Année politique Suisse 2000 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Direkte Steuern
Zu den kantonalen Steuervorlagen siehe unten, Teil II, 2b.
Die parlamentarischen Vorstösse im Steuerwesen sind in den vergangenen Jahren markant angestiegen. Angesichts dieser Situation und einer allgemein erwarteten Genesung des Bundeshaushalts hat Bundesrat Villiger im Frühjahr ein umfassendes Steuerpaket präsentiert. Der Bundesrat will Familien steuerlich besser stellen, die Stempelsteuer teilweise abschaffen, Steuersünder amnestieren und die Wohneigentumsbesteuerung neu regeln. Das Konzept wurde bis zum Oktober in einem Botschaftsentwurf verfeinert und sollte dem Parlament noch im Dezember vorgelegt werden. Nachdem aber neue Ängste über eine Konjunkturabschwächung aufgetreten waren, verschob der Bundesrat Ende November die angekündigte Botschaft. Allein das Anliegen einer teilweisen Abschaffung der Stempelsteuer konnte in der Wintersession umgesetzt werden 1 Presse vom 14.3. und 29.11.00. Zur Wohneigentumsbesteuerung siehe unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum). Zur Familienbesteuerung siehe unten.1.
Auch die Schweizer Wirtschaft, vertreten durch Vorort, Gewerbeverband und Bankiervereinigung, präsentierte im Frühjahr ein Steuerkonzept. Das Hauptziel des Konzepts „Steuern senken, statt Schulden abbauen“ besteht darin, die Fiskalquote der Schweiz bis zum Jahre 2010 von heute 35 auf 30% zu senken und die Schweiz damit wieder zu einem der steuergünstigsten Länder zu machen. SP und Gewerkschaftsbund bezeichneten das Paket als unsozial und unverantwortlich. Das Finanzdepartement zeigte sich ebenfalls irritiert 2 Presse vom 14.4.00. Zu Vorstössen bezügich Schuldenabbau siehe unten (Ausgabenordnung).2.
Eine ursprünglich vom damaligen Nationalrat Deiss (cvp, FR) eingereichte Motion zur Verlagerung von 20 bis 30% der direkten Bundessteuer auf die Mehrwertsteuer fand im Nationalrat keine Zustimmung. Durch die Revision sollte der Gesamtertrag unverändert bleiben, die Progression verringert, Verheiratete und Konkubinatspartner gleich behandelt, die Soziallasten, insbesondere bei Familien mit Kindern, stärker berücksichtigt sowie der Finanzausgleich im gegenwärtigen Umfang nicht tangiert werden 3 AB NR, 2000, S. 312 f.3.
Ebenfalls erfolglos blieb eine Motion von Ständerat Brändli (svp, GR) zur Reduktion der direkten Bundessteuer. Mindestens 50% der wachstumsbedingten Mehreinnahmen hätten an die Steuerpflichtigen zurückerstatten werden sollen. Davon erhoffte sich der Motionär eine Steigerung der Standortattraktivität der Schweiz. Der Bundesrat erklärte, bis 1997 habe die Schweiz mit einer Fiskalquote von 33,8% gegenüber der OECD (37,2%) und der EU (41,5%) ihren Standortvorteil bewahren können. Ausserdem würde die vorgeschlagene Massnahme den Rahmen des Finanzleitbildes sprengen. Mit 26 zu 6 Stimmen verwarf der Ständerat das Begehren auch in der Form eines Postulates 4 AB SR, 2000, S. 465 ff.4. Im Nationalrat unterlag die SVP-Fraktion mit ihrer Motion zur Senkung der Steuerlast. Sie hatte einen Dringlichen Bundesbeschluss zur Reduktion der direkten Bundessteuer um 10% gefordert. Der Finanzplan sollte ausserdem um eine Verzichtsplanung ergänzt werden, die die Kompensation allfälliger Steuerausfälle regelt 5 AB NR, 2000, S. 1141 ff.5. Schliesslich stellte Nationalrat Brunner (svp, SG) vergeblich die Forderung nach einem Steuerstopp. Er wollte erreichen, dass jede künftige Erhöhung einer Steuer durch die Reduktion einer anderen Steuer vollständig kompensiert werden muss. Bekämpft wurde die Motion von Fässler (sp, SG), die das Begehren als Wahlkampfvorlage kritisierte und ihrem Verfasser zu bedenken gab, dass auch die Landwirtschaft von einer solchen Politik negativ betroffen sein würde 6 AB NR, 2000, S. 1525 f.6.
Im Hinblick auf die Erneuerung der Bundesfinanzordnung 2006 soll der Bundesrat im Jahr 2001 dem Parlament eine Reform des Steuersystems vorlegen. Dies forderte eine Motion der CVP-Fraktion im Nationalrat. Anzustreben sei die Stabilisierung der Fiskalquote, eine ökologische Steuerreform verbunden mit einer Reduktion der Lohnnebenkosten und eine Verlagerung von direkten auf indirekte Steuererträge, wobei die Familien und der Mittelstand zu entlasten und die Unternehmensbesteuerung massvoll auszugestalten sei. Nach der im September an der Urne zu Fall gebrachten ökologischen Steuerreform beantragte Raggenbass (cvp, TG) die Überweisung des entsprechenden Motionsabschnittes als Postulat. Der Bundesrat beanstandete, die Forderung nach einer Stabilisierung der Fiskalquote sei bereits durch das Finanzleitbild genügend abgedeckt. Ferner lehnte die SP-Fraktion eine Verlagerung der Steuern aus sozialpolitischen Gründen ab. Das Plenum überwies die ersten beiden Punkte dennoch als Motion und formte den dritten Teil in ein Postulat um 7 AB NR, 2000, S. 1070 ff.7.
Die im Vorjahr lancierte Steuerstopp-Initiative der FDP wurde Anfangs Dezember wieder fallen gelassen. In einer Pressemitteilung erklärte die Parteileitung, es seien nur 60 000 Unterschriften zustande gekommen. Aufgrund der verbesserten Konjunkturlage und der erwarteten Trendwende bei den Bundesfinanzen wollte die Partei auf einen Endspurt verzichten 8 TA, 5.12.00. Vgl. SPJ 1999, S. 154.8.
Nationalrat Imhof (cvp, BL) verlangte vom Bundesrat die Aufhebung der steuerlichen Doppelbelastung bei Familienunternehmen. Der Steuerabzug sowohl auf dem Gewinn des Unternehmens als auch auf der Dividende der familieneigenen Aktien sei ungerechtfertigt. Der Bundesrat empfahl, den Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln. Im internationalen Vergleich sei die Steuerbelastung der Körperschaften in der Schweiz als moderat zu werten. Zudem seien Reserven primär im Unternehmen und nicht im Privatvermögen der Aktionäre zu äufnen. Der Nationalrat folgte diesem Antrag und überwies die Motion als Postulat 9 AB NR, 2000, S. 449.9. Eine ähnlich lautende Motion Zuppinger (svp, ZH), die sich aber über die Familienunternehmen hinaus auch für eine Abschaffung der Doppelbelastung bei Aktiengesellschaften
und normalen Aktionären einsetzte, wurde vom Nationalrat ebenfalls als Postulat überwiesen 10 AB NR, 2000, S. 1534.10.
Entgegen dem Antrag des Bundesrates überwies der Nationalrat in seiner Wintersession eine Motion Raggenbass (cvp, TG) zur Milderung der Progression bei der direkten Bundessteuer. Dadurch sollte primär der Mittelstand entlastet werden. Die aktuelle Besteuerungspraxis hemme die Leistungsbereitschaft und bestrafe Selbständigerwerbende und Unternehmerinnen 11 AB NR, 2000, S. 1535 ff.11.
Zur Milderung der ansteigenden Gesundheitskosten im Alter, insbesondere für Zusatzversicherungen, verlangte Spielmann (pda, GE) höhere Abzüge bei der direkten Steuer. Der Nationalrat überwies diesen Antrag als Postulat 12 AB NR, 2000, S. 841.12. Ganz abgelehnt wurde hingegen eine Motion Jans (sp, ZG) zur steuerlichen Gleichstellung von Pensionskassenleistungen gegenüber Kapitalbezügen aus der dritten Säule 13 AB NR, 2000, S. 1524 f.13.
Im Mai unterbreitete der Bundesrat dem Parlament seinen Entwurf für eine Revision des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern zwischen Kantonen und Gemeinden sowie des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer. Die Revision soll die Veranlagung bei der direkten Steuer vereinfachen und im Falle eines Wohnortswechsels die Koordination zwischen den Kantonen erleichtern. Die Erhebung der Bundessteuer wie auch der Staats- und Gemeindesteuer soll in Zukunft jenem Kanton übertragen werden, in welchem die zu besteuernde juristische oder natürliche Person am Ende der Steuerperiode ihren Wohnsitz hat. Die WA-Kommission des Nationalrates hiess die Vorlage oppositionslos gut. Sie sprach sich dafür aus, dass die Kantone ihre Abzüge für das Bausparen und der Kanton Zürich seine Sonderregelung bei den Kinderbetreuungskosten aufrechterhalten dürfen, widersetzte sich aber einem Antrag Chiffelle (sp, VD), der alle Kantone zur Einführung von Abzügen bei den Kinderbetreuungskosten verpflichten wollte. Diskussionslos wurde die Vorlage vom Nationalrat im Sinne der WAK gutgeheissen. In seiner Wintersession schloss sich der Ständerat dem Beschluss des Nationalrates ohne Gegenstimme an 14 BBl, 2000, S. 3898 ff.; AB NR, 2000, S. 1112 ff. und 1614; AB SR, 2000, S. 883 f. und 943; BBl, 2000, S. 6182 ff.14.
Als Postulat überwiesen wurde ein Aufruf der SVP-Fraktion zum Verzicht auf weitere Einschränkungen des Steuerwettbewerbs zwischen den Kantonen. Der Wettbewerb garantiere tiefe Steuern. Die Steuerharmonisierung dagegen könnte Steuererhöhungen zur Folge haben. Walker (cvp, SG) unterstützte formelle Vereinheitlichungen zwischen den Kantonen. Fässler (sp, SG) gab zu bedenken, dass die bestehenden Steuerunterschiede von der Bevölkerung nicht verstanden würden. Nachdem die SVP-Fraktion Bundesrat Villiger ihre Zusammenarbeit bei der formellen Steuerharmonisierung zusichert hatte, hiess der Rat die Motion in der Form eines Postulats mit 98 zu 70 Stimmen gut 15 AB NR, 2000, S. 1531 ff.15.
Die geplante Straflosigkeit für Steuersünder bei Selbstanzeige wurde von den bürgerlichen Parteien in der Vernehmlassung durchwegs positiv bewertet. Wer nicht versteuerte Vermögen oder Einkommen nachträglich angibt, soll lediglich die Steuer zuzüglich der Zinsen bezahlen und von einer Strafe verschont bleiben. Entgegen der ständerätlichen Vorlage, die natürlichen Personen einmal im Leben und juristischen Personen alle 30 Jahre eine straflose Selbstanzeige zugesteht, verlangte die SVP als einzige bürgerliche Partei eine allgemeine Steueramnestie. Die SP hingegen wollte die Amnestie nur natürlichen Personen, nicht aber juristischen Personen, zukommen lassen. Unter den Kantonen zeigte sich Nidwalden skeptisch und sprach der Vorlage die Motivationskraft zu einer verstärkten Steuerdisziplin ab 16 NZZ, 11.2.00; NLZ, 14.3.00. Vgl. SPJ 1999, S. 155 f.16.
Der Ständerat hiess eine vor Jahresfrist vom Nationalrat überwiesene Motion zur Senkung der Staatssteuern für Risikokapitalgesellschaften gut. Das Parlament will damit die auf Bundesebene beschlossenen Steuererleichterungen auch auf kantonaler Ebene einführen 17 AB SR, 2000, S. 460 f. Vgl. SPJ 1999, S. 126 f.17.
In der Herbstsession des Vorjahres hatte der Nationalrat einen parlamentarischen Vorstoss gutgeheissen, der das Vollsplitting bei der Familienbesteuerung verlangt. Im Berichtsjahr standen zahlreiche weitere Vorstösse zur Behandlung an. Der Bundesrat bat um Zurückhaltung, weil er sich bei der Planung der zukünftigen Familienbesteuerung stark behindert fühlte. Im März trat Bundesrat Villiger vor die Presse und kündigte im Rahmen eines bundesrätlichen Steuerpakets Steuerermässigungen für Familien mit Kindern an. Ebenso setzte sich die Landesregierung zum Ziel, Ehepaare bei der Besteuerung gegenüber Konkubinatspaaren gleichzustellen. Insgesamt rechnete der Bundesrat mit Mindereinnahmen von rund 1,3 Mia Fr. bei Bund und Kantonen. Vier Varianten standen zur Wahl: Das „Vollsplitting ohne Wahlrecht“, welches vom Bundesrat und den Finanzdirektoren favorisiert wurde, besteuert das gemeinsame Einkommen verheirateter Paare je hälftig. Aufgrund der Progression fällt so der Steuersatz bedeutend geringer aus. Bei der Variante „Vollsplitting mit Wahlrecht“ kommen auch Konkubinatspaare zum Zug. Das Modell „Individualbesteuerung“ hat die Steuerveranlagung jeder mündigen Person zur Folge. Beim Ansatz „Familiensplitting“ werden alle Personen einzeln veranlagt, Ehepaare und Konkubinatspaare mit minderjährigen Kindern können allerdings vom Splitting profitieren. Ein fünftes Modell „Abbau der Progression“ entstammt einer ständerätliche Initiative. Es verfolgt eine Verflachung der Progressionskurve bei der direkten Bundessteuer, Korrekturen bei den Soziallasten und die steuerliche Gleichstellung von Ehe- und Konkubinatspaaren. Unabhängig von der Umsetzung dieser Modelle will der Bundesrat Einkommen unterhalb des Existenzminimums in Zukunft nicht mehr besteuern, Eltern einen höheren Kinderabzug gewähren und überdies einen Abzug für Betreuungskosten einführen. Auch die Prämien für die obligatorische Kranken- und Unfallversicherung sollen voll abzugsfähig werden 18 NZZ, 7.2.00; Presse vom 14.3. und 18.5.00. Vgl. SPJ 1999, S. 154 f. Zu den jeweils erwarteten Steuerausfällen vgl. die Antwort des BR auf eine Ip. Fässler, sp, SG (AB NR, 2000, IV, Beilagen, S. 197 f.).18.
Im Oktober fällte der Bundesrat seinen Grundsatzentscheid allerdings zugunsten einer Mischvariante: dem „Teilsplittings ohne Wahlrecht“. Ehepaare sollen wahlweise entweder weiterhin gemeinsam besteuert oder separat auf der Basis eines durch 1,9 dividierten Gesamteinkommens veranschlagt werden. Mit den Einsparungen gegenüber dem Vollsplitting sollen höhere Kinderabzüge eingeführt werden. In der Vernehmlassung lehnten SP und Gewerkschaften diese Reform jedoch ab. Profitieren würden ihrer Meinung nach lediglich Paare mit hohem Einkommen. Die Kantone wehrten sich gegen den durch die Individualbesteuerung anfallenden Mehraufwand. FDP und SVP hielten am Vollsplitting fest und die CVP favorisierte das Familiensplitting. Sukkurs erhielt das Familiensplitting ausserdem von den Wirtschaftsverbänden. Überraschend wich aber Bundesrat Villiger im November von seinem Vorhaben ab, die Reform noch während der Wintersession im Parlament beraten zu lassen. Aufgrund der unsicheren Konjunkturlage müssten die Bundesfinanzen neu beurteilt werden 19 Presse vom 3.10. und 29.11.00. Zu den Positionen der Parteien vgl. NZZ, 22.8.00.19.
Als Antwort auf die an der Urne im Vorjahr gescheiterte Mutterschaftsversicherung forderte die CVP-Fraktion mit einer parlamentarischen Initiative eine Erhöhung des Kinderabzugs bei der direkten Steuer auf mindestens 7200 Fr. Für Kinder in Ausbildung sowie für die berufsbedingte Kinderbetreuung sollen zusätzliche Abzüge eingeführt werden. Zur Wahrung der Ertragsneutralität schlug die CVP vor, eine Verschiebung auf Einnahmen aus der Mehrwertsteuer zu prüfen. Der Nationalrat folgte dem Antrag seiner WAK, die bei drei Enthaltungen einstimmig für das Begehren votiert hatte. Sodann überwies der Rat eine Motion von Ständerätin Simmen (cvp, SO), die dieselben Anliegen verfolgte 20 AB NR, 2000, S. 22 (pa.Iv. CVP-Fraktion) und 23 (Mo. Simmen).20.
Mit einer Motion forderte Mugny (gp, GE) die vollständige steuerliche Entlastung von berufsbedingten Kinderhütekosten für Einelternfamilien. Der Bundesrat wies darauf hin, dass solche Abzüge in der Vernehmlassungsvorlage zum Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern nicht mehr vorgesehen seien. Am ersten Verhandlungstag wurde die Motion im Nationalrat von Bortoluzzi (svp, ZH) bekämpft, in der Wintersession aber von der Volkskammer als Postulat überwiesen. Mit einer parlamentarischen Initiative hatte Spoerry (fdp, ZH) bereits im Frühjahr erreicht, dass bestehende Kinderbetreuungskosten-Abzüge in den Kantonen bis zum Inkrafttreten der Reform der Ehepaar- und Familienbesteuerung aufrecht erhalten werden können 21 AB NR, 2000, S. 1193 und 1534 (Mugny); AB SR, 2000, S. 110 f. (Spoerry).21.
Von FDP-Nationalrat Bührer (SH) bekämpft wurde eine Motion Hafner (sp, SH), die zum Ziel hatte, die bei der direkten Bundessteuer erlaubten Sozialabzüge neu nicht vom Einkommen sondern vom Steuerbetrag in Abzug zu bringen. Die Befürworter aus der SP-Fraktion begrüssten die Besserstellung der durch das „Armutsrisiko Kind“ stark betroffenen unteren Einkommensschichten. Bührer dagegen befürchtete eine Mehrbelastung des Mittelstandes und eine Abkehr von der Maxime der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Obwohl sich der Bundesrat zur Entgegennahme als Postulat bereit erklärte, wies der Rat den Vorstoss zurück 22 AB NR, 2000, S. 25 ff.22.
Schliesslich forderte Fehr (sp, ZH) in einer von der ehemaligen Basler SP-Nationalrätin Keller eingereichten Motion eine mildere Besteuerung von Kinderalimenten, solange ein zu bestimmendes Einkommen nicht überschritten wird. Bis 1995 konnten Alimente vom leistenden Elternteil nicht von der Steuer abgezogen werden und mussten daher vom erhaltenden Elternteil auch nicht als Einkommen versteuert werden. Die Volkskammer überwies den Vorstoss als Postulat. Auch der Berner Nationalrätin Vermot (sp) war die Besteuerung von Kinderalimenten ein Dorn im Auge. Ihrem Vorschlag, Unterhaltsbeiträge in der Höhe des halben Kinderabzugs beim leistenden Elternteil zum Abzug zuzulassen und beim empfangenden entsprechend geringer zu besteuern, hielt der Bundesrat entgegen, dass nicht mehr vorhandenes Einkommen nicht besteuert werden sollte. Der Rat überwies den Vorstoss als Postulat 23 AB NR, 2000, S. 24 f. (Keller) und 1062 f. (Vermot).23.
Als Postulat erfolgreich war auch eine Motion der CVP-Fraktion zur Besserstellung der Familien bei der direkten Bundessteuer. Die jüngste wirtschaftliche Entwicklung hat in den Augen der Fraktion mit einer zunehmenden Diskrepanz zwischen Einkommen und Lebensbedarf zu einer generellen Abwertung der Familie als Lebensform geführt. Der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Eltern gegenüber kinderlosen Paaren sei im Steuersystem verstärkt Rechnung zu tragen. Entsprechend dem Bericht Locher zur Revision der Familienbesteuerung forderte die Fraktion deshalb die separate Einkommensbesteuerung bei verheirateten Personen mit minderjährigen oder in Ausbildung stehenden Kindern 24 AB NR, 2000, S. 1064. Mit Stichentscheid des SR-Präsidenten wurde in der Herbstsession ausserdem eine Motion der Legislaturplanungs-Kommission des NR als erfüllt abgeschrieben, die eine stärkere Berücksichtigung der wirklichen Kosten der Familien bei der Besteuerung sowie die Einführung einer Familienverträglichkeitsprüfung bei Entscheiden und Erlassen verfolgt hatte (AB NR, 2000, S. 813; AB SR, 2000, S. 656). Siehe auch unten, Teil I, 7d (Familienpolitik).24. Der Nationalrat hatte bereits im Frühjahr eine Motion Baumann (gp, BE) als Postulat überwiesen, die den Kantonen die Einführung einer zivilstandsunabhängigen Besteuerung ermöglichen will 25 AB NR, 2000, S. 309.25.
Der Nationalrat lehnte in seiner Sommersession eine Motion für Erleichterungen bei der
Holdingbesteuerung ab. Die Kommission zur Legislaturplanung hatte damit die Attraktivität der Schweiz für internationale Holdinggesellschaften stärken wollen. Dem Bundesrat erschien der Zeitpunkt ungünstig: Veränderungen bei der Umsatzabgabe und das neue Fusionsgesetz stünden vor der Beratung im Parlament. Ausserdem hat das Finanzdepartement im Januar eine Expertenkommission Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (ERU) eingesetzt und erwartet bis Ende Juni 2001 Bericht 26 AB NR, 2000, S. 776. Zum Fusionsgesetz siehe oben, Teil I, 4a (Gesellschaftsrecht).26.
Die Zürcher Sozialdemokratin Fehr beantragte mit einer Motion die Schaffung einer eidgenössischen Erbschafts- und Schenkungssteuer; dies auch deshalb, weil die Erbschaftssteuer in den letzten Jahren von mehreren Kantonen abgeschafft worden war. Der daraus erzielte Steuerertrag sollte zur Finanzierung einer Kinderrente verwendet werden und das System der Kinderzulagen ersetzen. Bei den bürgerlichen Parteien fand die Motion keine Befürworter. Bührer (fdp, SH) kritisierte unter anderem die Zweckbindung dieser Steuer. Loepfe (cvp, AI) wehrte sich im Namen der Kantone gegen den drohenden Entzug von Steuereinnahmen. Beck (lp, VD) erinnerte daran, dass vererbte Vermögen bereits mehrfach besteuert worden sind. Der Bundesrat hielt fest, dass die Kompetenz zur Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer allein bei den Kantonen liege und beantragte, die Motion abzulehnen. Sollte allerdings die in der neuen Bundesverfassung verbriefte Harmonisierung der kantonalen Steuern misslingen, will er sich für die Wiederaufnahme des Begehrens einsetzen. Mit 109 zu 59 Stimmen wurde die Motion im Rat verworfen 27 AB NR, 2000, S. 1078 ff. Zur Erbschaftssteuer in den Kantonen vgl. NLZ, 8.2.00 und SGT, 11.2.00.27.
Im Oktober erteilte der Bundesrat der Volksinitiative zur Einführung einer Kapitalgewinnsteuer des SGB eine Absage. Der SGB hatte seine Initiative Ende 1999 eingereicht. Der Bundesrat kam nun zum Schluss, die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer sei zu aufwendig und zu wenig ergiebig 28 BBl, 2000, S. 5995 ff.; Presse vom 26.10.00. Vgl. SPJ 1998, S. 144.28.
Weil in der Presse immer wieder Meldungen über das steuerbare Einkommen von Prominenten und Reichen veröffentlicht werden, hat Ständerat Reimann (svp, AG) in einer parlamentarischen Initiative den Verschluss der amtlichen Steuerregister verlangt. Die Daten sollten nur nach Einwilligung der betroffenen Person oder zur Amts- und Rechtshilfe herausgegeben werden. Die Kommissionsmehrheit empfahl die Initiative zur Ablehnung. Die Transparenz diene nicht zuletzt auch der Korruptionsbekämpfung, so Marty (fdp, TI). Der Ständerat verwarf die Initiative mit 14 zu 9 Stimmen 29 AB SR, 2000, S. 425 f.29.
Der Nationalrat lehnte eine Motion Grobet (pda, GE) ab, die eine Aufteilung des Steuerertrages auf den Wohnkanton und den Kanton des Arbeitsortes verlangt hatte. Damit hätten Stadtkantone ihre Infrastrukturkosten teilweise auf die umliegenden Kantone überwälzen können. Der Bundesrat wies darauf hin, dass im Neuen Finanzausgleich eine Abgeltung von Zentrumslasten vorgesehen ist 30 AB NR, 2000, S. 1526 f.30.
Schmiergelder an Private dürfen im Rahmen der Gewinnsteuer weiterhin als geschäftsmässiger Aufwand in Abzug gebracht werden. Dies entschied der Nationalrat mit der Ablehnung einer Motion Jans (sp, ZG), die einen solchen Abzug verbieten wollte. Der Bundesrat hielt fest, dass diese Abzüge in den meisten Industriestaaten zugelassen seien und sah keinen Handlungsbedarf für ein Vorprellen der Schweiz 31 AB NR, 2000, S. 1527 f. Im vergangenen Jahr waren Bestechungsgelder an Amtspersonen auch im Ausland als illegal und entsprechende Steuerabzüge als unzulässig erklärt worden (SPJ 1999, S. 32 f.).31.
Der Jurassische Sozialdemokrat Rennwald lud den Bundesrat mit einem Postulat ein, Massnahmen zur Verbesserung der Ausbildung für Steuerinspektoren zu ergreifen. Mit der bestehenden Zahl an Steuerexperten könne ein mehrwertsteuerpflichtiger Betrieb theoretisch nur alle 35 Jahre kontrolliert werden. Durch das Fehlen qualifizierter Personen würden dem Bund ausserdem beträchtliche Mindereinnahmen entstehen. Das Postulat wurde vom Nationalrat angenommen. Der Bundesrat hatte bereits in seiner Antwort auf eine Einfache Anfrage Rennwalds bestätigt, dass Steuerinspektoren in der Öffentlichkeit ein schlechtes Image anhafte. Die Personalsuche sei aufgrund der guten Beschäftigungslage sehr schwierig 32 AB NR, 2000, S. 1603 (Postulat); AB NR, 2000, II, Beilagen, S. 151 (Einfache Anfrage); Bund, 2.5.00.32.
Zur Förderung der steuerlichen Attraktivität des Unternehmensstandortes Schweiz forderte Schweiger (fdp, ZG) vom Bundesrat die Ausarbeitung eines Steuerpakets, welches eine Reduktion des Gewinnsteuersatzes für juristische Personen beinhalten, die Progression bei der direkten Bundessteuer abschwächen, die wirtschaftliche Doppelbelastung von Aktionären als juristische Person und Anteilsinhaber mildern und eine Verbesserung bei der Verlustrechnung herbeiführen soll. Bundesrat Villiger pflichtete bei, dass die Schweiz als Wirtschaftsstandort eine im OECD-Raum vergleichsweise tiefe Steuerquote anstreben sollte, nicht aber die tiefen sozialen Standards der USA. Die Befürworter der Motion setzten sich aber mit 27 zu 6 Stimmen durch 33 AB SR, 2000, S. 886 ff.33.
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