Année politique Suisse 2002 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
Familienpolitik
Die Interessengemeinschaft der kinderreichen Familien „Familien 3 plus“ kündigte die Lancierung einer
Volksinitiative „Familie ist Zukunft“ an. Sie will den Bund zur Förderung und zum Schutz kinderreicher Familien verpflichten. Die Initiative verlangt Kinderzulagen von 250 Fr. pro Kind und für Familien mit drei und mehr Kindern einen Bundessteuerabzug von 4000 Fr. pro Kind. Die Erziehungsarbeit eines Elternteils soll mit einem Steuerabzug von 12 000 Fr. pro Jahr vergütet werden
[41].
Fünf in der Sozial- und Familienpolitik tätige Organisationen (Eidg. Kommission für Familienfragen, Pro Familia, Pro Juventute, Schweiz. Konferenz für Sozialhilfe und Städteinitiative „Ja zur sozialen Sicherheit“) forderten dringend
Massnahmen zur finanziellen Besserstellung von Familien mit dem Ziel, die Leistungen der Familien vermehrt zu anerkennen und Familienarmut zu verhindern. Mittelfristig möchten sie am bisherigen dualen System von Familienzulagen und Steuerabzügen festhalten. Sie verlangten eine Bundeslösung für die Ausrichtung einheitlicher Kinderzulagen in der Höhe von mindestens 200 Franken resp. 250 Franken für Jugendliche in Ausbildung. Zudem unterstützten sie die Bestrebungen des Nationalrates, für finanzschwache Familien einkommensabhängige Familienergänzungsleistungen nach dem Tessiner Modell einzuführen
[42].
1991 hatte die damalige Nationalrätin Fankhauser (sp, BL) eine parlamentarische Initiative für landesweit einheitliche Kinderzulagen von mindestens 200 Franken eingereicht, welcher der Nationalrat im Jahr darauf Folge gab. 1997 legte die mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragte SGK ein Rahmengesetz vor, dessen Behandlung aber 1998 am runden Tisch zur Sanierung der Bundesfinanzen bis 2001 sistiert wurde. Die erneute Lesung in der SGK liess nun aber so viele Fragen bezüglich Zuständigkeiten und Finanzierung offen, dass die Kommission beschloss, einen Schlussstrich unter die Initiative Fankhauser zu ziehen und in Sachen
Familienzulagen einen Neustart zu wagen. Eine Subkommission unter Rossini (sp, VS) wurde beauftragt, ein neues Zulagengesetz zu erarbeiten und dabei andere familienpolitische Anliegen, die aufgegleist oder bereits in der parlamentarischen Beratung sind, zu berücksichtigen (Bedarfsleistungen gemäss Tessiner Modell, familienergänzende Betreuungsplätze, Mutterschaftsschutz)
[43].
Ausgehend von einer im Vorjahr vom Nationalrat angenommenen parlamentarischen Initiative der Zürcher Sozialdemokratin Fehr zur
Anschubfinanzierung von Kinderkrippen erarbeitete die SGK einen Gesetzesentwurf samt Finanzierungsbeschluss. Sie schlug dem Plenum vor, die Schaffung von neuen Krippenplätzen während zehn Jahren mit jährlich 100 Mio Fr. zu unterstützen; konkret vorgelegt wurden ein Bundesgesetz, das die Förderungsmodalitäten regelt, sowie ein Kreditbeschluss über 400 Mio Fr. für die ersten vier Jahre. Bis auf die SVP, die nach den Worten ihres Sprechers Bortoluzzi (ZH) „verantwortungsmüde Eltern“ und Zustände „à la Ostblock“ witterte, und die LP stellten sich alle Fraktionen hinter das Gesetz, das mit 117 zu 53 Stimmen angenommen wurde. SP und CVP stimmten geschlossen zu, bei der FDP eine Mehrheit (darunter sämtliche Frauen), bei der SVP nur gerade die drei weiblichen Abgeordneten Fehr (ZH), Gadient (GR) und Haller (BE) sowie Siegrist (AG). Angesichts der Lage der Bundesfinanzen beantragte der Bundesrat, der das Anliegen grundsätzlich unterstützte, ein auf maximal acht Jahre und nur je 25 Mio Fr. reduziertes Engagement. Mit 108 zu 70 Stimmen konnte sich aber der Antrag der Kommission durchsetzen. Gutzwiller (fdp, ZH) erinnerte als Sprecher der Kommission daran, dass Studien den volkswirtschaftlichen Nutzen von familienexternen Betreuungsplätzen nachgewiesen haben, weshalb es sich hier um eine sinnvolle Investition handle. Im Ständerat machte nur gerade Schmid (cvp, AI) grundsätzlich Opposition gegen die Vorlage. Ein Rückweisungsantrag Hess (fdp, OW), der zuerst eine Vernehmlassung bei den Kantonen durchführen wollte, da diese nach dem Auslaufen der Anstossfinanzierung primär in der Pflicht stehen dürften, die Krippen weiter zu unterstützen, wurde mit 29 zu 12 Stimmen abgelehnt. Als Kompromiss zwischen Bundes- und Nationalrat beschloss die kleine Kammer aber, anstatt 400 Mio Fr. nur
200 Mio Fr. für die nächsten vier Jahre zur Verfügung zu stellen und das Programm auf acht Jahre zu begrenzen; zudem sollten die Beiträge nicht mehr maximal einen Drittel der Kosten abdecken, sondern höchstens 5000 Fr. pro Krippenplatz. Ein Antrag Jenny (svp, GL), dem Bundesrat zu folgen, wurde ebenso abgelehnt wie der Antrag Studer (sp, NE) auf Zustimmung zum Nationalrat. Die Vorlage wurde mit 31 zu 4 Stimmen angenommen, der Finanzierungsbeschluss mit 23 zu 5 Stimmen. Angesichts der klaren Willensbezeugung der kleinen Kammer, den Kreditrahmen mindestens um die Hälfte zu kürzen, bat die Initiantin Fehr (sp, ZH) den Nationalrat, dem Ständerat in allen Punkten zuzustimmen, um nicht die Vorlage als Ganzes zu gefährden. Mit 120 zu 58 Stimmen übernahm der Rat die Beschlüsse der Ständekammer. Das Gesetz tritt auf den 1. Februar 2003 in Kraft
[44].
In der Wintersession wurde anlässlich der Budgetberatung über die Höhe der ersten Tranche der Anschubfinanzierung gefeilscht. Der Bundesrat beantragte,
2003 lediglich 20 Mio Fr. einzusetzen, da es zu unterscheiden gelte zwischen der Verpflichtung an sich und den Zahlungen, die erst mit Verzögerung ausgelöst würden. Mit dem Argument, bei einem Impulsprogramm komme der ersten freigegebenen Tranche Symbolcharakter zu, erreichte die CVP im Nationalrat mit 100 zu 79 Stimmen, dass bereits für das erste Jahr 50 Mio Fr. ins Budget aufgenommen wurden. Damit überholte die CVP sogar noch die SP links, welche als eigentliche Initiantin 30 Mio Fr. gefordert hatte. Doch die Freude über den kräftigen Impuls währte nur kurz. Mit 24 zu 16 Stimmen folgte der Ständerat gegen einen Antrag Stadler (cvp, UR), der dem Nationalrat zustimmen wollte, der Argumentation des Bundesrates. Mit Unterstützung der CVP setzte sich im Nationalrat bei der Differenzbereinigung der ursprüngliche Antrag der SP (
30 Mio Fr.) mit 94 zu 52 Stimmen durch, worauf sich der Ständerat anschloss
[45].
Mitte Jahr präsentierte Nationalrätin Fehr (sp, ZH) den Medien das von ihr im Auftrag der Partei überarbeitete familienpolitische Konzept. Unter dem Titel „Mit Kindern rechnen“ will die
SP die Familien in dreifacher Hinsicht fördern: in der Arbeitswelt, im Lebensumfeld und in finanzieller Hinsicht. Profitieren sollen in erster Linie die unteren und mittleren Einkommen. Die Anstossfinanzierung für familienergänzende Kinderbetreuungsplätze auf Bundesebene soll durch ein verstärktes Engagement von Kantonen und Gemeinden ergänzt werden. Die privaten Unternehmen sollen das Geld, das sie bei Annahme einer über die EO finanzierten Mutterschaftsversicherung einsparen, in den Aufbau von Krippen für die Kinder ihrer Mitarbeiterinnen aufwenden. Finanziell möchte die SP die Familien einerseits mit
Steuergutschriften (statt Steuerabzügen) und mit einem existenzsichernden Kindergeld in der Höhe von durchschnittlich 450 Fr. pro Monat unterstützen. Bei Bedarf sollen auch
Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien ausgerichtet werden, wobei ein Anreizsystem spielen soll, das zur Erwerbstätigkeit ermuntert
[46]. Ebenfalls zur finanziellen Entlastung von Familien mit Kindern stellte die SP im Rahmen der Budgetberatung 2003 den Antrag, der Bund solle alle
Krankenkassenprämien für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre – insgesamt 1,2 Mio Personen – übernehmen. Die Kosten von rund 1 Mia Fr. sollten zur Hälfte mittels nicht ausgeschöpfter Krankenkassenprämien-Verbilligungen und der Rest durch die Kantone finanziert werden. Die SP nahm damit eine Anregung auf, die Bundesrätin Dreifuss im Vorjahr (allerdings nur auf die nicht abgeholten Gelder für die Prämienverbilligungen bezogen) zur Diskussion gestellt hatte. Als „Giesskanne“ und inkompatibel mit der Schuldenbremse schmetterte der Nationalrat den Antrag mit 116 zu 62 Stimmen ab
[47].
Im Bestreben, dass Familien und Kinder nicht länger ein Armutsrisiko darstellen, verabschiedete die
CVP ein Grundlagenpapier, das auf drei Säulen basiert. Familien mit tiefen Einkommen sollen durch höhere Kinderzulagen (200 Fr. für Kinder, 250 Fr. für Jugendliche in Ausbildung), Entlastungen bei der direkten Bundessteuer und
Bedarfsleistungen für einkommensschwache erwerbstätige Eltern unterstützt werden. Die Junge CVP bemängelte, dass familienentlastende Massnahmen wie Kinderkrippen, Blockunterricht und Tagesschulen nicht erwähnt wurden
[48].
Mit 131 zu 18 Stimmen gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Nabholz (fdp, ZH) Folge, welche verlangt, die im neuen Scheidungsrecht für nicht einvernehmliche Scheidungen geforderte
Trennungszeit von vier auf
zwei Jahre zu reduzieren. Fachleute (Richter und Anwälte) hatten seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes (1.1.2000) wiederholt kritisiert, die lange Trennungszeit werde vom scheidungsunwilligen Partner (meistens der Frau) oft dazu missbraucht, Zugeständnisse in den Bereichen Finanzen und Kinder abzunötigen. Die vierjährige Trennungsfrist könne zudem auch zur Umgehung ausländerrechtlicher Bestimmungen dienen. Das Anliegen der Initiative wurde zur Erarbeitung einer konkreten Vorlage an die Rechtskommission des Nationalrates überwiesen. Eine Minderheitsmotion Thanei (sp, ZH), die eine Differenzierung der Trennungsfristen nach Ehedauer verlangte, da für Frauen mit Kindern eine längere Frist bis zur Scheidung einen besseren Schutz biete, wurde mit 125 zu 21 Stimmen abgelehnt
[49].
Der Bundesrat war bereit, zwei Motionen Janiak (sp, BL) entgegenzunehmen, die ihn beauftragen, das Eheverbot für Stiefverhältnisse aufzuheben, und das Verfahren der
Scheidung bei Teileinigung bundesrechtlich zu regeln, worauf sie der Nationalrat überwies. Eine weitere Motion Janiak, die forderte, die Regelung, wonach die Scheidung einer Ehe aus Gründen der Unzumutbarkeit vor Ablauf der vierjährigen Frist verlangt werden kann, sei durch die Aufführung von schwerwiegenden Gründen zu konkretisieren und zu präzisieren, wurde auf Antrag des Bundesrates nur als Postulat angenommen
[50].
Der Bundesrat beschloss, die im Vorjahr vom Parlament beschlossene und mit einem Referendum bekämpfte
Fristenregelung und die
Volksinitiative „Für Mutter und Kind“, die ein rigides Abtreibungsverbot in der Verfassung verankern wollte, gemeinsam und ohne weitere Vorlagen am 2. Juni dem Volk vorzulegen. Mit Ausnahme der EDU lehnten alle Parteien die Volksinitiative ab. Während SP und FDP die Fristenregelung aber geschlossen unterstützten, zeigten sich
CVP und SVP gespalten. In beiden Parteien wurde die Fristenregelung von den mehrheitlich männlichen Delegiertenversammlungen abgelehnt, während sowohl die CVP- wie die SVP-Frauen ihr zustimmten. 10 Kantonalsektionen der SVP und sechs der CVP beschlossen die Ja-Parole. Ebenfalls uneinig zeigten sich die Landeskirchen: der Evangelische Kirchenbund (SEK) lehnte die Initiative ab und stimmte der Fristenregelung zu, die katholische Bischofskonferenz (SBK) sprach sich klar gegen die Fristenregelung aus, gab aber keine Empfehlung zur Initiative ab
[51].
Das Abstimmungsergebnis fiel deutlicher aus als erwartet. Mit fast 82% Nein-Stimmen wurde die
Initiative förmlich
abgeschmettert, und zwar in allen Kantonen. Mit knapp über 30% Ja-Stimmen erzielte sie höchstens im Wallis so etwas wie einen Achtungserfolg. Auch die Kantone Uri, Appenzell Innerrhoden, Obwalden und Schwyz, die 1985 der ähnlichen Initiative „Ja zum Leben“ zugestimmt hatten, lehnten sie mit Nein-Stimmen-Anteilen zwischen 70 und 75% deutlich ab. Positiver als angenommen fiel das Resultat bei der
Fristenregelung aus, die
mit über 72% Ja-Stimmen gutgeheissen wurde. Im Vergleich zur Abstimmung über die erste „Fristenlösungsinitiative“ (1977) zeigten sich einerseits Parallelen, andererseits manifestierte sich aber auch ein bedeutender gesellschaftlicher Wandel. Jene Kantone, die bereits 25 Jahre zuvor einer Liberalisierung zugestimmt hatten, gehörten auch jetzt zu denen mit den höchsten Ja-Anteilen: Genf (87,8%), Waadt (85%), Neuenburg (85,4%), Basel-Stadt (81,8%), Basel-Landschaft (79,8%), Zürich (77,5%) und Bern (73,5). Am deutlichsten hatten seinerzeit die Innerschweiz und alle katholischen Stände die Initiative verworfen. Davon blieben jetzt nur gerade zwei Kantone übrig (Appenzell Innerrhoden und Wallis). Damit fand der Wandel vor allem in den katholischen Gebieten statt
[52].
Volksinitiative „für Mutter und Kind – für den Schutz des ungeborenen Kindes und für die Hilfe an seine Mutter in Not“
Abstimmung vom 2. Juni 2002
Beteiligung: 41,7%
Ja: 352 432 (81,8%) / 20 6/2 Stände
Nein: 1 578 870 (18,2%) / 0 Stände
Parolen:
– Ja: EDU
– Nein: FDP, SP, CVP, SVP (3*), GP, LP, PdA, CSP; SGB; SEK
– Stimmfreigabe: EVP, SD
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Schwangerschaftsabbruch)
Abstimmung vom 2. Juni 2002
Beteiligung: 41,8%
Ja: 1 399 545 (72,2 %)
Nein: 540 105 (27,8%) /
Parolen:
– Ja: FDP, SP, GP, LP, PdA, CSP; SGB; SEK
– Nein: CVP (6*), SVP (11*), EVP, EDU; SBK
– Stimmfreigabe: SD
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die
Vox-Analyse der Abstimmung zeigte, dass nicht so sehr die CVP, wie am Abend der Abstimmung immer wieder gesagt, als vielmehr die nationale SVP von ihrer Basis im Stich gelassen wurde. Nur gerade 41% der SVP-Sympathisanten lehnten die Fristenregelung ab, während es bei der CVP immerhin fast zwei Drittel waren. Wenig schmeichelhaft für die CVP-Spitze war aber, dass trotz der Parole vom doppelten Nein 34% ihrer Anhänger der Volksinitiative zustimmten. Diese beiden Feststellungen wurden dahingehend interpretiert, dass das „katholisch-konservative Element“ an der CVP-Basis nach wie vor sehr stark zu sein scheint, auch wenn sich der Abstand zwischen Katholiken und Protestanten gegenüber 1977 verringert hat. Keine signifikanten Unterschiede im Stimmverhalten wurden zwischen den Landesteilen und bei den Merkmalen, Alter und Siedlungsart ausgemacht. Hingegen zeichnete sich eine deutliche Kluft zwischen Stimmenden ab, die sehr religiös sind, und denjenigen, die es weniger oder gar nicht sind. Erstere waren übrigens die einzige sozio-demographische Gruppe, welche die Fristenregelung ablehnte (70% Nein, bei gleichzeitig 63% Ja zur Initiative)
[53].
Bundesrätin Metzler nahm den Ausgang des Urnengangs sichtlich zufrieden zur Kenntnis, betonte aber, das klare Ja dürfe nicht als Banalisierung des Schwangerschaftsabbruchs interpretiert werden. Sie erachte das Ja vielmehr als Zustimmung zu einem Weg, dessen wesentliche Elemente die Prävention, Aufklärung und die Unterstützung von Frauen in Notlagen sind. Noch am Abstimmungssonntag rief sie in einem von Bundesrätin Dreifuss mitunterzeichneten Brief die Kantone dazu auf, die verschiedenen
Präventions- und Anlaufstellen weiter und wenn möglich stärker zu unterstützen. Die Fristenregelung trat auf den 1. Oktober in Kraft, doch konnten nicht alle Kantone rechtzeitig die notwenigen Vollzugsmassnahmen treffen (Bezeichnung der Spitäler und Praxen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden dürfen)
[54].
Der Nationalrat überwies eine Motion Bortoluzzi (svp, ZH), die verlangte, dass kein
medizinisches Personal zur Beteiligung an einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden kann und aus einer Weigerung keine Nachteile im Arbeitsverhältnis erfolgen dürfen, in der Postulatsform
[55].
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Registrierung gleichgeschlechtlicher Paare fand in der Vernehmlassung breite Zustimmung. Einzig SVP und EVP lehnten sie rundweg ab. Die Schweizerische Bischofskonferenz widersetzte sich einer zivilrechtlichen Regelung nicht, erklärte aber, sie würde keine homosexuellen Partnerschaften segnen. FDP, SP, dem Katholischen Frauenbund und den Homosexuellenorganisationen ging sie – insbesondere wegen des vorgesehenen Adoptionsverbots – zu wenig weit. In seiner Ende November verabschiedeten Botschaft hielt der Bundesrat aber daran fest, ebenso wie am Verbot des Zugangs zur Fortpflanzungsmedizin. Er begründete dies damit, dass sonst ein Kind entgegen der Natur rechtlich zwei Mütter oder zwei Väter hätte, wodurch es zum gesellschaftlichen Aussenseiter würde. Das
Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare stellt diese im Erb- und Sozialversicherungsrecht sowie bei der beruflichen Vorsorge den Ehepaaren gleich. Eine eingetragene Partnerschaft entsteht, indem die beiden Männer bzw. Frauen ihren Willen beim Zivilstandsamt zu Protokoll geben – anders als bei einer Eheschliessung gibt es kein Jawort. Auf den Namen und das Bürgerrecht hat dieser Akt keinen Einfluss. Ausländische Partner werden den ausländischen Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern resp. niedergelassenen Ausländerinnen und Ausländern gleichgestellt (Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung, nach fünf Jahren auf eine Niederlassungsbewilligung). Liegt offensichtlich ein Missbrauch vor, kann der Zivilstandsbeamte die Eintragung verweigern. Um möglichst wenig Probleme beim Aufheben der Verbindung entstehen zu lassen, werden die Partner (anders als Eheleute) von Gesetzes wegen der Gütertrennung unterstellt. Der Weg aus der anerkannten Partnerschaft ist kürzer als jener aus einer Ehe: Ein Jahr Trennung genügt, um auch gegen den Willen des anderen die Auflösung durchzusetzen
[56].
Der
Zürcher Kantonsrat stimmte einem Gesetz über die Registrierung gleichgeschlechtlicher Paare zu. Die Lösung bringt den betroffenen Personen wesentliche Verbesserungen im Sozialversicherungs- und Erbschaftsrecht, auferlegt ihnen aber durch eine Unterstützungpflicht auch Aufgaben. Gegen das Gesetz wurde von evangelikalen Kreisen das Referendum ergriffen, doch wurde es in der Volksabstimmung mit 62,7% Ja-Stimmen deutlich gutgeheissen
[57]. Das
Walliser Parlament lehnte ein Gesetz zur Gleichstellung homosexueller Paare ab. Es folgte dem Argument, der Schutz der Familie dürfe nicht abgeschwächt werden; eine kantonale Regelung dränge sich ohnehin nicht auf, weil eine eidgenössische Lösung weit fortgeschritten sei
[58]
[42] Presse vom 21.8.02. Siehe auch: Jürg Krummenacher, „Neue Perspektiven für die schweizerische Familienpolitik“, in
CHSS, 2002, S. 296-298. Vgl.
SPJ 2000, S. 252. Für eine Studie des BFS, die Einelternhaushalte und Familien mit mehreren Kindern als besonders armutsgefährdet bezeichnete, siehe oben, Teil I, 7b (Sozialhilfe). Der NR überwies eine Motion Leutenegger Oberholzer (sp, BL) zur Stärkung der Familien mit Kindern als Postulat (
AB NR, 2002, S. 614).
[43] Presse vom 28.6.02. Bedarfsleistungen für Familien verlangte auch ein Thesenpapier der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (
BaZ, 21.9.02). Siehe dazu auch eine NFP-Studie (
NZZ, 23.10.02). Vgl.
SPJ 1992, S. 253 f.
[44]
BBl, 2002, S. 4219 ff. und 4262 ff. (BR);
AB NR, 2002, S. 592 ff., 1491 ff. und 1705;
AB SR, 2002, S. 459 ff. und 938;
BBl, 2002, S. 6488 ff. und
BBl, 2003, S. 410; Presse vom 23.2. und 28.3.02. Vgl.
SPJ 2000, S. 252 f. (Studie) und
2001, S. 210. Für eine neue Studie siehe
NZZ, 20.11.02. Der NR überwies ein Postulat seiner SGK, das den BR ersucht, angesichts des Mangels an qualifiziertem Personal in den Einrichtungen für die Betreuung von Kindern Massnahmen zu prüfen (
AB NR, 2002, S. 606).
[45]
AB NR, 2002, S. 1783 ff. und 1983 f.;
AB SR, 2002, S. 1116 f. und 1208. Der NR überwies ein Postulat Fehr (sp, ZH), das den BR ersucht, mit einer statistischen Erhebung einen Überblick über die Zahl und die Formen der familienergänzenden Betreuungsverhältnisse zu geben (
AB NR, 2002, S. 461).
[46] Presse vom 6.7.02. Vgl.
SPJ 2000, S. 251 f. Zur steuerlichen Entlastung der Familien, wie sie im „Steuerpaket“ vorgesehen ist, siehe oben, Teil I, 5 (Direkte Steuern).
[47]
AB NR, 2002, S. 1783 ff. Zu den Kinderprämien siehe auch oben, Teil I, 7c (Krankenversicherung). Vgl.
SPJ 2001, S. 194.
[49]
AB NR, 2002, S. 1150 ff. und 1153 ff.;
Bund, 15.6.02;
24h, 14.9.02;
TA, 16.9.02; Presse vom 17.9.02. Siehe
SPJ 2001, S. 211.
[50]
AB NR, 2002, S. 1124.
[51] Abstimmungskampagne: Presse 12.3.-9.6.02. Entwicklung in den letzten 25 Jahren:
NZZ, 6.3. und 25.3.02. Geltende Praxis in den Kantonen :
LT, 17.4.02;
BaZ, 7.5.02. Interviews Metzler:
NZZ, 9.3.02;
LT, 25.3.02;
BaZ, 20.4.02; Presse
vom 27.4.02;
NLZ, 3.5.02;
CdT, 27.5.02. SVP: Presse vom 22.3. (Frauen) und 8.4.02. CVP: Presse vom 22.4. (Frauen) und 29.4.02. Werbemässig dominierten klar die Abtreibungsgegner die Abstimmungskampagne (zum Teil auch mit völlig unhaltbaren Zahlen und Behauptungen), weshalb in den Medien immer wieder die Frage nach deren finanziellen Quellen gestellt wurde (
Bund, 4.4.02;
SoZ, 7.4. und 5.5.02;
Blick, 22.5.02;
BaZ, 24.5.02). Siehe
SPJ 2001, S. 212 f.
[52]
BBl, 2002, S. 5117 ff. Siehe
SPJ 1977, S. 129 f. und
1985, S. 163.
[53] Engeli, Isabelle / Fischer, André-Bruno / Tresch, Anke,
Analyse der eidg. Abstimmungen vom 2. Juni 2002, Vox Nr. 77, Genf 2002.
[54] Presse vom 3.6.02;
NZZ, 1.10.02. Zwei Motionen Waber (edu, BE) für die Einführung der „anonymen Geburt“ sowie für ein Schutzprogramm für ungewollt schwangere Frauen wurden von links-grüner Seite bekämpft und der Entscheid deshalb verschoben (
AB NR, 2002, S. 458 und 2157). Zur „anonymen Geburt“ siehe
NZZ, 23.1.02;
LT, 4.2.02. Erstmals wurde ein Neugeborenes in der im Vorjahr am Spital Einsiedeln (SZ) eingerichteten „Baby-Klappe“ abgegeben (
TG, 7.9.02;
NZZ, 9.9.02).
[55]
AB NR, 2002, S. 1686. Siehe dazu auch eine Interpellation Waber (edu, BE):
a.a.O., IV, Beilagen S. 393 f. Vgl.
SPJ 2000, S. 254.
[56]
BBl, 2003, S. 1288 ff.; Presse vom 28.2., 4.10. und 30.11.02.
Siehe
SPJ 2001, S. 213.
[57]
TA, 22.1., 20.8., 24.8.02;
LT, 21.9.02; Presse vom 23.9.02. Siehe
SPJ 2001, S. 213.
[58]
TG, 27.6.02; Presse vom 7.12.02.
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