Année politique Suisse 2002 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
 
Hochschulen
Im Vorjahr hatte der Bundesrat seinen Entwurf für einen neuen Hochschulartikel in der Bundesverfassung in die Vernehmlassung gegeben. Darin sollen der Bund und die Kantone verpflichtet werden, ihre Hochschulpolitik (einschliesslich der Fachhochschulen) landesweit und partnerschaftlich aufeinander abzustimmen. Ziele sind eine grössere Mobilität der Studierenden sowie eine engere Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft. Die Parteien, die Wirtschaftsverbände und die Betroffenen zeigten sich mit den Vorschlägen nur beschränkt zufrieden. Die schlechtesten Noten erhielt der Entwurf von der SP. Sie bezeichnete ihn als „nicht akzeptabel“ und verlangte vom Bundesrat eine Überarbeitung. Der grösste Mangel sei die fehlende Idee einer gesamthaften Steuerung in der Hochschulpolitik. Zudem drücke sich der Vorschlag um die Definition von klaren Schwerpunkten im universitären Angebot. Die FDP äusserte sich zwar positiv zum grundsätzlichen Geist der Reform, meinte aber, diese werde zu zögerlich angegangen. So sei das Problem der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen nicht gelöst. Bezüglich der Finanzierung werde das Subsidiaritätsprinzip ignoriert. Auch die CVP bemängelte, dass die zentrale Frage der Finanzierung weitgehend ausgeklammert werde. Am zufriedensten zeigte sich die SVP. Sie begrüsste die allgemeine Stossrichtung und kritisierte lediglich die vorgesehene begriffliche Gleichsetzung von Fachhochschulen und akademischen Universitäten. Grundsätzliche Einwände erhob die Konferenz der Universitätsrektoren (Crus). Sie fragte sich, ob wirklich schon kurz nach dem Inkrafttreten des revidierten Universitätsförderungsgesetzes die Weichen für weitergehende Umgestaltungen zu stellen seien. Ähnlich zurückhaltend äusserten sich mehrere Kantone, der Wirtschaftsverband Economiesuisse, der ETH-Rat und die Konferenz der Fachhochschulen. Kontrovers beurteilt wurde auch die Ausgestaltung des kooperativen Föderalismus. Die Konstruktion einer gemeinsamen Zuständigkeit von Bund und Kantonen wurde vom Kanton Waadt und der Crus verfassungsrechtlich angezweifelt. Nach Kenntnisnahme der Vernehmlassungsergebnisse beauftragte der Bundesrat die beiden involvierten Departemente (EDI und EVD), den Entwurf noch einmal gänzlich zu überarbeiten [27].
Ende Oktober nahm eine Delegation unter Bundesrätin Dreifuss in Paris einen OECD-Länderbericht zum tertiären Bildungsbereich in der Schweiz entgegen und diskutierte die darin enthaltenen Empfehlungen mit dem „Comité de l’éducation“ der OECD und mit den an der Überprüfung beteiligten Experten. Der Bericht war Ende der 90er Jahre auf Anfrage der Schweiz in der Absicht gestartet worden, den Stand der in der Schweiz stattfindenden Reformen im Bereich der Universitäten und Fachhochschulen durch ein international anerkanntes Gremium überprüfen zu lassen. Die wichtigsten Fragen betrafen den Hochschulzugang, das Niveau des Fachhochschulausbaus, die Umsetzung der Ziele der Bologna-Doktrin (Einführung zweistufiger Studiengänge nach angelsächsischem Modell) und die damit zusammenhängende Frage des Europäischen Kredit-Transfer-Systems ECTS, die Erneuerung von Lehre und Forschung, die Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften, die Weiterbildung, das Monitoring des Tertiärsystems, die Beziehungen zwischen Bund und Kantonen und die Internationalisierung des Hochschulbereichs. In ihrem Bericht anerkannten die Experten das insgesamt hohe Niveau der Ausbildung in der Schweiz sowie deren beträchtliches Potenzial bei der universitären Forschung, insbesondere bei den Natur- und den technischen Wissenschaften. Als beachtliche Leistungen wurden die in jüngster Zeit markant gesteigerte Maturitätsquote, der Fortschritt im Aufbau der Fachhochschulen und die zunehmende Einführung des New Public Managements im Hochschulbereich hervorgehoben. Nachholbedarf wurde hingegen bei der Frauenförderung, beim Hochschulzugang von Kindern nicht-akademischer Eltern und beim „life long learning“ geortet. Aufgrund ihrer Analyse formulierten die Experten einen ganzen Katalog von Empfehlungen an die Adresse der Schweiz, welche der Bundesrat zum Teil in seine Vorschläge zur Förderung von Bildung, Forschung und Technologie (BFT) in den Jahren 2004-2007 aufnahm [28].
Die Schweizerische Universitätskonferenz (SUK) forderte vom Bundesrat eine „substanzielle Erhöhung“ der Subventionen an die kantonalen Universitäten. In der Beitragsperiode 2004-2007 sollten die gesamten Kredite um 900 Mio Fr. erhöht werden. Die SUK begründete ihr Begehren mit den ständig steigenden Studierendenzahlen und den anstehenden tiefgreifenden Reformen. Sie wies darauf hin, dass sich von 1990 bis 2000 die Zahl der Studierenden an den Schweizer Universitäten (ETH inbegriffen) um 12% von 86 000 auf 97 000 erhöht habe. Im gleichen Zeitraum sei die Summe aller öffentlicher Finanzierungen der Universitäten real (in Franken von 2000) von 4,0 Mia Fr. auf 3,3 Mia resp. um 17% reduziert worden, während gleichzeitig alle politischen Parteien die Bedeutung von Bildungsanstrengungen immer wieder hervorgehoben hätten [29].
Die Universität Basel machte zügig voran mit der Umsetzung der Bologna-Deklaration. Nachdem schon auf das Wintersemester 2000/01 das dreistufige System (Bachelor, Master, Doktorat) in den auf diesen Zeitpunkt neu eingerichteten Pflegewissenschaften eingeführt worden war, erfolgte auf das Wintersemester 2002/03 erstmals an einer Schweizer Universität die Umstellung in den gesamten Naturwissenschaften sowie im Bereich Sport. 2003 soll „Bologna“ auf die wirtschaftswissenschaftliche, juristische und geisteswissenschaftliche Fakultät ausgedehnt werden. Erleichtert wird die Umsetzung in Basel durch eine überwiegend positive Einstellung der Studierenden gegenüber dem Bologna-System. Der gesamtschweizerische „Verband der Schweizerischen StudentInnenschaft“ (VSS) und die aus dem Dachverband ausgetretene Genfer Studentenkonferenz äusserten demgegenüber nach wie vor grosse Vorbehalte gegen „Bologna“, da sie in der vorgesehenen Strukturänderung die Gefahr einer Verschulung der Studien und eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit sehen [30].
Anfang März leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft für eine Teilrevision des ETH-Gesetzes zu. Damit soll die Autonomie der sechs wissenschaftlichen Institutionen des Bundes – ETHZ und ETHL sowie die vier Forschungsanstalten mit den Schwerpunkten Wasser (Eawag), Wald und Schnee (WSL), Materialprüfung (Empa) und Grossforschungseinrichtungen (PSI) – rechtlich untermauert und weiterentwickelt werden. Der ETH-Bereich bleibt dem EDI zugeordnet, ist diesem aber nicht mehr „unterstellt“. Als wichtigstes Instrument der politischen Führung soll der vierjährige Leistungsauftrag verankert werden. Er bestimmt die Schwerpunkte und die Ziele in Lehre, Forschung und Dienstleistung und ist auf den Finanzierungsbeitrag des Bundes abgestimmt, den das Parlament für Betrieb und Investitionen in einem vierjährigen Zahlungsrahmen, verbindlich aber nur mit dem jährlichen Globalbudget festlegt. Die zuständigen Kommissionen von National- und Ständerat sind zum Leistungsauftrag anzuhören. Die Kompetenzen zwischen dem ETH-Rat und den sechs Institutionen werden klarer abgegrenzt. Die Schulpräsidenten erhalten Stimmrecht im ETH-Rat. Die Verwertung der Forschungsergebnisse wird explizit als Aufgabe der ETH definiert; sie darf sich künftig an Unternehmen beteiligen, allerdings nicht aus rein finanziellen Motiven. Entgegen seinem ersten Entwurf verzichtete der Bundesrat auf eine Eigentumsübertragung der Grundstücke und Gebäude [31].
Im Ständerat, der die Revision als Erstrat behandelte, gab eigentlich nur der Leistungsauftrag zu reden. Die kleine Kammer stimmte dem Antrag ihrer WBK zu, dass der Leistungsauftrag nicht nur von den zuständigen Parlamentskommissionen, sondern vom jeweiligen Plenum zu genehmigen sei. Der Antrag wurde damit begründet, dass die ETH nicht ein FLAG-Amt sei, weshalb auch andere gesetzliche Regelungen anzuwenden seien. Bundesrätin Dreifuss warnte, die Verlängerung des Verfahrens durch die erforderliche Vorlage ans Parlament könne auf Kosten der Qualität und der raschen Umsetzung gehen. Um ihren Bedenken entgegen zu kommen, schlug Stadler (cvp, UR) eine Ergänzung vor, wonach der Bundesrat (wie bei der SBB) aus wichtigen, nicht vorhersehbaren Gründen den Leistungsauftrag während der Geltungsdauer soll ändern können. Der Antrag der Kommission wurde oppositionslos, jener von Stadler mit 29 zu 6 Stimmen angenommen [32]. Einstimmig wurde von beiden Kammern das Bauprogramm 2003 der Sparte ETH-Bereich verabschiedet, das einen Verpflichtungskredit in der Form eines Sammelkredits von 78,22 Mio Fr. umfasst [33].
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Kooperation unter Hochschulen
Im Vorjahr hatte der Rektor der Universität Lausanne, der wegen des „projet triangulaire“, der Hochschulkoordination am Genfersee, eine Ausdünnung des Universitätsstandortes Lausanne befürchtete, den brisanten Vorschlag gemacht, die kantonale Universität mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL) zu fusionieren. Der Waadtländer Staatsrat schloss dieses Vorgehen Anfangs Jahr aus, da es mit geschätzten Kosten von rund 100 Mio Fr. zu teuer wäre und zudem von der ETHL nicht gewünscht werde. Sie beschloss demgegenüber, auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Universität Neuenburg zu setzen. Für diese Kooperation vor allem im Bereich der Post-Graduate-Studien wurden ein gemeinsamer Rektoratsrat und ein Koordinationsfonds eingesetzt [34].
Die mit Neuenburg im Universitätsverbund BeNeFri zusammengeschlossenen Universitäten Bern und Freiburg zeigten sich düpiert ob dem Vorgehen Neuenburgs, insbesondere weil der Rektor der Universität Neuenburg sprachliche und konfessionelle Gründe für diese partielle Neuausrichtung geltend machte. In der Presse wurde dieses Ausscheren auch damit erklärt, dass Neuenburg gleich wie die Universitäten Genf und Lausanne der Umsetzung der Bologna-Doktrin skeptisch gegenübersteht. Die Erziehungsdirektoren der Kantone Bern, Neuenburg und Freiburg legten hingegen ein Bekenntnis zu BeNeFri ab und kündigten eine noch weiter gehende Zusammenarbeit an [35].
Der Vetsuisse-Rat, das im Vorjahr von den Regierungen der Kantone Bern und Zürich zur Entwicklung eines Kooperationsmodells eingesetzte Gremium, beschloss die Fusion der beiden Veterinärmedizinischen Fakultäten der Universitäten Bern und Zürich auf das Studienjahr 2002/03 hin. Der Vetsuisse-Rat schlug vor, dass die Ausbildung der Tierärzte weiterhin an beiden Standorten erfolgen soll, dass aber gewisse Spezialitäten nur noch an einem Ort angeboten werden [36].
Life-Science-Aktivitäten der ETHZ und der Universität Basel sollen in Basel zusammengeführt werden. Den „Kick-off“ zu diesem Projekt vollzogen Ende Jahr Spitzenvertreter des Bundes und des Kantons Basel-Stadt sowie der ETH und der Universität Basel. Im neuen Institut sollen Stärken des ETH-Bereichs wie der Universität Basel im biomedizinischen Bereich zusammengefasst werden. Wenn sich die Zusammenarbeit bewährt, soll sie im Hinblick auf die BFT-Botschaft für die Jahre 2008-2011 in die Bildung einer ETH-Institution in Basel münden [37].
In der Bodenseeregion und im Raum Basel bestehen Vernetzungen über die Landesgrenzen hinaus. Rund 600 Studierende sind in Studiengängen und Fachbereichen im Rahmen der Internationalen Bodenseehochschule (IBH) eingeschrieben. Zur IBH gehören die Universitäten Konstanz, St. Gallen und Zürich sowie die meisten Fachhochschulen der Anrainer-Staaten im Bodenseeraum. Allerdings beschränken sich die konkreten Kooperationsprojekte in der Regel auf zwei, und nur vereinzelt auf mehrere Bildungsinstitute [38]. Nachdem im Rahmen der EU-Initiative Interreg II bereits zwei eher marginale trinationale Ausbildungen im Ingenieurbereich geschaffen worden waren, wurde im Herbst ein dritter Studiengang angeboten. Mit dem Bauingenieurwesen betrifft er eine traditionelle Disziplin technischer Hoch- und Fachhochschulen. Das Projekt wird im Rahmen von Interreg III von der Fachhochschule beider Basel, der Fachhochschule Karlsruhe und der Universität Robert Schumann in Strassburg realisiert [39].
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Stellung der Frauen an den Hochschulen
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) änderte im Interesse der Frauen per 1. Januar seine Richtlinien für die Zuteilung eines Forschungsstipendiums. Frauen, welche die bisherigen Alterslimiten (33 für junge resp. 35 Jahre für ausgewiesene Forscherinnen) überschritten haben, können dennoch einen Stipendienantrag stellen. Diese Regelung ist bisher einzigartig in Europa und trägt dem Umstand Rechnung, dass Frauen mit Familienpflichten ihre Universitätskarriere weniger zielstrebig verfolgen können als ihre männlichen Kollegen [40].
Ende Jahr wurde in Bern die Datenbank „femdat“ als neue Dienstleistung zur Förderung der Frauen in der Berufswelt vorgestellt. Es handelt sich dabei um ein Netzwerk von Wissenschafterinnen und Expertinnen unterschiedlicher Fachgebiete. Das Angebot richtet sich an Universitäten, Fachhochschulen, Forschungsinstitutionen, Unternehmen, Kommissionen, Verwaltung, Medien und Privatpersonen. „femdat“ will zur Verbesserung der beruflichen Gleichstellung und zur vermehrten Präsenz der Frauen im öffentlichen Leben beitragen. Die Datenbank wird von einem Verein getragen, dem die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften sowie verschiedene gleichstellungs- und frauenspezifische Hochschulabteilungen und Gruppierungen angehören. Unterstützt wird „femdat“ zudem von den Schweizerischen Akademien für Naturwissenschaften sowie für Geistes- und Sozialwissenschaften [41].
Die Verantwortlichen des Aktionsprogramms „Chancengleichheit an den Fachhochschulen zogen eine positive Zwischenbilanz. An einer Tagung des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie wurde betont, dass ihm Rahmen des Programms neue Studiengänge entwickelt worden seien, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen ausgerichtet sind. Zudem habe man die Lücken im Bereich „Gender Studies“ schliessen können [42].
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Studierende
Wie das Bundesamt für Statistik (BFS) mitteilte, begannen 2001 30% der jungen Erwachsenen in der Schweiz ein Hochschulstudium; 1981 waren es erst 12% gewesen. 17 582 Personen nahmen eine Ausbildung an universitären Hochschulen und 9227 eine an den Fachhochschulen auf. Insgesamt studierten knapp 100 000 Personen an einer universitären Hochschule der Schweiz, rund 29 000 an einer Fachhochschule. Gemäss BFS trugen der dynamische Wandel des Hochschulsystems und die wachsende Bildungsnachfrage sowie die Fachhochschulen und deren fortschreitende Anerkennung wesentlich zu der Öffnung der letzten zwanzig Jahre bei. Bei den Fachhochschulen stieg die Quote seit ihrer Gründung 1997 von 5,2 auf 9,7% der jugendlichen Bevölkerung. 2001 lag der Anteil der Frauen beim Universitätseintritt erstmals höher als jener der Männer. Gemäss BFS nimmt die Beteiligung der Frauen jedoch ab, je fortgeschrittener das Studium ist. Bei der Gesamtheit der Studierenden machen die Frauen lediglich noch 48% aus. Von den Abschlüssen wurden 2001 34% der Doktorate und 45% der Lizenziate und Diplome von Frauen erworben. Ein starkes Ungleichgewicht in der Geschlechtervertretung besteht nach wie vor an den Fachhochschulen. Dort waren 2001 lediglich 33% der Studienanfänger Frauen. Das BFS begründete den Unterschied mit dem bisher mehrheitlich von typischen Männerdomänen bestimmten Fächerangebot; Fachbereiche wie Kunst oder Soziale Arbeit befänden sich an den Fachhochschulen erst im Aufbau [43].
Gemäss einer auf Zahlen von 1998 basierenden Studie der OECD ist die Schweiz das Land mit dem zweithöchsten Anteil von ausländischen Studenten. Auf 1000 Studierende an einer Schweizer Hochschule kommen 160 Studenten aus dem Ausland. Lediglich Luxemburg (305) weist einen noch höheren Anteil auf. Es folgen Australien (126), Österreich (115) und Grossbritannien (108). Die Nachbarländer Deutschland (81) und Frankreich (73) befinden sich im Mittelfeld, die USA (32) am unteren Ende der Skala. Umgekehrt verlassen 45 von 1000 Schweizer Studentinnen und Studenten das Land, um ihr Studium im Ausland weiter zu führen. Unter den ausländischen Personen, die sich an einer Schweizer Hochschule ausbilden lassen, stellen die Studierenden aus Deutschland fast einen Viertel (22,4%), gefolgt von Italien (15,6%), Frankreich (10,6%) und Spanien (6,0%) [44]. Der Nationalrat nahm ein Postulat Neirynck (cvp, VD) an, das den Bundesrat ersucht zu prüfen, welche Änderungen des geltenden Rechts nötig sind, damit die ausländischen Forscher, die an Schweizer Hochschulen ausgebildet werden, besser integriert und vermehrt dazu angeregt werden, nach dem Studium in der Schweiz zu arbeiten [45].
Das europäische Studentenaustauschprogramm Erasmus konnte auf sein zehnjähriges Bestehen zurückblicken. In diesem Zeitraum stieg die Zahl der Studierenden, die von dieser Finanzhilfe profitieren, um ein Semester im Ausland zu verbringen, von gut 300 auf fast 1500. Eine vom Bundesamt für Bildung und Wissenschaft herausgegebene Broschüre zeigte, dass die Möglichkeiten von Erasmus allerdings sehr unterschiedlich genutzt werden. Demnach sind die Westschweizer Studierenden mobiler als die Deutschschweizer. Zudem sind die Geisteswissenschaften klar übervertreten: sie stellen 27% aller Stipendiaten, aber nur 18% aller Studierenden. Untervertreten sind hingegen die Sozialwissenschaften und die Ingenieure [46].
Die Studierendenorganisationen der beiden ETH und der Universität St. Gallen schlossen sich Ende Jahr zum „Verein Schweizerischer Hochschulstudierendenschaften“ (VSH) zusammen, um in der nationalen Hochschulpolitik mitzuwirken. Der neue Verband will offen sein für analoge Organisationen aus weiteren Universitäten und Fachhochschulen. Er tritt neben den 1920 gegründeten „Verband der Schweizerischen StudentInnenschaft“ (VSS), der an sieben Universitäten und an der Zürcher Fachhochschule verankert ist. Der VSH erklärte, er wolle keine Konkurrenz zum VSS sein. Differenzen zum traditionellen Verband waren aber nicht zu übersehen. So sprach sich die neue Dachorganisation deutlich für einen konstruktiven Dialog mit den Universitätsleitungen aus, während der VSS seine Kritik an der Bologna-Studienreform aufrecht erhält. Die vom VSH beabsichtigte Beschränkung auf Fragen des Studiums und der Studierenden unterscheidet sich von der Praxis des VSS, die Grenze der Zuständigkeit weit zu ziehen und sich auch zu Themen wie der Mutterschaftsversicherung (mit Blick auf studierende Mütter) zu äussern [47].
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Studiengebühren und Stipendien
Der Nationalrat lehnte sowohl die Motion der SP-Fraktion, die eine stärkere Vereinheitlichung des Stipendienwesens verlangte, als auch jene der SVP ab, die leistungsabhängige Stipendien forderte [48].
Als erster Universitätskanton möchte Zürich die von der Interkantonalen Universitätsvereinbarung festgelegte Höchstgrenze für die Studiengebühren mit der geplanten Revision des Universitätsgesetzes voll ausschöpfen und die Semestergebühren praktisch verdoppeln (von heute 640 auf maximal 1224 Fr.). Dagegen regte sich heftiger Widerstand der Studierenden, welche diese Erhöhung als Angriff auf die Chancengleichheit bezeichneten. Zunehmend hänge es vom Einkommen der Eltern ab, ob jemand ein Studium beginnen könne. Bereits heute seien vier von fünf Studierenden auf einen Nebenerwerb angewiesen, was die Chance auf einen Abschluss vermindere. Auch weitere Elemente des Revisionsvorhabens – so etwa die Stärkung des Universitätsrats und die Verschärfung des Numerus clausus – wurden als „Gegenreform“ gewertet mit dem Ziel, eine Eliteuniversität nach angelsächsischem Vorbild zu schaffen [49].
 
[27] TA, 9.1.02; NZZ, 15.1.02; Presse vom 1.6.02. Siehe SPJ 2001, S. 224.
[28] Presse vom 23.10.02. Zu „Bologna“ siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Ricklin (cvp, ZH) in AB NR, 2002, Beilagen I, S. 371 ff.
[29] LT, 6.7.02; NZZ, 9.7.02.
[30] NZZ, 5.4. und 15.4.02; Bund, 20.6.02.
[31] BBl, 2002, S. 3465 ff.; Presse vom 5.3.02; NZZ, 22.8.02. Siehe SPJ 2001, S. 224. Um die bisherige Zielerreichung innerhalb des Leistungsauftrages abzuschätzen, wurde im Sommer eine Zwischenevaluierung durch eine international zusammengesetzte Gruppe namhafter Experten durchgeführt. Einige ihrer Empfehlungen sind in der Totalrevision des ETH-Gesetzes bereits berücksichtigt, andere sollen in den Leistungsauftrag für die Jahre 2004-2007 aufgenommen werden (Presse vom 28.8.02).
[32] AB SR, 2002, S. 780 ff. Eine Motion Neirynck (cvp, VD), die verlangte, dass der BR für jede ETH je einen Verwaltungsrat bestimmt, wurde vom NR in Postulatsform angenommen (AB NR, 2002, S. 306). Der SR überwies eine Empfehlung Hofmann (svp, ZH), die den BR ersucht, im Leistungsauftrag 2004-2007 besonderes Gewicht auf die Raumplanung zu legen (AB SR, 2002, S. 1058 f.).
[33] BBl, 2002, S. 5369 ff.; AB SR, 2002, S. 650 f.; AB NR, 2002, S. 1924 f.
[34] LT, 9.1., 10.1., 17.1., 2.4., 16.10. und 23.10.02; Presse vom 2.2.02; 24h, 2.5.02. Siehe SPJ 2001, S. 227. Enger soll auch die Zusammenarbeit zwischen Neuenburg und der ETHL werden: die beiden Institutionen planen einen gemeinsamen Lehrstuhl für Weltraumtechnologie (LT, 30.1.02).
[35] NZZ, 9.2.02; Bund, 5.3. und 17.4.02. Zur Skepis der Westschweizer Universitäten und der FHS gegenüber „Bologna“ siehe LT, 30.4.02. Vgl. SPJ 2001, S. 226.
[36] Bund, 14.5.02; TA, 14.5. und 15.5.05.
[37] NZZ, 21.12. und 24.12.02. Zur Stellung Basels in der Hochschullandschaft siehe eine Interpellation Plattner (sp, BS) im SR (AB SR, 2002, S. 651 ff.).
[38] SGT, 27.2., 17.9. und 22.10.02.
[39] NZZ, 24.2.02. Das seit dem Vorjahr angebotene trinationale Studium in International Business Management mit den Standorten Basel, Lörrach und Colmar fand reges Interesse (BaZ, 27.4.02).
[40] LT, 25.1.02; 24h, 31.1.02. Die Alterslimite wurde auch für das Projekt Nachwuchsförderungprofessuren des SNF erhöht, mit dem u.a. versucht wird, den ins Ausland abgewanderten wissenschaftlichen Nachwuchs wieder in die Schweiz zu holen (SHZ, 23.1.02).
[41] NZZ, 6.11.02. Eine NFP-Studie zeigte, dass die geringe Präsenz der Frauen im Hochschulbereich weniger auf die Unvereinbarkeit von Kindern und Karriere zurückzuführen ist, als vielmehr auf das Fehlen von Kontaktnetzen (TA, 28.8.02).
[42] NZZ, 18.4.02.
[43] Presse vom 18.12.02. Nach einem Szenario des BFS wird die Zahl der Studierenden an den Universitäten bis 2010 auf 113 000 (+13%) und an den FHS auf 26 000 (+35%) steigen. Besonders stark ist das Wachstum in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Im Weiteren dürfte sich die Zahl der Diplome in Informations- und Kommunikationstechnologien auf allen Stufen vervielfachen (Lit. Bildungsprognosen Presse vom 18.5.02).
[44] Lit. International; LT, 22.3.02.
[45] AB NR, 2002, S. 2161. Siehe SPJ 2001, S. 226.
[46] Presse vom 6.6.02. Da das Verhandlungsmandat der EU noch nicht beschlossen ist, kam es zu keinen Verhandlungen um eine Aufnahme der Schweiz in das Erasmus-Nachfolgeprogramm Socrates. Vgl. SPJ 2001, S. 228.
[47] Presse vom 17.12.02.
[48] AB NR, 2002, S. 293 ff. Siehe SPJ 2001, S. 228.
[49] WoZ, 12.12.02; Presse vom 13.12.02.