Année politique Suisse 2000 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
Kommunalwahlen
Von den acht grössten Schweizer Städten (exklusive Basel) wählten Bern, Biel, Luzern und St. Gallen Regierung und Parlament neu.
Im November wählte die Stadt Bern ihren 80köpfigen Stadtrat und den 7köpfigen Gemeinderat neu. Obwohl die Stadtregierung auch in den vergangenen vier Jahren stark kritisiert worden war, bleibt das Kräfteverhältnis im Gemeinderat bestehen. Das Bündnis Rot-Grün-Mitte (RGM) konnte seine absolute Mehrheit verteidigen. An die bürgerliche Liste „Fit für Bern“ von FDP, SVP und CVP entfallen weiterhin drei Gemeinderatssitze. Zum vierten Mal hintereinander wurde jedoch ein bisheriges Mitglied des Gemeinderates nicht bestätigt. Diesmal traf es Schuldirektorin Claudia Omar (ehemals ldu), die auf der Grünen Freien Liste kandidiert hatte. Das beste Ergebnis erreichte der neu gewählte SP-Nationalrat Alexander Tschäppät gefolgt von Finanzdirektorin Theres Frösch vom Grünen Bündnis. Stadtpräsident Klaus Baumgartner (sp) kam an dritter Stelle gefolgt von der neu angetretenen Edith Olibet (sp), die damit Claudia Omar (gp) verdrängte. Die SP hatte mit dem Aufruf, ihre Kandidatin Olibet auf der Liste zu kumulieren, für böses Blut innerhalb des RGM-Bündnisses gesorgt. Nach der Abwahl ihrer Gemeinderätin und dem Wegfall einer „ökologischen Stimme“ fühlte sich die GFL im Bündnis nicht mehr zu Hause. Laut Parteipräsident Bernhard Pulver wolle die Partei weiterhin eng mit ihren ehemaligen Verbündeten zusammenarbeiten. In bestimmten Sachfragen wie der Finanzpolitik oder der Rolle des Staates beschreite man aber in Zukunft einen eigenen Weg. Auf der bürgerlichen Liste waren die Bisherigen Kurt Wasserfallen (fdp), Ursula Begert (svp) und Adrian Guggisberg (cvp) erfolgreich. Keinen Erfolg hatten unter anderen der Freisinnige Adrian Haas und JSVP-Kandidat Thomas Fuchs, der einen lauten Wahlkampf geführt hatte. Bei der Wahl des Stadtpräsidenten obsiegte der 63jährige Baumgartner gegenüber seinem Herausforderer, Polizeidirektor Wasserfallen.
Bei den gleichzeitig durchgeführten Stadtratswahlen wurde die Mehrheit von dem seit 1992 bestehenden Bündnis RGM und dem erstmals geschaffenen
Wahlbündnis zwischen Bürgerlichen und Rechtsparteien hart umkämpft. Seit 1980 prägten die SP und ihre Verbündeten die Politik im Stadtrat. Nur einmal seit 1980 hatten sich die Bürgerlichen bisher die Mehrheit geholt. Nach den Avancen der SP in den Grossratswahlen 1998 und in den Nationalratswahlen 1999 stand das bürgerliche Vorhaben jedoch auf wackeligen Beinen. Das
RGM-Bündnis holte sich schliesslich
für vier weitere Jahre die absolute Mehrheit, büsste aber mit zwei Sitzverlusten (neu 44 Sitze) an Stärke ein. Die SP selbst blieb bei ihren bisherigen 28 Sitzen stehen. Die GFL (5 Sitze) holte sich vom GB (6) zwar einen Sitz, verlor aber beide vom LdU während der Legislatur geerbten Sitze. Mit je drei Sitzgewinnen konnten hingegen FDP (18 Mandate) und SVP (11) aufwarten. Auch die CVP konnte einen Sitzgewinn (3) verbuchen. Die FP mit bisher zwei Mandaten und die EDU mit bisher einem Mandat schieden aus dem Rat aus. Die Vertretung der SD schliesslich reduzierte sich von drei auf zwei Sitze. Trotz der Sitzgewinne von FDP und SVP zulasten der kleinen Rechtsparteien und der Grünen bleibt der Parteien-Pluralismus im Berner Stadtrat mit elf Parteien weiterhin lebendig
[23].
Bei den Gemeinderatswahlen in der Stadt Biel konnte sich das links-grüne Team „Biel 2000“ einmal mehr gegen das bürgerliche „Forum Biel-Bienne“ durchsetzen. An der Spitze der links-grünen Liste wurden Finanzdirektor Hans Stöckli und Baudirektor Ulrich Haag (beide sp) als ständige Gemeinderäte wiedergewählt. Stöckli wurde zudem als Stadtpräsident mit 60% der Stimmen bestätigt. Den dritten und fünften Rang im Gemeinderat erlangten die Bisherigen Pierre-Yves Moeschler vom Parti socialiste romand als Schuldirektor und Hubert Klopfenstein (fdp) als Fürsorgedirektor. Der vom bürgerlichen Forum anvisierte zweite vollamtliche Gemeinderatssitz lag nicht in Reichweite. Hingegen schaffte der bei den letzten Nationalratswahlen abgewählte FPS-Politiker Jürg Scherrer die Wiederwahl als Vorsteher der Sicherheits-, Energie- und Verkehrsdirektion mit dem viertbesten Resultat, obwohl ihm das Forum die Unterstützung verweigert hatte.
Überraschenderweise führten die diesjährigen Wahlen nur im nebenamtlichen Gemeinderat zu personellen Veränderungen: Auf Kosten des Parti socialiste romand zogen die Grünen mit Elisabeth Ingold erstmals in Biels Exekutive ein. Ingold war auf der Liste des „Team 2000“ kumuliert worden. Die übrigen nebenamtlichen Mandate gingen an die Bisherige Marianne Reber (sp) sowie an die neu Gewählten, Staatsanwalt Peter Bohnenblust (fdp) und Ariane Bernasconi (Parti radical romand). Nicht geschafft hat es der Bisherige Martin Widmer (svp), der im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Bauunternehmer heftiger Kritik ausgesetzt war. Nur um wenige Stimmen verpasste ausserdem FPS-Präsident René Schlauri den Einzug als nebenamtlicher Gemeinderat. Die Wahlbeteiligung betrug 45%.
Im Gegensatz zur Bieler Stadtregierung, bei der die links-grüne Mehrheit unangetastet blieb, konnten die
Bürgerlichen im Gemeindeparlament deutlich zulegen und mit 29 das „Team 2000“ (28) um ein Mandat übertreffen. Der Frauenanteil ist auf einen Drittel angewachsen. Die Sozialdemokraten büssten auf der Deutschschweizer Liste drei und auf der welschen Liste einen Sitz ein. Die Kräfteverhältnisse bleiben für die nächsten vier Jahr unklar. Drei Aussenseiter im Stadtparlament könnten jeweils das Zünglein an der Waage spielen
[24].
Im Vorfeld der Gemeindewahlen im Kanton Luzern wurde mit einem weiteren Vormarsch der SVP gerechnet. Sowohl die SVP als auch die Grünen rechneten mit dem Gewinn ihres ersten Mandates für die Luzerner Stadtregierung. Um die fünf Sitze im Stadtrat buhlten drei Frauen und fünf Männer, darunter drei Bisherige. FDP und CVP traten auf einer gemeinsamen Liste an. Die FDP hatte sich zum Ziel gesetzt, den Sitz, der ihr durch die Wahl des aus der Partei ausgetretenen Urs W. Studer zum Stadtpräsidenten vor vier Jahren verloren gegangen war, wieder zurückzuholen. Die CVP hielt an ihrem Anspruch auf zwei Sitze fest, obwohl ihr Wähleranteil bei den letzten Nationalratswahlen stark geschwunden war. Die Linke, die mit dem parteilosen Stadtpräsidenten Urs W. Studer auf einer gemeinsamen Liste auftrat, wollte das Mandat der SP sichern und zudem dem Grünen Bündnis eine Vertretung im Stadtrat verschaffen. Die SVP, die bei den Nationalratswahlen zur stärksten Partei im Stadtgebiet avanciert war, portierte den 58jährigen Arzt und Grossrat Walter Häcki, der sich im Wahlkampf für Steuersenkungen und für den Bau neuer Sportstadien stark machte.
Im ersten Wahlgang konnten nur zwei Sitze bestellt werden. Stadtpräsident Studer wurde im Amt bestätigt und Finanzdirektor Franz Müller (cvp) wiedergewählt. Unerwartet schlecht schloss Schuldirektorin Irene Hartmann (fdp) ab, die sogar parteiintern aufgrund ihres Führungsstils viel Kritik eingefangen hatte. Nach dem zweiten Wahlgang standen die
CVP als Verliererin und das Grüne Bündnis als Gewinnerin fest. Mit Ruedi Meier konnten die Grünen erstmals einen Sitz in der fünfköpfigen Stadtregierung erlangen. Die CVP hingegen musste auf den Sitz des zurückgetretenen Paul Baumann verzichten. Die SP verteidigte mit Ursula Stämmer-Horst erfolgreich den Sitz des zurückgetretenen Baudirektors Werner Schnieper. An Stelle der abgewählten Schuldirektorin Irene Hartmann nahm FDP-Parteikollege Kurt Bieder Einsitz. Bieder war von einem überparteilichen Komitee getragen worden, welches auch die Kandidaturen von Meier und Stämmer-Horst für den Stadtrat sowie Studer für das Stadtpräsidium unterstützt hatte. Weiterhin nimmt nur eine Frau Einsitz in die Luzerner Stadtregierung
[25].
Gleichzeitig mit dem ersten Wahlgang für die Stadtregierung wählte Luzern sein Stadtparlament, den Grossen Stadtrat, neu. Dieser wurde durch die Zusammenlegung von Bürger- und Einwohnergemeinde um acht Sitze auf 48 Sitze erweitert. Bisher setzte sich die gesetzgebende Behörde Luzerns aus 18 Vertretern des links-grünen Spektrums und 22 Vertretern des bürgerlichen Spektrums zusammen, was bei Abstimmungen oft zu Patt-Situationen geführt hat. Verweigerte die FDP der SVP bei der Stadtratswahl eine gemeinsame Liste, so traten beide Parteien gemeinsam zur Wahl des Grossen Stadtrates an. Die CVP konnte sich an dieser bürgerlichen Listenverbindung nicht beteiligen, da ihre Listenverbindung zur CSP eine solche ausschloss. Wie bereits bei den Regierungswahlen haben auch SP und Grüne ihre Listen verbunden. Am Wahlwochenende holten sich die Liberalen (fdp) 12 Sitze, die SP elf, die CVP und die Grünen je acht, die SVP sieben, die CSP und die Freien Wähler schliesslich je einen Sitz.
Die bürgerliche Mehrheit konnte damit
auf 29 gegen 19 Stimmen ausgebaut werden. Wahlsiegerin war die SVP, die ihre Sitzzahl von vier auf sieben beinahe verdoppelt hat. Ihr Stimmenanteil stieg von 9,2% auf 15,5%. Auch die CVP konnte nach ihrem Einbruch vor vier Jahren wieder Terrain gutmachen und 1,2% mehr Wählerstimmen auf sich vereinen. Die FDP konnte dagegen keinen der acht zusätzlichen Sitze für sich erobern. Verloren hatte auch die SP, die einen Rückgang der Parteistimmen von 26,0 % auf 22,8 % hinnehmen musste. Davon profitierten vor allem die Grünen, die fast drei Prozentpunkte zulegten. Im neuen Grossen Rat der Stadt Luzern nehmen 17 Frauen Einsitz, was einem Frauenanteil von 35,4% entspricht
[26].
Wie in den Jahren von 1924 bis 1964 nehmen in St. Gallen neu je zwei SP- und FDP-Vertreter sowie ein Christlichdemokrat Einsitz in der Stadtregierung. Der
Sitz des zurücktretenden Baudirektors Erich Ziltener (cvp) ging im zweiten Wahlgang an die SP über. Für die zu vergebenden fünf Sitze standen vier Bisherige und vier neu Kandidierende zur Wahl. Im ersten Wahlgang vom September wurden alle Bisherigen bestätigt: Heinz Christen (sp), Franz Hagmann (cvp), Liana Ruckstuhl (fdp) und Hubert Schlegel (fdp). Christen wurde zusätzlich als Stadtammann bestätigt. Für die Besetzung des fünften Sitzes im Stadtrat kam es zu einem zweiten Wahlgang. Um die Vakanz Ziltener bemühten sich Elisabeth Beéry (sp), Hans M. Richle (svp) und Joe Keel (cvp). Ein vierter Mitstreiter, der Parteilose Franz Duss, stand bereits weit abgeschlagen zurück. Den Sieg trug schliesslich die 35jährige Juristin Beéry davon
[27].
Die Gemeinderatswahlen in St. Gallen, die bereits im August stattfanden, brachten keine grossen Veränderungen in der politischen Zusammensetzung. Die markantesten Merkmale waren die
Verdoppelung der SVP-Fraktion,
Zugewinne bei der CVP und der
Einbruch der Unabhängigen. Bei einer Stimmbeteiligung von 29,9% gewannen die Christlichdemokraten zwei Sitze hinzu (neu 15 Sitze) und avancierten zur grössten Partei im 63köpfigen Parlament. An zweiter Stelle rangiert die SP mit 14 Ratsmitgliedern (+1) gefolgt von der FDP mit unverändert 13 Sitzen und der SVP mit elf Sitzen (+6). Ohne Sitzverschiebungen gingen die Grünen (4), die EVP (2) und die Politische Frauengruppe (1) aus dem Rennen. Halbiert wurde jedoch die Vertretung der Unabhängigen, die nur noch drei Ratsmitglieder ins neue Parlament entsenden. Die Schweizer Demokraten verloren ihren einzigen Sitz und schieden aus dem Rat aus. Zu den Wahlgewinnern gehörten hingegen die Frauen und die Jungen. Die Listen der Juso und der Jungen Unabhängigen errangen je einen Sitz. Die Frauenvertretung stieg um zwei auf 21 Sitze
[28].
[23] Wahlen vom 26.11.00: Presse vom 27.11. und 28.11.00. Wahlkampf:
Bund und
BZ, 11.1.-25.11.00. Zur Geschichte des RGM-Bündnisses:
Bund, 6.12.00.23
[24] Wahlen vom 24.9.00: Presse vom 25.9.00;
NZZ, 29.9.00.24
[25] 1. Wahlgang vom 16.4.00: Presse vom 17.4. und 18.4.99. 2. Wahlgang vom 21.5.00: Presse vom 22.5.00. Wahlkampf:
NLZ, 4.9.99-19.5.00;
WoZ, 16.3.00;
TA, 7.4.00;
Bund, 8.4.00;
NZZ, 14.4.00.25
[26] Wahlen vom 16.4.00: Presse vom 17.4.99. Wahlkampf:
NLZ, 4.9.99-14.4.00.26
[27] 1. Wahlgang vom 24.9.00: Presse vom 25.9.00. 2. Wahlgang vom 29.10.00: Presse vom 30.10.00. Wahlkampf:
SGT, 30.3.-28.10.00;
TA, 24.10.00.27
[28] Wahlen vom 27.8.00: Presse vom 28.8.00. Wahlkampf:
SGT, 1.6.-25.8.00.28
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