Année politique Suisse 2000 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Parlament
Die Büros der beiden Parlamentskammern beantragten mit einer parlamentarischen Initiative eine Anpassung der seit 1990 unveränderten
Entschädigung der Parlamentsangehörigen an die seither eingetretene Teuerung. Dabei sollte die ganze Erhöhung über das Taggeld erfolgen, und die im Gesetz festgeschriebene und deshalb dem fakultativen Referendum unterstellte Jahresentschädigung unverändert bleiben. Zudem schlugen sie vor, die Sonderzulagen für die Ratspräsidenten und ihre Stellvertreter deutlich anzuheben. Gleichzeitig nahmen sie eine gemeinsame Anregung der Generalsekretäre der vier Bundesratsparteien für eine substanzielle Erhöhung der
Fraktionsbeiträge auf. Mit der Begründung, dass damit die bisherige Quersubventionierung der Fraktionen durch die Parteien reduziert würde, und zudem der Gefahr begegnet werden könnte, dass die Fraktionen in Abhängigkeit von anderen Sponsoren (namentlich Interessenorganisationen) geraten, beantragten sie eine Erhöhung sowohl des Grundbeitrags als auch des Beitrags pro Mitglied um 50% auf 90 000 Fr. resp. 16 500 Fr. Der Bundesrat unterstützte dieses Anliegen
[31].
Im Nationalrat bekämpfte Nationalrat Mörgeli (ZH) im Namen der
SVP-Fraktion vergeblich die Anpassung der Taggelder an die Teuerung. Sein
Nichteintretensantrag wurde mit 129:20 Stimmen abgelehnt. Nachdem auch die kleine Kammer zugestimmt hatte, verabschiedete das Parlament die Teuerungsanpassung, die Verdoppelung der Präsidialentschädigung und die Erhöhung der Fraktionsbeiträge in der Herbstsession
[32]. Breite Unterstützung bei allen Fraktionen fand SVP-Nationalrat Giezendanner (AG) für sein überwiesenes Postulat, im Parlamentsgebäude Dusch- und Fitnessräume einzurichten
[33].
Ein wesentlicher Grund für die an Wähleranteilen gemessene Untervertretung der Linken im
Ständerat liegt in dem in allen Kantonen mit Ausnahme des Jura praktizierten
Majorzwahlsystem. Eine parlamentarische Initiative Rennwald (sp, JU), für die Ständeratswahlen vom Bund her obligatorisch das
Proporzwahlsystem vorzuschreiben, fand nur bei der SP und den Grünen Unterstützung und wurde ohne grosse Diskussion mit 98:56 Stimmen abgelehnt
[34].
Mit zwei Motionen versuchte Nationalrat Mugny (gp, GE), die
Position der kleinen Fraktionen bei der Zuteilung von Sitzen
in den parlamentarischen Kommissionen und in der Finanzdelegation (wo zur Zeit nur die vier grossen Fraktionen vertreten sind) zu verbessern. Zudem verlangte er, die Sitzzahl der Kommissionen derart zu erhöhen, dass jedes Parlamentsmitglied auch in mindestens einer Kommission Einsitz nehmen kann. Die Ratsmehrheit verwies darauf, dass zum Erreichen dieser Ziele von der bisherigen proportionalen Zuteilung der Sitze gemäss Fraktionsstärke abgewichen oder die Kommissionen massiv vergrössert werden müssten und lehnte beide Vorstösse ab
[35].
Die
parlamentarische Initiative erfreute sich in den letzten Jahren einer zunehmenden Beliebtheit. Neben der Möglichkeit, die Gesetzgebung unter Umgehung der Regierung zu initiieren, bietet sie auch den Vorteil, dass sie diesen Prozess bereits auslöst, wenn eine der beiden Ratskammern ihr Folge gegeben hat (die angestrebte definitive Rechtsänderung bedarf dann natürlich der Zustimmung beider Räte). Der Nationalrat überwies nun in Postulatsform eine Motion Hess (cvp, ZG), welche verlangt, dass beide Räte über die Weiterbearbeitung einer parlamentarischen Initiative entscheiden müssen
[36]. Mit der knappen Überweisung eines Postulats Theiler (fdp, LU) beauftragte er seine SPK zudem, Massnahmen zu Reduktion der Anzahl der parlamentarischen Vorstösse insgesamt vorzuschlagen. Im Postulat waren namentlich die Abschreibung aller am Ende einer Legislatur nicht behandelten Vorstösse und eine fraktionsweise Rationierung empfohlen worden
[37].
Mit der Überweisung einer Motion der LP-Fraktion beauftragte der Nationalrat den Bundesrat mit einem Ausbau der Übersetzungsdienste zwecks einer effektiven
Gleichstellung der drei Amtssprachen bei den Arbeiten der parlamentarischen Kommissionen. Dabei ging es den Motionären nicht um die Einführung einer Simultanübersetzung bei den Verhandlungen, sondern um die rechtzeitige Bereitstellung aller schriftlichen Unterlagen in den drei Amtssprachen. Der Ständerat hiess dieses Anliegen ebenfalls gut, wandelte aber den Vorstoss aus formalen Gründen in eine Empfehlung um
[38]. Die Italienischbündnerin Mariangela Wallimann-Bornatico trat die Nachfolge der neuen Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz als Chefin der
Parlamentsdienste an
[39].
Der Nationalrat bekräftigte definitiv seinen Beschluss aus dem Vorjahr, nicht auf die Vorschläge des Ständerats für eine
engere Fassung der gesetzlichen Bestimmungen über den Schutz von Parlamentariern und von diesen gewählten Magistratspersonen vor der Strafverfolgung einzutreten
[40].
[31]
BBl, 2000, S. 5584 ff. und 5589 f. (BR);
BZ, 29.8.00;
BaZ, 18.9.00. Für die letzte Teuerungsanpassung der Fraktionsbeiträge siehe
SPJ 1999, S. 43.31
[32]
AB NR, 2000, S. 967 f., 987 ff. und 1211;
AB SR, 2000, S. 586 ff. und 724. Der „Bund der Steuerzahler“ protestierte in Inseraten gegen diese Ratsbeschlüsse (
NZZ, 31.10.00).32
[33]
AB NR, 2000, S. 1198.33
[34]
AB NR, 2000, S. 499 ff.34
[35]
AB NR, 2000, S. 1556 ff.35
[36]
AB NR, 2000, S. 450.36
[37]
AB NR, 2000, S. 1555 f.37
[38]
AB NR, 2000, S. 815 f.;
AB SR, 2000, S. 926 f.38
[39]
AB NR, 2000, S. 469 f.;
BZ, 15.2.00;
BüZ und
NZZ, 19.2.00;
BaZ, 9.3.00.39
[40]
AB NR, 2000, S. 1170 f. Der SR hatte zuvor beschlossen, an seinem Projekt festzuhalten (
AB SR, 2000, S. 275). Vgl
SPJ 1999, S. 44 f.40
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