZ und
TA, 9.11.99.70
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