Année politique Suisse 2000 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
 
Grundschulen
Eine komplette Übersicht zu den Revisionen der kantonalen Gesetze im Bildungsbereich befindet sich im Teil II, 6a-d.
Gemäss einer OECD-Studie lag die Schweiz im Trend zu immer längeren Ausbildungszeiten. Die Ausbildung bis zum Einstieg in das Berufsleben dauerte durchschnittlich 16,2 Jahre. Als Mittel von 45 Ländern hatte die OECD 1998 16,4 Ausbildungsjahre ab dem fünften Altersjahr ermittelt. Aufgrund der Studie strich das Bundesamt für Statistik die wachsende Wichtigkeit der tertiären Ausbildungen nach den Berufslehren sowie an Universitäten und Fachhochschulen hervor [5].
Der Nationalrat gewährte ohne Diskussion eine Fristverlängerung zur Ausarbeitung einer Vorlage im Sinne der Parlamentarischen Initiative Zbinden (sp, AG) für einen Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung bis zur Herbstsession 2001 [6].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Widmer (sp, LU) und verlangte damit vom Bundesrat einen Bericht über den funktionalen Analphabetismus in der Schweizer Bevölkerung – das heisst über Probleme beim Verstehen von schriftlichen Texten. Angesichts der Tatsache, dass der funktionale Analphabetismus bei rund fünf bis 20 Prozent der Bevölkerung verbreitet ist, woran die nationale UNESCO-Kommission am Welttag des funktionalen Analphabetismus und der Erwachsenenbildung im September des Berichtsjahres erinnerte, sollten Handlungsbedarf und das Ergreifen geeigneter Massnahmen gegen dieses Problem geprüft werden [7].
Nationalrat Widmer (sp, LU) hatte in einer Interpellation auf die Stagnation der Bildungsausgaben hingewiesen. Aus dem Bericht des Bundesamtes für Statistik „Bildungsindikatoren 1999“ gehe hervor, dass seit 1992 die realen öffentlichen Bildungsausgaben stagnierten – trotz zunehmender Schülerinnen- und Schülerzahlen. Der Anteil der Stipendienbezügerinnen und -bezüger nehme seit 1995 sogar ab. Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf die Verantwortung der Gemeinden und Kantone im Bildungswesen, auf die allgemeine Ressourcenknappheit sowie auf die in der Botschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Technologie in den Jahren 2000-2003 festgelegte durchschnittliche Zuwachsrate von 5% bei den Bildungsausgaben [8].
Im von der Kultur-, Wissenschafts- und Bildungsorganisation UNESCO ausgerufenen „Internationalen Jahr für die Kultur des Friedens“ startete die Stiftung für Bildung und Entwicklung gemeinsam mit Hilfswerken, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, dem UNHCR und anderen Entwicklungsorganisationen das „Schulprojekt Frieden“. Unter dem Motto „Peace – kein Slogan nur für Blumenkinder“ sollte die Friedensförderung zum Thema gemacht und mit verschiedenen Aktionen in die Schulen getragen werden. Angesichts der drängenden Problematik Gewalt auf dem Pausenplatz zählte die Stiftung den Umgang mit Gewalt innerhalb der Familie und den Kameraden zu einer der wichtigsten Erziehungsaufgaben [9].
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Schulreformen und -modelle
Anlässlich der Beratung einer Motion Zbinden (sp, AG) für eine gesamtschweizerische Volksschulreform wurde im Nationalrat von verschiedener Seite Kritik am Zürcher Vorprellen in Sachen Fremdsprachenunterricht laut. Trotz Bedenken hinsichtlich der Verletzung kantonaler Zuständigkeiten wurde die Motion mit 75 zu 73 Stimmen überwiesen. Die vom Ständerat noch nicht behandelte Motion beauftragt den Bundesrat, die Kantonsregierungen und die Schweizerische Konferenz der Kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zur gemeinsamen Realisierung einer schweizerischen Volksschulmodernisierung anzuhalten – wobei Erneuerungsimpulse aus Zürich durchaus übernommen und auf sinnvolle Weise landesweit adaptiert werden sollten [10].
Die EDK sprach sich im Herbst einstimmig für eine Neuausrichtung des Bildungsangebots zwischen dem vierten und achten Lebensjahr durch die Einführung einer Basisstufe aus und hielt die Kantone dazu an, sich mit der Verschmelzung von Kindergarten und Primarschule im Rahmen von Schulversuchen kreativ auseinander zu setzen. Vier Empfehlungen formulierte die EDK im Sinne von Leitplanken für die Erprobungsphase: Erstens habe der Eintritt in die obligatorische Basisstufe frühestens zwei Jahre vor dem bis anhin geltenden Beginn der Schulpflicht zu erfolgen, und die neue Stufe solle längstens bis Ende des zweiten Primarschuljahres dauern. Zweitens seien die Lernziele in Mathematik bis zum Ende der Basisstufe gesamtschweizerisch festzulegen; der Fremdsprachenunterricht solle erst in der Primarschule beginnen. Drittens müsse der Unterricht bezüglich Alter, Sprache und Begabung in heterogenen Klassen erfolgen. Und viertens sei hinsichtlich des Übertrittalters in die Primarschule auf die Entwicklungsunterschiede der Kinder Rücksicht zu nehmen. Schliesslich empfahl die EDK den Kantonen dringend, die Reform der Lehrerbildung angesichts des neu entstehenden Typus „Basisstufenlehrkraft“ möglichst rasch in die Wege zu leiten [11].
An ihrem dreitägigen Kongress „Zukunft ist Lernen“ diskutierten die Mittelschulrektorinnen und -rektoren Reformen an der Sekundarschule II. Als Diskussionsgrundlage dienten 13 Thesen, die der Vorstand der Dachkonferenz „Treffpunkt Sekundarstufe II“ erarbeitet hatte. Darin fand sich unter anderem die Forderung nach einer gesamtschweizerischen Regelung der Maturitäts- und Diplomanerkennung, nach dem Verzicht auf Zulassungsbeschränkungen sowie nach einer Verstärkung der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen. Eine der 13 Thesen postuliert ein eidgenössisches Mittelschulförderungsgesetz, welches ein breiteres subsidiäres Wirken des Bundes ermöglichen sollte – so zur Förderung des internationalen Austauschs, zur Einführung neuer Lerntechniken oder für die fachdidaktische Forschung an Universitäten. Offizielle Behördenvertreter wie der Zürcher Bildungsdirektor Ernst Buschor oder EDK-Präsident Hans-Ulrich Stöckling warnten aber vor zusätzlichen bildungspolitischen Verordnungen von oben [12].
Im Kanton Tessin gab die von Kreisen der katholischen Bewegung „Communione e Liberazione“ lancierte Volksinitiative „für eine tatsächliche Freiheit in der Schulwahl“ Anlass zu heftigen Diskussionen. Als zentraler Punkt forderte die Initiative staatliche Beiträge an Privatschulen und plädierte im weiteren für die Abschaffung des staatlichen Monopols in der öffentlichen Schule sowie für eine Wiederherstellung des durch die Trennung von Staat und Kirche verlorenen Einflusses des Christentums auf die Gesellschaft. Nach einer über neunstündigen Debatte hiess das Kantonsparlament gegen eine starke Ratsminderheit bestehend aus dem grössten Teil der FDP- sowie der SP-Fraktion das Volksbegehren zuhanden der Volksabstimmung gut und stellte ihm gleichzeitig einen Gegenvorschlag zur Seite, der den finanziellen Beitrag des Kantons auf die obligatorische Schulzeit beschränkt [13].
Nicht zuletzt als Reaktion auf die Ermordung eines Reallehrers im Kanton St. Gallen präsentierte die Kantonsregierung Ende des Berichtsjahres ein revidiertes Volksschulgesetz mit Massnahmen, die den Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung verbessern und den Anspruch auf ein friedliches Zusammenleben unter den verschiedenen Kulturen unterstützen sollen. Vorgesehen ist die Einrichtung einer besonderen Unterrichts- und Betreuungsstätte für im Unterricht untragbar gewordene Schülerinnen und Schüler sowie die Möglichkeit der Einweisung von Schülerinnen und Schülern in ein Heim für Schwererziehbare. Weiter beinhaltet das revidierte Gesetz die Einführung eines jährigen, für alle neuzugezogenen ausländischen Schülerinnen und Schüler im Oberstufenalter obligatorischen Integrationskurses sowie die Möglichkeit einer ausnahmsweisen Entlassung von Schülerinnen und Schülern aus der Schule, denen die Schule objektiv nichts mehr bringe. Schliesslich wurde die Erteilung von Bussen für Eltern erwogen, die Elternabende schwänzen oder ihre Kinder bei der Schularbeit nicht unterstützen. Die Vorschläge der St. Galler Regierung lösten heftige Reaktionen und ein grosses Medieninteresse auf nationaler Ebene aus [14].
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Sparmassnahmen, Lehrerlöhne und Lehrerbildung
Unter dem Stichwort „Schulmisere“ wurde im Berichtsjahr nach den Gründen für den grassierenden Lehrermangel gefragt. Dabei drehte sich die Diskussion insbesondere um die wachsende Belastung und Überforderung der Lehrkräfte, um die Abschiebung der Verantwortung weg von den Eltern an die Lehrerinnen und Lehrer, um den wenig motivierenden Spardruck sowie um die schlechten Berufsaussichten der Lehrerschaft. An den Volksschulen waren vor allem Realschulen und Kleinklassen – bei den weiterführenden Schulen die Fächer Mathematik, Physik und Wirtschaftswissenschaften vom Mangel an Lehrkräften betroffen. Laut einer Umfrage des Verbandes „Lehrerinnen und Lehrer Schweiz“ (LCH) bei den Kantonen bezeichneten 13 der 14 Befragten die Lage als angespannt. Wegen Engpässen würden ausländische Lehrkräfte angestellt oder Umteilungen zwischen den Stufen vorgenommen [15]. Sowohl in Zürich als auch in Bern kam es zu Proteststreiks der Volksschullehrerschaft gegen die kantonalen Lohnpolitiken, schwierige Arbeitsbedingungen und die Einführung zusätzlicher Pflichtstunden. Dabei sollten die Aktionen weniger auf einzelne politische Massnahmen als vielmehr auf lang anhaltende Missstände hinweisen – so zum Beispiel auf die Tatsache, dass immer mehr Lehrkräfte immer häufiger unter einem Burn-out leideten. Erstmalig war eine Protestaktion von über 2000 Eltern und Schulkindern, die in Bern gegen die Sparmassnahmen des Kantons im Bildungsbereich demonstrierten. In einer Petition mit 13 000 Unterschriften forderten sie ein Rückgängigmachen des bereits erfolgten Abbaus von Lektionen und einen Verzicht auf weitere Sparmassnahmen [16].
Ende Jahr präsentierte die Zürcher Bildungsdirektion die Resultate einer in ihrem Auftrag durchgeführten Erhebung der Lehrerarbeitszeiten. Die Studie, in deren Rahmen sämtliche 18 000 Zürcher Lehrkräfte befragt worden waren, zeigte, dass Lehrerinnen und Lehrer auf praktisch allen Schulstufen im Durchschnitt mehr als 42 Wochenstunden arbeiten. Von der Primarschulunterstufe bis zur Mittelschule variierte die Arbeitsbelastung kaum, wobei aber starke individuelle Unterschiede zu verzeichnen waren. Der Durchschnitt bei Lehrkräften an den Sekundarschulen beispielsweise lag bei knapp 47 Stunden pro Woche. Die Berufsverbände sahen sich in ihren Forderungen nach einer Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer bestätigt. Die Bildungsdirektion kommentierte die Ergebnisse jedoch zurückhaltend und betonte die Wichtigkeit differenzierter Massnahmen statt einer generellen Anpassung der Pflichtstunden [17].
Anfangs des Berichtsjahres stellte der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) zehn Thesen zur Lehrerbildung auf. Trotz der laufenden Reformbemühungen und der Arbeit der Kantone am Aufbau von Pädagogischen Hochschulen sei der föderalistisch und katholisch-kirchlich motivierte Widerstand gegen eine Zentralisierung der Lehrerbildung insbesondere in der Innerschweiz noch stark. Der VPOD plädierte nicht nur für die Abschaffung des Bildungsföderalismus, sondern auch für eine Einbindung aller Lehrkräfte – inklusive Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern – in eine Ausbildung mit gesamtschweizerischen Qualitätsstandards auf Universitätsniveau. Diese Ausbildung sei mehrsprachig und interkulturell zu gestalten und müsse Forschung sowie Weiterbildungsmöglichkeiten mit einschliessen, damit der Berufsabschluss auch Perspektiven eröffne [18].
Grosse Bedeutung wurde den Ergebnissen einer breit angelegten Untersuchung zur Lehrerbildung in der Schweiz zugewiesen, gerade weil das Thema in Europa noch kaum Objekt empirischer Forschungen darstellte. Die Studie „Die Wirksamkeit der Lehrerbildungssysteme in der Schweiz“ war im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 33 „Die Wirksamkeit unserer Bildungssysteme“ erstellt worden und umfasste die Befragung von über 3000 Personen – Studierende, Lehrkräfte aller Stufen, Ausbildner und Schulexpertinnen – während der Neunziger Jahre in der Deutschschweiz. Die beunruhigenden Resultate der Studie zeigten eine sehr schlechte Vorbereitung der angehenden Lehrkräfte auf Alltagsprobleme wie Burn-out oder Stressverarbeitung und Konfliktbewältigung. Wenn sich die Studierenden zwar recht zufrieden mit der Ausbildung zeigten, fühlten sie sich tendenziell unterfordert und mit theoretischem Wissen von geringem Nutzen für den Berufsalltag konfrontiert. Die befragten Expertinnen und Experten der Lehrerbildung – Erziehungsdirektorinnen und -direktoren, Leiterinnen und Leiter von Ausbildungsinstituten, Erziehungswissenschaftler, Mitglieder der EDK-Kommissionen und Leitende wichtiger Berufsverbände – plädierten in ihren Empfehlungen für eine strengere Selektion bei der Ausbildung, für Evaluationen der Ausbildungsstätten aufgrund einheitlicher Standards, für den Einsatz neuer Medien und für wirtschaftliches Denken im Sinne eines ökonomischen Umgangs mit und einer effizienten Nutzung von Zeit [19].
Die EDK stellte ein Inkrafttreten des Konkordats über die Pädagogische Hochschule Zentralschweiz (PHZ) ab 1.1.2002 in Aussicht. Die Führungsverantwortung für die Teilschulen in Luzern, Schwyz und Zug wurde den Bildungsdirektoren der Konkordatskantone übertragen. An allen drei Standorten sind Ausbildungen für Kindergarten und Primarschule – in Luzern zudem eine Ausbildung für die Sekundarstufe I und für Schulische Heilpädagogik – vorgesehen. Die Kantonsparlamente wurden angehalten, im Laufe des Jahres 2001 über einen Beitritt zum Konkordat zu befinden. Der Zuger Regierungsrat beschloss, den Zuger Ableger der PHZ im Seminar St. Michael in Zug und das Kurzzeitgymnasium unter kantonaler Trägerschaft im Seminar Bernarda in Menzingen zu realisieren [20].
Im Juni stellten die Bildungsdirektorin des Kantons Jura und ihre beiden Amtskollegen aus Bern und Neuenburg das Projekt für eine gemeinsame Pädagogische Hochschule (HEP-BEJUNE) vor, die ab August 2001 die Lehrerausbildung für alle drei Kantone mit Zweigstellen in La Chaux-de-Fonds, Porrentruy und Biel gewährleisten soll [21].
Mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung bekräftigten die Erziehungsdirektorin des Kantons Solothurn und ihr Aargauischer Amtskollege das Ziel, die seit Jahren bestehende Kooperation zwischen Solothurn und Aargau im Bereich der Lehrerbildung auf die Entwicklung der neuen Fachhochschulstudiengänge, auf den gemeinsamen Einsatz von Lehrenden sowie auf die Planung und Realisierung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten auszudehnen [22].
Das basellandschaftliche Lehrerseminar stellte ein Pilotprojekt für einen neuen Primarlehrer-Ausbildungsgang vor. Unter dem Titel „Flexible Ausbildung von Lehrkräften für die Primarschule“ wurde ab Sommer 2001 ein Lehrgang in Aussicht gestellt, der einerseits die Präsenzzeit am Seminar auf zwei Tage pro Woche reduziert, andererseits die Ausbildung via Internet und in strukturierten Lerngruppen ausbaut. Das unter dem Patronat der EDK stehende Projekt richtete sich auch an Personen, die nicht in Baselland wohnen. Es sollte drei oder allenfalls vier Jahre mit einem anschliessenden Semester zur berufsbegleitenden Einführung dauern und strebte einen hohen Grad an Flexibilität und Selbstbestimmung der Primarlehrerinnen und -lehrer an [23].
Mit seinen Urteilen zu Fällen in drei Kantonen stützte das Bundesgericht den Grundsatz, dass die tieferen Löhne der Kindergärtnerinnen gegenüber den Löhnen der Primarlehrer nicht diskriminierend seien, solange nicht zu grosse Differenzen entstünden. Das Bundesgericht wies entsprechende Beschwerden der Kindergärtnerinnen in den Kantonen Schwyz und Thurgau ab. Abgewiesen wurde zudem die Beschwerde der Zürcher Kindergärtnerinnen gegen einen Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts, in welchem eine Lohndifferenz von 18 Prozent aufgrund der unterschiedlichen Arbeitspensen und der unterschiedlichen Wertigkeit der Arbeit als zulässig befunden worden war. Die Lausanner Richter machten Unterschiede bei den Arbeitspensen, die längere Ausbildungszeit und die breitere Berufsausbildung der Primarlehrer geltend, welche nichts mit geschlechtsdiskriminierenden Bewertungs- und Vergleichskriterien zu tun hätten [24].
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Informatik
Wohl hatten im Berichtsjahr fast alle Kantone in irgendeiner Form die Herausforderung der IKT in den Schulen angenommen, doch vorhandener Wille und Infrastruktur reichten oft nicht aus, wenn die Ausbildung der Lehrkräfte und eine adäquate Betreuung und Unterstützung vor Ort fehlten. Bei der Umsetzung des Gebots „Schulen ans Netz!“ bestanden nach wie vor starke kantonale und regionale sowie schulstufenspezifische Unterschiede. Gerade hinsichtlich der Infrastruktur war auf der Sekundarstufe I gegenüber der Sekundarstufe II noch grosser Nachholbedarf zu verzeichnen [25]. Mit vereinten Kräften wollten Bund, Kantone und Wirtschaftspartner den Anschluss aller Primar-, Sekundar-, Mittel- und Berufsschulen der Schweiz an das Internet realisieren. So war laut Bundesrat seitens der Wirtschaft die Bereitschaft zur Unterstützung des Infrastrukturauf- und ausbaus an den Schulen mit 100 Mio Fr. signalisiert worden. Ein dementsprechend angemessenes Engagement des Bundes wurde in Aussicht gestellt [26].
Für eine Bildungsoffensive im Informatikbereich plant der Bundesrat, zwischen 2001 und 2004 80 Mio Fr. einzusetzen. Gemäss einer Einschätzung der interdepartementalen Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft (KIG) stehe in der Schweiz einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien ein deutliches Defizit bei den Anwendungsfähigkeiten der Nutzerinnen und Nutzer solcher Technologien gegenüber. Um gerade auch für die bildungsferne Bevölkerung Hemmnisse im Bereich der Nutzung elektronischer Kommunikationsformen zu überwinden, sei laut Eidgenössischem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie, Kommunikation das Ausbildungsniveau der Lehrkräfte zu fördern sowie die Beratungs- und Supportdienste auszubauen. 1999 war ein Postulat Theiler (fdp, LU) vom Nationalrat überwiesen und damit der Bundesrat zur Prüfung einer Ausbildungsoffensive im Informatikbereich angehalten worden. Aufgrund der Vernehmlassungsunterlagen zur Verwendung des „überschüssigen“ Nationalbankgoldes präsentierte der Bundesrat im Juni des Berichtsjahres eine Variante, welche für die Bildungsoffensive eine Bereitstellung von mindestens 600 Mio Fr. vorsah: Bis im Jahr 2005 sei diese Summe zu erwirtschaften und über sechs Jahre – von 2002 bis 2007 – auszugeben; ab 2006 etwa solle der Goldertrag statt für Bildung während zwölf Jahren für Überbrückungsmassnahmen im Rahmen der 11. AHV-Revision zum Einsatz kommen [27].
Die Netd@ys, eine zum dritten Mal von der Schweizerischen Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen organisierte Aktionswoche zum Thema Internet in der Schule, war Anlass, den dringenden Handlungsbedarf in Richtung einer nationalen Informatik-Strategie in der Grundausbildung zu thematisieren. Der LCH präsentierte erneut provokative Zahlen: Nur rund ein Prozent der jährlichen Bildungsausgaben von 22 Mia Fr. bedürfte es laut Hochrechnung des LCH, um eine Integration der neuen Kommunikationstechnologien an allen öffentlichen Schulen der Schweiz zu vollziehen, einen Bildungs-Server zu installieren und die Ausbildung der Lehrkräfte voranzutreiben. Bundesrat Couchepin betonte mit Verweis auf die Arbeit der KIG die herausragende Bedeutung der neuen Medien. Die Gewährleistung des technischen Zugangs reiche jedoch nicht aus, gelte es doch eine Zweiklassengesellschaft in der Informationstechnologie zu verhindern und auch in der Lehrerbildung entsprechende Ausbildungsanstrengungen zu machen [28].
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Qualitätskontrolle
Die Diskussion über Gewalt an den Schulen wurde auch in diesem Berichtsjahr rege geführt. Unter anderem die Missstände an der Privatschule Vilters (SG) sowie die Resultate einer Befragung von rund 3000 Studierenden aus der Schweiz, Österreich und Deutschland, in welcher 47 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer angaben, Lehrer hätten ihre Macht regelmässig missbraucht, nährten die Debatte. In Vilters war es zu Gewalt von drei Lehrern an der Schülerschaft gekommen, was die Frage nach Qualitätstandards an Privatschulen sowie nach der Aufsichts- und Bewilligungspraxis für Heime und Internate aufwarf [29].
 
[5] NZZ, 17.5.00.5
[6] AB NR, 2000, S. 837. Vgl. SPJ 1998, S. 301.6
[7] AB NR, 2000, S. 1602; NZZ, 8.9.00.7
[8] AB NR, 2000, S. 453. Siehe hierzu auch die Antworten des BR zum Vorstoss Gadient (svp, GR) betreffend zusätzliche Fördermassnahmen im Bereich Bildung und Wissenschaft (AB NR, 2000, S. 878 ff.) sowie zum Vorstoss Galli (cvp, BE) betreffend getroffene Massnahmen, eingesetzte Mittel und Zeithorizont im Rahmen der Bildungsoffensive des Bundes (AB NR, 2000, S. 849; 941 f.).8
[9] AZ, 10.1.00; SGT, 8.1.00; SZ, 17.1.00.9
[10] AB NR, 2000, S. 880 ff.; AB NR, 2000, III, Beilagen, S. 128 ff.; NZZ, 19.9.00; TA, 20.12.00. Zur Fremdsprachendiskussion vgl. unten, Teil I, 8b (Sprachen).10
[11] Bund, 28.8.00; TA, 1.9. und 8.12.00. Vgl. SPJ 1999, S. 309 f.11
[12] NZZ, 16.5.00.12
[13] Presse vom 9.11.00; NZZ, 28.12.00.13
[14] Presse vom 7.11.00; SGT, 22.11.00.14
[15] Presse vom 5.5. und 30.8.00; TA, 11.5.00; SGT, 13.5.00; Ww, 22.6.00; AZ, 23.11.00.15
[16] Presse 9.6.00; Ww, 28.9.00; Bund, 13.11.00.16
[17] NZZ, 2.11.00; Bund, 3.11.00.17
[18] NZZ, 11.2.00.18
[19] TA, 10.8.00; NZZ, 29.7., 11.8. und 19.9.00.19
[20] Presse vom 3.11.00; NLZ, 22.12.00.20
[21] Presse vom 6.6.00.21
[22] Presse vom 4.11.00.22
[23] NZZ, 23.11.00.23
[24] TA, 4.1.00; BaZ, 5.1.00.24
[25] Bund, 17.1.00.25
[26] TG, 21.12.00; NZZ, 22.12.00. Vgl. hierzu auch die Ausführungen des BR zum Vorstoss Jossen (sp, VS) betreffend Zuständigkeiten für die Umsetzung des Projekts „Schulen ans Netz“ (AB NR, 2000, S. 1350).26
[27] NZZ, 29.6. und 11.7.00; Vision, 1/2000, S. 5-10. Vgl. SPJ 1999, S. 314 f. (Ausbildungsoffensive) und S. 348 (Bericht KIG). Zum Nationalbankgold siehe oben, Teil I, 4b (Geld- und Währungspolitik).27
[28] Presse vom 17.5., 17.11. und 22.11.00. Vgl. SPJ 1998, S. 304 und 1999, S. 311 f. Zum Mangel an Informatiklehrstellen vgl. unten (Berufsbildung).28
[29] TA, 12.7.00; NZZ, 9.8.00; SGT, 11.8.00.29